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Joachim Christian
Blum
(1739-1790)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
-
So lohnst du, Sohn der
himmlischen Cythere (An den Amor)
-
Du, deren Armen mich die
strenge Pflicht entrißen (An Lauren)
-
Holder Amor, komm auf meine
Bitte (An den Amor)
-
Verberget euren Freund,
erfrischende Gesträuche (Auf eine Halbinsel)
-
Holde Freundin meiner Seele!
(An Dorilis)
-
Die du, gleich dem
Frühlingshimmel (An Delien)
-
Hier war es, wo ich noch vor
wenig Tagen (Klagen über Phyllis Abschied)
-
Erstgeborene Tochter des
Himmels (An die Liebe)
-
Singt, ihr Hirten, singt den
Amor (Lobgesang auf den Amor)
-
Dieß Büschen, in diese weiße
Vase (An Chloen)
-
Auf irdischem Boden wird
nicht, erhabne Themire! die reine (An Themiren)
-
Wo du dem hagern Plutus
dienst (An Amaryllis)
-
Entsage nicht ewig der Wonne
(An eine Nonne)
-
Meiner ersten Jugend Geliebte
(An Doris)
-
Du Mädchen mit den großen
himmelblauen Augen (An Lauren)
-
Du lässest mich in langer
Marter sterben (An Phyllis)
-
Laura, dürft ich deine süßen
(An Lauren)
-
Wenn ich König wäre (An
Dorillis)
-
Liebe! dein Dichter (An die
Liebe)
-
Jüngst, als ich sah der Sonne
letzten Strahl (An Chloen)
-
Tochter der Gottheit, meiner
unsträflichen Lieder (An die Liebe)
-
Sie, durch die mir jüngst die
Fluren blühten (Die Trennung)
-
Wenn meine Phyllis jemals
mich vergisst (Phyllis)
-
Der du durch wankende Binsen
und Kalmus dich drängest (An den Quell zu **)
-
Sie liebt mich, die ich mir
vom Schicksal oft erflehte (Laura)
-
Woher die Veilchen, lieber
Knabe (Venus und Laura)
An den Amor
1764
So lohnst du, Sohn der himmlischen Cythere,
Die tausend Opfer, die ich dir gebracht,
Seit ich in allen Tempeln deine Gottheit ehre,
Und deines Bogens Macht?
Also die Lieder, die in Paphos Haine,
Mein frommer Mund bey deinen Festen sang,
Wann ich mit Götterkünsten unbeseelte Steine
Zu deinem Dienste zwang?
Was führst du mich in deine Rosenauen,
Wenn ich davon nicht Blumen brechen soll?
Der Quaalen schrecklichste ist: Götterspeise schauen,
Die man nicht kosten soll.
Im Tartarus straft nicht der Sündenrächer,
Den keine Zähre, kein Gebet bewegt,
Mit ärgrer Marter die tantalischen Verbrecher,
Als du auf mich gelegt.
Grausamer, gib mir meine Freude wieder,
Die mit Glyceren mir entrissen war!
Ich biete für das Mädchen alle meine Lieder,
Mein ganzes Glücke dar.
Willst du Gebet nicht hören, Ungeheuer:
So höre Fluch! Bild, Tempel und Altar,
Zerstöre Beil und Glut, und die verfluchte Leyer,
Die dir gewidmet war!
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 23-24)
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An Lauren
1766
Du, deren Armen mich die strenge Pflicht entrißen,
Bey deinen letzten, liebetrunknen Küßen,
Schwör' ich: mein Geist, bist du gleich fern von mir
Mein ganzer Geist ist noch bey dir.
Dir folg' ich ungesehn, mit dir in stillen Hainen,
Vor Sehnsucht meine Tage zu verweinen,
Mein Odem ist die Luft, die dich umspielt,
Und die bethränte Wange kühlt.
Ich wache, wann du schläfst, im Schatten deiner Bäume,
Die Träume, die du träumst, sind meine Träume;
Ich sage jedem Lüftchen: fleuch von hier!
Denn Laura träumt, und träumt von mir.
Und zürnt der Himmel stets: so will ich doch von weiten,
Mein Leben! wie dein Schatten dich begleiten,
Bis ewig uns, wann wir genug geirrt,
Elysium vereinen wird.
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 27)
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An den Amor
1771
Holder Amor, komm auf meine Bitte,
Komm zu meiner armen, kleinen Hütte;
Mit den gürtellosen Grazien,
Müße Phyllis dir zur Seiten gehn!
Auch den wackern Bacchus hab' ich gerne,
Eile: denn es glänzen schon die Sterne,
Und nur allzubald ist eine Nacht
Bey so lieben Gästen hingebracht.
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 36)
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Auf eine Halbinsel
am Rande der
Havel
1766
Verberget euren Freund, erfrischende Gesträuche,
Die ihr mein auserwähltes Eyland schmückt!
Verbirg du mich, wann ich der falschen Stadt entweiche!
Du holder Ort, der oft mein krankes Herz erquickt!
Sey mir gegrüßt, du Strom, und ihr, ihr stillen Teiche,
Seyd mir gegrüßt! Wann ich an meines Leukons Hand,
Zu euch, ihr seligen Gestade schleiche:
Flieht aller Harm, den ich empfand.
Hier wohnt die sichre Ruh, hier athmet alles Frieden.
Kein bittrer Zwist hat diesen Ort berührt,
Hier hat die strenge Tugend Freunde nie geschieden,
Und keine böse Laune Liebende verwirrt,
Hier lauren nicht des Neides und der Rache Tücke,
Verleumdung wetzet hier die Wolfeszähne nicht,
Hier wacht nicht Argwohn über meine Blicke,
Hier schreckt kein hämisches Gesicht;
Hier blühet Tempe, hier ergehen sich die Musen,
Hier ist ihr Altar, hier ihr Rosenhain,
Hier trink' ich oft entzückt an ihrem weichen Busen
Der Freude lautern Strom mit durstgen Zügen ein:
Dann rinnt ein zärtlich Lied aus meinem vollen Herzen,
O, keusche Liebe! dann besing ich deine Macht,
Und deine Lust, und deine süßen Schmerzen,
Bis mir dein goldner Stern erwacht.
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 37-38)
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An Dorilis
1772
Holde Freundin meiner Seele!
Dieses Blümchen brach ich dir,
Diesen Erstling unsers Frühlings,
Einer ganzen Wiese Zier.
Aus dem hochgeschoßnen Grase
Sah es nur verschämt empor;
Auch vor stolzeren Gespielen
Drängest du dich nicht hervor.
Sieh' in deinen weichen Händen
Ruht das süße Blümchen nun;
Aber bald wird es gepflanzet
Auf den Busen, stolzer thun.
Sanftes Mädchen! itzt verdunkeln
Stolzere Gespielen dich;
Doch giebt Amor dir die Krone,
Und mein Herz erwählet dich. -
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 44)
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An Delien
1762
Die du, gleich dem Frühlingshimmel,
Jtzt von Phöbus Stralen glühst,
Jtzt mit fürchterlichen Wolken
Deine schöne Stirn beziehst;
Die du oft in Einer Stunde
Mehr als Einmal lachst und weinst;
Jtzt in Liebe zu zerfließen,
Jtzt vor Zorn zu brennen scheinst;
Delia! Mein Herz von tausend
Ungestümen Sorgen voll,
Zweifelt, ob es dich noch lieben,
Oder dich verachten soll?
Engel, so du wolltest, schlößen
Dich in ihre Reihen ein:
Mädchen! und du kunnst dich weigern,
Unter ihrem Chor zu seyn?
Wag' es, da dein Herz noch wanket,
Deinen Vortheil einzusehn!
Sanftmuth, die sich nicht verleugnet,
Machet erst die Schönheit schön.
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 48)
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Klagen über Phyllis Abschied
1773
Hier war es, wo ich noch vor wenig Tagen,
Mit meiner lieben Phyllis ging,
Wo ich von ihr (euch Büschen, darf ichs sagen?)
Den ersten Kuß empfing;
Hier war es, wo sie gestern noch im Kühlen,
Mit ihrer rosenweichen Hand,
Mit Blumenkronen, unter Zephyrs Spielen,
Mein fliegend Haar umwand;
Hier war es, wo mit thränennaßen Wangen,
Mit schmachtendem gesenkten Blick,
Das Mädchen sprach: "Mein Liebling, mein Verlangen!
Zu kurz war unser Glück.
Ich würde nie von deiner Seite gehen;
Auch weich' ich nur der stärkern Macht,
Die unsrer Thorheit, wenn wir widerstehen,
Und unsrer Thränen lacht."
Nun trennen uns Gebirge, Ströme, Matten,
Und, ob die Lieb' uns wieder lacht,
Darüber hängt mit undurchdrungnen Schatten,
Des Schicksals tiefste Nacht.
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 49-50)
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An die Liebe
Den 10ten August
1773
Erstgeborene Tochter des Himmels,
Eile mit deinem Göttergefolge,
(Deine jüngere Schwester, die Freundschaft,
Ruft dich;) eile, Liebe! zu jenen
Lachenden Ufern, wo Wälder und Waizen,
Hufen und Rosenauen des Elbstroms
Segenschwangere Welle bespült.
Eile dahin, ein zärtliches Paar mit
Deiner himmlischen Zone zu binden!
Kröne die junge Treue des Jünglings,
Kröne die weise Liebe des Mädchens!
Deines Nektars eine gefüllte
Schale, gieb ihnen, und, wenn es gescheh'n kann,
Mische kein Tröpfchen Kummers darein!
Dann eile zum goldnen Olympus,
Dann sage mit deinem holdseligen Lächeln,
Dann sage den neidischen Töchtern des Himmels:
"Ich habe zwey Liebende glücklich gemacht!"
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 51)
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Lobgesang auf den Amor
1768
Singt, ihr Hirten, singt den Amor,
Cythereens holden Sohn!
Amor ist der Mädchen Liebling,
Amor ist der Hirten Freund.
Pan ist nicht der Gott der Wälder,
Nicht der Heerden Schutzgott mehr;
Amor ist der Mädchen Liebling,
Amor ist der Hirten Freund.
Singt, ihr Mädchen! in den Wäldern,
Cytheerens holden Sohn,
Singt den Schöpfer eurer Freuden,
Euren Liebling, euren Freund!
Amor schützt die bangen Heerden,
Amor leitet sie zum Busch,
Amor führt dem treuen Hirten
Sein erwähltes Mädchen zu.
Ihm erzieh' ich Rosenwälder,
Eine ganze Blumenflur;
Was ich künftig sing' und spiele,
Alles soll ihm heilig seyn.
An den lauten Silberbächen,
In der tiefen Thäler Nacht,
Auf den Höhen, in den Hainen,
Ruf ich seinen Namen aus.
Amor ist der Gott der Götter:
Singt, ihr Hirten, singt sein Lob!
Amor ist der Mädchen Liebling,
Amor ist der Hirten Freund.
Amor, hier an diesem Hügel,
Wohne künftig unter uns,
Unter diesen breiten Buchen,
Sey dein liebster Aufenthalt!
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 53-54)
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An Chloen
1774
Dieß Büschchen, in diese weiße Vase,
Von deinen noch weißeren Händen gepflanzt,
Dieß Büschchen, mit seiner kleinen erröthenden Blüte
Will ich vor meinem Fenster
Mit zärtlicher Sorge pflegen,
Morgens und Abends mit der Quelle
Flüßigem Silber tränken,
Von seinen Blättern die feindliche,
Nagende Raupe lesen:
Mein ist das Büschchen, und keines andern.
Chloe! so lieb' ich das Büschchen,
In diese weiße Vase,
Von deinen noch weißeren Händen gepflanzt:
Wie würd' ich dich lieben,
Wann du einmal mit warmen Wohlgefalen
Meine brennende Liebe belohntest!
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 55)
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An Themiren
1770
Auf irdischem Boden wird nicht, erhabne Themire! die reine,
Seraphische Liebe gepflegt:
Für höhere Geister allein, reift in des Himmels Gefilden,
Die süße nektarische Frucht.
Was also, was streben wir hier, zu diesem Staube der Schöpfung
Auf wenige Tage gesellt,
Mehr Masse, mehr Sinn, als unabhängiges Denken, als Seele;
Was streben wir Götter zu seyn?
So mancher vermessene Träumer aus Platons staubichten Hallen
Versuchte den luftigen Flug;
Vergebens! er stürzte, gerührt von Einem schmelzenden Strale,
Noch tiefer als Ikar herab.
Viel besser ist es denn hier die sicheren Pfade zu wandeln
Mit schwellendem Moose bedeckt,
Und nicht den Kuß zu verschmähn, auf wollusthauchende Lippen
Mit feuriger Innbrunst gedrückt.
Beglückter Jüngling, den du, du süßes, romantisches Mädchen,
Mit liebenden Armen umschlingst;
Dem deine Blicke gestehn, und deine stammelnden Lippen:
"Mein Trauter! ich glühe für dich!"
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781(S. 63-64)
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An Amaryllis
1768
Wo du dem hagern Plutus dienst,
Da bist du Liebe, nicht mehr Liebe,
Da bist du Tugend, nicht Verdienst,
Da wallt das kalte Blut von keinem edlen Triebe;
Konkordia vereint da nicht
Die Seelen ewig fest zusammen,
Man duldet sich aus traur'ger Pflicht,
Und hungert im Genuß, und frieret in den Flammen;
Nicht selten hat die Zwietracht da
Den hochzeitlichen Wein vergiftet,
Und, wo man Lieb' und Freude sah,
Ein ganzes Höllenreich von Elend angestiftet.
O, Amaryllis! hast du Muth,
Ein beßres Glück von mir zu lernen:
So sollen Segel, Wind' und Flut,
An Cypriens Geleit, dich schnell von hier entfernen.
Bey meiner kleinen Hütte thront
Der unschuldsvolle, stille Friede;
Ein holder Gott! wo dieser wohnt,
Da wird die Liebe nie des süßen Liebens müde.
So wie kein Reichthum uns beglückt,
So soll uns Armuth nicht betrüben.
Kein Gold macht uns zur Lust geschickt:
Man liebet ohne Zwang, man liebet um zu lieben.
Man liebt der frohen Tugend Scherz,
Die keusche Schaam auf Rosenwangen;
Die Zärtlichkeit füllt jedes Herz;
Geliebt zu seyn: darf man nur lieben und verlangen.
Hast du zu meinem Glücke Lust,
O, Amaryllis, mein Verlangen!
So komm, an meiner treuen Brust,
Von jener beßern Welt den Vorschmack zu empfangen!
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 65-66)
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An eine Nonne
1769
Entsage nicht ewig der Wonne
Der Liebe, du zärtliche Nonne!
Sprich: fühlst du nicht selber dein wallendes Herz
Zur Freude geschaffen, geschaffen zum Scherz?
In finstern, fanatischen Jahren,
Erhuben sich fromme Barbaren,
Die tilgten aus jeder empfindenden Brust
Die sprossenden Keime gebotener Lust.
Da glühte die weibliche Jugend
Von hoher seraphischer Tugend,
Und bärtige Priester mit wütender Hand,
Erstickten der Liebe wohlthätigen Brand.
Da wurden, in Tracht und Geberden,
Die Mädchen schon Engel auf Erden;
Um weisern Zeiten, in Bildern von Stein,
Ein Denkmal betrogener Einfalt zu seyn.
"Entweichet, verwegne Betrüger!"
Rief endlich ein glücklicher Sieger,
Der erste, der furchtlos, mit rüstiger Hand,
Sein zärtliches Mädchen dem Kloster entwand.
Er meynte, der Erdkreis voll Mängel
Bedürfte zu Bürgern nicht Engel,
Und brachte den Völkern der Zärtlichkeit Glück,
Und jede gesellige Tugend zurück.
"Auf! laßt euch zu Menschen gesellen,
Flieht", sprach er; "aus staubichten Zellen,
Lernt, Schwestern, euch sanfteren Tugenden weihn,
Lernt holde, gefällige Gattinnen seyn!"
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 69-70)
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An Doris
Meiner ersten Jugend Geliebte,
Doris! oder wie sonst, in seinen süßen
Schwärmereyen, mein glühendes Herz dich nannte,
Jtzund eines wackeren Mannes Vermählte,
Jtzund meines erweiterten Herzens
Kältere Freundinn!
Immer diesem Herzen noch theuer,
Selbst im Sommer deiner Reitze,
Diesem Kennerauge noch theuer,
Immer noch meiner zärtlichen Gefühle,
Immer noch meiner süßen
Sorgen Vertraute!
Liebe, (Freundinn! du wirst es wissen;)
Sie, der Tugend vollbürtige Schwester selber,
Hat in ihrem Gefolge Kummer,
Unter ihrem Nektar Wermuth,
Unter ihren ambrasialischen Rosen
Stechende Dornen.
Glückliche schweben oft, auf der Hofnung
Schimmernden Flügeln, über Wolken empor.
Plötzlich dreht sich die Sphäre:
Niedergestürzt liegen sie dann im Staube,
Winseln ringen die bebenden Hände,
Wähnen, dem Schattenreiche sich nahe.
Jtzt lächelt der Blick des Mädchens;
Jtzt lodert das Feuer.
Er wendet sich kaum,
Ein flüchtiger Nebel bedeckt ihn;
Die Glut erlischt.
Jtzt scheint er einem andern zu lächeln:
O, Himmel! wie schlägt
Dem armen, Betrognen das Herz!
Wie schwindelt der Kopf ihm! Er haßt dann den Tag,
Dann flieht von seinem bethränten Lager
Der Kummerstillende Schlaf.
Müde bin ich des Lebens,
Müde, zu schwimmen auf Uferlosen
Meeren, ein Spiel der Wellen und Winde!
Müd', an Trümmern der Hofnung mich fest zu halten.
Die stets den läßigen Händen
Ein Wogensturz nach dem andern entreißt.
Wann werd' ich den Hafen erreichen,
Wo mir, vom steinernen Ufer, die Freundschaft
Den helfenden Arm beut? Wann werd' ich in ihrer Umarmung,
Mein Leben verfließen sehen,
Wie durch den grünen, lachenden Strand hin,
Der silberne Bach rinnt.
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 74-76)
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An Lauren
1769
Du Mädchen mit den großen himmelblauen Augen,
Was singst du mir von Liebe vor?
Kein Wort fällt lieblicher ins Ohr,
Und kein Gedanke füllt die Seele mehr mit Freuden
Und singst Du mir von Liebe vor:
So steigt in trunkner Lust mein ganzer Geist empor,
So bin ich ganz Gefühl, so bin ich lauter Ohr.
Doch, Laura, kennst du wohl die Leiden
Der Liebe? Kennst du wohl der Sehnsucht stummen Schmerz,
Den ein verwundet Herz
In seinen tiefsten Falten nährt,
Der unbemerkt an unserm Leben zehrt,
Dem keine Weisheit, dem die Tugend selbst nicht wehrt;
Den unerquicklichen, Rastlosen Schlummer
Der zweifelhaften Hoffnung, ihn,
Den Wuterfüllten Kummer
Betrogner Liebe?
Sahst du der Eifersucht gefürchtet Auge glühn,
Und Menschlichkeit und Recht vor ihrem Dolche fliehn?
Unmöglich! solltest du die Qualen alle kennen:
Dein weiches Herz, es würde mir ein Glück nicht gönnen,
Das so zweydeutig ist,
Wie, Freundin, oder bist
Du Göttin gnug, der Liebe flatterhaften Freuden
Die schnellen Flügel zu beschneiden?
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 139-140)
_____
An Phyllis
Du lässest mich in langer Marter sterben,
Bey Furcht, und Hoffnung, tausendfachen Tod.
Grausame, willst du mein Verderben:
So gib mir plötzlich, was dein Auge droht,
In einem Blicke tausendfachen Tod!
Willst du dieß nicht, was hindert dich, zehntausend Leben
In einem Blicke mir zu geben?
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 141)
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An Lauren
Laura, dürft ich deine süßen
Augen unabläßig küssen:
Würden dreyßig Myriaden
Küsse mich nicht überladen;
Nicht, wenn sie gesäet wären
Dichter als die reifen Aehren.
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 151)
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An Dorillis
Wenn ich König wäre;
Alles gäb ich dir:
Freudenfeste, Gold und Ehre,
Meinen Thron, mein ganzes Leben,
Theiltest du mit mir.
Und doch, glaub' ich, hätt' ich dir,
Gäbst du mir dein Herz dafür;
Wenig oder nichts gegeben.
Aus: Joachim
Christian Blums Sämmtliche Gedichte Erster Theil
Carlsruhe Christian Gottlieb Schmieder Buchhändler 1781 (S. 154)
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An die Liebe
Den 23sten September 1777
Liebe! dein Dichter
Schmücket mit Weinlaub,
Schmücket mit späten
Rosen dir heute
Tempel und Altar.
Mächtige Göttinn,
Segne Glyceren,
Segne die Edle,
Die dir anizt zum
Andernmal opfert!
Dass doch des Brauttags
Heilige Myrte
Nimmer ihr welkte!
Medon, ihr Trauter,
Sey es ihr ewig!
Aus: Joachim Christian Blums Neuere Gedichte
Züllichau 1785 (S. 35-36)
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An Chloen
Jüngst, als ich sah der Sonne letzten Strahl
Mit Purpurschimmer deine Wangen färben;
Wünscht' ich: zugleich mit diesem holden Sonnenstrahl,
Von dir beweint, dahin zu sterben.
Doch, dacht' ich bald: du wirst den Sonnenstrahl
Dann ferner nicht auf Chloens Wangen sehen:
Da reut' es mich, da wünscht' ich mir noch tausendmal
Auf Chloens Wangen ihn zu sehen.
Aus: Joachim Christian Blums Neuere Gedichte
Züllichau 1785 (S. 38)
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An die Liebe
zum 10ten Christmonds 1779
Tochter der Gottheit, meiner unsträflichen Lieder
Freundinn, eile von deinem Wohnsitz hernieder,
Dich begleite strahlend, im Liebreiz der Jugend,
Deine Gespielinn, die Tugend!
Lächelt dann beide diesem festlichen Bunde
Meines Freundes; lächelt der seligen Stunde,
Welche, vor allen, mit Himmelsanmuth geschmücket,
Heute sein Leben beglücket!
Tugend und Liebe, heilig verkettete beide!
Ihr nur gewährt den Sterblichen dauernde Freude,
Ihr erheitert, wann Wolken den Himmel schwärzen,
Auch der Bekümmerten Herzen.
Aus: Joachim Christian Blums Neuere Gedichte
Züllichau 1785 (S. 45-46)
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Die Trennung
Sie, durch die mir jüngst die Fluren blühten,
Alle Frühlingskinder höher glühten,
Muth zu leben wiederkam,
Ach! sie ist mir, kaum gekommen,
Kaum gesehen, wiederum entnommen,
Und mir bleibt mein langer herber Gram.
Hier im Thale, dort auf freyen Höhen,
Hab' ich oft mit trunknem Blick gesehen,
Wann sie mir zur Seiten stand,
Wie sie jede Schöpfungsscene,
Nach Gehalt und wesentlicher Schöne,
Sie, die ernste Denkerinn, empfand.
Freundinn! Göttinn! wollt' ich dann sie grüssen,
Und von Lieb' und Ehrfurcht hingerissen,
Lieb' und Ehrfurcht ihr gestehn;
Dass ich, wenn ich wählen sollte,
Sie aus Welten mir erwählen wollte,
Diess, und mehr noch, ihr gerührt gestehn;
Aber Zittern lähmte mich zur Stunde,
Und der Liebe Lallen starb im Munde,
Und mein Geist erlag der Schaam. -
Dass ich ihr mein Herz nicht zeigte,
Dass Verzagtheit meine Rede schweigte,
Das ist nun mein langer, herber Gram.
Himmel! sollte sie mir wiederkehren;
Will ich mich der blöden Furcht erwehren,
Meister meines Muthes seyn. -
Dann, im Einklang der Empfindung,
Geht ihr Herz die selige Verbindung
Treuer, engelreiner Freundschaft ein.
Aus: Joachim Christian Blums Neuere Gedichte
Züllichau 1785 (S. 51-52)
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Phyllis
Wenn meine Phyllis jemals mich vergisst,
Und ihr ein andrer Jüngling theurer ist;
So ist kein Mädchen mehr, so fromm es sey,
Kein sterblich Mädchen mehr getreu. -
Ich weiss nicht, welch ein schreckender Verdacht
Mein einsam Bett', als ein Gespenst, bewacht,
Und diese Eine melancholsche Nacht
Zu zehn Dezembernächten macht.
Ja, ja! es soll, wenn Phyllis mich vergisst,
Und einen andren Jüngling lieber küsst,
Ihr ganz Geschlecht (ich schwörs bey Lunens Schein;)
Mir Spott und Fluch und Abscheu seyn. -
Doch welche Wuth verwirrt mein krankes Haupt?
Welch Traumgesicht hat mir die Ruh geraubt?
Wie kömmt es, dass ein Bild der Mitternacht
Vor Grauen mich zum Kinde macht? -
Phantome des entzündeten Gehirns,
Weg vor dem Glanz des holdesten Gestirns,
Der auf die Schlummernden herunterfleusst
Und Ruh in meine Seele geusst!
Ja! Phyllis Herz ist, wie bey Sternenschein,
Der wolkenlose, blaue Himmel rein!
Sie gab es mir, mir Glücklichen, allein;
Nun ist es ganz und ewig mein.
Aus: Joachim Christian Blums Neuere Gedichte
Züllichau 1785 (S. 60-61)
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An den Quell zu **
Der du durch wankende Binsen und Kalmus dich drängest,
Und im erlenbekrönten Grunde zum hellen,
Silbernen Teich wirst, ich sollte dich billig beneiden,
Schönster der Quellen, die je mein Fusstritt begrüste?
Denn vom zeitigen Frühling, der deine gefangnen
Wellen des Frostes Banden entledigt, bis hin zur
Umkehr des Winters, nimmst du, Abends und Morgens,
Meiner Belinde Gestalt im untrüglichen Spiegel
Deiner geebneten Fluth auf. - Hier, an deinem
Blumenrande, verweilet die Denkerin täglich,
Staunet und sinnt, und verliert sich in Labyrinthen
Seliger Zukunft, des Engelbildes nicht achtend,
Das von ihrem irdischen Selbst aus deinen
Tiefen zurückstrahlt. - Du scheinest indessen deinem
Immer sich ändernden Wesen Bestand gegeben,
Deine beweglichen Wellen in eine feste,
Wiederscheinende Fläche verwandelt zu haben;
Dass, im reinsten Umriss, der Schatten Belindens
Sich mit deinem Elemente vermähle. -
Schönster der Quellen, dich sollt' ich mehr als beneiden!
Und ich beneide dich nicht, mit keinem Gedanken;
Gönne deinem Stolze den hohen Triumph nicht! -
Ich, dich beneiden? Wie könnt' ich! - Zwar trennen mich Fluren,
Wälder und Hügel und Ströme von ihr, der Holden,
Und der Hoffnungen süsseste, sie, des Wieder-
Sehens, täuschet für immer vielleicht mich und ewig.
Aber gegenwärtiger ist sie mir dennoch,
Inniger noch dem liebenden Herzen vermählet. -
Wenn ich gebiete; sieht sie mein geistiges Auge,
Einen Engel, geformt von Händen der Gottheit
Dastehn, im Urglanz idealischer Anmuth,
Die kein Rafael ausdrückt, der Sänger Laurens
Nimmer erreicht, Natur in nachahmenden Bildern,
Obgleich unerschöpflich, ewig nicht darstellt. -
Will ich sie hören; sofort verhallet der Goldklang
Ihrer Rede, gleich Harfentönen des Himmels,
In den Tiefen der Seele. - Jeder Empfindung
Ist sie gegenwärtig; ihr Seyn und ihr Wesen
Ist mit dem meinen, zu Einem vollkommenen Ganzen,
Unauflöslich vereinet. - Eile nun weiter,
Bach des einsamen Thales von Erlen umdämmert!
Diesen Himmel im Herzen - hoffe nicht, Stolzer,
Dass ich dich je mit Einem Gedanken beneide!
Aus: Joachim Christian Blums Neuere Gedichte
Züllichau 1785 (S. 63-66)
_____
Laura
Im November 1784
Sie liebt mich, die ich mir vom Schicksal oft erflehte,
Und immer nicht auf meinem Lebenswege fand!
Herr des Geschickes! meiner Zuversicht Gebete,
Hat deine Liebe sie gesandt.
Sie liebt mich, die der Leiden heisse Gluth bewährte,
Der langes Missgeschick der Weisheit Schule ward,
Die einzige der Welt, der ich, die mir gehörte,
Der ich zu lange nicht geharrt!
Sie liebet mich! - Mit unaussprechlichem Entzücken,
Les' ich mein süsses Loos, mir endlich noch gewährt,
Auf ihrer heitren Stirn, in ihren Feuerblicken,
Und wähne mich des Looses werth. -
Sie liebet mich, und wird mich heut und ewig lieben,
Wird mir Begleiterinn, wohin ich walle, seyn;
Wird, wann des Lebens Abend düstre Wolken trüben,
Die Wolken vor mir her zerstreun!
Aus: Joachim Christian Blums Neuere Gedichte
Züllichau 1785 (S. 67-68)
_____
Venus und Amor
Nach dem Sannazar
Venus
Woher die Veilchen, lieber Knabe?
Amor
Auf lauem Schnee fand ich sie, dir zur Gabe,
Und sie sind es, was ich dort gefunden habe.
Venus
Auf lauem Schnee die Veilchen, Kind?
Amor
O, sieh doch! macht mich nicht der Zauber blind?
Was ich für Schnee hielt, war -
Naidens Busen bloss und bar.
Venus
Nun, was du sagst! Allein
Du pflegst ja sonst bewehrt zu seyn;
Izt bist du waffenlos: das steht nicht fein!
Amor
Ach, Mutter! da ich zu Naiden kam,
Und mir von ihrer Brust die süssen Blümchen nahm,
Hatt' ich den Bogen noch, war noch der Köcher mein:
Wo wird das alles itzt, als bey Naiden seyn?
Aus: Joachim Christian Blums Neuere Gedichte
Züllichau 1785 (S. 189-191)
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Biographie:
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Blum,_Joachim_Christian
https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Christian_Blum
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