Ernst Moritz Arndt (1769-1860) - Liebesgedichte



Ernst Moritz Arndt
(1769-1860)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Liebeskraft
1796

Wem flammet der Begeistrung heil'ges Feuer?
Wem pocht des Busens ungestümer Drang?
Wem braust der Strom durch meine goldne Leyer
So freudig wie der Frühlingsbäche Klang?

O dir, die an dem weiten Flammenbusen
Die Pulse aller Wesen liebend wärmt
Und allgewaltig um den Born der Musen
Und um des Helden Tatenträume schwärmt.

Dir, Himmlische, schlag' ich die goldnen Saiten,
Dir rieselt meines Liedes Silberton,
Urania; schon in den Blütenzeiten
Der Vorwelt funkelte dein Feuerthron;

Du schlugest in das Chaos Lebensfunken,
Und Welten sprangen jubelnd aus dem Nichts,
Es kreisten Monde, Sonnen flogen, trunken
Des neuen Seins, die goldne Bahn des Lichts;

Von deinem Odem sprudelte die Quelle,
Die Blume öffnete den duft'gen Schooß,
Der Fisch durchschlüpfte seine Silberwelle
 Und Würmchen liebten auf dem Erdenkloß.

Wes ist das Band, das Menschen an einander
Mit losen Schlingen unauflöslich schnürt
Und freundlich seinen schlängelnden Mäander
Des Lebens leichten Schatten niederführt?

Von wessen Odem weht die heil'ge Flamme,
Die Purpur auf des Mädchens Wange haucht
Und, aufzudringen zu dem Götterstamme
Im Styx der Kraft den Jüngling untertaucht?

Was färbt dem Morgenroth die Rosenwangen?
Was lehrt die Erden und die Sonne flieh'n?
Die Blüthenzweige flüsternd sich umfangen?
Die Blumen an der Blumen Lippen glüh'n?

O laß auch mich an deinen Busen fallen! -
Er schlägt für alles Leben ja so weit -
Mit deinen tausend Wogen laß mich wallen
Hinab den Strom in die Unendlichkeit.
(S. 3-4)
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Der Schäferin Klage
1801

Habe mir Blumen gepflückt,
Des Liebsten Grab zu bestreuen.
Ach! wie wir spielten beglückt
Am fröhlichen Tage der Maien!
Wie wir tanzten und sangen!
Doch die Lust ist vergangen,
Kein Maitag wird mich erfreuen.

Klage mir, Nachtigall süß -
Mit Thränen bring' ich die Gabe;
Diese das Schicksal ließ,
Das Süßeste, was ich noch habe.
Schwindet, Blumen und Thränen!
Nimmer schwinde mein Sehnen!
Mein Liebstes schlummert im Grabe.

Wandle, du freundliches Licht!
Geh, Sonne, auf und geh unter!
Sternlein, verdunkelt euch nicht
Und haltet die Glücklichen munter!
Ich muß weinen und klagen
In den künftigen Tagen:
Es ging die Liebe mir unter.
(S. 52-53)
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Der Knabe und die Jungfrau
1803

Der Knabe sprach zur Jungfrau schön
Nach süßem Liebesscherz:
"Horch! schon die Morgenlüfte weh'n,
Süß Lieb', ich muß jetzt hinnen geh'n,
Ade, du trautes Herz!"

Die Jungfrau zu dem Knaben sprach:
"Ist dir das Bleiben Müh?
Noch streifet nicht der Ost den Tag,
Noch rufet nicht der Finkenschlag,
Was eilest du so früh?"

Die Jungfrau zu dem Knaben sprach:
"Wird dir die Lust schon alt?
Wie oft dein Herz an meinem lag,
Wann schon mit Licht der rothe Tag
Guckt' in den grünen Wald!"

"Ach! Jungfrau, süße Jungfrau schön,
Die liebe Mutter schilt:
Was thust du, Knab, so früh aufsteh'n?
Sieh, deine Wangen dir vergeh'n,
Siehst wie ein Jammerbild."

"Ach! Jungfrau, süße Jungfrau schön,
Der Tag ist heiß und lang
Und keinen Schlaf die Augen seh'n,
Ich muß des Vaters Schwate mäh'n,
Da ist kein Nebengang.

Zwar süß ist Schlaf im Sternenschein
Hier in dem grünen Wald,
Wann küsset mich dein Mündlein fein,
Wann mir dein Brüstlein weiß und rein
Wie Schnee entgegenwallt."

"Doch süßer wär' es tausendmal
Im eignen Kämmerlein,
In stiller Nacht, bei'm Sonnenstral,
Du meine Braut, ich dein Gemal,
Uns süßer Lust zu freu'n."

"Willst du im eignen Kämmerlein
Nun schlafen gern bei mir,
So soll noch heute Hochzeit sein,
So schlaf' ich in dem grünen Hain
Das letzte Mal bei dir."

"Mein Kind, wie kann die Hochzeit sein?
Wir sind ja nicht bereit.
Wie laden wir die Gäste ein?
Wo nehmen wir den Hochzeitwein?
Und wo dein Ehrenkleid?"

"Die Gäste längst geladen sind
Und zu dem Tanz bereit,
Den Wein in allen Quellen rinnt,
Und was die kluge Spinne spinnt
Das wird mein Ehrenkleid."

"Mein Kind, wie schmückest du dein Haar?
Wo ist der goldne Ring,
Den mir und dir am Traualtar
Der Pfarrer segnend reichet dar?
Wo ist er, liebes Ding?"

"Die Perlen blitzend für mein Haar
Auf allen Blumen steh'n,
Den goldnen Ring zum Traualtar
Flecht' ich aus meinem goldnen Haar:
So macht die Braut sich schön."

"Mein Kind, wo sind zum Hochzeitball
Die Spieler mit dem Spiel?"
"Die Spieler sind die Vögel all,
Die Drossel und die Nachtigall,
Sie können schönes Spiel."

"Mein Kind, wo nimmst du Lampen her,
Zu leuchten in der Nacht?"
"An Lampen fehlt's mir nimmermehr,
Der Mond und aller Sterne Heer
Erleuchten mir die Nacht."

"Wo wohnt dein Vater, Jungfrau schön?
Wo ist der Hochzeitsaal?"
"Tief, tief, wo keine Winde weh'n,
Mußt du mit mir hinunter geh'n;
Da ist der Hochzeitsaal."

"Ist schon geschmückt dein Kämmerlein?
Gemacht dein Hochzeitbett?"
"Geschmückt ist schon das Kämmerlein
Mit Perlen und mit Muscheln fein,
Gemacht das Hochzeitbett."

"O Jungfrau, süße Jungfrau mein!
So nimm mich hin mit dir!
Wie schön muß da zu wohnen sein!
Wie süß, in deinem Aermelein
Zu schlafen für und für!"

Und fröhlich springt die Jungfrau auf -
"Komm, Knabe! komm zum Glück!"
Sie führt ihn an des Stromes Lauf,
Es thun sich weit die Wellen auf -
Er kommt nicht mehr zurück.
(S. 65-67)
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Liebesstreit
1803

"Sieh, süße Maid, wie die Bäume blüh'n!
Horch! wie die Wasser klingen!
Noch ist dir Jugend und Frühling grün
Zu lieben süßen Dingen.
Komm, komm zum Wald! zum grünen Wald!
Wir werden alt."

"Daß Frühling blühet und Jugend blüht,
Gehört zu süßen Dingen,
Doch sollst mich, wo mich nicht jeder sieht,
Zum grünen Wald nicht bringen.
Manch Bub' ist gleich dem Taubenfalk,
Er ist ein Schalk."

"Sieh, süße Maid, wie das Rosenroth
Auf frischen Wangen spielet!
Bald wischt es ab der geschwinde Tod,
Der alles Feuer kühlet.
Laß pflücken, Süße, pflücken jetzt!
Er pflückt zuletzt."

"Und pflückt der Tod auch die Rose zart,
Die ich so fromm bewahre,
So wiß, die Rose wird aufgespart
Dem Treuen vor'm Altare;
Sein harr' ich still,
Und kommt er nicht,
Sie keiner bricht."

"Sieh, süße Maid, wie die Augen klar
Aussprechen ihr Verlangen:
Was kommt vergebens das junge Jahr
Mit Blumen schön gegangen?
Sie winken süß mit Lustgewalt
Zum grünen Wald."

"Laß winken lüstern die Augen mein,
Ich will sie nicht erhören;
Ihr Winken gleichet dem Irrlichtschein,
Die Jungfrau zu bethören:
Trau nicht dem Schein des Augenlichts,
Du traust auf Nichts."

"Sieh, süße Maid, wie so rund und knapp
Die Brüstlein aufwärts drängen!
Laß was Natur dir so lustig gab
Nicht traurig in den Engen -
Im Wald ist Schatten überaus,
Komm! komm hinaus!"

"Du Schnöder, dessen Gesicht behext
Mein junges frisches Leben!
Was unter'm Tuche des Busens wächst,
Das darf ich dir nicht geben;
Es wächst, daß einst der treuste Mann
Sich freue dran."

"O süße Maid, wie unschuldig bist,
Wie rein an Herz und Sinne!
Nimm den, der treu dir auf ewig ist,
In deine süße Minne;
Er ist nicht schlimm, er führt zur Trau
Die junge Frau."

"Auf! junger Knab, wenn es so erschallt,
Laß Gott erst Amen sagen,
Dann mag mit dir in den grünen Wald
Ich wohl ein Gänglein wagen;
Dann komm, o Knab, zum grünen Wald:
Wir werden alt."
(S. 68-70)
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Liebesgeflüster

Süß Liebchen, doch schweige! das Süße, Süße flieht,
So blühet die Blume, wie Liebe flüchtig blüht,
Sie duftet am Morgen, am Abend ist sie todt.
Reich her mir dein Mündlein mit Küssen rosenroth.

Blüht Liebe wie Blumen - o lustig, lustig Bild!
So küsse die Lippe, die Liebe brünstig füllt.
Stirbt Liebe wie Blumen, daß Liebe traurig sei,
Die Blume, die welket, kommt wieder frisch im Mai.

Süß Liebchen, die Liebe ist gleich dem Sonnenlicht,
Es locket so freundlich mit Rosenangesicht,
Dann schwellen die Knospen, die Blumen brechen aus,
Doch löscht eine Wolke die Tagesfackel aus.

Du Lieber, gleicht Liebe dem hellen Sonnenlicht,
So läßet die Sonne die Blumen nimmer nicht -
Die Wolke muß weichen, und frischer blüht die Welt:
Die Liebe läßt nimmer, was einmal ihr gefällt.

Süß Liebchen, die Liebe ist gleich der dünnen Luft,
Du willst sie wohl fassen, und fassest leichten Duft,
Du willst sie wohl halten, wer hält die Winde fest?
Süß Liebchen, ich sterbe, wenn Liebe mich verläßt.

Du Lieber, wohl gleichet die Liebe dünner Luft,
Sie ist allenthalben und wallt wie Blumenduft,
Umschlinget, umfließet den Himmel wie die Au:
Das Leben der Liebe du findest nie genau.

Süß Liebchen, dem Klange ist auch die Liebe gleich,
Sie lispelt in Tönen wie Engel wonnereich -
Was gleichet dem Girren der liebevollen Brust?
Ach! Klang ist vergänglich. Vergeht auch Liebeslust?

Wohl tönet im Klange die Liebe doppelt süß,
Im Klange, der Erden um Sonnen tanzen hieß,
Im Klange, der liebend aus mir verklingen wird,
Wann selig mein letztes Lebwohl die Zunge girrt.

Süß Liebchen, im Feuer die Liebe flammend blüht,
Im mächtigen Feuer, das heiß zu dir mich zieht;
Ich fühl' es gewaltig, ich fühl' es freudenvoll,
Doch sprich, ob dies Feuer denn nie verlöschen soll?

Du Lieber, dies Feuer ist andrer, andrer Art
Als das, wodurch Troja zum Aschenhaufen ward.
Es lodert und brennet, und brennt sich nimmer satt.
O himmlische Flamme, wie selig, wer dich hat!

Süß Liebchen, dem Wasser ist gleich die Liebe auch,
Es spielet so leidig und dampfet hin im Rauch,
Es kommt wohl so fröhlich und fließet wieder fort.
O Liebe, du süße! wo steht dein fester Ort?

Ihr fester Ort stehet im Wasser ewiglich,
Wie Wasser fließt, fließet mein Liebesstrom um dich,
Wie Wasser sich schwellet, mir schwillt das volle Herz
Zur Sonne der Liebe, zum Manne himmelwärts.

Süß Liebchen, die Liebe ist unergründlich tief
Wie Wasser, worin wohl manch schlimmes Scheusal schlief.
Wie kühn ist der Steiger, der steigt in solchen Grund?
Wohnt immer im Herzen, was spricht der schöne Mund?

Wohl braust unergründlich das tiefe, tiefe Meer,
Wohl fließet es immer, wird nimmer doch nicht leer.
So schöpfest du nimmer des Herzens Tiefen aus:
Die Tiefe der Liebe sie schwillet überaus.

O liebliches Liebchen!  wie tröstest, Süße, mich!
Kommt, Flammen der Liebe, begrabet selig mich!
Kommt, Fluthen des Wassers, das nimmer, nie verrinnt!
O Wonne! die also die tiefste Tiefe findt!
(S. 105-107)
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Epistel an Elisa
1807

Ich saß so stumm, wie in dem schwarzen
Gericht des Orkus Rhadamanth,
Und wog auf schwerer Schicksalshand
Die Schuld und Unschuld mit den Parzen,
Las in der blutigen Schrift der Zeit
Der Thronen Sturz und Königsmorde
Und siegreich die Banditenhorde,
Die einer Welt mit Knechtschaft dräut. -
Da dacht' ich an die großen Seelen,
Die, keinem Schicksal unterthan,
Den Weg zum stillen Ocean
Sich durch das freie Eisen wählen:
Denn Eines, Herr sein oder Knecht
Ist jedem Erdensohn gegeben;
Die erste Majestät im Leben,
Die höchste, heißt Gesetz und Recht,
Und wenn nur Knechte und Despoten
Auf Erden grasen matt und dumm,
Dann kehrt die alte Welt sich um
Und Leben blühet aus dem Todten
Still in der Zeiten Wechsellauf,
Daß edlere Geschlechter werden;
Und sprängen sie aus Steinen und Erden
Durch Kadmen und durch Pyrrhen auf.

So saß ich, hielt die letzten Enden
Der Dinge wägend in der Hand
Und schaute stumm ins dunkle Land,
Von wannen nimmer Wandrer wenden;
Da rief mich deine Stimme süß,
O Freundin, in das frische Leben
Mit Blumenlust und Wolkenschweben
Ins volle Frühlingsparadies.

O Freundschaft, holde Wundersaite,
Die lieblich durch den Busen klingt
Und alles Schöne wiederbringt,
Der Kindheit Traum, der Jugend Weite,
Du Männerstal und Frauenschutz,
Das Herz zur Tugend zu ermannen,
Zu groß für Sklaven und Tyrannen,
Beutst du gemeinen Gütern Trutz,
Und schwingst unsterblich durch das Leben,
Wie ein Gestirn den Feuerglanz,
Von Sphärentanz zu Sphärentanz
Uns aufwärts, wo die Götter schweben.
Ich höre deinen Zauberklang,
Der Gram entflieht ins öde Dunkel,
Der Himmel leuchtet Ein Karfunkel;
Die ganze Erde wird Gesang;
 Und Guillotinen und Banditen
Tyrannenseelen groß und klein
Versinken aus des Lichtes Schein
Tief, wo die Teufel Höllen hüten;
Und in der Freude freierm Schlag
Hebt sich die Brust dem Licht entgegen,
Und jedes Unheil wird ein Segen,
Ein Wonneruf wird jedes Ach.

So lieb und wunderbar getroffen
Hat mich, o Freundin, jedes Wort,
Das wüste Heer der Nacht ist fort,
Der ganze Himmel steht mir offen,
Die Erde sinkt, das kleine Nichts,
Worum sich Toren blutig schlagen,
Nur denen eigen, die es tragen
Empor ins Sonnenreich des Lichts.

Ja, Freundin, welche ferne Lande
Mein Fuß auch noch durchwandern muß,
Eh ich den letzten Obolus
Bezahle an dem stygischen Strande,
Ich schwör' es dir und jener Gluth,
Die edle Herzen ewig zündet,
Was sich unsterblich mir verkündet,
Das halt' ich fest mit Männermuth
Und kein Despot soll mir es rauben;
Und drückt es mich zu schwer hinab,
So öffn' ich durch das Schwert mein Grab,
Und nehme in das Grab den Glauben.

Doch heute lacht der Lenz noch mild,
Geführt von Grazien und Scherzen,
Und zeiget jedem Menschenherzen
Der Freude anmutvolles Bild.
O möge er mit zarten Schwingen
Dich wie ein Blumenhauch umweh'n
Und frisch, und jugendlich und schön
Der Kindheit Träume wiederbringen!
Was du gewesen, was du bist,
Das ist der Gott in deinem Busen:
Orakel hat und Klang der Musen
Nur, welcher gleich ihm selber ist.
(S. 117-119)
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Frühlingsspiel
1808

Leichter Scherz, leichtes Herz,
Lieb' und Lust in der Brust,
So schwinden die Tage mir nimmer bewußt;
Grüner Wald, nimmer alt,
Baum und Strauch, wie dein Hauch,
So grünet und duftet das Leben mir auch.

Was ich find jung gesinnt,
Wohlgestalt, o Gewalt!
Wie lockst du die Liebenden tiefer zum Wald!
Liebchen mein, gieb dich drein!
Luft und Hain säuseln drein,
Heut grünet der Frühling, und Hochzeit soll sein.
(S. 130-131)
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Fröhlichkeit in Treue
1808

Leicht wie der Thau
Ist das Herz mir geboren,
Blumen der Au
Hab' ich lustig erkoren,
Vöglein im Haine,
Sternlein mit Scheine
Zum Bild meiner Liebe.

Jäger springt leicht
Ueber Thäler und Hügel,
Vöglein fliegt leicht
Mit dem flatternden Flügel,
Blümlein verwelken
Rosen und Nelken.
Nicht so ist meine Liebe.

Komm, meine Lust,
Komm doch einmal mir wieder!
Drück' an die Brust
Mich tapfer und bieder!
Fröhlich, beständig,
Nimmer abwendig
So heißt meine Liebe.
(S. 132)
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Liebeswehmuth
1808

Vögelein, singst du?
Lüftelein, klingst du?
Singst mir und klingst mir nicht Ruh;
Blümelein freudig
Träumen so leidig
Schließen die Aeugelein zu;
Mir nur alleine
Blühet im Haine
Nicht Liebe, nicht Ruh.

Sternlein, euch schwinget,
Leuchtet und bringet
Träume und Wonne zugleich;
Seufzet Geflüster,
Zweigelein düster.
Euch ist der Traurende gleich.
Rauschet im Leide!
Fern von der Freude
Entflieh' ich zu euch.
(S. 132-133)
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Sehnsucht
1808

Geliebtes Bild, das mir in süßen Träumen
Die Flammenseele füllt
Und wie ein Stern mit Sternen aus den Räumen
Des Aethers funkelnd quillt,

Das in des Mondes wehmuthvollem Schimmer
So mild herniederblickt,
Im Blumensäuseln, Wellenlispeln immer
Mir stille Seufzer schickt:

Dir ruft in dunkler Nacht die dunkle Trauer,
Die ächzet nach der Luft.
So ächzt der Vogel einsam, der im Bauer
Verlorner Liebe ruft.

O süßes Bild! in dir ist meine Freude,
O Lust, in dir mein Leid.
Klingt stille Klagen, klingt im Liebesleide!
Klingt, klingt in Ewigkeit!
(S. 136)
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Liebesnähe
1808

Lieb' sei ferne,
Ist doch immer da,
Gleich dem Licht der Sterne
Ewig fern und nah.

Schließt Gedanken
Wohl ein Kerker ein?
Glück und Stunden wanken,
Das Gefühl ist mein.

Leuchte, Sonne!
Wandle, frommer Mond!
Meines Busens Wonne
Hoch mit Göttern thront.

Frühling, scheine!
Winter, stürme kalt!
In der Brust dies Eine
Nimmer wird es alt.

Holde Treue,
Weiß und engelrein!
Wie des Himmels Bläue
Bleibt dein lichter Schein.

Sei denn ferne
Liebe, sei sie nah,
Gleich dem Licht der Sterne
Immer ist sie da.
(S. 139-140)
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An Psychidion zum Geburtstage
1809

Wär' ich ein Vögelein,
Flög' ich zu dir,
Wollte der erste sein
Heut an der Thür,
Schlüg' mit den Flügelein
Fensterchen auf,
Flög' in dein Bett hinein,
Weckte dich auf.

Wär' ich der Sonnenstral,
Lieblicher Schein
Guckt' ich viel tausend Mal
Zu dir hinein,
Küßte die Wängelein,
Rosigen Mund,
Grüßte dich, Engelein,
Freundlich zur Stund.

Zephyr, der Flattrer, auch
Mögt' ich wohl sein,
Wehte wie Blumenhauch
Zu dir hinein,
Wiegte mich, weiß wohl, wo -
Himmlische Lust -
Nimmer mir wölbten so
Rosen die Brust.

Echo, der Wiederhall
Wärst du in mir,
Töne der Liebe all
Tönt ich zu Ihr:
Aber nicht Ton und Klang
Klinget es aus:
Liebe und Liebesdank
Spricht sich nicht aus.

Vöglein und Sonnenstral,
Zephyr der Wind,
Echo der Wiederhall,
Sind wohl geschwind,
Doch ist der Liebesgruß
Früher zur Stell,
Alles ihm weichen muß,
Nichts ist so schnell.
(S. 142-143)
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Ständchen
1809

Es leuchtet ein Licht durch die weite Welt,
Das schönste und hellste von allen,
Es ist nicht als Sonne zum Tag bestellt,
Nicht als Mond die Nacht zu durchstralen,
Blaß werden die Sternlein, die Kleinen,
Vor seinem allmächtigen Scheinen.

Es dringet wie Blitze durch Eisen und Stal,
Kein Panzer mag fest vor ihm stehen,
Doch dränget sich jeder zum fährlichen Stral,
Und sollt' er zur Stunde vergehen.
O scheine, du süßes Verderben!
Wie lieblich, in Flammen zu sterben!

Geh auf denn, mein Licht! Geh wieder zur Ruh!
Ich darf dich, du schönstes, nicht nennen;
Doch strömet mein Herze wie Wasser dir zu,
Heiß fühl' ich es lodern und brennen!
Auf! lasset es schmettern und klingen!
Es will mich die Wehmuth bezwingen.
(S. 154)
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Gebet an die Liebe
1809

Blitzesschnelle, Adlerschwinge
Däucht der Liebe Macht geringe.
Süße Mutter aller Dinge,
Gerne trag' ich deine Schuld,
Gerne will ich alles leiden,
Deine Schmerzen, deine Freuden,
Denn du mischest mild zu beiden
Unaussprechlich süße Huld.
(S. 155)
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Erinnerung an Psychidion
1809

Was blickst du sehnend so zurück?
Der Tag er geht geschwind,
Und Menschenleben, Menschenglück
Vergehen gleich dem Wind.

Doch wann die Zeit vergangen ist
Und die Erinn'rung kömmt,
Wie alles dann so freundlich ist,
Was jetzt das Herz beklemmt!

Wie alles dann so lieb und hold
Von ferne wiederscheint!
Gleichwie der Mond am Himmel rollt,
Der Nächte stiller Freund!

Drück' an die Brust den lieben Traum,
Das süße Kinderspiel,
Für Freud' und Leid ist weiter Raum
Im Herzen voll Gefühl.
(S. 155)
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Frühling und Liebe
1810

Der Frühling stellt sich wieder ein,
Das merk' ich an dem Grüne,
Es springt der Klang der Vögelein
Auf Zweiglein fein,
In Blumen summt die Biene. -
O Frühling, süße Frühlingszeit!
O Wald so frisch und grüne!

Ich muß hinaus, das Herz mir schlägt,
Dann wann die Lerchen singen,
Sich alles Blut in mir bewegt
Und frisch erregt
Die Lust zu süßen Dingen:
Und welcher ein Feinsliebchen hat,
Im Frühling muß sie klingen.

So klinge, Herz, und werde laut,
Und klinge deine Triebe!
Der Hänfling hat sein Nest gebaut
Und Mann und Braut
Spielt zarte Blumenliebe,
Der Bienchen Stachel fühlt es auch,
Der kleinen Honigdiebe.

Kommt her, ihr Bilder allzumal,
Ihr Frühlingskindlein feine!
Wie blitzet ihr am Sonnenstral
In Feld und Thal!
Doch schöner, die ich meine,
Ein Garten süßer Blumen voll,
Die Minnigliche, Reine.

Denn seh' ich deiner Farben Licht,
Du Rose, Königinne,
Du herrlich Sonnenangesicht,
So klingt und bricht
Ein Bild durch alle Sinne:
So blitzt der königliche Leib
Der Hohen, die ich minne.

Und wenn ich dich, du Unschuld, seh',
Der rothen Pracht zur Seite,
Dich Lilie, keusch und weiß wie Schnee,
So tönt so weh,
So lieb ein fern Geläute:
Vergangenheit, wo flohst du hin?
Wohin mit meiner Freude?

Und lockt mich deine süße Zier,
Du muntre Tulipane,
So denke ich: sie spielet hier
Und scherzt mit mir
Im holden Kinderwahne:
Denn Liebe geht als Frühlingskind
Mit Scherz auf Einem Plane.

Und winkt die kleine Demuth auch
Mit Augen wie der Kinder,
Der blaue grüne Veilchenstrauch,
Wie wird bei Hauch
Und Gruß der Muth mir minder!
Es liebt mich ein demüthig Kind,
Und ach! ich bin ein Sünder.

Da steht sein Mühmchen Ehrenpreis,
Will auch geliebet werden,
Des frommsten Weibes Bild und Preis,
Es neigt sein Reis
Gar züchtig zu der Erden.
O Blümlein, reich an mildem Saft,
Lehr' uns wie Kinder werden!

Und dann zuletzt zur stillen Nacht
Blüh'n noch die Nachtviolen,
Sie haben bei sich selbst gedacht:
Des Tages Macht
Hat manche Huld gestohlen.
O selig, wen zum süßen Bett
Solch Liebchen kommt zu holen!

Gott grüß' euch, Blümlein fromm und schön!
Euch, Vöglein hold und feine!
Ich muß im Frühling einsam geh'n,
Muß traurig seh'n
Die grüne Lust der Haine;
Denn meine Liebe wohnet fern,
Und ich steh' hier und - weine.
(S. 159-161)
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Der Wandrer und die Blume

Ging einst ein Wandrer im Thale
Und sah ein Blümlein stehn
Im Frühlingssonnenstrale
Demüthig fromm und schön:
Mit Augen, wie Kinder sehen,
Sah's in die Welt hinein;
Der Wandrer konnte nicht gehen,
Mußt' immer beim Blümchen sein.

Er grüßt es Abend und Morgen,
Er grüßt es in stiller Nacht,
Und gab mit zärtlichen Sorgen
Nur auf das Blümlein Acht,
Er trug aus Bächen und Quellen
Ihm kühlende Labung zu;
Seine Thräne floß in die Wellen,
Doch trug er im Herzen Ruh.

Nun ist der Winter gekommen,
Der Wandrer stehet so fern,
Er blickt zur Heimath der Frommen
Nach manchem freundlichen Stern,
Sein Auge dämmert in Thränen -
Wohin, o Wandrer, wohin?
Der Himmel stillet kein Sehnen,
Doch sehnt sich Liebe dahin.

O Liebe, sprudelnder Bronnen,
Der wallt aus der Tiefe zur Höh,
Wie hast du glühende Wonnen!
Wie hast du frierendes Weh!
Es sind der Wanderer viele,
Die sehnend zu Sternen schau'n,
Wem mögen sie schönste Gefühle,
Als seligen Göttern vertrau'n?

O Liebe, alle die Lichter
Viel tausend und tausend Mal,
Und alle die Kindergesichter,
Die leuchten als Blumen im Thal,
Sie winken zu dir, sie rannen
Als Tropfen von dir einst aus,
Sie wollen wiederum dannen
Ins alte himmlische Haus.
(S. 164-165)
_____



An Psychidion
1811

Psyche Psychidion, mein süßes Seelchen,
Himmlisches Vöglein mit den goldnen Flügeln,
Locket der Lenz dich wieder in die Freude?
Lockt dich die Liebe?

Locket dich mehr als Lenz und mehr als Liebe,
Wie sie im Staub des Erdenthals gehört wird,
Lockt dich die Sehnsucht wieder zu der Heimath
Sel'gen Gespielen?

Hin, wo das Heilige tönt um den, der war, ist,
Sein wird, deß Name Liebe klingt und Freude,
Welcher die Seelen ausgoß aus der Urne,
Ausgoß die Sterne?

Laß sie dich locken, laß die Engelflügel,
Klingen zum Aether, alter Götterheimath,
Daß du uns unten das von oben deutest,
Himmlische Träume;

Daß du uns lehrst, warum die Demuth droben
Lieblingin Gottes, herrscht vor hohen Thronen,
Was in der Unschuld schweigt und was in holder
Schaam sich verhüllet.

Aber fliege nicht von uns, süßer Vogel,
Komm zu der Erde grünen Fluren wieder,
Damit auch wir was auf den Sternen wandelt
Hoffen und sehnen.

Psyche Psychidion, mein süßes Seelchen,
Himmlisches Vöglein mit den goldnen Flügeln,
Möge liebende Sehnsucht nie dich lassen!
Liebender Wahn nie!
(S. 169-170)
_____



Klänge aus der Vergangenheit
1813

a. Klinglieder
1.
Die Blume, die sich in der Sonne Gluthen
In süßer Lichtesliebe selig trinkt,
Weißt du, wohin ihr voller Busen winkt?
Wohin die Seelchen ihrer Blätter fluthen?

Ist's nur die Menschenbrust, die steigt und sinkt,
Sind's Menschenseelen nur, die brünstig bluten
Und sich verzehren in den Feuergluthen,
Wo Liebe Tod im Born der Liebe trinkt?

Sieh der verborgnen Seelen zarte Scheine -
Unselig, willst du ihren Sinn entblättern,
Unselig mehr, willst du dir selbst erscheinen:

Genieß des Tages Wonne, denk das Eine,
Wie Semele zerschmolz in Donnerwettern,
Wie Psyche mußte um die Fackel weinen.
(S. 236)


2.
Das Herz will immer in die Weite dringen,
Das Sternenkind, die Seele, strebt zur Höhe,
Der Geist, der Flieger, stürzt sich in das Jähe,
Zur dunkeln Tiefe schnellt er rasche Schwingen.

So war in meinem Busen wildes Ringen
Der Mächte, die ich nie mit Augen sehe,
Ein Fremdling war ich mir in nächster Nähe,
Mich selbst zu kennen wollte nie gelingen.

Da kommt ein himmlisch Kind mit Himmelsscheine,
Und Weite Höhe Tiefe Nähe Ferne
Sind all' in mir in Maaß und Klang verbunden,

Und Herz und Geist und Seele im Vereine
Schau'n jetzt aus mir nach Einem hellen Sterne:
Er heißt Furina und er führt die Stunden.
(S. 237)


b. Frühling und Furina

Horche, wie die Winde schwirren
Lüstern um die Blüthenlauben!
Horche, wie die Lüfte girren
Von der Lust der Turteltauben!
Horche, wie die Lerchen singen
Tilirirend auf gen Himmel!
Wie die hellen Bächlein klingen
Durch der Blumen bunt Gewimmel!

Schaue, wie die Wolken ziehen
Liebedurstig all' zusammen!
Schaue, wie die Rosen blühen
Mit der rothen Brust voll Flammen!
Schaue, wie die hellen Sterne
Tanzen mit den Frühlingsreigen!
Wie die Wesen nah und ferne
Sich in Wonne lustig zeigen!

Komm auch du, mein Turteltäubchen,
Komm auch du, mein Frühlingsbienchen,
Sei mein Liebchen, sei mein Weibchen,
Holdes freundliches Furinchen,
Laß mich an der süßen Weide
Deiner Lippen, deiner Wangen,
Wie an Blümelein der Haide
Bunte Schmetterlinge, hangen.

Thörigt, wer die kurze Wonne
Dieses Lebens meint zu sparen!
Denn es bleichet jede Sonne
Einen Kranz in unsern Haaren,
Jede fliehende Minute
Eilt mit süßem Raub von hinnen,
Kühlt ein Tröpfchen in dem Blute,
Löscht ein Fünkchen in den Sinnen.
(S. 237-238)


c. Sternengruß

Wandelt ihr, liebe Sterne am Himmel,
Herauf so licht und hehr?
Ich weiß zwei schönere Sterne,
Die brennen mein Herz so sehr.

Ihr kommt wohl jeglichen Abend
Und bringt die süße Ruh,
Dann schließet ihr wieder am Morgen
Die goldenen Aeuglein zu.

Meine Sterne die scheinen am Abend,
Sie scheinen um Mitternacht,
Sie scheinen am hellen Mittag,
Und wann der Morgen erwacht.

Meine Sterne sind zwei blaue Augen,
Die trägt ein holdiges Kind;
Da hinein muß ich ewiglich schauen,
Und schaue mich krank und blind.

Wandelt hin nun, Sternlein am Himmel,
Und sagt es dem Kindlein fein,
Ich muß vor Traurigkeit sterben,
Wendet sie von mir den Schein.

Wandelt hin nun, Sternlein am Himmel,
Und sagt es dem Kindlein fein,
Ich bin in dem Paradiese,
Will sie mein eigen sein.
(S. 238-239)


d. Was Goldringelein sagen soll

Geh hin, geh hin, Goldringelein,
Und sage meinem trauten Kinde,
Treufest wie Berge soll sie sein
Und lieblich wie die Frühlingswinde,
Doch nicht wie Zephyrs Flügel leicht,
Der alles küssend weiter fleucht.

Geh hin, geh hin, Goldringelein,
Und sage meiner hübschen Feinen,
Sie soll in meines Herzens Schrein
Hell leuchtend wie Karfunkel scheinen,
Womit man heil'ge Bilder schmückt,
Daß sich der Frommen Herz entzückt.

Geh hin, geh hin, Goldringelein,
Und sage meiner süßen Holden,
Wann ostwärts geht der Sonne Schein
Und Sterne Höllennacht vergolden,
Wann Bäche rinnen berghinauf,
Dann höret meine Liebe auf.

Geh hin, geh hin, Goldringelein,
Das sollst du noch zuletzt ihr sagen:
Nichts süßer ist als Liebespein,
Nichts lustiger als Liebesklagen,
Nichts fröhlicher als Liebesnoth,
Nichts seliger als Liebestod.
(S. 239)
_____



Klinglieder

1.
Ihr hohen Bilder, die im Herzen prangen,
Ihr bunte holde Himmelsfantasieen,
So sollt ihr nimmer mir hier unten blühen?
So bleibt ihr ewig an den Sternen hangen?

Wie liebe Arme wollen mich umfangen!
Wie süße Augen wollen für mich glühen!
Wie süße Seelen wollen in mich ziehen!
Ich darf nach Glück und Liebe nimmer langen.

Doch bleibet, Fantasieen! bleibet, Träume!
Ihr dünne Schatten, bleibt, die ewig lügen,
Doch mehr uns halten als das dicke Leben!

Unendlich sind des Geistes Aetherräume,
Und in den Höhen, wo die Vögel fliegen,
Soll meine Lieb', ein bunter Vogel, schweben.


2.
Geliebtes Eiland, mütterliche Erde,
Wo ich von siebzehn schönen Jugendlenzen
Die Bäume und die Hügel sah bekränzen,
O Rügen, Land voll lieblicher Gebärde!

Sprich, ob ich je die Taten sehen werde,
Wovon die Bilder also lieblich glänzen,
Daß ich in andern Völkern, andern Gränzen
Stets suchen muß nach Arbeit und Beschwerde?

All deine süße Schöne mußt' ich lassen,
All deine holde Stille mußt' ich fliehen,
Ich mußt' ein größres Vaterland mir suchen.

O diesen Stolz werd' ich ihn je erfassen?
Wirst du, Germanien, noch in Freiheit blühen,
Wo Sklaven stöhnen und Tyrannen fluchen?


3.
Ich lese bunte Blumen in den Hainen,
Daß ich sie fernhin meiner Liebe sende,
Gar lustig geh'n die Augen und die Hände,
Doch die Gedanken drinnen wollen weinen.

Sie sprechen: sieh an diesen süßen Kleinen
Den Anfang aller Dinge und das Ende:
Schnell kommt des schönsten Glückes Sonnenwende,
Und traurig spielst du dann mit leeren Scheinen.

Sie sprechen: Blühten wir nicht bunt wie diese
In deiner Brust voll junger Frühlingsliebe?
Sind wir dir lieb nicht, o wie lieb! gewesen?

Kein Engel treibt dich aus dem Paradiese,
Die Stunden nicht sind deiner Freuden Diebe,
Du bist es selbst, du unruhvolles Wesen.


4.
So klingst du wieder, längst verklungner Klang?
So blüht ihr wieder, längst verwelkte Rosen?
So wollt ihr, Fantasieen, mit mir kosen,
Wie mit dem Lenz der muntre Waldgesang?

Was will dies? Wandelt nicht mein Lebensgang,
Wo Furien wild in Kriegsposaunen stoßen?
Wo Männer blutig um das Schicksal loosen?
Was täuschet mich der Himmlischen Empfang?

Gewiß, ihr Holden, habt ihr euch verirrt,
Ihr sucht den Mann nicht, dem die Locken grauen,
Ihr sucht den Mann nicht mit dem finstern Blick.

Was hör' ich? Eine süße Stimme girrt -
Was ist's, das die entzückten Blicke schauen?
O bleibe, Traum! o bleibe, träumend Glück!


5.
Was klingt mir für ein süßer Wunderschall
Mit Himmelstönen tief im tiefsten Herzen,
Gleichwie die Stimme klingt der hohen Schmerzen,
Die ewig liebekranke Nachtigall?

Was blüht ihr, längstvergangne Wonnen, all
Und zündet mir die Brust mit Himmelsschmerzen?
Und laßt die finstern Geister in mir scherzen?
O das ist Liebe, das ist Liebesschall!

O bliebst du ewig, süßer Wunderschall!
O würd' ich selber ganz zur Philomele
Und klänge mich in Liebesklagen todt!

Denn wer die Liebe hat, der hat das All,
Die Liebe ist der Seelen große Seele,
Der Götter Leben und der Götter Tod.


6.
Was ächzest du, o Seele, Turteltaube
Des Himmels? warum sehnest du dich hinnen
Dahin, wo Engelherzen liebend sinnen
Das Wohl und Weh der Pilger hier im Staube?

Sei fröhlich! Hoffnung wandelt ja und Glaube
So lieb mit dir im Wähnen und im Minnen
Und weiße Lilien, rothe Rosen spinnen
Hienieden manchen Fleck zur Himmelslaube.

Sie girrt mir zu: Zur Stillung meiner Schmerzen
Berufe alle Blumen, alle Bäume
Und lade alle süßen Nachtigallen.

Vergebens; denn mir blüht ein Gram im Herzen,
Der Liebe heißt, der sucht die hohen Räume
Und zu den Sternen geht sein ew'ges Wallen.


7.
Woher, du süßes Schmachten, frommes Wähnen,
Die sich mit Inbrunst auf zum Himmel drängen?
Die mir die heiße Brust wie Ströme sprengen
Im Ocean von Träumen und von Thränen?

Woher, du tiefes wunderbares Sehnen
Mit Todesliebe und mit Todesklängen,
Gleich jenen wonnereichen Grabgesängen,
Womit der süße Tod erklingt in Schwänen?

O in der Töne Wollust so verklingen!
In süßen Thränen Wellen gleich verrieseln!
In süßen Träumen Geistern gleich verschweben!

O Schwäne, welche mir im Busen singen,
Ihr schmölzet wohl die Brust von harten Kieseln,
Euer Sterben gäbe wohl dem Tode Leben.


8.
Wie Millionen Tropfen in den Wogen
Des Meeres lustig durch einander fliehen,
Wie Millionen süßer Blumen blühen,
Wann milde Stralen weh'n vom Himmelsbogen,

So kommen wimmelnd Geister hergeflogen,
Die jauchzend ein in meine Seele ziehen,
Die gleich den Sternen, gleich den Blumen blühen,
Und haben bunte Farben angezogen.

O seid willkommen, Seelchen meiner Seele!
Willkommen, süße Boten meiner Kleinen!
Willkommen, bunte Vögel ihrer Minne!

O grüßet meine holde Philomele,
Die klingt so hell in meines Herzens Hainen,
Die so entzücket meine trunknen Sinne.
(S. 243-246)
_____



An die Nachtigall
1813

Süße Klage,
Kleine Nachtigall,
Klang der Nächte, sage,
Wer gab dir den Schall?

Fielst von Sternen
Du, ein Engeltraum,
Daß wir Sehnsucht lernen
Nach dem lichten Raum?

Wurdest Leyer
Für der Liebe Leid,
Singst der Seelen Feier
Nun im Federkleid?

Philomele,
Holdes Himmelskind,
Zarte Geisterseele,
Wie die Engel sind!

O der Herzen
Goldner Leyerklang!
Klinge, Lust der Schmerzen,
 Klinge laut Gesang!

Klinge, Liebe,
Klinge, Sehnsucht drein!
Funkelt, helle Triebe,
Hell wie Sternenschein!

Stimmt Gesänge
Gleich der Nachtigall,
Und im Strom der Klänge
Fluthet hin zum All!
(S. 269-270)
_____



Liebestod
1814

Es saß ein Knab im grünen Hain
Und hielt im Arm die Liebste sein,
So lieb und hold, so jung und schön,
Als Rosen unter Lilien steh'n.

Der Knabe zu der Jungfrau sprach:
"Sieh da das Wasser in dem Bach,
Es fließet hin, fließt nie zurück,
So fließt auch hin der Liebe Glück."

Die Jungfrau zu dem Knaben sprach:
"Die Liebe ist kein Wasserbach;
Das Wasser rinnt wie falsches Glück,
Doch Liebesfluth fließt treu zurück."

Der Knabe sah nach Mond und Stern -
Die Wandler droben hab' ich gern,
Sie halten fest die rechte Bahn,
Doch Liebe bleibt ein Lügenwahn."

"Ist Liebe Wahn und Lügenwahn,
So lüget auch die Sternenbahn,
Kein Stern hält sichrer Weg und Pfad,
Als die dein Arm umschlungen hat."

Der Knabe sah die Wolken zieh'n -
Sieh dort der Liebe Bilder flieh'n,
Sie wechseln Farben mancherlei;
So bunt ist auch der Weiber Treu."

"Ist Weibertreu so leicht und bunt,
Wie trau' ich, Knab, auf deinen Mund?
Auf deinen Mund, der Treu verspricht?
Doch meine Treue wechselt nicht."

Der Knabe sah der Vöglein Heer
Auf Zweigen hüpfen hin und her -
Er sprach: "Wie diese Flattrer sind,
So ist auch jedes schöne Kind."

"Ist jedes Kind so wandelbar
Als dieser leichten Flattrer Schaar,
Du böser Knab, so mach mich todt,
Damit ich komme rein zu Gott."

Der Knabe sah zwei Lilien steh'n,
Er rief: "Wie sind sie weiß und schön!
"Wärst du, mein schönes Kind, so weiß,
Mir brennte nicht die Brust so heiß."

"Brennt dir, o Knab, die Brust so heiß,
So wisse doch, dein Kind ist weiß,
Ist weiß und rein, wie Lilien sind,
Doch ach! ihr Wort hört nur der Wind."

Die Jungfrau sprang vom Knaben auf,
Ein scharfes Messer riß sie auf,
Ein scharfes Messer neu und blank -
Es traf, daß sie zum Sterben sank.

"O weh! o weh! mein liebstes Kind!
Nun hört dein Wort auch nicht der Wind;
Nun bist du todt vor lauter Treu,
Und Lieb' und Leben ist vorbei."

Der Knabe nahm das Messer roth -
"Nun diesen Stoß gesegne Gott!"
Er stieß es in die tiefe Brust -
"Fahr hin nun, Lieb' und Liebeslust!"

Der Knabe fiel im Blute hin,
Fiel todt auf die Feinsliebste hin.
So fand man beide kalt und bleich,
Barg sie in Eine Gruft zugleich.

Da ruh'n sie still vom Erdenleid
Und warten auf die Himmelsfreud.
Die Himmelsfreud geb' ihnen Gott!
Und keiner mach' aus Liebe Spott!
(S. 286-288)
_____



Klang der Sehnsucht
1815

O Sang! o Klang! o Freudenklang!
O Klang der süßen Minne!
Wie mächtig drang, wie lieb und bang
Dein Ton durch meine Sinne!
So klingt im Thal die Nachtigall,
Die ihre Zeit vergessen,
Am Sonnenstral im Herbst einmal,
Wo sie im Lenz gesessen.

O Nachtigall, du Bild der Quaal,
Wovon kein Mensch will lassen,
Dein Sonnenstral, dein Blumenthal
Geh'n beide ihre Straßen,
Der Tag wird heiß, das Blüthenreis
Welkt in den gelben Zweigen,
Dich brennt so heiß, was keiner weiß,
Du mußt es still verschweigen.

O Vöglein süß, o Minne süß!
Wem ist dein Leid nicht eigen?
Wohl mancher ließ ein Paradies
Und muß es still verschweigen,
Die lange Zeit, die schwere Zeit
Muß er die Lust beweinen:
Denn höchste Freud bringt tiefstes Leid,
Wo Erdensonnen scheinen.

Wie inniglich, wie winniglich
Beut Jugend ihre Rosen!
Wie inniglich, wie minniglich
Ist ihrer Wonne Kosen!
Doch schnell dahin, dahin, dahin,
Wie Wasser weiter fließen;
Und ist's dahin, so däucht's dem Sinn
Ein Traum von Engelgrüßen.

Doch klinge, Klang, du Freudenklang,
Du Klang der süßen Minne!
Ist ewig lang, sei du so lang,
Und täusche meine Sinne;
Bringt höchste Freud das tiefste Leid,
So will ich nimmer klagen,
Denn schönste Freud war mir bereit
In meinen Frühlingstagen.
(S. 305-306)
_____



Sehnsucht
1817

Wann die Vöglein so minniglich
Im grünen Walde singen,
Mit den Kehlen so winniglich
Von Lust und Liebe klingen,
Dann singt's und klingt's auch hell in mir,
Dann will das volle Herz mir schier
Vor lauter Freude springen.

Wann die Blümlein in Berg und Thal
In süßer Liebe glänzen,
Mit dem himmlischen Wonnestral
Die Au'n und Anger kränzen,
Dann blüht's und glüht's in mir so jung,
Dann nimmt die Seele sich den Schwung
Zu Reigen und zu Tänzen.

Wann die Sternlein mit mildem Schein
Die stille Nacht durchfunkeln,
Alle Blätter und Zweiglein klein
Zusammen flüsternd munkeln,
Dann will's in mir auch lustig sein,
Und aller Himmel Sternenschein
Beginnt aus mir zu funkeln.

O ihr Vöglein so traut und hold!
Und Blümlein bunt und feine!
O ihr Sternlein, die leuchtend rollt
Mit süßem Gottesscheine!
Euch künd' ich mein Geheimniß dreist,
Ihr wisset wohl, was Liebe heißt,
Und schweigt sie treu und reine.

Wann ihr schmücket Feld Berg und Thal
Mit Klängen und mit Scheinen,
Dann beginnt auch mein Klang und Stral
Zu klingen und zu scheinen;
Doch ach! mein Liebstes wohnet fern,
Und sehnlich muß mein Augenstern
Auch in der Wonne weinen.
(S. 347)
_____



Zorn und Liebe
An Karoline Hegewisch
1819

Von Liebe sprichst du, süßes Kind,
Und immer nur von süßer Liebe;
Lieb' ist der Frauen Frühlingswind
Und Mutter aller milden Triebe,
Lieb' ist des Himmels Nachtigall,
Die laut vom Jenseits klingt den Schall.

Sie klingt der Welten Hochgesang,
Wie keine Harfe klingt und Cither;
Was sie nicht klingt, ist Schellenklang,
Was sie nicht schafft, ist Prunk und Flitter,
Was sie nicht baut, das steht auf Sand,
Was sie nicht weiht, geräth zu Tand.

Sie ist der Stolz, sie ist der Glanz,
Doch wer mag ihre Namen zählen?
Sie ist im Göttersternentanz
Die Reigenfürstin heil'ger Seelen -
Wer klänge, hätt' er solchen Klang,
Von ihr nicht Ewigkeiten lang?

Doch schilt mir drum den Bruder nicht,
Der holden Herrlichkeit Bewahrer,
Er funkelt auch von Himmelslicht,
Ein Frommer Fester Heitrer Klarer,
Doch schilt mir nicht den tapfren Zorn,
Ohn' ihn hat Liebe bald verlorn.

O schilt den tapfern Kämpfer nicht,
Mit ihr aus Einem Bett entsprossen;
Zwar trägt er strenges Angesicht
Und hält der Schlacht Visier geschlossen,
Doch könnt' er jemals lässig sein,
Wie mögte Liebe sicher sein?

Drum her die Hand! es bleibt dabei!
Blieb's nicht, so würde gar nichts bleiben,
So würd' in öder Wüstenei
Kein Geisterfrühling Blüthen treiben,
So schüfe Satan hier das Recht
Und hieße ewig Herr der Knecht.

Drum her die Hand! es bleibt dabei!
Halt hoch empor den Stolz des Lebens!
Halt fest, halt fest an diesem Zwei!
So lebst und strebst du nicht vergebens;
Denn wie die Rose blüht im Dorn,
So blüht und glüht die Lieb' im Zorn.
(S. 368-369)
_____



Hoffnung in Sehnsucht

Wann auf des Zweifels Oceane
Mein Schifflein treibt vor Sturm und Wind,
Wann jedem schönen Lügenwahne
Das bunte Farbenspiel zerrinnt,
Wann Hoffnung selbst nicht ankern kann,
Was ist mein sichres Anker dann?

Das bist du, Hort und Trost des Lebens,
Das bist du, Heiland Jesus Christ,
Der du der Tröster alles Lebens,
Der Stiller alles Haders bist,
Der Liebe Quell, der Gnade Born,
Der uns erlöst vom Sündenzorn.

Das bist du, blöder Herzen Wonne
Und kranker Seelen Zuversicht,
Du aller Sonnen hellste Sonne,
Du aller Lichter reinstes Licht,
Du aller Scheine schönster Schein,
Du Wort des Vaters klar und rein.

O Liebesabgrund, den ergründen
Auch keines Engels Senkel kann,
Daß wir doch immer recht verstünden,
Wodurch der Hölle Trug zerrann,
Wodurch der Gnade sel'ges Licht
Nun himmlisch durch die Herzen bricht!

Daß wir doch alle immer wüßten,
Wodurch wir Gottes Kinder sind,
Wodurch wir zu des Himmels Küsten
Hinsteuren vor dem rechten Wind,
Wodurch wir selbst in Düsterniß
Nicht zagen, unsrer Fahrt gewiß!

Das hilf du uns, daß wir's gewinnen,
Du süßer Heiland, Jesu Christ,
Der du den Herzen und den Sinnen
Allein die rechte Leuchte bist,
Die, wann auch Sonn' und Mond vergeht,
In wandelloser Klarheit steht.
(S. 464)
_____



Der Liebe Unaussprechlichkeit

O könnt' ich doch von Liebe sprechen,
Wie Liebe unergründlich ist,
Wie sie in Adern Quellen Bächen
Und Strömen jede Brust durchfließt!
Dann würde dieses Herz ein Schall,
Der klänge durch das weite All.

O könnt' ich doch von Liebe klingen,
Wie Liebe süß von Tönen klingt,
Wie sie, das ew'ge Wort, den Dingen
Geheimnißvoll das Leben bringt!
Dann würde dieses Herz ein Klang
Vom Aufgang bis zum Niedergang.

O könnt' ich doch von Liebe girren,
Wie Liebe zärtlich lockt und girrt,
In Lerchenliedern aufwärts schwirren,
Wie's nur in mir lebendig wird!
Dann würd' ich bald im süßen Schall
Die hellste Liebesnachtigall.

O süße Liebe, fromme Liebe,
Die auf die Welt herniederkam,
Aus unermeßlich reichem Triebe,
Für uns den Tod am Kreuze nahm,
O süße Liebe, sel'ge Gluth!
Du hellstes Licht, du höchstes Gut!

O süße Liebe, fromme Liebe!
O ungestillter Sehnsucht Schmerz!
Die gern uns all' auf einmal hübe
Empor an deines Vaters Herz,
Ich fühle deines Athems Weh'n,
Und Wort und Stimme muß vergeh'n.
(S. 466-467)
_____


Aus: Gedichte von Ernst Moritz Arndt
Vollständige Sammlung Zweite Auflage
Berlin Weidmannsche Buchhandlung 1865

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Moritz_Arndt



 

 


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