Ferdinande von Brackel (1835-1905) - Liebesgedichte

Ferdinande von Brackel

 

Ferdinande von Brackel
(1835-1905)




Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 




Du sagst von einem trauten Plätzchen

Du sagst von einem trauten Plätzchen,
Wo Quellgemurmel, Blätterrauschen -
So recht geschaffen, um der Muse
Die hellsten Töne abzulauschen,
So recht geheimnißvoll und stille,
Wie die Natur sie selten feit,
Ein Fleckchen Erd' dünkts dir, dem Sänger
Und Dichter eigens wohl geweiht.

Und meinest, dorten müßten Lieder
Gleich dutzendweise uns erstehen,
Und die poetischen Gedanken
Aus jedem Hauch entgegen wehen?
Doch wie so hold auch dem Gesange
Ist Waldesstill' und Blättergrün,
Es ist doch meist auf anderm Boden,
Daß uns're besten Lieder blüh'n.

Hat die Natur auch manchen Zauber,
Ist ihr auch mancher Reiz beschieden,
Der tiefste und der wahrste wurde
Dem Menschen doch allein hienieden.
Wo er dir naht im Lauf des Lebens
Mit seiner Lust, mit seinem Schmerz,
Sein wechselvolles Schicksal greifet
Dir wundermächtig an das Herz.

Und mehr als Sonnenschein da draußen,
Als Blumenduft und Vögellocken,
Kann seine Freude dich berauschen,
Sein Leid die Thräne dir entlocken.
Denn wie Metall Metall muß rühren,
Damit der Glockenton erklingt,
So muß das Herz das Herz berühren,
Damit es seine Liebe singt.

Sei's mit begeistert kräft'gem Schwunge,
Sei's durch der Seele stilles Beben,
Ob laut, ob leis, wie angeschlagen
Wird seinen Ton es wiedergeben.
Und wie viel mehr sind nicht der Lieder
Oft nur durch einen Blick erwacht,
Als durch viel lange Lenzesstunden
Voll Blättergrün und Waldespracht!
(S. 3-4)
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O lass' deine Lieb'

O lass' deine Lieb' eine Perle sein,
Eine Perl' aus tiefem Meeresgrund,
Nicht wie die Muschel, die am Strand
Gefunden wird zu jeder Stund'.

O lass' deine Lieb' wie Demantstein
Verborgen sein im tiefsten Schacht,
Nicht wie das Erz, das eitel glänzt
Und jedem Aug' entgegenlacht.

Denn dann nur, wenn sie tief verborgen,
Bewahrt sie ihren wahren Werth;
Nur, weil er selten zu erringen,
Der Demant ist so hoch geehrt.

Und bange nicht, daß ungesehen
Ihr Dasein nimmer werde kund:
Der wahre Taucher find't die Perle
Auch auf dem tiefsten Meeresgrund.

Doch wenn du selbst die höchste Gabe
Nicht höher acht'st denn eit'len Tand,
Dann wird ein Spielwerk sie auch Andern,
Wie Muscheln bunt am Meeresstrand.

Und wenn du selbst treibst mit Gefühlen
Ein thöricht Spiel der Eitelkeit,
Dann werden auch, wie schlechte Erze,
Sie bald mißachtet und entweiht.

Doch eine Stunde wird dann kommen,
Wo du es fühlst mit bitterm Schmerz,
Was für ein Kleinod du vergeudet,
Und wie viel ärmer ward dein Herz.
(S. 18-19)
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Es war ein Traum

Es war ein Traum -
Und ach, wie war er sonnig,
Wie freudenvoll und wie bezaubernd schön,
Wie eines Frühlings erster Morgen:
Doch ach, zu reizend auch, um zu besteh'n.

Es war ein Traum
So duftig wie die Rose,
Die eben erst der Knospe sich entwand,
So spiegelnd lockend wie der Regenbogen, -
Doch rasch, wie jener, der entschwand.

Es war ein Traum,
Der erste Traum des Herzens -
Es war des jungen Herzens erster Mai;
Es war das Glück, das sich ihm schimmernd zeigte:
Und wie die Seifenblase sprang's entzwei.

Es war ein Traum! -
Hart war es, zu erwachen,
Er hatte zu viel Seligkeit gebracht.
So folgt wohl auf den ersten Tag im Lenze
Die eisig kalte Winternacht.

Es war ein Traum!
Jetzt ist er längst vergessen.
Daß einst ich träumt', ich weiß es kaum;
Zuweilen nur zuckst's schmerzlich durch die Seele:
Dann sag' ich leis: "Es war ein Traum."
(S. 20-21)
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Warum!

Warum? so fragt mit Ungestüm
Das arme schwache Herz,
Wenn Gott in seiner Weisheit ihm
Gesendet einen Schmerz.

Warum? so fragt's, sobald ihm naht
Ein Leiden, ein' Beschwer;
Warum hast du mir das gesandt,
Verdient ich es, o Herr?

Du thöricht Herz, o frage nicht!
Ward dir ein Glück bescheert,
Dann hast du zweifelnd nie gedacht:
Wodurch ward ich es werth?

Dann nahmst du als dein gutes Recht
Es zuversichtlich hin,
Dann hast du niemals je gefragt,
Ob ich dess' würdig bin?

So frag' denn auch im Schmerze nicht;
Denn öfter gibt allzeit
Der Herr doch unverdientes Glück
Als nicht verdientes Leid.
(S. 26)
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O geh' nicht in den frischen Mai!

O geh' nicht in den frischen Mai
Nach einer bitt'ren Trennungsstund'!
O geh' nicht in den frischen Mai,
Wenn du ein Weh' im Herzensgrund!

Denn jeder Vogel, der dir singt,
Denn jedes Reis, das sproßt und blüht,
Ein jeder Hauch, der zu dir dringt,
Weckt dir ein Echo im Gemüth.

Es ist ein wundersüßes Weh'n,
Das leis' von Blüth' zu Blüthe schleicht;
Es ist ein Kosen und Versteh'n,
Wie wenn sich Lieb' zu Liebe neigt.

Ein Reichthum ist es und ein Freu'n,
Als sei nun nichts mehr arm und kalt;
Ein jugendliches Sicherneu'n,
Als bleibe nichts mehr trüb' und alt:

Als ob nun Himmel, Flur und Au'n
Ein sonn'ger Rausch von Glück umfing'!
Doch hüte dich, es anzuschau'n,
Wenn dir ein Glück grad' unterging.

Kehr' lieber dann in's Stüblein ein,
Und beug' dich über Buch und Schrift;
Es schläft das Weh' wohl leise ein,
Wenn thätig sich der Geist vertieft.

Geh' lieber dann zur Kirche still,
Und kniee vor dem heil'gen Schrein:
Da denkst du wohl: "Wie Gott es will!"
Und Friede ziehet bei dir ein.

Doch draußen gibt es dich nicht frei:
Die blühn'de Lust und dann dein Schmerz.
Geh' so nicht in den frischen Mai,
Sonst bricht vor Sehnsucht dir das Herz.
(S. 31-32)
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Frühlingsgedanke

Vögel singen, neues Leben,
Frisches Grün an Blatt und Baum:
Für die Vögel neue Lieder,
Für das Herz ein neuer Traum!

Doch das Leben wird veralten,
Hin zur Erde welkt das Grün;
Blumen senken ihre Häupter:
Wirst, mein Traum, auch du verblüh'n?
(S. 33)
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Herbstgedanke

Da fallen wieder die Blätter
Im Herbsteshauch herab:
Sie decken so manche Hoffnung,
Und decken so manches Grab.

Doch um die Todten im Grabe
Ist es mir nicht so leid,
Als um die vielen Träume,
Verwittert in dieses Zeit.

Die Todten sind ja gegangen
Zur ewig' sel'gen Ruh:
Die armen getäuschten Herzen,
Die leben noch immer zu.

Sie fühlen zu jeder Stunde
Den bitter schweren Harm:
Wie einst so reich sie waren,
Und jetzt so unendlich arm.
(S. 34)
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Volkslied

Nun laß die Lieb' begraben sein,
Sie ist ja todt, sie ist ja todt;
Und um die Todten weint man sich
Die Augen roth, die Augen roth.

Doch einen Strauß, den gib noch mit,
Den letzten Strauß, den letzten Strauß;
Den gibt man allen Todten wohl
Noch mit hinaus, noch mit hinaus.

Und eine Nelke bind' hinein,
Die feurig ist, recht feurig ist;
Wie uns're Lieb' im Leben auch
Gewesen ist, gewesen ist.

Auch Rosmarien thu hinzu:
Das deut' auf Schmerz, das deut' auf Schmerz.
Weiß doch allein, wie weh' mir's war
Allzeit um's Herz, allzeit um's Herz.

Nimm auch ein wenig Gelbveiglein:
Das spricht von Neid, das spricht von Neid.
Vom Neide ja gekommen ist
All dieses Leid, all dieses Leid.

Und höre, nimm auch Blümlein blau:
Die Männertreu, die Männertreu;
Weißt wohl, wenn man d'rauf blasen thut,
Ist's gleich vorbei, ist's gleich vorbei.

Doch wenn du find'st Vergißmeinnicht:
Thu's nicht hinein, thu's nicht hinein:
Es muß die Lieb' ja nun mal doch
Vergessen sein, vergessen sein.

Und kann's das arme Herze nicht:
Dann ist's bald aus, dann ist's bald aus;
Dann legst du mir aufs eig'ne Grab
Den letzten Strauß, den letzten Strauß!
(S. 35-36)
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Verlorene Zeit!

Wenn eine Liebe du im Herzen
Genährt, gepflegt in langer Treu',
Und dann erfährst mit tausend Schmerzen,
Wie undankbar oft Lieben sei: -
Dann wachen auf all' die Gedanken,
Die dich dem langen Wahn geeint;
Dann brennen wieder alle Thränen,
Die Thränen, die umsonst geweint.
Und wie das Herz sich dünkt verlassen,
Empfindet's plötzlich tief empört,
Wie viel der besten seiner Stunden
Nur einem flücht'gen Bild gehört.
Und alle Tage, dem gewidmet,
Wie scheinen nutzlos sie entweiht:
Ein Stück des Lenzes und des Lebens,
Verlor'ne, ach, verlor'ne Zeit!
Und wenn ein Werk du kühn ersonnen,
Das dich ergriff mit ganzer Macht;
Wenn ernstlich du es dann begonnen,
Und manches Opfer ihm gebracht;
Wenn muthig du dafür geduldet,
Mit tausend Müh'n darnach gestrebt,
Daß sich dein ganzes Träumen, Hoffen,
Dein ganzes Sein hineingewebt:
Und dann, wenn die Vollendung nahet,
Du siehst, daß alles eitel Schaum,
Daß deine Mühen nichts erreichten,
Daß die Erfüllung leerer Traum.
Dann stehst du da, geknickt, gebrochen,
Und klagst mit reuevollem Leid:
Die Tage und die Stunden alle,
Verlor'ne, ach, verlor'ne Zeit!
Doch tröste dich, es lag verborgen
In beiden ja ein edler Trieb,
Der, sei es heute, sei es morgen,
Noch niemals unbelohnet blieb.
Denn sieh', du hast im Kampf des Herzens
Die kalte Selbstsucht abgestreift;
Und ist dein Werk auch nicht gediehen,
So ist dein Geist daran gereift.
O weis' nicht von dir diese Gaben,
Die schon so manchen Schmerz geweiht;
Es hat durch sie ja Gottes Gnade
Gesegnet die verlorne Zeit.
(S. 37-38)
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Herzeleid

Herzeleid, ach Herzeleid!
Wie magst du leicht noch sein,
Wenn wir von deinem Wehe
Betroffen nur allein!

Herzeleid, ach Herzeleid!
Wie wird es schwere Last,
Wenn es auch and're Theure
Mit seinem Druck erfaßt.

Herzeleid! Ach, Herzeleid
Am tiefsten wohl besteht,
Wenn durch das liebste Herze
Sein Weg zu unserm geht.
(S. 46)
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O nein, ich kann nicht so finster es seh'n

O nein, ich kann nicht so finster es seh'n:
Ich liebe das Leben, das Leben ist schön.
Ich liebe des Sommers hellgoldige Macht,
Ich liebe des Winters weißglänzende Pracht;
Ich liebe das Fluthen im hastigen Strom,
Der grünenden Wälder tiefheiligen Dom,
Das Brausen der Lüfte, das Flüstern im Ried,
Der Vögel laut jubelndes, schmetterndes Lied;
Den ewigen Wechsel von Kommen und Geh'n,
Das Werden und Sinken, das frische Ersteh'n.
Ich liebe der Menschen bunt wechselnd Gewirr
Und alle der Zungen vieltönig Geschwirr.
Ich liebe die nimmerversagende Kraft,
Die immerdar wirket und immerdar schafft;
Den Geist, der mit rohen Gewalten kühn ringt,
Und dich, o Natur, zum Unterthan zwingt,
Daß dienend du seinem Willen dich beugst,
Und deine Fülle der Schätze ihm reichst. -
Ich lieb' ihn, den Menschen, so stolz bewußt,
Mit der schöpf'rischen Kraft in der eignen Brust.
Was mächtig und heiß ihm die Seele durchwallt,
Er weiß es zu bannen in Form und Gestalt.
Es rauscht ihm in Tönen, er weckt es aus Stein,
Das Schöne, das ewig sein Traumbild wird sein.
Ich lieb' ihn auch jubelnd in harmloser Lust,
Wenn er jauchzend des frohen Genießens bewußt,
Das er trinkt aus jedem sonnigen Schein,
Das ihm winkt aus der ärmsten Blume am Rain.
Ich lieb' seiner Jugend begeisterten Schwung,
Seines Alters vielsüße Erinnerung,
Und all' das Gewoge von Glück und von Schmerz,
Wie es einzig nur kennet das menschliche Herz.
Ja, ich lieb' auch den Kampf von Bös und von Gut,
Dies Steigen und Fallen der geistigen Fluth.
Kein Herz ja im weiten Erdenkreis,
Das nicht von der stürmischen Brandung weiß,
Das nicht des Ringens und Strebens bewußt,
Die der göttliche Hauch ihm gelegt in die Brust.
Kein Herz auf der Welt ist so nüchtern und kalt,
Das einmal die Liebe nicht heiß hat durchwallt,
Der wärmende Strom, der sie alle durchrinnt,
Erquickend den Greis, wie es nährte das Kind,
Der das reinste Gold des Glückes enthält,
Und auch alle Thränenperlen der Welt.
O Liebe, du mächt'ge und süße Gewalt,
So lieblich dem Herzen in jeder Gestalt,
Daß, wenn auf der Welt nichts schön mehr blieb,
So wäre sie schön noch durch dich, o Lieb'!
O nein, ich kann nicht so finster es seh'n
Und sage noch ein Mal: das Leben ist schön, -
Ob noch so flüchtig vorüber es rinnt,
Daß Tage wie eilende Wellen nur sind.
Ja, Zeit! auch du bist Gabe uns hold;
Dein Gestern, dein Heute, dein Morgen entrollt,
Und jede Minute den Stempel doch trägt,
Den Gottes Gerechtigkeit für sie geprägt.
Bald dämpfend das Glück, bald lindernd das Leid,
Umspülst du so reich uns, so kosend, o Zeit!
Du trägst uns unmerkbar, auf schaukelnder Bahn
Zum Ziele, zum Hafen den schwankenden Kahn!
Das Schönste am Leben, daß dann auch ein Tag,
Wo endlich verrinnet sein Wogenschlag,
Wo nach den Stürmen der irdischen Zeit
Uns aufnimmt ein Meer der Ewigkeit.
(S. 60-62)
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An eine Braut
Mai 1879

Wenn leicht, wie auf beschwingtem Fuß,
Der Mai durch Flur und Auen zieht,
Dann scheint's, er weckt mit seinem Gruß
Allüberall so Ton wie Lied.

Der Lerche lauter Jubelschall,
Der Nachtigall süß fleh'nder Klang,
Aus Baum und Strauch lockt Wiederhall,
Und selbst der Bach, er hat Gesang.

Ja Farbenpracht und Sonnengluth,
Die sind des Sommers stolzer Ruhm;
Doch heller, froher Liebesmuth
Der ist, o Mai, dein Eigenthum.

Und wenn des Lebens Maitag blüht,
Dann jubelt auch der Mensch so laut;
Doch wonn'ger noch ersteht das Lied -
Du weißt jetzt wann - du süße Braut!

Wenn leicht, wie auf beschwingtem Fuß,
Die Liebe zog in's Herz hinein,
Und wenn bei ihrem leisen Gruß,
Es steht im schönstem Maienschein,

Mit Perlen, Thau und Sonnenschein,
Wie ihn kein Lenz der Erde bringt,
Indeß es in der Seele dein
Als wie in tausend Liedern singt:

Bald jauchzend hell wie Lerchenlied,
Bald süß wie Nachtigallenklang,
Von Herz zu Herz ein Echo zieht
Und weckt stets neuen sel'gen Klang.

O Zeit der Lieder, Herzensmai,
Wo uns das Leben dünkt Gedicht!
Im Liede dir darum ich weih'
Den Gruß, den dir mein Herze spricht.

O möge Gott die Maienzeit
Dir segnen, daß ihr holder Schein
Für's Leben dir die Seele feit
Mit ihrem Glücke innig rein!

O mög' der süße Liedesschall,
Der jetzt so wonnig es durchdringt,
Ein Lied sein, dessen Wiederhall
Dir bis zum End' des Lebens klingt!
(S. 97-98)
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Das Mädchen von der Pusta

Saß ein Mädchen auf der Pusta,
Braunes Mädchen von der Haide,
Schwarz das Aug' und schwarz das Haar,
Eine wahre Augenweide.

Mädchen, was weilst du so einsam
In dem hohen Haidegras?
Warum ist die dunkle Wimper
Und die ros'ge Wange naß?

Was gehst du nicht zu den Andern,
Wo das Cymbal hell erklingt,
Und dein Bruder, der Zigeuner,
Sich im Czardas munter schwingt?

Hast du keinen Schatz gefangen,
Mädchen mit dem langen Haar?
Konnt'st du keinen Schatz entzünden
Mit dem dunkeln Augenpaar?

Schatz? was Schatz! Dem braunen Mädel
Hat es wahrlich drum kein' Noth!
Waren einst der Schätze dreie,
Die sie liebten bis zum Tod.

War der Erst' ein flinker Reiter,
Blond das Haar, das Auge blau,
Und mit Wangen weiß und rosig,
Wie die Wange einer Frau.

Hatte wohl ein golden Ringlein
An die braune Hand gesteckt:
Bei Magenta auf den Fluren
Liegt der Reiter hingestreckt. -

War der Zweit' ein kecker Schütze
Mit dem schmucken Federhut;
Und wie stand das braune Bärtchen
Um die frischen Lippen gut.

Wollte ja sein Liebchen holen,
Wenn er von der Fahne frei:
Drüben an den schwarzen Bergen
Traf ihn des Morlachen Blei. -

Ei, du schmuckes braunes Mädel,
Bist doch leicht Zigeunerblut!
Kecker Reiter, braver Schütze,
Geht Vergessen gar so gut?

Und der Dritt', ein dunkler Bursche:
Sahst den Haidesturm ihm an.
Und sie thaten eines Tages
Ihn auch in des Kaisers Bann.

In der Festung engen Grenzen
Hielt der Sohn der Pusta Wacht,
An sein Mädel in der Ferne
Hat zu viel er da gedacht.

Ueber Berge, Feld und Haide
Rauh der Pfad und steil der Steg.
Doch zu mitternächt'ger Stunde
Bahnt er dennoch sich den Weg.

Mädchen auf der fernen Haide,
Fühltest du es wohl im Schlaf,
Als von hoher Festungsmauer
Ihm in's Herz die Kugel traf?

Legten gold'ne Ehrenzeichen
Sie in's Grab den ersten Zwei'n,
Scharrten deinen dritten Liebsten
Ohne Sang und Klang sie ein.

Und du willst noch immer trauern?
Ei, Vergessen geht so gut! -
Komm zum Tanz, du braunes Mädel,
Bist ja leicht Zigeunerblut!

Doch sie läßt das Köpfchen sinken,
Diesen da vergißt sie nie:
Zweie starben für den Kaiser,
Einer aber starb für sie.
(S. 101-104)
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Am See
Ballade

O trau' dem See nicht: mit glattem Gesicht
Er dumpf in der Tiefe doch grollt.
Der Wassergeist liebet die Menschen nicht
Und wird ihnen nimmermehr hold.
Er liebt nicht ihr warmes, kreisendes Blut,
Weil das seine so eisig und kalt!
Er haßt ihre flammende Herzensgluth,
Weil sein nicht die holde Gewalt.
Darum er alljährlich nimmer ruht,
Bis Einer im Arme ihm lag,
So kalt gleich ihm, bis eine Gluth
Er auszulöschen vermag;
Bis einen Thränenquell er trinkt,
Den verlassene Liebe zollt.
O trau' dem See nicht, wie lieblich er winkt:
Denn dumpf in der Tiefe er grollt.

Es steht das Mädchen am Uferrand,
Sie wäscht die weißen Linnen;
So schmeichelnd küßt die Well' ihre Hand,
Als wollte sie um sie minnen.

Und von Minne und Lieb' in den Lenz hinein
Läßt froh ihr Lied sie erschallen.
"Und heut' über's Jahr soll die Hochzeit sein,"
Das klingt ihr am süß'sten von allen.

Das singt sie so hell mit lachendem Mund
Und denkt ihres braven Gesellen,
Dessen Auge so blau wie der See zur Stund', -
Da fällt etwas hart in die Wellen.

Das Lied ihr stockt, die Wange wird bleich,
Sie starret erschreckt in die Wogen -
Es haben die trüg'rischen Wellen weich
Vom Finger den Ring ihr gezogen.

Vom Finger das güldene Brautringlein,
Womit ihr die Treue versprochen.
"Und heut' über's Jahr soll die Hochzeit sein!" -
Ach, wird ihr die Treue gebrochen?

Weh', hat ihr der tückische Wassergeist
Damit ein Zeichen gegeben?
Er greifet nach warmen Herzen zumeist,
Nach jungem, wonnigem Leben.

Und Todesgrauen durchschauert sie kalt,
Als säh' sie der Wasser Verlangen;
Sie weichet zurück, - da, mit neck'scher Gewalt
Ihr Liebster hält fest sie umfangen.

Laut schluchzend sinket sie ihm an' Herz
Und stammelt erschreckt ihre Kunde.
Doch was ihr Grauen - es dünkt ihm Scherz,
Er hört es mit lächelndem Munde.

Er küsset die trüben Augen ihr hell,
Und roth ihr die blassen Wangen.
Ein neues Ringlein ist bald ja zur Stell';
Wenn nur nicht die Treue vergangen!

Er drohet voll Scherz in den See hinein,
Der so sein Gold ihm verschlinge.
Und heut' über's Jahr soll die Hochzeit sein,
Mit neuem güldenem Ringe!

Ja, heut' über's Jahr - der Tage Reih'n,
Wie sind sie so selig entflogen.
Doch diesmal spiegelt der Frühlingsschein
Sich nicht in den bläulichen Wogen.

Der Sturmwind fährt darüber hin,
Doch kräuselt er keine Wellen;
Mit blankem Stahlschuh fliegen gleich ihm
Hinüber viel schmucke Gesellen.

Eiskönig hält fest noch den See gefaßt
Mit seinem starken Banden! -
Das Mägdlein hat im Kämmerlein
Am Hochzeitsschrein gestanden.

Sie hat so freudig ihr Linnen geschaut,
Zum Brautschatz fleißig beendet -
Da denkt sie des Morgens, wo ihr gegraut,
Als die Wellen den Ring ihr entwendet.

O gut, daß das schreckliche Zeichen so log,
Der See ist fest ja in Banden.
Ihr neues Ringlein! Drei Tage nur noch,
Dann hat am Altar sie gestanden!

Drei Tage nur noch, - kein Ahnen mehr liegt
Ihr auf den sonnigen Träumen!
Weh', sie siehet die lauernden Wogen nicht,
Die unter dem Eisbanne schäumen.

Sie sieht ihren schmucken Liebsten nicht,
Wie eben so kühn er geglitten!
Sie sieht nicht, wie tückisch die Decke zerbricht,
Als sei sie vom Stahlschuh zerschnitten;

Daß plötzlich aufjähnend ein Abgrund droht,
Eine tiefe, klaffende Spalte -
Sie höret ihn nicht, den Schrei der Noth,
Der gellend im Märzsturm verhallte.

Nein, sorglos blieb sie am Hochzeitsschrein
Und zählte ihr Linnen, das weiße.
Wie wusch es der See so blank und rein,
Wie küßte ihr Lieb' da so heiße!

O schließe den Schrein nur - der Wassergeist
Hält fest ihn ja jetzt schon im Arme,
Erstarrt ist das Blut ihm, das nimmermehr kreist,
Erstarret das Herz ihm, das warme.

O schließe den Schrein, und nimm nur heraus
Ein Linnen zum Todtenkleide -
Der See wusch es blank, der See wusch es rein.
Weh'! dir nur zu bitterem Leide!

Er harret wollüstig der bitteren Fluth,
Die deinem Auge entspringe.
O, lieber hättest du selbst ja geruht
Tief drunten bei deinem Ringe!

Und nach drei Tagen am Altar - nein,
Am Ufer stand wieder die Arme
Und starrte verzweifelnd zum See hinein:
Daß Gott sich ihrer erbarme!

Und das Wasser ging hoch und zerbrach den Bann,
Der eifrig auf ihm gelegen;
Es tobten die schäumenden Fluthen heran
Und brausten ihr stürmisch entgegen.

Der tückische Nix, er hat, was er will:
Viel Thränen tranken die Wellen, -
Da spülten sie eines Tages ihr still
An den Strand ihren todten Gesellen.
(S. 137-141)
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Der Liebesbrief

Lieb' ist süß; an sauren Stunden
Ist sie aber auch nicht arm,
Machte wohl zu allen Zeiten
Manchem Kopf und Herze warm.

War ein echter Kern-Geselle,
Durch und durch westfäl'scher Stamm,
Fest und zähe wie die Eiche,
Die aus seiner Heimath kam.

Bärtig Antlitz, breiter Rücken,
Sieben Fuß an Längenmaß;
Große Abneigung vor'm Bücken,
Eine mächt'ge Adlernas'.

Solche stolze Nase aber
Man sich gern gefallen läßt,
Wenn durch sechzehn Ahnenreihen
Sie auf keinen Fehler stößt.

Dieses Glück war ihm geworden:
Reiner Stammbaum, blaues Blut.
Leichter läßt sich dann verschmerzen,
Wenn nur wenig irdisch Gut.

War doch ein zufried'ner Junge,
Still vergnügt mit Gott und Welt,
Hinter'm Humper tücht'ger Trinker,
Tücht'ger Jäger auf dem Feld.

Nur sein Haus blieb leer und öde
Noch so manches liebe Jahr;
Ohne jede schön're Hälfte
Er sich selbst ein Ganzes war.

Doch noblesse nous oblige
Heißt zu Deutsch: "legt Pflichten auf";
Und zum Suchen, was ihm fehlte,
That er drum die Augen auf.

Ging zu Basen und zu Sippen
Weit herum im ganzen Land,
Wo er unter vielen Töchtern
Eine reiche Auswahl fand.

Blaue Augen, blonde Haare,
Sind und bleiben hübsche Ding';
So geschah es binnen Kurzem,
Daß sein Herze Feuer fing.

Doch im Land der rothen Erde
Brennt solch' Feuer zahm und still,
Und ein echt westfälisch Mädchen
Weiß von Anfang, was es will.

Macht nicht lange Zier und Mucken,
Liebt nicht vieler Worte Kram:
Kurzes Wort auf kurze Frage,
Dann ist's Braut und Bräutigam.

Nicht viel haben, nicht viel wünschen,
Ist die Mitgift bald bedacht:
Bei dem Bräutchen süße Stunden,
Beim Papa viel schöne Jagd.

Und da sprecht ihr noch von Plage!
War denn Liebe süßer je?
Jede Ros' hat ihre Dornen,
Jede Liebe hat ihr Weh'!

Sieben Stunden weite Straße,
Berg hinab und Berg hinan,
Ist fürwahr wohl zu bedenken,
Wenn nicht Post noch Eisenbahn.

Hat die Liebe auch wohl Flügel,
Merkt der Gaul doch nichts davon:
Zieht den Rechten, lahmt am Linken,
Das ist dann der Liebe Lohn.

Und so ist denn eingetreten
Eines Tags der schlimme Fall,
Daß gar steif an allen Gliedern
Stand das Rößlein in dem Stall.

Alle Sehnsucht konnt' nicht helfen,
Jede Kur schlägt nicht mehr an;
Manche lange Trennungsstunde
Plagte nun den armen Mann.

Doch, da siehe! eines Abends
Trat ein Bote schwer herein,
Zog aus grauer, schmutz'ger Hülle
Einen Zettel zart und fein.

Mit gar zierlich nettem Schriftchen,
Etwas steif und nonnenhaft,
Frägt in schön gesetzten Worten,
Was denn der Herr Bräut'gam schafft.

"Ja, zum Teufel, vierzehn Tage
Liefen seitdem schon herum!"
Nein, fürwahr er kann nicht bleiben
Fürderhin noch länger stumm.

Doch der Braune lahmt noch immer.
Schreiben muß er, das ist klar.
Und er seufzt und streicht bedächtig
Durch das volle, krause Haar.

Aber dann zum Secretair
Geht er mit entschloss'nem Tritt.
Tinte, Federn? Vor'gen Monat
Er die letzte Feder schnitt.

Prüft nun lange, wählt bedächtig,
Rückt den Stuhl und rückt den Tisch;
Staubt erst Acten und Papiere
Sorglich mit dem Federwisch.

Nimmt von hinnen manch' Gekrame:
Pulverhorn und Flintenlauf,
Legt 'nen Bogen, groß gefalten,
Auf viel and're Bogen auf.

Denn er weiß wohl, was sich schicket,
Was kommt andern Leuten zu;
Schrieb noch neulich an's Gerichte
Im Processe um die Kuh.

Unter rubrum Zwei zu finden
Ist die copia im Archiv;
Gut vielleicht wär's, wenn den stylus
Er sich in's Gedächtniß rief.

Denn wenn man, dem Herrn sei Danke,
Grad kein Federfuchser ist,
Ist's natürlich, daß so Manches
Mit den Jahren sich vergißt.

Und der Brief war gut gewesen
Ja, die grundgelehrten Herrn
Hinter ihrem grünen Tische
Lasen solchen Brief nicht gern.

Doch die Feder in die Tinte
Taucht er nun entschlossen ein,
Malt da oben hoch am Bogen
Eine schöne Nummer 1:

Nummer ein, die erste Acte,
Die er diesen Mond begann.
Ja, er weiß Geschäft zu führen,
Ist ein ordentlicher Mann.

Freiherr X contra die Freiin -
Folgt der Name schön und klar,
"Hochwohllöblich" kann er schreiben,
Schrieb doch an's Gericht es gar.

Und wenn das war Hochwohllöblich,
Was so manchen Gram ihm macht,
Hat er's wohl mit größerm Rechte
Seiner Jungfer Braut gesagt.

"Hochwohllöblich wollte melden
Wegen der" - "nein das geht nicht!"
Hätt' ja wahrlich fast vergessen,
Daß er vom Proceß nicht spricht.

Wegen der? die? das? Er sinnet:
Ist's im Zimmer denn so heiß?
Auf der hohen Stirne stehen
Helle, klare Tropfen Schweiß.

Ob die Luft wohl so beklommen?
Wie ihn alles engt und preßt!
Ja! solch' sauer Arbeitsstücke
Sich im Rock nicht thuen läßt.

Fort mit ihm! - Um Vieles leichter
Geht gewiß dann jedes Ding.
"Wegen Ihres werthen Schreiben,
Das de dato ich empfing,

Wollte melden, daß der Braune
Lahmte bis zu dieser Stund';
Unser bestes Wohlergehen
Thun wir Euch zu wissen kund.

Ist der Fuchs wohl aufgefunden,
Der so schlau im Berg versteckt?
Bitt', den Herren Schwieger-Eltern
Zu vermelden mein Respect.

Wenn's nur eben wieder wettert,
Bin ich sicher bald am Platz.
Euer Hoch- und Wohlgeboren
Wohl affectionirter Schatz."

Punctum, fertig. Wie er athmet, -
Sieht sein Werk gefällig an.
Mit viel schönen, kräft'gen Schnörkeln
Ziert er die Adresse dann.

Und daß gar nichts er verfehle,
Drückt er's große Siegel auf;
"Herrschaftliche Liebessachen"
Schreibt er pünktlich oben drauf.

Fort damit! Es keucht der Bote;
Lange schaut der Herr ihm nach.
Ja, für Beide ist's gewesen
Ein recht saurer Werkeltag.

Doch da legt sich auf die Züge
Wieder heller Sonnenschein,
Und mit still vergnügtem Lächeln
Fährt er in den Rock hinein.

Reibt zufrieden sich die Hände,
Streicht die dichte schwarze Brau';
Weiß ein ganz probates Mittel:
Wird das Bräutchen seine Frau,

Dann hat jede Noth ein Ende,
Liebes-Pein und Liebes-Brief!
Nach dem wohlerwog'nen Plane
Süß und sanft der Freiherr schlief.

Doch am andern Morgen frühe,
Ehe noch der Tag gegraut,
War er auch schon auf dem Wege
Zu der liebsten Jungfer Braut. -

Und allda mit Mund und Auge
Hat so gründlich er plaidirt,
Daß er schon nach wenig Tagen
Sie als Weibchen heimgeführt.

Doch der Brief? Er ist geblieben
Stets der Einz'ge seiner Art;
Denn man hat im fernen Leben
Jede Trennung sich gespart:

Späte Enkel einst ihn fanden,
Wohl zu großer Heiterkeit,
Haben lachend ihn gelesen:
And're Leute, and're Zeit! -

Briefe, ja viel schöne Briefe
Wohl von ihnen jeder schrieb;
Wär' die Frage, ob sie gingen
Sieben Stund' der Braut zu lieb.
(S. 145-153)
_____



 

Gedichte aus: Gedichte von Ferdinande Freiin von Brackel
Zweite Auflage Köln 1880
 

Biographie:

Brackel, Ferdinande, Freiin v., Schloss Welda bei Warburg, ist geboren den 24. November 1825 im Kreise Warburg in Westfalen. Von Kindheit an liebte sie die Poesie und übte sich in dichterischen Versuchen. Erst in den Kriegsjahren 1864, 1866 und 1870 trat sie mit einigen Zeitgedichten in die Öffentlichkeit und gab die erste Sammlung ihrer Gedichte 1873 heraus, welche jetzt in der 4. Auflage erscheinen, wandte sich aber dann auf den Rat eines tüchtigen Kritikers der Prosadichtung zu. Unter der Presse befinden sich ihr neuester Roman "Im Streite der Zeit" 2 Bände und eine Novelle "Nur eine kleine Erzählung", welche beide 1896 und 1897 im Feuilleton der "Kölnischen Volkszeitung" erschienen. Ihre "Tochter des Kunstreiters" ist ins Englische, Französische, Polnische, Holländische und Spanische übersetzt. Die Autorin ist Stiftsdame.

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898

siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinande_von_Brackel


 

 


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