|
Constantin Julius
Becker
(1811-1859)
Das Lied von der Liebsten
Ich weiß wohl ein Liedlein,
Das immer mir schallt,
In einsamer Zelle,
Im Feld und im Wald,
Im Drange der Tage,
In ruhiger Zeit,
Im Wachen und Träumen,
In Lust und Leid;
Das tragen die Winde
Ans lauschende Ohr,
Das zwitschern die Vögel
Im lustigen Chor,
Das summen die Bienen
In emsiger Hast,
Das girren die Tauben
In zärtlicher Rast,
Das lispeln die Zweige,
Das flüstert der Baum,
Das wiegt die Gedanken
In seligen Traum,
Das murmeln die Quellen,
Das rauschet der Bach,
Das rufet im Herzen
Ein Echo mir wach,
Das brauset die Orgel
Im frommen Gesang,
Das läuten die Glocken
Im friedlichen Klang:
Das Lied von der Liebsten
Mir nimmer verhallt,
So lang durch die Adern
Das Leben noch wallt!
aus: Deutsche Lyriker
seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 52-53)
_____
Der Liebesbrief
Wollt' einmal dem Liebchen schreiben,
Hatte gleich kein Briefpapier.
Dacht' ich: gut! - da läßt du's bleiben -
Gehst gleich lieber selbst zu ihr!
So groß war meine Eile,
Daß ich selbst als Liebesbrief
Manche liebe lange Meile
Nach dem fernen Liebchen lief.
Und sie las den Brief geschwinde,
Küßt' und herzt' ihn tausendmal!
Doch ich gab dem holden Kinde
Küsse wieder ohne Zahl.
aus: Deutsche Lyriker
seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 53)
_____
Biographie:
Geboren am 5. Februar 1811 zu Freiberg in Sachsen, entwickelte er früh
musikalische Anlagen, die er in Leipzig ausbildete. Seit 1837 beteiligte
er sich als Mitarbeiter und später als Mitredakteur an der "Neuen
Zeitschrift für Musik". Von seinen eigenen Kompositionen sind zu nennen:
eine Oper ("Die Belagerung von Belgrad"), eine Symphonie, viele Lieder,
die Musik zu "Prinz Waldmeisters Brautfahrt" von Roquette. Er war auch
Verfasser einer Harmonielehre, sowie des musikalischen Romans "Die
Neuromantiker" und des humoristisch-satirischen Romans: "Kleebein und
Compagnie. Freie Federzeichnungen in Hogarths Manier" (1840 und 1841).
Seit 1846 lebte er zurückgezogen zu Oberlößnitz bei Dresden, wo er am 16.
Februar 1859 starb. Die "Gedichte" Julius Beckers erschienen erst nach
seinem Tode, 1862.
aus: Deutsche Lyriker
seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 52)
siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Constantin_Julius_Becker
siehe auch:
http://www.deutsche-biographie.de/artikelADB_002-222-02.html
|