Sebastian Brant (1457-1521) - Liebesgedichte

Albrecht Dürer - Porträt eines Mannes (Sebastian Brant)




Sebastian Brant
(1457-1521)



Aus dem Narrenschiff


XIII. Von buolschafft


An mynem seyl ich draffter yeich
Vil narren / affen / esel / geüch
Die ich verfűr betrüg vnd leych

Frow Venus mit dem strœwen ars
Byn nit die mynnst jm narren fars
Ich züch zů mir der narren vil
Vnd mach ein gouch vsz wem ich wil
Myn kunden nyemans nennet all
Wer hat gehœrt von Circes stall /
Calypso / der Syrenen joch
Der gdenck / was gwaltes ich hab noch
Welcher meynt das er wytzig sy
Den dunck ich dieff jnn narren bry /
Wer eyn mol wurt von mir verwunt
Den macht keyn krütter krafft gesunt /
Dar vmb hab ich ein blynden sůn /
Keyn bůler sicht was er soll tůn /
Myn sůn ein kindt ist / nit eyn man
Bůler mit kintheit důnt vmbgan /
Von jnn wurt seltten dappfer wort
Glych wie von eynem kindt gehœrt /
Myn sůn stat nackt vnd blosz all tag
Dann bůlschafft nyeman bergen mag /
Bœsz lieb die flügt / nit lang sie stat
Dar vmb myn sůn zwen flügel hat /
Bůlschafft ist licht zů aller frist
Nüt vnstætters vff erden ist /
Cupido treit syn bogen blosz
Vff yeder sytt / ein kocher grosz /
In eym / hat er vil hocken pfil
Do mit trifft er der narren vil /
Die sint scharpff / guldē / hockecht / spitz
Wer troffen würt / der kumbt von witz /
Vnd dantzt har noch am narren holtz /
Im andern kœcher / vogelboltz
Sint stumpf / mit bly beswert / nit lücht
Der erst macht wunt / der ander flücht
Wæn trifft Cupido / den entzyndt
Amor syn brůder / das er bryndt
Vnd mag nit leschen wol die flam
Die Didoni jr leben nam
Vnd macht das Medea verbrant
Ir kind / den brůder dot mit jr handt
Tereus wer ouch keyn wydhopff nit /
Pasyphae den stier vermitt /
Phedra Theseo fűr nit nach
Noch sűcht an jrem styeff sůn smach /
Nessus wer nit geschossen dott /
Troy wer nit kumen jn solch not /
Scylla dem vatter liesz syn hor
Hyacinthus wer keyn ritter spor /
Leander nit syn schwymmen dæt
Messalina wer jn küscheit stæt
Mars ouch nit jnn der ketten læg
Procris der hecken sich verwæg
Sappho nit von dem berg abfiel
Syræn vmb kerten nit die kyel
Circe liesz faren wol die schiff
Cyclops vnd pann nit leidtlich pfiff
Leucothoe nit wyhrouch gbær
Myrrha wer nit Adonis swær
Byblis wer nit jrm brůder holt
Danæ entpfing nit durch das golt
Nyctimine flűg nit vsz by nacht /
Echo nit wer ein stym gemacht /
Tysbe ferbt nit die wissen bœr
Athalanta keyn lœwin wer
Des leuiten wib wer nit gesmæcht
Vnd drumb erschlagen eyn geschlecht
Dauid ließ weschen Bersabe
Samson vertruwt nit Dalide
Die abgœt Salmon nit anbæt
Amon wer an synr swester stæt
Joseph würd nit verklagt vmb susz
Als Bellerophon Hyppolitus
Der wisz man als eyn rosz nit gyng
Am thurn Virgilius nit hyng
Ouidius hett des keysers gunst
Hett er nit gelert der bůler kunst
Es kæm zů wiszheit mancher me
Wann jm nit wer zůr bůlschafft we
Wer mit frowen hat vil credentz
Dem würt verbrennt syn conscientz
Vnd mag gæntzlich nit dienen got
Wer mit jnn vil zů schaffen hat
Die bůlschafft ist eym yeden stand
Gantz spœtlich / nærrisch / vnd eyn schand
Doch vil schæntlicher ist sie dann
So bůlen důnt allt wib vnd mann /
Der ist eyn narr / der bůlen will
Vnd meynt doch haltten masz vnd zil /
Dann das man wyszheit pfleg vnd bůl
Mag gantz nit ston jn eynem stůl /
Eyn bůler würt verblænnt so gar /
Er meynt / es næm nyeman sin war /
Disz ist das krefftigst narren krutt
Disz kappen klæbt lang an der hütt
 

Aus: Sebastian Brant Narrenschiff
Herausgegeben von Friedrich Zarncke
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1964
Unveränderter reprografischer Nachdruck
der Ausgabe Leipzig 1854 (S. 15-16)
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XIII.

An meinem Seil' ich nach mir zieh'
Viel' Affen, Esel und Narrenvieh:
Ich täusche, trüge, verführe sie.

V
enus mit wallendem Haar, langem Schleppkleide und gewaltigen Flügeln, hält,
von Kuckuk, Affe und Esel begleitet, drei Narren an Seilen.
Bei einem derselben enthüllt die herabgeglittene Narrenkappe die Mönchstonsur.
Hinter ihr mit frohlockendem Grinsen der Tod,
vor ihr Cupido, blind, aber ohne Flügel, einen Pfeil abschießend.


Von Buhlschaft

Ich, Venus mit dem strohernem Steiß
Bin nicht die Letzte des Narrenbreis;
Ich lock' zu mir der Narren viel
Und mach' zum Gauche, wen ich will,
Meine Kunden Niemand nennet all'.
Wer je gehört von Circes Stall,
Kalypso, der Sirenen Joch,
Bedenk', welch Macht ich habe noch.
Denn wer meint, daß er witzig sei,
Den tauch' ich tief in Narrenbrei,
Und wer einmal von mir wird wund,
Den macht kein kräftig Kraut gesund.
Ich habe einen Sohn, der blind:
Kein Buhler sieht, was er beginnt;
Mein Sohn ein Kind ist, nicht ein Mann:
Und kindisch ist der Buhler Plan;
Sie kennen Worte von Gewicht
Gleich einem kleinen Kinde nicht;
Mein Sohn steht nackt und bloß all Tag',
Denn Buhlschaft Niemand bergen mag;
Böse Lieb' entfliegt, nicht lang sie steht,
Daher mein Sohn geflügelt geht.
Buhlschaft ist leicht zu aller Frist,
Nichts weniger stät auf Erden ist;
Cupido trägt den Bogen blos,
An jeder Seit' einen Köcher groß,
In einem hat er Hakenpfeile,
Damit trifft er viel Narrn in Eile,
Die sind scharf, hakig, gülden, spitz
Und wen sie treffen, verliert den Witz
Und tanzt darnach am Narrenholze;
Im andern Köcher die Vogelbolze
Sind stumpf, nicht leicht, beschwert mit Blei,
Macht einer wund, so scheuchen zwei.
Wen traf Cupidos sich're Hand,
Den setzet Amor rasch in Brand,
Daß er nicht löschen kann die Flamm',
Die Dido einst das Leben nahm,
Durch die Medea einst verbrannt
So Kind wie Bruder mit eigner Hand.
 Kein Wiedehopf ward Tereus je,
Den Stier vermiede Pasiphae,
Phädra führ' nicht dem Theseus nach,
Sucht' nicht an ihrem Stiefsohn Schmach;
Nessus wär' nicht geschossen todt,
Troja gekommen nicht in Noth;
Es ließe Scylla dem Vater das Haar,
Hyacinth wär' keine Blume fürwahr:
Leander durchs Meer nicht schwimmen thät,
Messalina wäre in Keuschheit stät;
Mars läg' nicht in Ketten um sein Lieben,
Und fern wäre Prokris der Hecke geblieben.
Es stürzte nicht Sappho vom Felsenhang,
Keinen Kiel versehrte Sirenengesang;
Es ließe Circe wol fahren die Schiffe,
Und Cyklops mit Pan nicht kläglich pfiffe;
Leukothea nicht Weihrauch wär',
Myrrha fiel' nicht Adonis schwer.
Byblis wär' nicht ihrem Bruder hold,
Es empfinge nicht Danae durch Gold,
Nyctimene flöge nicht aus bei Nacht,
Zur Stimme nicht wäre Echo gemacht;
Es färbte nicht Thisbe die Beeren roth,
Atalante schüfe als Löwin nicht Noth.
Des Leviten Weib wäre nicht geschwächt
Und darum erschlagen ein ganz Geschlecht;
David ließe baden die Bathseba,
 Und Samson nicht traute der Delila;
Nicht betete Salomo Götzen an,
Der Schwester hätt' Amon nichts Böses gethan;
Ohn' Grund wär' Joseph verklaget nit
Wie Bellerophon und Hippolyt;
Der Weise wie ein Roß nicht ginge,
Am Thurm Virgilius nicht hinge,
Ovidius hätte des Kaisers Gunst,
Wenn er nicht gelernt der Buhler Kunst. -
Es käm' zu Weisheit Mancher eh,
Wenn ihm nicht wär' zur Buhlschaft weh.
Wer viel mit Frauen hat Credenz,
Dem wird verbrannt sein Conscienz;
Es dienet Gott nicht früh noch spat,
Wer viel mit ihnen zu schaffen hat,
Die Buhlschaft dient einem jeden Stande
Zu Spott und Narrheit und zu Schande;
Noch schändlicher ist sie alsdann,
Wenn buhlt im Alter Weib und Mann.
Der ist ein Narr, der buhlen will
Und meint zu halten Maß und Ziel;
Denn daß man Weisheit pfleg' - und buhle,
Verträgt sich nicht auf einem Stuhle.
Ein Buhler wird verblendet gar:
Er meint, es nähm' ihn Niemand wahr.
Dies ist das kräftigste Narrenkraut,
Die Kappe klebt lang an der Haut.

Aus: Sebastian Brant  Das Narrenschiff
Erneut v. H. A. Junghans Leipzig
Verlag Philipp Reclam jun. [1877] (S. 30-32)

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