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Emma von Brandis-Zelion
(1840-1909)
Unverstanden
In meines Herzens Garten
Blüh'n Blumen groß und klein,
Doch ach, es fehlt den armen
Der Liebe Sonnenschein.
Der Sonnenschein der Liebe,
Der Liebe warme Glut,
Und ihre Wurzeln trinken
Nur immer Thränenflut.
Ihr armen, armen Blumen,
Wie müßt ihr doch vergeh'n,
Vergehen und verbleichen,
Verbleichen ungeseh'n.
Das größte aller Leiden
Das es hienieden gibt,
Ist - nicht verstanden werden,
Wo man am meisten liebt.
(S. 31)
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Ich wollt', ich wär' eine Königin
Ich wollt, ich wär' eine Königin,
Dann stieg ich herab vom Throne
Und legte zu deinen Füßen hin
Reichsapfel, Scepter und Krone.
Und wär' ich weiser als Salomo,
Dein Wort hielt doch ich in Ehren,
Denn weiser als aller Sterblichen Wort
Erschienen mir deine Lehren.
Ich bin nicht weise, bin ohne Macht,
Hab nichts als ein Herz zu vergeben,
Doch ist's an Lieb und Treue so reich,
Wie keins du mehr findest im Leben.
(S. 31-32)
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Gedichte
aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888
Biographie:
Zelion, Frl. Emma von, genannt Brandis, Ps. Brandis-Zelion,
Niedermarsberg, Kreis Brillon, geboren am 24. November 1840 zu Darmstadt
als Tochter des Oberforstrates von Zelion, genannt Brandis. Der Vater
leitete persönlich die Ausbildung seiner Kinder auf dem Gebiete der
schönen Künste und Wissenschaften. Emma zeigte schon in früher Jugend
dichterische und musikalische Begabung. Die erste Jugendzeit verfloss in
fast ungetrübter Heiterkeit. Die grossen Ereignisse von 1866 und 1870
wirkten erschütternd auf ihr Gemüt. Sie wurde von einem langwierigen
Nervenleiden heimgesucht und im Jahre 1878 hatte sie den Verlust der
Mutter zu beklagen, deren Pflege während einer Reihe von Jahren ihre
Kräfte fast ausschließlich gewidmet gewesen waren. Sie verliess die
Heimat, um erst einige Monate in Hannover im Haue einer verheirateten
Schwester zu verbringen und dann mit derselben nach Wesel zu
übersiedeln. So von des Schicksals Hand auf dornige Pfade geführt,
wandte sich ihr Blick immer mehr nach oben, und als sie zur Feder griff,
geschah es von dem Wunsche beseelt, auch anderen mitzuteilen, was sie
selbst in ihrem teuren Glauben gefunden, Erhebung, Erquickung und Trost.
Von dieser Zeit ab widmete sie sich mit regem Eifer dem
schriftstellerischen Berufe.
aus: Lexikon
deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke
weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem
Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
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