Julius Maria Becker (1887-1949) - Liebesgedichte

 

Julius Maria Becker
(1887-1949)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Johanni

Als sich dein Haar den Berg entlang ergoß,
Wogte das Weizenfeld in seinem gereiften Gold.
Kornblumen dunkelten, wo noch eben dein Blick geweilt.
Im silbernen Blütenstaub dämmert dein Odem hinab.

Der Beter vorm Bildstock erfleht noch den Saaten Bestand:
Es tränke sie Tau und der Sturm erachte des Halms.
Dann schließt er auch dich in sein gilbes Gebet.
Saum deines Kleides wehet den Tannen vorbei.

Jetzt bette ich Müdsein in deine eratmete Saat,
Erde ist kühl und dein Leib ist dem Sinne der Erde so nah.
In Küssen beschwörst du den silbernen Abend heran.
Blaß über Wimpern tanzt schon die Sichel des Monds.
(S. 5)
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Ich - Du

Ich halte im Umkreis deiner Verflüchtung mich auf.
Ich weile auch ferne der grenzenden Körperlichkeit.
Ich wandle im blasseren Licht deines Heiligenscheins.

Du stehst im Abend und verdämmerst ganz still hinaus.
Du streifst noch die Sterne und zitterst im Boden fort.
Der Schleier sind viele, sind Wolken und wehen dich hin.

Ich nehme das Beste von dir fern atmend in mich.
Ich tränke mein Erdreich mit deinem durchgoldeten Tau.
Ich helle den Traum mit deinem vergessenen Licht.

Du bist wie zu Hause und weißt auch nicht, wie du mich nährst.
Du senkst deinen Schatten, umwandelst dein Wurzelgerank.
Du blühst und vergehst, doch die Ferne stammelt von dir.

Ich pflanze dein Echo auf einen verewigten Stern.
Ich rette die Strahlung des Bluts in eine bedürftige Nacht.
Ich trage den Hauch, der noch blieb, auf meinem Fittich hinauf.
(S. 6)
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Dein Wesen ist über alle Welt zerstreut -

Dein Wesen ist über alle Welt zerstreut,
An alle Himmel verloren.
Im Kelch von tausend Blumen sammle
Ich dich ein.

Ich werfe meine Netze weit im Meer
Der Nachthimmel aus,
Feierliche Sternbilder, worin dein Blick sich verewigt,
Sammle ich in meinen Netzen.

Ich eile zu gehen:
Zurückholen will ich deinen Blick
Aus allen vier Winden der Rose.
Jedem deiner Gedanken reise ich nach.

Ich behüte mit aufgestellten Windharfen,
Die mein Lied dir brausen,
Geliebte, dein waches, hellwaches Ohr.

Ich will, daß deines Wesens
Volle Pracht in einem heißen
Kuß mich überschütte:

O ja, Geliebte, bleibe in meiner Hand!
Schwinde nicht fort aus meinen
Verdämmernden Horizonten!

Entferne dich nicht aus dem Goldrahmen
Meines geruhigen Tags!
Lästere nicht meinen Besitz an dir!
Habe keine fremden Götter neben mir!
(S. 7-8)
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Lied

Sie sind im Licht der Tagessonne
Der Leiber zwei, der Seelen zwei,
Sie streben sonder Wort und Wonne
In weiten Kreisen sich vorbei.

Er zieht mit jedem roten Morgen
Die wachen Pfade streng hinauf;
Im Köcher ist der Pfeil geborgen,
Es ruht die Hand an Schwertes Knauf.

Des Weibes Tag ist stiller Wandel
Der Sonne um umlaubtes Haus,
Ein ferner, süßer Duft von Sandel,
An seinem Weg ein Blütenstrauß.

Doch mit der Sonne Lichtvergluten
Fällt beider Kreis aus ihrer Kraft
Und dunkel muß zusammenfluten,
Was tags sein Einzelsein erschafft.

Baum, Strauch und Turm zerfließt ins Schweigen,
Der Strom verebbt im weiten Tal;
Der Himmelszeichen goldner Reigen
Geht ein in diesen Sternensaal.

Nichts will nun beide mehr umragen,
Ein Grauen zwingt den Mann zum Weib.
Von eines Odems Maß getragen,
Durchblüht die Macht ein Sein, ein Leib.
(S. 12)
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Liebesode

Dein Blick ist unsterblich in mir.
Er hat ja erst wie ein Sonnenstrahl
Mein dumpf-unseiendes Leben erweckt.
Er hat ja erst die Sehnsucht erweckt.
Dein Blick ist unsterblich in mir.

Wir sanken, Glieder an Glieder gepreßt
Und Mund an Mund
Als Leib, lustvergessen ein Leib, ins Gras;
Und tief der Himmel mit tausend Sternen
Sank und deckte uns zu.
O Himmel der Lust! O Grab der Lust!
Aber dein Blick ist unsterblich in mir.

Und, die du gebärst, die Kinder kreisen
Als Sonnen auf eigen-beschriebener Bahn:
Ein neues System. Ich hab es erregt.
Nein, dein Blick hat es erregt.
Und dein Blick ist unsterblich in mir.

Unsterblicher als die Geschlechter nach mir.
In meiner Seele, wenn alles, was Staub war,
Staub wieder ist, lebt noch dein Blick,
Ihr sphärisches Sein durchleuchtend mit mildem Strahl,
Unsterblich ist dein Blick in mir.

So wird meine Seele die Sehnsucht hegen,
Wie tief ich gestorben, nach Leben im Fleische,
Um voller zu fassen das schwebende Leben
Im Blicke von dir zu mir,
Unsterblich ist dein Blick in mir.
(S. 13)
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Im Abenddämmern zwischen den Jahren -

Nun muß ich nächtelang
Vergeblich am Scheideweg der Milchstraße auf dich warten,
Im Abenddämmern zwischen den Jahren
Säumte ich drüben als der Mann im Mond.

Früher konnte ich dich in den verzweigten Tälern
Der Erde noch suchen gehn.
Im bläulichen Frostlicht des Monds
Schliefen die Hütten, im Schatten zerstreut.

Doch irgendwo, drinnen, dein kristallener Atem
Zeichnete Orchideen auf silberne Scheiben.
Eisblumen - die schönsten auf gläsernen Beeten der Nacht -
Zeigten den Weg zum wärmenden Licht deines Kusses.

Nun weiß ich dich nirgends zu finden.
Ich suche die Träume der Jünglinge auf.
Ich weiß es, in Nächten des klirrenden Siebengestirns
Träumen sie immer nur dich,
Träumen dich mit all deinem Lächeln, farbig im stillen
Gedenken an mich.
Nur in den Träumen Verliebter finde ich nochmals zu dir zurück.
(S. 14)
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Aus: Julius Maria Becker Gedichte
Kurt Wolff Verlag Leipzig 1919

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Maria_Becker



 

 


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