Friedrich von Bodenstedt (1819-1892) - Liebesgedichte

Friedrich Martin Bodenstedt

 

Friedrich von Bodenstedt
(1819-1892)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 

Zürne nicht!

Anmuth gürtet deine Lenden,
Schönheit blüht um deine Glieder;
Schultern, die vor Weiße blenden,
Ziehen dunkle Locken nieder.
Wenn in deine Zauberkreise
Mächtig mich dein Auge zieht:
Zürne nicht, daß ich dich preise,
Hochbeseligte! im Lied.

Wenn der junge Frühling wieder
Kommt im blumigen Gewande,
Läßt er auch durch frohe Lieder
Laut verkünden durch die Lande,
Daß von Winters Schnee und Eise
Drangvoll sich die Erde schied -
Zu des Frühlings Ruhm und Preise
Singt die Nachtigall ihr Lied!

Mit den Füßchen, den behenden,
Bist du mir in's Herz gesprungen,
Hast mit deinen zarten Händen
Meine ganze Kraft bezwungen,
Daß ich gerne die Geleise
Kalter Bücherweisheit mied:
Zürne nicht, wenn ich dich preise,
Hochbeseligte! im Lied.

Mir das Lieblichste erwähl' ich
Anzubeten und zu loben,
Wer hier strauchelt, der wird selig,
Wer hier fällt, der wird erhoben;
Der ist nicht der rechte Weise
Der nicht vor der Schönheit kniet -
Zürne nicht, wenn ich dich preise,
Hochbeseligte! im Lied.

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 188-189)
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Deine Liebe ist mein Himmel

Deine Liebe ist mein Himmel,
Den ich schon auf Erden gewann!
Es hängen sich meine Lieder
Als goldene Sterne daran -
Als goldene, leuchtende Sterne,
Noch heller, als die drüben:
O, möge nimmermehr
Sich dieser Himmel trüben!

Deine Liebe ist mein Himmel,
Drin herrschest du ganz allein!
Führst alle guten Gedanken
Zu ewiger Seligkeit ein -
Doch alle schlechten Gedanken:
Sie werden vergessen, begraben;
O, laß mich immerdar
Nur gute Gedanken haben!

Deine Liebe ist mein Himmel,
Drin wohnet all mein Glück!
Aus deinem Herzen kommt es,
Kehrt in dein Herz zurück -
Zurück durch meine Lieder,
Die alle zu dir sich wenden.
O, was durch dich begann:
Laß es durch dich nie enden!

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 207)
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Die Rebe dehnt sich sonnenwärts,
Nach Liebe sich das Menschenherz:
Wem Licht und Liebe bleibt verloren,
Der wäre besser nie geboren!

Aus: Aus dem Nachlasse Mirza Schaffy's.
Neues Liederbuch mit Prolog und erläuterndem
Nachtrag von Friedrich Bodenstedt.
Achte Auflage Berlin 1878. A. Hofmann & Comp. (S. 26)
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Süße Bettelei

Ein Bettler klopft' bei dir an
Um einen Kuß - du gabst ihn mir!
Ein Bettler kehrt' ich ein bei dir,
Und kam hervor ein reicher Mann,
So reich am höchsten Glück der Welt,
Daß alles Gold und alles Geld
Nicht solche Schätze kaufen kann!

Doch, ob des Augenblicks Genuß
Mein ganzes Leben auch verschönt,
Hat mich dein Geben so verwöhnt,
Daß ich stets weiter flehen muß
Um einen Kuß - und nimmer frei
Wirst du nun diese Bettelei
Um einen Kuß! um einen Kuß!

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 202)
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Alte Liebe

Einst hielt ich Dich umwunden
Mit jugendstarkem Arm:
Die Jugend ist verschwunden,
Doch schlägt mein Herz noch warm.

In meinem Lebensringe
Bist Du der Edelstein,
Und Alles was ich singe,
Sing ich nur Dir allein!

Aus: Aus dem Nachlasse Mirza Schaffy's.
Neues Liederbuch mit Prolog und erläuterndem
Nachtrag von Friedrich Bodenstedt.
Achte Auflage Berlin 1878. A. Hofmann & Comp. (S. 27)
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Gern schau ich in's dunkle Auge dir,
Mit den langen, seidnen Wimpern drauf -
Aus solches Auges Nacht ging mir
Einst hell der Tag der Liebe auf.

Todt ist sie lange, kalt und todt -
Gebrochen ist der Zauberring,
Drin glühend mir das Morgenroth
Des Herzens auf- und unterging.

Doch du bist blühend, frisch und jung,
Kennst noch den Gram des Lebens nicht -
Und jungen Glücks Erinnerung
Lacht mir aus deinem Angesicht.

Drum schau ich so gern in's Auge dir,
Mit den langen seidnen Wimpern drauf:
Aus solchen Auges Nacht ging mir
Einst hell der Tag der Liebe auf.

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 187)
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Ich singe dich, liebes Mädchen, du!

Ich singe dich, liebes Mädchen du!
Du Herrliche, du Süße!
Dir jauchzen all meine Gedanken zu,
All meine Liebesgrüße!

Das Glück, das du mir im Leben bescheert,
Sing' ich im Liede wieder -
Und ist mein Singen auch deiner nicht werth:
Du adelst meine Lieder!

Du funkelst darin, wie ein Diamant,
Mit wunderbarem Feuer,
Und wären die Worte selbst nichtiger Tand:
Du machst sie werth und theuer!

Wie das dunkele niedere Gras im Thal
Vom nächt'gen Thau befeuchtet,
Selbst funkelt und blitzt in hellem Gestrahl,
Sobald die Sonne leuchtet.

Dir jauchzen all meine Gedanken zu,
Dir alle meine Lieder!
Der Sonne gleich strahlest und lächelst du
Verklärend darauf nieder!

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 206)
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Ich suche durch Mühen
Meine Gedanken
Von Dir zu lenken,
Aber sie glühen
Zu Dir ohne Wanken,
Ich muß Dein gedenken!
Wie nach der Sonne verlangen die Reben,
Verlangt mich's nach Dir, meine Sonne, mein Leben!

Aus: Aus dem Nachlasse Mirza Schaffy's.
Neues Liederbuch mit Prolog und erläuterndem
Nachtrag von Friedrich Bodenstedt.
Achte Auflage Berlin 1878. A. Hofmann & Comp. (S. 7)
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O, sieh die Perlen auf der Schnur

O, sieh die Perlen auf der Schnur,
In lichtem funkelnden Gestrahl -
Zerreiß das seidne Fädchen nur:
Die Perlen fallen allzumal!

Du siehst sie fallen, suche nur
Und sammle sie mit ems'ger Hand -
Zerrissen ist die seidne Schnur
Die alle schön zusammenband. -

Und was in meinen Liedern klingt,
Und meine ganze Herzenswelt:
Du bist's, um die sich Alles schlingt,
Die Alles schön zusammenhält.

O halte fest, zerreiße nicht!
Die Perlen fallen mit der Schnur -
Und nur durch dich lebt mein Gedicht,
Und auch durch dich ich selber nur!

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 210)
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Mirza-Schaffy rühmt die Anmuth Zuleika's

Seh' ich Deine zarten Füßchen an,
So begreif' ich nicht, Du süßes Mädchen,
Wie sie so viel Schönheit tragen können!

Seh' ich Deine kleinen Händchen an,
So begreif' ich nicht, Du süßes Mädchen,
Wie sie solche Wunden schlagen können!

Seh' ich Deine ros'gen Lippen an,
So begreif' ich nicht, Du süßes Mädchen,
Wie sie einen Kuß versagen können!

Seh' ich Deine klugen Augen an,
So begreif' ich nicht, Du süßes Mädchen,
Wie sie nach mehr Liebe fragen können

Als ich fühle. - Sieh mich gnädig an!
Wärmer als mein Herz, Du süßes Mädchen,
Wird kein Menschenherz Dir schlagen können!

Hör' dies wonnevolle Liedchen an!
Schöner als mein Mund, Du süßes Mädchen,
Wird kein Mund Dir Liebe klagen können!

Aus: Die Lieder des Mirza-Schaffy, mit einem Prolog
von Friedrich Bodenstedt Berlin 1851 (S. 9)
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Seit deiner Augen Himmelsglanz

Seit deiner Augen Himmelsglanz
Mir in das Herz gestossen,
Hat sich das Weltgeheimniß ganz
Dem innern Blick erschlossen.

Was dunkel war in Raum und Zeit,
Ist nun in Licht verschwunden,
Ich habe die ewige Seligkeit
Genossen in Sekunden.

Nun ist der Wahn und Zweifel hin,
Umschifft sind alle Klippen,
Seit mir des Lebens tiefsten Sinn
Gepredigt deine Lippen.

Ich möcht' es jubelnd sonnenhell
Der ganzen Welt verkünden,
Allein der Weisheit tiefsten Quell
Muß Jeder selbst ergründen.

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 33)
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Sie wühlte in den Tönen

Sie wühlte in den Tönen
Und spielte und sang mir vor,
Es scholl der Gesang der Schönen
Gar wundersam in mein Ohr.

Bald klang's wie laute Mahnung
Vergang'ner, schöner Zeit,
Und bald wie leise Ahnung
Zukünft'ger Seligkeit.

Wie Frühlingsluft umfächelte
Mich ihres Mundes Hauch,
Ich sah sie an und lächelte,
Und sie - sie lächelt auch!

O, laß dies Lächeln immer
Um deine Züge gehen,
Und lauschend will ich immer
Und selig bei dir stehn!

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 200)
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Sing, mit Sonnenaufgang singe

Sing, mit Sonnenaufgang singe,
Nachtigall, dein schmetternd Lied!
Sing, so lange noch der Frühling
Blumig Wald und Flur durchzieht!

Sing der Schöpfung bunte Schöne,
Sing was blühet, fließt und lebt;
Glücklich ist, wen deiner Töne
Zauberkraft zu dir erhebt!

Taucht im Meer die Sonne unter,
Folgt die Nacht dem Tageslicht -
Alle Schöpfung ruht in Bangen
Mit verhülltem Angesicht:

Du allein durchbrichst das Schweigen,
Singst von Lieb' in dunkler Nacht -
Singst, gewiegt auf schwanken Zweigen,
Ueber dir des Himmels Pracht!

Wüster Traum ist alles Leben
Ohne Liebe, wüst das All -
Lieb' und Lied ist dir gegeben:
Singe, süße Nachtigall!

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 34)
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Verständigung

Wir haben nicht Ringe gewechselt,
Das Herz zu legen in Banden;
Wir haben nicht Phrasen gewechselt,
Und haben uns doch verstanden.

Wir haben nicht Eltern, noch Sippen
Dabei zu Rath gezogen -
Es haben Herzen und Lippen
Alleine Rath gepflogen.

Ein Blick herüber, hinüber,
Ein Kuß - ich hielt dich umwunden -
Die Herzen flossen uns über,
Wir waren auf ewig verbunden.

Aus: F. Bodenstedt Gesammelte Schriften.
Gesammt Ausgabe in zwölf Bänden.
Neunter Band Berlin 1867 Verlag der Königlichen
Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) (S. 205)
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Wir wandeln Alle den Weg zur Gruft
Im Kampf mit Sorg' und Erdennoth,
Wir athmen Alle dieselbe Luft,
Wir essen Alle dasselbe Brot:

Nur Liebe überblüht die Kluft,
Die zwischen Sein und Nichtsein droht,
Daß, wie gepflückter Blumen Duft,
Doch Etwas überlebt den Tod!

Aus: Aus dem Nachlasse Mirza Schaffy's.
Neues Liederbuch mit Prolog und erläuterndem
Nachtrag von Friedrich Bodenstedt.
Achte Auflage Berlin 1878. A. Hofmann & Comp. (S. 4)
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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_Bodenstedt

 

 

 


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