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Ludwig Anzengruber
(1839-1889)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Nächtlich und alltäglich
(Ein lyrisches Gedicht)
So silberhell erglänzt im Mondenschein
Des Quellensprudels Naß, so klar und rein,
Lind in die Nacht haucht Rose ihren Duft,
Leis Nachtigall die Klage in die Luft.
Ich hingestreckt am kühlenden Waldessaum,
Hatte wachend einen lebendgen Traum:
In Himmels tiefem Blau die Sternelein,
Sie däuchten mir Liebchens Auge rein,
Die Äuglein, die mir stets so freundlich winkten,
Wie jene Sternlein klar und licht dort blinkten.
Und Traum und Nacht bewegten meine Brust,
Daß ich so still geweint ob weher Lust - -
- - - - - - - - - - - - - - - - -
Vom wachen Traum,
Vom Waldessaum,
Vom Weh der Brust
Und Tränenlust,
Vom Quellgesprudel und Sternelein,
Von Liebchens blinkenden Äugelein,
Von Röschen, Nachtigall und Mondenschein -
Das wird ein lyrisches Gedicht doch sein? -
(S. 18-19)
_____
An J . . . H . . .
I.
Du magst es Kaltsinn, Blödheit
nennen,
Daß ich nicht suche Stund um Stund
In deiner Anmut Hauch zu brennen,
Und doch ist heiße Lieb der Grund.
Nicht will ich kommen ungelegen,
Dich treffen, meiner stets bereit,
Mein Herz im Tiefsten aufzuregen,
Biet ich dir die Gelegenheit.
In holder Schalkheit sollst du zeigen
Des neckschen Geistes süße Macht -
All jenen Reiz, womit der Reigen
Der Grazien dich früh bedacht.
So süß berauschend wirkt das Schauen
Des Weibes, seiner Macht bewußt,
's ist weiblich schöne Kunst der Frauen,
Die Wackersten beklemmt die Brust.
Ein Götterbild, das sich zu schenken,
Zu nehmen weiß und wieder gibt,
Erzwingt ein dankbar froh Gedenken,
Das treu das ewig Neue liebt.
Das ist's, was mich noch fern zu halten
Von deines Auges Strahl vermag,
Dein ist dies Herz, des magst du schalten,
Es folgt dir freudig sonder Klag.
Mag es dein Reiz in Ketten legen,
Es bliebe dein, - wenn auch befreit -! -
Nicht will ich kommen ungelegen,
Dich treffen meiner stets bereit.
Du magst es Kaltsinn, Blödheit nennen,
Daß ich nicht suche Stund für Stund
In deiner Anmut Hauch zu brennen,
Und doch ist heiße Lieb der Grund.
II.
Willst dieses Herzens Lieb du
rügen,
Belächeln seine Lieb, sein Leid?
Oh sieh, mein Lieb, ich kann nicht lügen,
Mir fesselt es die Dankbarkeit.
Du hast der Hoffnung Saat gestreuet,
Ermuntert mich mit liebem Wort,
Hast meines Fühlens Kern erneuet -
Oh, schrecke jetzt mich nimmer fort.
Will deinem Denken, deinem Wollen
Ein Sklave sein, der treu sich schickt,
Der nur ein Müssen kennt, ein Sollen,
Wenn nur dein Aug ihm heiter blickt.
Gebannt bin ich in deinem Kreise
Durch deiner Schönheit holde Macht,
Ich ändre Art und Mannesweise,
Wenn nur dein Mund zum Tausche lacht.
Doch sanft gebrauch die sanften Mächte,
Verhöhne nicht des Sklaven Kleid,
Sonst tritt der Mann in seine Rechte,
Verachtet fühlt sich Lieb befreit.
Ein Weib, das uns die Liebe lüget
Durch Tun und Handeln, ist entweibt,
Betrogne Lieb - dies Eisen pflüget
Die Furche, die am tiefsten bleibt.
Du hast so freundlich mir gelächelt
Mit sinnig holdem Angesicht,
Den süßen Traum, der mich umfächelt,
Du träumst ihn mit - du weckst mich nicht!
III.
Ein Täuschen könnte schwer mich
drücken
Und ringen meine Kraft zu Fall,
Wenn all die Wort, die mich beglücken,
Nur Worte sind und leerer Schall.
Wenn alles, was du hast gesprochen,
Für alle könnt geredet sein,
Nur Blätter, von dem Baum gebrochen,
Vom Baum der modschen Faselein.
Du könntest mich durch Kälte quälen
Wie schnee'ge Deck die Wintersaat,
Es kämen deine Sonnenhellen,
Der Liebe Keim, er würd zur Tat.
Doch frostig nasse Kälte brennet
Zu Tod den Keim, der hoffend harrt,
Der, wenn der Pflug die Stoppeln trennet,
Lebendig tot wird umgescharrt.
Mein ist die Schuld - und der vermessen
Dir mehr als andre wollte sein,
Den magst ohn Mitleid du vergessen -
Ich träumt - du wachst - die Schuld ist mein.
IV.
Du willst, ich solle zu dir kommen,
Wie freudig doch gehorcht mein Herz,
Du hast den Schüchternen und Frommen
Doch nicht erwählet dir zum Scherz?
O nein, das könnt ich nimmer glauben.
Wie bist du doch so hold und zart,
Du willst das Ideal nicht rauben,
Das ich in mir von Frauenart.
Du willst mich fesseln wohl und binden,
Wie Schönheit ihre Rechte übt,
Ich will in Sklaverei mich finden,
So hold, wie keine es mehr gibt.
Den holden Fesseln will ich bieten
So freudig Hand und Herz und Mund,
Will leiden, was die Lieb gelitten,
Seit erstem Leid bis diese Stund.
Die Launen all, die mich zu plagen
Dein holdes Köpfchen sinnt und heckt,
Den Zorn, so reizend, weiche Klagen,
Mein Herz in süßer Schlaffheit trägt.
Das süße Schwärmen, selge Ahnen,
Die Liebe ohne Rand und Band,
Soll ganz den Sklaven dir entmannen,
Der Freiheit gibt für süßen Tand.
Der, wie die Fessel straff und lose,
Die Flamme reinet oder schürt
Und in dem süßesten Gekose
Doch nur dein eigenst Eigen wird.
V.
Das reinste Sehnen und Verlangen,
Es ist ein Schalk, der uns belügt,
Der mit der Liebsten reizumfangen,
Ein loser Krämer, uns betrügt.
Er zeigt das Süße und das Holde,
Er schildert des Besitzes Glück,
Umstrahlt vom überirdschen Golde,
Und keiner nähm den Preis zurück.
Wie Flitter auch um Flitter sinket
Und Tugend sich mit Fehlern gleicht,
Des Käufers trunknen Blicken dünket
Doch sein Errungnes unerreicht.
Nun übt er Jahre durch für Jahre
Die süße Kunst, die Tag für Tag
Für all das Nüchterne und Wahre
Geträumtes nur ertauschen mag.
Die Narben, die Geschick geschlagen,
Den Reiz, den raubt der Jahre Lauf,
Er überschaut's nach frühern Tagen
Und seine Liebe bleibt ihm auch.
Die Liebe um Vergangnes spaltet
Das arme Jetzt mit seinem Neid,
Wenn "Einst der Lieb" im Heute schaltet,
So ahnst du ihre Ewigkeit.
Es ladet Engel wohl zu Tische
Die Lieb aus unermeßnen Höhn,
Doch bleibet ihrer Jugendfrische
Der Erde Weib so himmlisch schön.
Doch dies Enttäuschen hieß willkommen
Ein jeder Schalk noch auf der Erd,
Die Ehrfurcht mag dem Engel frommen,
Das Weib jedoch ist küssenswert.
Euch muß der Laune Trotz und Necken,
Der oft vergossnen Träne Tau
Nicht aus der Liebe Himmeln schrecken,
Es ist ein altes Recht der Frau.
Seht näher zu: in all den Falten
Der herben Lust und süßen Qual
Seht ihr doch euern Freund, den alten:
Prinz Amor ist's im Karneval!
Selbsttrügerisch will ich mich blenden
Und folgen breit getretner Spur,
Die Bind, geknüpft von eignen Händen,
Will ich nicht sehen - fühlen nur.
Will dich zuerst als Engel schauen
Im süßen, liebdurchpulsten Traum
Und dann als Perle holder Frauen
Verwahren in des Herzens Raum.
Dies Herz sei deine Webekammer,
In der die Willkür deiner Gunst
Der Liebe groß und kleinen Jammer
Verwirrt nach echter Frauenkunst.
Und doch sei treu dir übergeben
Jedwede Fiber zart und klein,
Da magst du Haß und Liebe weben,
Du spinnst am End dich dennoch ein.
Und willst als Schmetterling, du Lose,
Das Herz mir brechen, deinen Hort,
Lockt dich das Veilchen, lockt die Rose,
Nicht halt ich dich - du flattre fort.
Erfahrung lehrt, daß oft geschehen
Solch schmerzend Weh manch braven Mann,
Den hat man weinen, sterben sehen,
Den seufzend es betrogen dann.
Ich will nicht weinen, seufzen, girren,
Und wenn ich dich dann wieder frei,
Will ich dich mit dem Trost verlieren,
Daß nicht das erstemal es sei.
Daß dieses Lösen, dieses Binden,
Der alte Bruch, das neue Band,
Das Haßverlaufen, Liebend-Finden
Von altersher schon oft sich fand.
Daß - stille! Noch ist mir geblieben,
Die Zuversicht, der Glaub an dich!
Von deiner Hand jedoch, der lieben,
Da brächte Tod ein Nadelstich.
Die Wunde nicht wär mein Verderben,
Doch Untreu bricht ein treues Herz,
Nicht jene Wunde macht mich sterben,
Nur des Verwundens herber Schmerz.
VI.
Es war ein herbstlich trüber Morgen
Und krankhaft hob sich dir die Brust
Und seufzend sprachst du aus die Sorgen
Um deines Daseins kurze Lust:
"Zu Ende geht es bald mit mir!"
Und soviel Anmut sollte enden -
Die Sonne nimmer schaun ihr Sein?! -
Entfleischt, wie Not von Wuchrerhänden,
So ward mein Herz durch dieses dein:
"Zu Ende geht es bald mit mir!"
Ich konnte sinnen nicht, nicht schaffen.
Und betete in trüber Pein:
Gott möge dich der Lüge strafen
Und lasse mich das Opfer sein:
Nur geh es nicht zu End mit dir! -
VII.
Von Todesahnung jüngst
durchschauert,
Hast du geseufzt in bangem Weh, -
Ein böser Kobold hat gelauert
Zur selben Stund in unsrer Näh.
Mir war so schwer ums Herz geworden,
Ich schloß mich in mein Kämmerlein
Und quälender Gedanken Horden,
Sie zogen in das Herz mir ein.
Sie fanden leer die heilgen Stätten,
Wo ich vor kurzem aufgeschaut
Zu deinem Bild, es anzubeten
Mit süßem, liebevollem Laut.
Sie zogen eine breite Straße -
Vom kranken Herze nicht bedroht
In ihrem allgewaltigen Hasse,
Der Liebe Mal zum Himmel loht.
So tobte nun in meinem Herzen
Der Brand - es wurde allzuschwer -
Und aus Gedanken wurden Schmerzen
Und all mein Sinn ward liebeleer.
Hatt eine Kenntnis nun erworben,
Die war so gallenbitterlich,
Nicht wir - die Liebe war gestorben -
Wir lebten beide, du und ich.
Und wie ich später auf mich raffte,
Verderben und Vergessen sann,
Und weit die frische Wunde klaffte
Und aus dem Aug die Träne rann,
Da lief ich fort und fort ins Weite -
Im dunklen Wald, auf stiller Heid -
Ich sucht den Fleck, den ich bereite
Zum Grab für unsre Heimlichkeit.
Gestorbne Lieb wollt ich begraben -
So einsam, von dem Friedhof weit,
Wie die, die sich getötet haben
Vor übergroßem Weh und Leid.
Und eine Grube wollt ich scharren,
Nicht größer als das Herze mein,
Da sollt mein Hoffen und dein Narren,
Sollt unsre Lieb versenket sein.
Ich sah vor diesem Grüblein bange
In dumpfer, entnervender Qual,
Ein Spottfink überschlug schon lange
Die Lieder mir der Nachtigall.
Und da begann im Wald ein Graulen,
Als streckten sämtliche Getier
Aus ihrem Schlafe sich, die faulen,
Und kämen, mir zum Tort, herfür.
Und es erhob ein mächtig Tosen
Sich in der früher sanften Luft
Und weithin schleuderte die Rosen
Es weg von meiner Liebe Gruft.
Ich dachte dein, die glanzverblichen,
Ein feiles Weib, nun stand vor mir,
Die in dem Herzen, in dem siechen,
Nicht Liebe trägt, nur ekle Gier.
Verachtung faßte meine Seele,
Ich schämte mich der Tränen Naß
Und ließ an längstvergeßner Stelle
Verreckter Liebe faules Aas.
Ich schämte mich der Knabenschmerzen,
Die ich gehaucht in Sang und Reim,
Und zog mit manngewordnem Herzen,
Mit frischem Geiste wieder heim.
Und als ich meines Weges wallte,
Mein Schatz, vorbei an deiner Tür,
Von derbem Tritt die Flur erhallte
Und ritterlichem Schwertgeklirr.
Sah den Galan die Klinke drücken
Und sah ihn treten ein bei dir
Und sagt mit artgem Käppchenrücken:
"Fein gute Nacht, Herr Offizier!"
Und bin seither auch nicht verdorben,
Dein Bild im Herzen mir verblich,
Nicht wir, die Liebe war gestorben -
Wir leben beide - du und ich! (S.
19-30)
_____
Ein Lied
Im Städtchen mitten steht ein Bronn
Sein Wasser glitzert in der Sonn,
Ein Knapp steht überm Brunnenrand,
Den Schlägel in geballter Hand.
Und ob ich Tags, ob Nachts daran
Vorüberzieh - es regt mich an,
Dies Bild, es wiegt an Sinn so schwer,
Der Stein ist's, gegen Stein in Wehr.
Und neulich, als vom Liebchen ich
Die mondbeglänzte Straße schlich,
So milchig schleierweiß der Knapp,
Er nickt vom Postament herab.
Er spricht: "Ich bin dir zugetan,
Weil mir dein Geist 'nen Inhalt sann,
Was Geist behaucht, wird stumm nicht sein.
Ich wollt, ich wär wie du von Bein!
Was Geist beregt, das spricht zu ihm,
Ob ungelenk, ob keine Stimm,
Ihm ist - es spricht das Tier - der Stein -
Ich wollt, ich wär wie du von Bein!"
Da lachte ich das steinern Mal
Denn aus in seiner leeren Qual:
"Wer, der vom Liebchen schlich zur Nacht,
Wär gern wie du aus Stein gemacht?"
"Du prahlst, sagt er, mit Liebeslust,
Frohlockst ob deiner warmen Brust!
Wie wolltest du in Liebespein
An Herz und Brust doch steinern sein!
Weil kalt mein Herz und kalt die Brust,
So ist so vieles mir bewußt,
Was euch vom Wirklichen verhängt,
Weil euer Herz ins Aug sich drängt.
Drum weil der Stein im Leben stets
Dem weichen Herzen gibt Gesetz,
War der Gesittung Dämmergraun
Das erst Gesetz in Stein gehaun.
Wer steinern ist, allein nur denkt,
Wer nimmer fühlt, die andern lenkt,
Drum wollt ich, der gebannt in Stein,
Frei, lebend - euch beherrschend sein."
"Weißt du so viel," nun ich begann,
"So sag mir, steinern Standbild, an
Sag, ob des Lebens Lust, mein Lieb,
Mir treu verbleibt und treu verblieb!"
"Das Weib ist treu, so spricht der Knapp,
Wie dieses Wasser, das hinab
Sich stürzet unter mir - die Wahl
Nur findet in dem Fall zu Fall.
Das Weib ist rein, so wie das Naß,
Ein steinern Becken ist sein Haß,
Gehegt, gehalten heißt bedroht,
Die breitste Form, es ist der Kot.
Dein Lieb ist treu wie jedes Weib,
Ein Stückchen Denken - etwas Leib,
Das bietet jede deinem Sinn
Und weiß es wieder zu entziehn.
Dein Lieb ist treu wie Pflaster hier,
Es hindert wohl das Gehen dir,
Doch folget wohl der Stein dem Fuß?
Es liebt nur der - der straucheln muß.
Dein Lieb ist treu so wie die Nacht,
Die jetzt die Erde überdacht,
Was tausendfach da leuchtet mild,
Verscheuchet einer Sonne Bild.
Die Sonne ist wie ich von Sand,
Ein steinern Weltbild ausgebrannt,
Wir wärmen, brennen, leuchten, glühn,
Der Tag macht kalt, die Nacht macht kühn.
Der Tag ist Stein - die Nacht ist Blut,
Der Tag des Kopfs, die Nacht . . . der Glut,
Die Lieb ist Sternenschneutzenlicht,
Das nur im Fall aus Nebeln bricht.
Die Lieb mit aller Treue fällt
Dem in den Arm, der unterhält.
Aus Nervenfasern hat Natur
Geschlungen einen Knoten nur:
Es ist der Mensch - der Weise spitzt
Die Finger, findet ihn versitzt,
Ihn löset keiner - der da droht,
Kein Alexander ist der Tod.
In diesem Knäuel, Mensch genannt,
Da pulst es ohne Widerstand
Und: "Nur für dich!" so schön es scheint,
Ist für den nächsten gleich gemeint,
Der jene Fäden rührt und regt,
In die der Knoten sich verschlägt,
Es zerren peilend alle Händ
Das grobe Tau - das Löcher-End.
Und wenn sich das zusammenfand,
Sahst du, daß es sich je verband?
Die Schnur wird schlapp - das Loch bleibt weit,
Er schließt's mit einer Kleinigkeit -
Mit guter Nacht und gutem Weg,
Die Lieb wird mit der Treue träg.
Ein Knoten ist die Lieb und würzt
Das Leben doch nur aufgeschürzt.
Da schürzt und knüpfet stets die Hand,
Wo ist die, welche Lösung fand?
Das reißt in eignen Knäuel dein,
Das heißt ihr Liebesqual und Pein.
Da weint ihr wohl und seufzt ihr schwer
Und wünschet euch des Steines Lehr,
Der, festgefügt im Erdenbau,
Hoch anragt bis zum Himmelsblau.
Glaub mir, der Stein, der lebend wird,
Genießt, weil er jed Korn regiert,
Ich bin von kaltem, hartem Stein,
Und möcht wie du so lebend sein!"
"Du lügst!" so schrie ich auf zum Bild,
Es hallt den Platz hinüber wild,
"Du lügst, mein Liebchen ist mir hold,
Ist rein wie schlackenloses Gold."
"Dein Liebchen ist wie andre jed,
Die, gibst du, Nehmen wohl versteht;
Doch nimmst du nicht, wenn ihr's beliebt,
Ein andrer nimmt und sie sich gibt!"
Mir ward das Herz so weh, so schwer,
Oh, wenn dies alles Wahrheit wär!
Ich träumte wohl, du kalter Stein,
O laß mich du - du sollst ich sein!
Das Bild, es spricht mit starrem Blick:
"Sieh, du erfüllst nur dein Geschick.
Der Schlägel, den die Hand hier trägt,
Zu dreimal an die Tür dir schlägt -
Dann ist's zur Zeit, dann hat ein Dieb
Geraubt das Herz dem schmucken Lieb,
Dreimal ein Schlag, sei starr und stein,
So fühlst du weder Qual noch Pein!
Ein Brunnenstandbild stehst du hier,
Die Wasser rauschen unter dir,
Nichts ändert, was sich regt - das Herz,
Das Aug, es blicket erdenwärts,
Dort, wo das Himmelsblau verrinnt,
Wo neu das Allgesetz beginnt,
Die arme Erd zu konterfein
Und zahllos in den Raum zu streun.
Du Mann, der steinern dann der Zeit
Ein Denkmal bist vom düstern Streit,
Der du erzählst von ihrer Schmach,
Die oft der Besten Blüte brach -
Du kannst dann brechen, stürzen wohl,
Gewaltig zeigen oder hohl,
In Stücken dich - der Zeit Gericht! -
Jedoch zerfließen kannst du nicht.
Und ich der Mann, der steinern war,
Der sich aus Zeit und dir gebar,
Der lebend wohl, doch leidend nicht
Mit Träumen gehet ins Gericht,
Ich sag der Zeit und laxer Sitt,
Daß sie den Henker sich erstritt,
Daß Stein an Stein nur Funken gibt
In Zeiten, welche nie geliebt."
Das sprach der Knapp, mir schwand der Traum,
Er war so frisch, als schlief ich kaum,
Mir ist, als hört des Schlägels Ton
Ich einmal an der Hausflur schon.
Als wäre nun das Herze mein
Zu einem Dritteil schon von Stein.
Den zweiten, dann den dritten Schlag,
Dann ist es, daß es brechen mag.
Zerfließen aber kann es nicht
Und steinern löst sich ein Gedicht
Sowie Geröll vom andern los
Und sinket in der Zeiten Schoß.
Und fällt und grollt und trifft im Fall,
Von unten tönt der Widerhall,
Von oben der Getroffnen Schrei -
Starr bleibt der Fels: - Die Zeit vorbei!
(S. 30-36)
_____
O wärst du mir erschienen . . .
O wärst du mir erschienen
In erster, reiner Pracht!
Ich hab mit trüben Sinnen
Dies oftmal schon bedacht!
Ich würde glücklich werden
Durch dich, mein Lieb, allein,
Der Glücklichste auf Erden,
Und muß jetzt elend sein.
Ich kann nicht übersetzen
Die Schranke deiner Schand,
Nicht kann die Ehr ersetzen
Dir meine reine Hand.
Es fiel mir ein Gedichte
Aus meiner Schulzeit ein,
Doch scheint mir die Geschichte
Nicht Fabel mehr zu sein.
Es heißet jene Stelle:
Es starb ein Elefant
Verdurstend an der Quelle,
Die er besudelt fand!
Die reine wäre Rettung
Dem edlen, dummen Tier!
Das heiße ich Verkettung,
Geschick und Schulbuch hier!
Das kam mir nicht zu Sinnen
Als ich zur Schul gebracht!
- - - - - - - - - - - - -
O wärst du mir erschienen
In erster, reiner Pracht! (S.
36-37)
_____
Präludium
Liebe ist ein altes Thema,
Ist so alt als wie die Welt,
Und sie wird so lang besungen,
Als sich diese aufrecht hält!
Liebe singt aus Busch und Wäldern,
Liebe schwellt das Menschenherz
Und erpreßt ihm süße Lieder,
Ist all seine Lust und Schmerz.
Singt der Vogel süße Laute,
Singt verschmelzend seine Qual,
Zwingt derselbe Trieb den Menschen,
Seine Lieder sind nicht Wahl,
Muß sie klagen, muß sie jauchzen,
Wie das Herz im Busen will.
Einst wenn keine Herzen schlagen,
Schweigt der ewge Sang auch still.
Nur die Liebe birgt den Glauben
Und die Hoffnung, die kein Wahn,
Daß, was liebt in unserm Innern,
Nicht der Tod verderben kann.
Und so lang noch Leben blühet
Auf der Erde reicher Flur,
Mag ein jeder Sang ersterben,
Leben bleibt die Liebe nur.
Liebe ist ein altes Thema,
Ist ein Lied, das nimmer schließt,
Bis das letzte Liebesliedlein
Von der letzten Lippe fließt.
Laßt euch diese eine Strophe
Wohl gefallen in dem Sang,
Dessen erste Sangesweise
Von den Sternen niederklang. (S.
37-38)
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Übers Jahr
's ist heut ein Jahr, mein Schatz zog fort,
Er gab sein heilig Liebeswort,
Kein Tag mehr noch nach diesem graut,
Da führt er heim mich - seine Braut,
Drum steh ich hoch beim Kirchlein hier
Und blick ins Tal und zage schier.
Es schallet laut des Glöckleins Stimm,
Es schlägt mein Herz und ruft nach ihm.
Im letzten Häuschen, das man sieht,
Da wohnt der Meister Hans, der Schmied,
Da stellet er sein Rößlein ein:
"Beschlagt es, Meister, mir nur fein,
Mein Rößlein raste wohlgemut,
Mein Fuß mir bessre Dienste tut,
Auf Bergeshöh im Kirchlein dort,
Da löse ich mein heilig Wort!"
Und dort an jenem Waldespfad,
Da klappert laut ein Mühlenrad,
"He, Müller, mahlt das Korn recht fein,
Es soll zum Hochzeitskuchen sein!"
Ein Geiger dort des Weges zieht:
"He, Alter, spielt mein Hochzeitslied!"
Die Geige spricht in seiner Hand
Von Lieb und heilgem Eheband,
Es brummt der Baß so schnurrig her,
Wie wenn's die Schwiegermutter wär,
Die Flöte singt so leis und fein,
Wie Mutter schläfert Kinder ein.
- - - - - - - - - - - - - - - -
Der Himmel in der Sternenpracht
Auf uns hernieder freundlich lacht
Und Schmied und Mühl und Glöcklein schweigt,
Der Alte leis ein Ständchen geigt
Von süßer Treu und Liebesmacht -
O Hochzeitsnacht, o Hochzeitsnacht!
(S. 39-40)
_____
Wenn ich dir biete Gruß
Wenn ich dir biete Gruß,
Dankst du mit kurzem Nicken
Und mißt mich bis zum Fuß
Mit kalten, fremden Blicken,
Als hätten vor dem Tag
Wir nimmer uns geschaut, -
Du, eines andern Weib,
Doch einstens meine Braut.
War deine Wohlgestalt,
Dein volles, süßes Leben
Nicht mir in die Gewalt
Bedingungslos gegeben?
Was neigst du dich nun kurz
Und blickest ungewiß?
Ich zeig die Narbe noch,
Die einst dein Zahn mir riß!
Doch du besinnst dich nicht,
Ich glaub dir auf dein Schweigen,
Dir würd in das Gesicht
Die Röte flammend steigen,
Entweder trätest du
Zurück von deinem Mann,
Wo nicht, so schmiegtest du
Dich ihm so enger an.
Dir liegt nicht Furcht im Blick,
Noch schenkt er mir Vertrauen,
Du fügst dich dem Geschick
Und lebst wie andre Frauen,
Der Wonne nicht gedenk,
Die Lieb empfing und schuf,
Und: zu vergessen, scheint
Ihr eigenster Beruf! (S. 93-94)
_____
Stilles Bescheiden
Bei ihres Anblicks Lieblichkeit, -
Der alle Sinne mir berücket,
Der mich beseligt und beglücket
Und doch zu tiefst bedrängt mit Leid -
Nie werd ich mir mit einem Blick
Der Herrin meine Lieb gestehen,
Nie ihre Gegenliebe flehen
Und stumm ertragen mein Geschick!
Ein Frevel wär's an holder Frau,
Wenn ich den eitlen Glauben hegte,
Daß mich, nur mich allein, bewegte
All ihrer Anmut reiche Schau.
Nein, nein, ich bin der einzge nicht,
Den ihre Nähe froh beseelet!
Der letzte wär ich, den sie wählet;
Ich steh im Banne harter Pflicht,
Nicht Jugendkraft noch Wohlgestalt
Vermag mir mehr das Wort zu führen,
Ich kann vielleicht durch Lieder rühren,
Doch Mitleid wehrt der Lieb Gewalt.
So faß ich denn den einen Mut,
Es im Beginne schon zu enden.
Wie käm zu eines Bettlers Händen
So hohes, überreiches Gut?
Ergeben will ich meine Last
Auch fürder stumm des Weges tragen,
Es soll kein Blick der Herrin sagen,
Wie mächtig es mich stets erfaßt
Bei ihres Anblicks Lieblichkeit,
Der alle Sinne mir berücket,
Der mich beseligt und beglücket
Und doch zu tiefst bedrängt mit Leid.
(S. 100-101)
_____
Die Lieb ein Traum
Tief im Walde sitzen zwei,
Leis umrauschet von den Bäumen,
Und es sprudelt hell der Quell
Und sie flüstern, kosen, träumen.
Weh, du süßer Liebestraum,
Wenn wir dein erwachen,
Wie es auch geschah - o weh -
Ob mit Weinen oder Lachen! (S. 102)
_____
Das war die Zeit
Du willst's, so sei der Schwur erneuert,
Vergessen sei, was uns entzweit,
Zu höchst und aberhöchst beteuert
Sei unsrer Liebe Innigkeit!
Doch was vom sichern Port gesteuert
Uns einst in hohe See voll Leid,
Das war die Zeit, mein Kind, die Zeit!
Das war ein eifrig Phrasensammeln,
Um an des Fühlens Ewigkeit
Den Glauben in uns aufzusammeln,
Und doch, nach wenger Jahre Streit,
So wie aus Kindermund ein Stammeln,
Erschien die Überschwenglichkeit.
Das tat die Zeit, mein Kind, die Zeit!
An Leib und Seele umgestalten
Kann uns der Jahre Flüchtigkeit,
Ei, hielten wir es noch im Alten,
Dir stünd die Träne nimmer weit,
Du ziehst die Stirne nur in Falten
Und deren Spur, sie macht sich breit,
Das tat die Zeit, mein Kind, die Zeit!
Nicht umzudeuten, nicht zu brechen
In dieses Lebens Wechselstreit
Ist nur ein einziges Versprechen,
Ist nur ein einzger heiliger Eid:
Verheißet Nachsicht allen Schwächen
Und schwört Erbarmen jedem Leid, -
Das trifft zur Zeit, zu aller Zeit!
O, schwöre nicht, verlang kein Schwören!
Des Augenblickes Lieblichkeit
Verhange nicht mit Trauerflören!
O, zwinge nicht in bangem Leid
Auf jenen leisen Schritt zu hören,
Mit dem sich naht und uns entzweit,
Wie einst, die Zeit, mein Kind, die Zeit!
(S. 102-103)
_____
Dauer der Liebe
Er
Du hast geliebt! O, leugne nicht!
Ganz sicher bin ich dessen.
Sie
Ich hätt geliebt? Besinn mich
nicht,
Und wenn, ich hab's vergessen.
Er
So hältst du Treu, so hältst du
Lieb?
Vergißt, wer dachte deiner?
Sie
Mein Freund! Er ging, doch wenn er
blieb,
Gedächt ich heut noch seiner.
Er
Wenn du so schnell Vergessen
treibst,
Wer wird mit dir es wagen?
Sie
Je nun, mein Freund, solang du
bleibst,
Hast du nicht Grund zu klagen.
Es schärft die Zeit der Lieb Gewalt,
Man schätzt sich stets genauer,
Und wird mit uns erst einer alt,
So kriegt die Liebe Dauer. (S.
103-104)
_____
Erfahrenheit
Zwei Arten Liebe bringen wenig Heil,
Die eine, die nur folgt dem heißen Triebe,
Die zweite, welche wägt den andern Teil
Und frägt: "Ist er es wert, daß ich ihn liebe?"
Dem Taumel, ob er kurz, ob lange währt,
Folgt das Erwachen und es flieht die Treue,
Und wer mit Grübeln sich das Herz beschwert,
Der mißtraut selbst dem Glück aus Furcht vor Reue.
Die Liebe aber, die von echter Art,
Die pfleget allezeit mit vollem Prangen
Der Schätze, die sie still im Herz gespart,
Ihr Liebstes selbstlos zu umhangen!
*
Auch Schönheit zählet zu den Gütern,
Die blind des Schicksals Gunst verleiht;
Es haftet an auch ihren Hütern
Der Teilung Ungerechtigkeit!
Der Reiche, welcher mild erbarmend
Gesamtem Elend wollte wehren,
Er müßt verachtet und verarmend
Bald selbst zur Not zurückekehren.
Und wollte sich die Schönheit nimmer
Mit eines einzgen Glück befassen,
Sie würde ihren reinsten Schimmer
Um gaukelnden Phantom verlassen;
Sie setze dran das kühnste Wagen,
Sie führ die freieste der Sprachen:
Sie kann wohl jedem sich versagen,
Doch nimmer alle glücklich machen!
(S. 104-105)
_____
An die Ungetreue
Du flohst von mir in frevlem Glauben,
Du brauchtest nur mit Diebes Schlich
Mich meines Glückes zu berauben,
So hattest du es dann für dich!
Du wähnst, dir hätt das Glück gewunken,
Das dir gefehlt an meiner Seit? -
Du bist nur in den Traum versunken,
Der mich betörte lange Zeit.
Auch dir, dir drohet ein Erwachen,
Wo vor der Wahrheit flieht der Schein.
Du kannst ja niemand glücklich machen,
Wie willst du selber glücklich sein?!
(S. 108)
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Aus: Ludwig Anzengrubers sämtliche
Werke
Unter Mitwirkung von Karl Anzengruber
herausgegeben von Rudolf Latzke und Otto Rommel
Kritisch durchgesehene
Gesamtausgabe in 15 Bänden (1. Band)
Kunstverlag Anton Schroll & Co Wien (1921)
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Anzengruber
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