Aloys Blumauer (1755-1798) - Liebesgedichte

Aloys Blumauer



Aloys Blumauer
(1755-1798)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 



Ich und Du

Dich führet Mars in's blut'ge Feld,
Mich Amor zu den Hirten;
Du krönst mit Lorbeer'n dich als Held,
Ich kränze mich mit Myrthen.

Dich störet früh der Pferde Huf,
Und der Trompete Schallen:
Mich aber weckt der süße Ruf
Verliebter Nachtigallen.

Du nahst dich jeder Festung still
In nächtlichen Approschen,
Wenn ich mich einer nähern will,
Versteck' ich mich in Poschen.

Du raubst dem Feinde Hab' und Gut,
Und ich den Mädchen Küsse;
Bei deinen Kämpfen setzt es Blut,
Bei meinen höchstens Bisse.

Streckst du den Feind zur Erde hin,
So bleibt er unbedecket!
Ich aber werfe mich auf ihn,
Sobald ich ihn gestrecket.

 Du machst der Wittwen täglich mehr,
Und, ach! der Väter minder:
Ich mach' der Wittwen weniger,
Und mehr der kleinen Kinder.

Von deinen Thaten wird ein Stein
Die Nachwelt einst belehren:
Die meinen wird sie, groß und klein,
Von meinen Enkeln hören.
(Band 2 S. 47-48)
_____



Aufmunterung zur Lieb' und Lebensfreude
An Lilla

Keine bange Sorge, liebes Mädchen,
Kränke dein mich liebend Herz,
Nur am sanften, bunten Freudenfädchen
Gängle dich der Liebe Scherz!

Wie ein Zephyrlüftchen, sanft und leise,
Weh' der Liebe Hauch aus dir;
Lerchensang, nicht Nachtigallenweise,
Tön' aus deiner Kehle mir!

Nur mit leichtem, stillen Wonnebeben
Poche sanft dein Herz mir zu,
Nur der Liebe Lustgefühle heben
Deinen Busen aus der Ruh!

Aus dem sanften Zauberauge blinke
Mir die Lust der Liebe nur,
Und wenn d'raus ich deine Thränen trinke,
Sey'n es Freudenthränen nur.

Deiner Tag- und Nachtgedanken Reihe
Sei ein Rosenkettchen dir;
Wachend oder träumend, immer freue,
Freue, Mädchen, dich mit mir!

Jede deiner Morgenstunden glänze
Rosig, wie dein Angesicht,
Hehr und heiter sei des Tages Grenze,
Wie dein reines Angesicht.

Und auf jedem deiner Tritte sprieße
Dir ein Freudenblümchen auf,
Und du, liebes holdes Mädchen, gieße
Nur des Dankes Thränen d'rauf.

Von den Bäumen, Wiesen, Blumen, Flüssen
Lächle dir Vergnügen zu,
Und den Wonnebecher der Natur, den süßen
Wonnebecher, leere du.

Wandle in der Sonne hellem Auge
Mit verklärtem Angesicht,
Und in stiller Abenddämm'rung sauge
Wonne nur aus Lunens Licht.

Selten, Mädchen, girre mit dem Täubchen,
Klage mit der Nachtigall;
Denn du hast ja, liebes Herzensweibchen,
Mich und deine Lieben all'.

Diesen Kranz von Lebensfreuden winde
Stets dir Herz und Phantasie!
Leiden - unter Wiegenangebinde -
Trage, Liebchen, such' es nie!
(Band 2 S. 59-60)
_____



Wunder der Liebe
Nach dem Spanischen

Liebe traf mich, meine Augen weinen,
Und im Herzen brennt ein wüthend Feuer mich,
Durch der Liebe Allgewalt vereinen
Elemente selbst zu meinen Qualen sich,
Ach! vergebens brennet meine Flamme,
Fruchtlos netzen Thränen mein Gesicht.
Thränen, warum löscht ihr nicht die Flamme?
Flamme, warum trocknest du die Thränen nicht?
(Band 2 S. 64)
_____



Das Mädchen und der Vogel

Ein Vogel kam geflogen
Jüngst in mein Kämmerchen
Auf Flügeln, wie der Bogen
Der Iris, bunt und schön.
Er flog um mich im Kreise,
Und sang ohn' Unterlaß
So rührend, sanft und leise,
Als bät' er mich um was.

Er machte da sich immer
Um mich etwas zu thun,
Und ließ mich Arme nimmer,
Wenn ich allein war, ruh'n.
Bald tippt' er mir die Wangen,
Bald sang er mir in's Ohr,
Bald hatt' er mit den Spangen
Am Mieder etwas vor.

Mir war sein Spiel behäglich
Und unterhielt mich sehr;
Der Vogel wurde täglich
Mir unentbehrlicher;
Und daß ich sicher wäre,
Ihn stets um mich zu seh'n,
Stutzt' ich mit einer Scheere
Ihm beide Flügelchen.

Nun war er nur noch zahmer,
Und glücklicher sein Loos:
So oft ich rief, so kam er,
Und schlief in meinem Schoos.
Er spielte manche Stunde
Um meines Mieders Rand;
Er trank mir aus dem Munde
Und aß mir aus der Hand.

Doch während ich ihn pflegte,
Wuchs ihm sein Flügelpaar:
Und ach! zu spät entdeckte
Ich, daß er flügge war.
Er flog vor meinem Blicke
Davon, und sang im Flieh'n;
Ich kehre nicht zurücke,
So wahr ich Amor bin!
(Band 2 S. 70-71)
_____



Widersprüche der Liebe

Die Tyrannei, die so viele Sklaven
Zählt als Menschen auf der Erde sind,
Und mit ihren sieggewohnten Waffen
Alles zwingt, ist doch der Freiheit Kind.

Sie, an deren schwerem Siegeswagen
Wir nie anders als gebunden geh'n,
Der nur Zwang und Sklavendienst behagen,
Kann doch ohne Freiheit nicht besteh'n.

Sie, die mit dem Blick die Freiheit tödtet,
Stirbt doch selbst vom kleinsten Hauch der Pflicht,
Sie, die uns so fest zusammenkettet,
Duldet die geringste Fessel nicht.

Sie, die Widerstand nicht überwindet,
Die selbst Elternfluch nicht übermannt,
Flieht vor jedem Schein des Zwangs, und schwindet
Unterm Segen einer Priesterhand.

Sie, die frei im ew'gen Lenze blühet,
Welket über Nacht im Eh'bett' ab;
Sie, die nach Genusse lechzt und glühet,
Findet im Genusse selbst ihr Grab.

D'rum wozu soll sich der Mensch entschließen?
Soll er ewig fruchtlos Sklave sein?
Soll er lieben ohne zu genießen?
Oder soll er ohne Liebe frei'n?
(Band 2 S. 84-85)
_____



Der Rechenmeister Amor

Der Tausendkünstler Amor ließ
Sich bei der jungen Dorilis
Zum Rechenmeister dingen,
Und wußt in einer Stunde da
Die ganze Arithmetika
Ihr spielend beizubringen.

Im Rechnen und im Lieben sind
Fünf Species, mein schönes Kind,
Die will ich dich dociren:
Ich küsse dich - ein - zwei - dreimal,
Du zählest diese Küßchen all,
Und das heißt Numeriren.

Zu meinen Küssen setzest du
Dann auch die deinigen hinzu,
So lernest du Addiren:
Zählst du mir deine Küßchen her,
Und findest dann um Einen mehr:
So kannst du Subtrahiren.

Die vierte Species, mein Kind,
Könnt' ich zwar eben so geschwind
Dir praktisch expliciren;
 Allein das Einmaleins ist lang,
Und jungen Mädchen wird oft bang
Vor dem Multipliciren.

Dies, Mädchen, merke dir nur an,
Wo eins der Faktor ist, da kann
Man nicht Multipliciren;
Doch käm' ein Nullchen noch hinzu -
Auch noch so klein - so würdest du
Gar bald das Faktum spüren.

Drum laß in dieser Specie
Nicht früher dich, als in der Eh',
Durch Hymen instruiren;
Denn auf's Multipliciren kömmt,
Wie man sich auch dagegen stemmt,
Von selbst das Dividiren.
(Band 2 S. 95-96)
_____



Freude des Wiedersehens

O, wie süße
Lebt es sich!
Ich genieße
Wieder mich.
In der Nähe
Hab' und sehe
Ich mein All!
Wer sie kennet,
Der durchrennet
Berg und Thal;
Ach, ich kannte,
Ach, ich rannte
Weit, o weit,
Sie zu küssen
Und im süßen
Umbefang
Hing ich trunken,
Wie versunken,
Stundenlang.
Wie ein Engel
Kam ich hier,
Ihre schönen
Wonnethränen
Sagten's mir;
Und ihr Blicken,
Und ihr Drücken
Sagt' es mir;
Und ein Engel
War sie mir,
Mein Verstummen,
Mein Verstummen
Sagt' es ihr.
All' mein Sehnen,
All' mein' Thränen
Ist dahin;
All' erheitert,
Und erweitert
Herz und Sinn,
Fühl ich wieder,
Was ich bin,
Singe Lieder,
Hüpfe hin,
Herze meine
Liebe, kleine
Pflegerin.
(Band 2 S. 189-190)
_____



Minna's Augen

Zwei Augen sind's, aus deren Blicken
Die Sonne selbst ihr Feuer stahl
Seht, Männerherzen, gleich den Mücken,
Dreh'n taumelnd sich in ihrem Strahl.

O sonnt' ich doch in diesen Augen,
Den Mücken gleich, mein Angesicht,
O dürft ich Lieb' aus ihnen saugen,
Und wärmen mich an ihrem Licht!
(Band 2 S. 194)
_____



Sehnsucht eines Liebenden

Immerdar mit leisem Weben
Schwebt dein süßes Bild vor mir,
Und ein liebesehnend Beben
Zittert durch die Seele mir.

Weg aus deinem Zauberkreise,
Wo du mich so fest gebannt,
Zog durch eine weite Reise
Mich die Freundschaft auf das Land.

Hier im Mutterarm der schönen,
Allerfreuenden Natur,
Fehlt zum Allgenuß des Schönen,
Herrliche, dein Kuß mir nur.

Halbgenossen glitscht die Freude
Ueber meinem Herzen hin,
Die Natur im Frühlingskleide
Seh' ich nur mit halbem Sinn.

Todt sind ohne dich die Fluren,
Eine Wüste die Natur,
An den Bäumen find' ich Spuren
Meiner heißen Sehnsucht nur.

 Wenn ein liebesehnend Drücken
Mich hinaus ins Freie zieht,
Such' ich oft des Berges Rücken,
Der dich meinem Aug' entzieht;

Bleibe dann, wie eine Büste,
Starr nach dir hinsehend, steh'n,
Seh' und seh', und mein', ich müßte
Dich zu mir herüber seh'n;

Aber, still heraufgegangen
Kommt der Mond statt deiner dann,
Und ein inniges Verlangen
Flammt in meiner Brust sich an.

Hin, ach, hin zu seinen Höhen
Möcht' ich fliegen, und auf dich,
Ach, auf dich herniedersehen,
Und herniederschwingen mich.
(Band 2 S. 198-199)
_____



Lied
in Abwesenheit des Geliebten zu singen

Teuthold, mein Trauter, ist gangen von hier,
Wälder und Berge verbergen ihn mir;
Sonst wohl erzielte noch fern ihn mein Blick:
Winkt' ich, dann winkt' er mir wieder zurück.

Säh' ich ihn jetzt des Maienmonds sich freu'n,
Wäre die Hälfte der Freuden auch mein;
Pflückt' er ein Blümchen, so pflückt' er es mir;
Säng' er ein Liedchen, so säng' er es mir.

Säh' ich ihn wandeln im traulichen Wald,
Hört' ich des Sehnenden Seufzen gar bald:
Liebend, allliebend umfing ich ihn dann,
Schmiegt' an den Trauten mich inniglich an.

Hätt' ich, o hätt' ich doch Feengewalt,
Mich zu verwandeln in jede Gestalt,
Könnt' ich ihm spielen manch wunderlich Spiel,
O, wie genöß' ich der Freuden so viel!

Ging' er stilldenkend am kühlenden Bach,
Schwämm' ihm ein Blümchen Vergißmeinnicht nach;
Hascht' er das Blümchen, und nähm' es zu sich,
Hätt' er in liebenden Händen dann mich.

Sucht' er im Schatten der Linde sich Ruh',
Deckt' ich mit duftenden Blättern ihn zu;
Ging' er auf Blumengefilden einher,
Flög' ich als Schmetterling rund um ihn her.

Fügt er zu Büchern ins Kämmerlein sich,
Setzt' ich an's Fenster als Nachtigall mich,
Sänge sein eigenes Liedchen ihm vor:
Würd' er nicht lauschen und spitzen sein Ohr!

Brächte mein liebendes, sehnendes Ach
Doch ein gefälliger Zephyr ihm nach!
Wäre nur leicht und geflügelt mein Kuß,
Brächt' er wohl stündlich ihm freundlichen Gruß.
(Band 2 S. 200-201)
_____



An eine Linde zu P***

Liebe Linde, du vor allen Bäumen
Meinem Herzen lieb und werth!
Dank dir, daß du meinen Liebesträumen
Schutz und Schatten oft gewährt.

Ach, wie wohl that's, wenn dein heilig Schweigen
Oft in trauten Arm mich nahm,
Und herab aus deinen dunkeln Zweigen
Liebesschauer auf mich kam!

Dich ernähr' und pflege Mutter Erde
Lange noch in ihrem Schoos!
Blühe, wachse, und gedeih' und werde,
Werde noch einmal so groß.

Daß den Wandrer Schauer einst durchfahren,
Wenn er deine Größe sieht,
Und ein Jüngling noch nach hundert Jahren
Liebgedrungen zu dir flieht.

Doch, daß künftighin auch, liebe Linde,
Gute Mädchen hold dir sei'n,
Sieh, so schneid' ich hier in deine Rinde
Meines Mädchens Namen ein.

 Jünglinge und Mädchen werden kommen,
Ihre Namen dir zu weihn;
Und von nun an wirst du allen frommen
Edlen Seelen heilig sein.

Will dein Herr dereinst ins Grab dich senken,
Werden ihm die Namen dräu'n,
Schaudernd wird an seine Lieb' er denken,
Und gerührt - dich nicht entweih'n.
(Band 2 S. 246-247)
_____



An ***
bei Ueberreichung eines Paars weisser Handschuhe

Weiß ist die Farbe der Freude,
Weiß der Unschuld Gewand,
Und diese Farbe bekleide
Immer Herz dir und Hand!

Aber es würde mich schmerzen,
Trügst du nicht länger dies Pfand
Meiner Verehrung im Herzen,
Als du es trägst an der Hand.
(Band 2 S. 248)
_____



Die Sehnsuchtsthräne

Bänglich wird mir, und der Minne
Leiden wachen auf in mir; -
Rinne, warmes Thränchen, rinne,
Sieh, noch viele folgen dir.

Warum weilet ihr so lange
An den Augenwimpern mir?
Ist euch zu versiegen bange,
Ach, nicht abgeküßt von ihr?

Rinnet immer, holde Kinder
Meiner Sehnsucht, rinnt herab!
Ach, sonst fließt ihr einst, noch minder
Kußgewärtig auf ihr Grab!
(Band 3 S. 8)
_____



An Lesbien
Nach Catull

O Mädchen, mehr als Götterglück,
Ja mehr noch fühlt der Mann,
Der dir gen über, Blick an Blick
Geheftet, sitzen kann.

Von deines Lächelns Anschau'n ward
Mir trunken Geist und Sinn;
Mein Blick erlischt, die Zunge starrt,
So lang ich bei dir bin.

Aus deinem Feuerauge fährt
Die Liebe dann in mich,
Und tobt im Innern, und verzehrt
Mich Armen sichtbarlich.

Mein ganzes Wesen lodert hoch
In helle Flammen auf:
O thaue, Mädchen, thaue doch
Ein Tröpfchen Gunst darauf!
(Band 3 S. 10)
_____



Der Blick der Liebe

Wie die Sonne das, was Mutter Erde
Todt in ihrem Schooße trägt,
Mächtig, wie des hohen Schöpfers Werde,
Auf ins neue Leben weckt;

Wie sich alle Lebenspulse heben,
Von der Sonne Strahl durchzückt,
Und empor der jungen Keime Streben
Aus dem Schoos der Erde drückt;

Wie beseelt der Schöpfung Fibern beben,
Wenn der Strahl, der sie durchglüht,
Allbefruchtend Millionen Leben
Weckt und aus dem Grabe zieht:

So ein Leben, fühl' ich, strahlet Liebe
In dem Feuerauge dir,
Und ein Regen hundertfält'ger Triebe
Pocht in Herz und Seele mir.
(Band 3 S. 14)
_____



An Lydien
Nach dem Johannes Sekundus

Jüngst bat ich dich, mir einen Kuß zu geben:
Du liefst herzu, berührtest mir
Die Lippe kaum, und flohest. O mein Leben,
Das heißt ja keinen Kuß, das heißt nur die Begier,
Die brennende Begier nach einem Kusse geben.
(Band 3 S. 42)
_____



Der Zephyr und die Rose

Um volle Rosenbeetchen
Schwärmt' einst zum Zeitvertreib
Ein junges Zephyrettchen,
Und suchte sich ein Weib.

Der Königin der Rosen
Ergab der Freier sich,
Zu lieben und zu kosen
Verstand er meisterlich.

Die besten Frühlingsdüfte
Bracht' er zum Morgengruß.
Die lau'sten Sommerlüfte
Nahm er zu seinem Kuß.

Und Seufzer stahl und kräuselt'
Er hin zu ihrem Ohr,
Und ganze Tage säuselt'
Er ihr von Liebe vor.

Bald hüpft er auf dem Teiche
Und amüsirte sie,
Bald schuf er kleine Sträuche
Zu Lauben um für sie.

 Der Nachtigallen Töne
Holt' er vom Wald herzu
Und lullte seine Schöne
Des Nachts damit in Ruh.

Und schlief sie nun, so wühlte
Er kühn in ihrer Brust;
Die Rose träumt' und fühlte
Die nahe Götterlust.

Und ihre süßen Düfte
Verschlang und sammelt er,
Und trug sie durch die Lüfte
Stolzirend weit umher.

Die Morgentropfen küßte
Er ihr vom Busen früh,
Und keine Freude mißte
Bei seiner Liebe sie.

Umbuhlt von ihrem Freier,
Wähnt sie sich hochbeglückt,
Indeß die Trauungsfeier
Tag täglich näher rückt.

Den letzten Tag im Lenzen
 Da ward er Mann, sie Frau;
Von Sang und Freudentänzen
Ertönte Feld und Au.

Der Ehe Sommer glühte
Zwar manchmal heiß, doch schön,
Und seine Gattin blühte
Nun noch einmal so schön.

Der Herbst kam, und was keimte
Stand nun in voller Frucht,
Das Eh'paar sprach und träumte
Von schöner Rosenzucht.

Doch kälter war das Wehen
Des Gatten um sie her,
Auf Auen und auf Seen
Gab's keine Freude mehr.

Es rückte täglich kälter
Der Winter nun heran:
Die gute Frau ward älter
Und frostiger der Mann.

Sein Hauch, der sonst sie kühlte,
Ward nun wie schneidend Eis,
In seinem Säuseln fühlte
 Sie sich dem Sturme preis.

Und sprach er nun, so nahm er
Stets beide Backen voll;
Im Sturmgeheule kam er,
Und hauste bittervoll.

Und in des Winters Arme
Fiel Reiz auf Reiz von ihr;
Im kurzen sah die Arme
Sich blätterlos und dürr.

Doch ward darum nicht milder
Des Mannes Winterhauch,
Er stürmte desto wilder
In seinen - Dornenstrauch.
(Band 3 S. 43-46)
_____



In das Stammbuch
des Fräuleins Gabriele von Baumberg

Deine frühesten Gefühle
Lösten schon beim Saitenspiele
Auf in Harmonien sich:
Liebe reichte dir die Leyer,
Liebe gab dir Kraft und Feuer -
Liebe kröne - lohne dich!
(Band 3 S. 56)
_____



Stutzerlied

Närrchen, sei nicht spröde,
Komm und küsse mich!
Jünger, warst du blöde,
Aelter, zierst du dich.

Wisse, nur ein Weilchen
Sind die Mädchen schön,
Müssen, wie die Veilchen,
Welken und vergehn.

Jetzt nur sind, wie Seide,
Deine Händchen weich;
Aber bald sind beide
Deinem Handschuh gleich.

Jetzt nur zeigt dein Schmunzeln
Holde Grübchen mir:
Bald umziehen Runzeln
Mund und Wange dir.

Jetzt nur, kleines Närrchen,
Ist dein Busen voll,
Und in wenig Jährchen
Ist er schlapp und hohl.

 Jetzt nur sieht dein Leibchen
Zirkelförmig aus;
Bist du einst ein Weibchen,
Wird ein Viereck draus.

Deine Augen funkeln
Jetzt nur, weißt du das?
Wisse, bald verdunkeln
Sie, wie trübes Glas.

Jetzt nur dir zu Füßen
Siehst du Herrchen fleh'n;
Aelter wirst du müssen
Liebebetteln geh'n.

Jetzo gieb, und labe
Freundlich jeden Gast,
Spar' nicht deine Habe,
Bis du nichts mehr hast.

Küsse, weil dein Mündchen
Roth und küßlich ist;
Denk', es kommt ein Stündchen,
Wo dir's Niemand küßt.
(Band 3 S. 75-76)
_____



Amor's Waffen

Traut, Mädchen, Amorn nicht, er zieht
Zwar auf als wie ein Krieger;
Doch wenn man näher ihn besieht,
Ist er nur ein Betrüger.

An seinen Waffen, die er führt,
Hat manche sich betrogen;
Zu einer Angelruthe wird
Nur allzuleicht sein Bogen.

Der Köcher, den ihr gern begafft,
Ist nichts als eine Falle
Für's liebe Mäuschen Jungfrauschaft,
Darin fängt er euch alle.

Und wie, wenn man den Teufel bannt,
Das Gold wird oft zu Kohlen,
So wird der Pfeil in Amors Hand
Zu Dolchen und Pistolen.

Rupft ihr ihm dann die Flügel aus,
So will ich mit euch wetten,
Es werden eitel Flaumen d'raus
Für euch zu Federbetten.

 Und aus der Binde des Gesichts
Die Venus ihm geliehen,
Wird sicherlich am Ende nichts
Als Windeln - und Charpien.
(Band 3 S. 124-125)
_____



Die Kunst zu lieben
An Lydia

Mädchen, will man recht sich freun
Wie sich's ziemt, so muß man fein
Amors Spiele kennen;
Also, Mädchen, höre mich,
Im vertrauen Ton will ich
Sie dir alle nennen.

Erstlich soll ein liebend Herz
Jede Handlung, jeden Scherz
Adeln und beleben;
Nur die Liebe lehrt die Kunst,
Jedem Spiele, jeder Gunst
Grazie zu geben.

Küsse sind der Liebe Bund:
Es ist süß, wenn Mund an Mund
Sich mein Blick umnebelt;
Aber noch weit süßer, wenn
Dein gespitztes Züngelchen
Mit dem meinen schnäbelt.

Auch schmeckt trefflich jeder Kuß,
 Den ich nicht erbetteln muß;
Aber, Mädchen, glaube,
Noch viel besser schmeckt er mir,
Wenn du schmollst, und ich ihn dir
Dann verstohlen raube.

Doch wenn der Gesellschaft Zwang
Uns oft manche Stunde lang
Auf die Folter spannet,
Und verwünschter Lauscher Blick
Uns dann in uns selbst zurück
Menschenfeindlich bannet;

Dann soll, Jedem unsichtbar,
Dir im feuchten Augenpaar
Stille Liebe blinken,
Und in jedem Lächeln soll
Naher, naher Liebeszoll
Mir entgegen winken.

Schlaue Liebeständelei,
Händedruck, Liebäugelei,
Unterm Tisch ein Füßchen,
Fest an meines angedrückt,
Auch, wenn Niemand auf uns blickt,
Ein verstohl'nes Küßchen.

 Und die tausend Künstchen all,
Werden, Liebchen, überall
Lebensfroh uns machen,
Und in jedem Cirkel wird,
Von dem Neid unausgespürt,
Uns die Liebe lachen.

Aber, wenn wir ganz allein
Bloß der Liebe Glück uns weihn,
Ungesehn uns küssen:
Dann laß Phantasie und Herz,
Jeder Laune, jedem Scherz
Alle Zügel schießen!

Dann laß uns beim ersten Kuß,
Aufgelöst in Liebsgenuß,
In einander sinken,
Und mit trunknem Geist und Sinn
Aus dem Wollustbecher in
Langen Zügen trinken.

Sieh doch, wie durch Zauberei
Ist mir all die Künstelei
Angesichts verschwunden;
Nichts sag' ich dir weiter an,
Wer die Lust beregeln kann,
Hat sie nie empfunden.
(Band 3 S. 131-133)
_____



Lied, an der Toilette der Geliebten zu singen

Dürft' ich, Huldin, dich umfangen,
Gleich der Luft, die dich umfließt,
Und mit zitterndem Verlangen
Jeden deiner Reize küßt!
Schwebt' ich, ach mit Wohlgefallen,
Wie dein Genius, um dich,
Willig böt' ich dann zu allen
Noch so kleinen Diensten mich.

Gern hielt ich als Wachspomade
Dir die krausen Locken hier,
Oder steckte gar, o Gnade!
Dort im Krepp als Nadel dir.
Wollte gern bei'm Puderpüsten
Kreiselnd um dein Haar mich drehn!
Oder mit den Kolonisten
Deines Haars spazieren gehn!

Bald erhöht' ich dann als Musche
Deiner Stirne blendend Weiß,
Oder wölbte die Contusche
Dir als ein Parisersteiß;
Prangte dann auf deinem Rocke
Bald als Bändchen oder Knopf,
 Ja, sogar zum Haubenstocke
Dient' ich dir mit meinem Kopf.

Morgens schlich ich mich, o Liebe!
Dir als Zwieback in den Mund,
Oder machte meine Triebe
Im Kaffee als Milch dir kund;
Färbte Mittags dir als guter
Rheinwein deine Wangen roth;
Oder ließe mich als Butter
Streichen auf dein Vesperbrod.

Bald berührt' ich armer Schlucker,
Deine Nase als Flakon,
Oder diente dir als Zucker,
Wenn du naschest, zum Bonbon!
Spannte dann, gleich Pergamente,
Meine Haut zum Zeichen ein,
Ach, und wenn du maltest, könnte
Ich wohl gar dein Pinsel sein!

Gern deckt' ich in Assembleen
Dir den Busen, als Linon,
Oder hing in süßen Wehen
Dir am Hals en Medaillon:
Doch zu meiner Freuden Fülle,
Schönste, wünscht' ich mir allein
 Unter deines Bettes Hülle
Eine Nacht - ein Floh zu sein.
(Band 3 S. 144-146)
_____



Liebeserklärung eines Kraftgenies

Ha! wie rudert meine ganze Seele
Nun in der Empfindung Ozean?
Laute Seufzer sprengen mir die Kehle,
Die man auf zehn Meilen hören kann.

Gleich Kanonenkugeln rollen Thränen
Aus den beiden Augenmörsern mir:
Erd' und Himmel bebt bei meinem Stöhnen,
Und ich brülle schluchzend - wie ein Stier.

Wetterstürme der Empfindung treiben
Mich ost-, west- und süd- und nordenwärts;
Meine Seele hat in mir kein Bleiben,
Und es blitzt und donnert mir das Herz.

Ach! ich muß, ich muß im Sturm versinken!
Rette mich, großmüth'ge Seele, doch!
Ich beginne schon den Tod zu trinken,
Sieh, mein Lebensnachen hat ein Loch!
(Band 3 S. 149)
_____



Nach Horaz
Ode 15

Hell über's Sterngewimmel
Ergoß sich Lunens Schein,
Und hüllte Erd' und Himmel
In stille Feier ein;

Als du von Wonnebeben
Durchschauert, mich umfingst
Und fest an mir, wie Reben
Am Ulmenstabe, hingst.

Da schwur im Angesichte
Der heiligen Natur
Dein Mund mir armen Wichte
Den bald vergeß'nen Schwur:

Mir treu zu bleiben immer,
Mein, einzig mein zu sein,
So lang der Sterne Schimmer
Sich birgt vor Lunens Schein.

Doch wiß, an deiner Thüre
Belauschte dich mein Ohr:
Weit heiligere Schwüre
Schwurst du Kleanthen vor,

 Und gabst in deinem Bette
Ihm eine Nacht, die mir,
Mir zugehöret hätte;
O merke, merk' es dir!

Bald sollst du's bitter fühlen;
Es soll dein Flattersinn
Nicht länger mit mir spielen,
So war ein Mann ich bin!

Und dringt einmal die Galle
Mir recht durch Mark und Bein,
So soll dein Zauber alle
An mir verloren sein.

Du aber hoch im Glücke
Stolzirender Rival,
Der mir durch List und Tücke
Neärens Liebe stahl,

Sei tapfer, wie ein Ritter,
Und reizend, wie Adon,
Hab' Ehr' und Glückesgüter,
Sei eines Fürsten Sohn!

Was wett' ich, stolzer Ritter,
 Dir bleibt Neäre nicht? -
Und raubt sie dir ein Dritter,
Lach' ich dir ins Gesicht.
(Band 3 S. 150-152)
_____



Amor, als französischer Sprachmeister

Als Amor jüngst kam aus Paris,
Lehrt' er die schöne Dorilis
Die Sprache aller Sprachen:
Courage, rief er, liebes Kind,
Sie werden unter mir geschwind
Den besten Fortgang machen.

Wie die gesammten Sterblichen
Aus männlichen und weiblichen
Geschöpfen nur bestehen;
So sind auch die Buchstaben all',
Der - Consonant und der - Vokal,
Wie wir im Curas sehen.

Der Consonant, beraubt des Schalls,
Kann ohne Hülfe des Vokals
Nicht ausgesprochen werden.
Drum ist der Mann stets der Vokal,
Das Weibchen aber überall
Der Consonant auf Erden.

Bei jedem Substantivo wird
Nur der Artikel deklinirt,
So wie in mehrern Sprachen,
Und aus dem Singularis kann
Mit einem kleinen Schlängchen man
Leicht den Pluralis machen.

Und jedes noch so männliche
Hauptwort kann durch einzig E
Zum Femininum werden;
Die Regel ist sehr general,
Denn durch die Ee wird überall
Der Mann zum Weib auf Erden.

Und wissen Sie dies Alles schon,
Will ich zur Conjugation
Nunmehr Sie weiter führen,
Und da für's erste, merken Sie:
Ganz ohne Hülfswort läßt sich nie
Auf Erden conjugiren.

Nur der Indikativ erkiest
Den Mann, mit dem ihr Mädchen müßt
Den Conjunctivus schließen;
Und aus dem Conjunctivus wird
Dann der Imperativ formirt,
Wie alle Männer wissen.

Und kaum sind oft neun Monden um,
So setzt es ein Gerundium;
 Da läßt der Mann sich hören:
Gern wollt' ich die Gerundia,
Wenn nur die Participia
Nicht gar so nahe wären.

Was die Madam la Roche doch
Von Interjektionen noch
Zu guter Letzt uns lehret,
Ist dies: daß man im Brautstand He!
Und! Heyda! nur - und in der Eh'
Helas! und Ah! nur höret.
(Band 3 S. 160-162)
_____



Das wahre Glück
Nach dem Französischen

Man rühmt hienieden, wie ich sehe,
Bald Freundschaft, und bald Lieb' und bald die Ehe
Uns Menschen als beglückend an,
Obgleich uns keine von den dreien
Allein ganz glücklich machen kann:
Nur der darf sich des wahren Glückes freuen,
Bei welchem sich Geliebte, Frau und Freund
In einerlei Person vereint.
(Band 3 S. 171)
_____



Dem Fräulein L***
Im Mai 1783

Wiesen, Auen grünen wieder,
Blümchen prangen auf der Flur,
Und es tönen Finkenlieder,
Neu erwacht ist die Natur.

Auf zu frohen, schönen Trieben
Fühlt bewegt sich jede Brust,
Nur zu jubeln und zu lieben
Sei für uns die größte Lust.

Jetzo nun von deinen Lippen,
Die sich blähen, frisch und voll,
Küsse rauben - nicht zu nippen,
Wie's die Glut gebieten soll.

Hin an deine Brust zu sinken,
Die sich über's Mieder drängt,
Wollust aus dem Blick zu trinken,
An dem liebend mein Herz hängt.

Und so sollen alle Tage
Lieblich wie der Mai vergeh'n,
Ohne Schmerz und ohne Plage
 Uns're Liebe stets besteh'n.
(Band 3 S. 188)
_____

Aus: Aloys Blumauer's gesammelte Schriften
Neueste Gesammt-Ausgabe in 3 Theilen,
mit dem Bildniss des Verfassers
und neun humoristischen Illustrationen
von Th. Hosemann
Theil 2 und Theil 3
Stuttgart Rieger'schen Verlagsbuchhandlung 1862

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Aloys_Blumauer

 

 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite