Johann Karl Braun von Braunthal (1802-1866) - Liebesgedichte

 


Johann Karl Braun von Braunthal
(1802-1866)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Das Geheimnis ihres Namens

Selten schwellet jetzt den Busen
Mir ein schaffendes Gefühl;
Es verstummen ja die Musen
Vor dem lauten Tagsgewühl':
Thränen in den Augen, ziehen
Aus der Brust sie und entfliehen,
Denn ihr Geist ist mild und still.

Selten auch darum erklingen
Meines Herzens Saiten jetzt,
Ja, und muß ich einmal singen
Klagend, vor dem Tag' entsetzt:
Ach! dann sind es eben Klagen,
Die sich nur in Herzen tragen,
Die ein gleicher Schmerz verletzt.

Aber solchen Trauerklängen
Folgt ein langes Schweigen dann,
Und ich schicke statt Gesängen
Lang' nur Blicke himmelan,
Die dem Himmel zwar sind Töne,
Doch der Tempel der Kamöne
Will das Wort, und - wär' es Wahn!

Selten opfr' ich ihr, gar selten;
Aber - schwellt sich mir die Brust,
Wird's ein Lied dann auch, das Welten
Angehört, nicht einzler Lust,
Und im Wort- und Bilderdrange
Wird die Seele zum Gesange,
Werd' ich Dichter unbewußt!

Und so heute! Millionen
Geister rufen laut in mir:
Singe, wem im Busen wohnen
Geister und wer singt, gleich dir;
Singe, wem wie dir die Sonne
Aufglänzt eines Tags zur Wonne;
Sing' ein Lied und - sing' es - Ihr!

Ihr? - Das Lied ist ausgesungen,
Sprech' ich ihren Namen aus!
Meine Seele wär' verklungen,
Müßt' er aus der Seele 'raus!
Bräch' dies Wort aus ihrer Pforte, -
Betteln müßt' ich dann um Worte
Blind und stumm von Haus zu Haus!
(S. 20-21)
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An Sie am Claviere

Pulse, höret auf, zu schlagen
Durch den sturmgehobnen Busen,
Horcht! sie opfert jetzt den Musen
In der Tonkunst Heiligthum';
Ihr Gedanken nur dürft wagen,
An mein Dasein mich zu mahnen,
Nur ein formenloses Ahnen
Oeffne mir Elysium.

Laß sie durch die Himmel gleiten
Von der Erde diese Töne,
Durch die Himmel der Kamöne,
Nicht die Erd' ist ihr Gebiet:
Jeder Ton, entlockt den Saiten,
Trag', wie aus Pirenens Quelle,
Sich von Seele hin zur Seele
Durch die Welten als ein Lied!

Wie sie zittern, wie sie rauschen,
Wie sie kosen, wie sie beben
Diese Klänge durch mein Leben,
Und mir gilt kein einz'ger Ton!
Nur verborgen darf ich lauschen,
Glauben nur, du würdest klagen
Auch um mich, dürft' ich dir sagen,
Was ich nun gelitten schon.
(S. 22)
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Lenz im Winter
Lied

Was in blätterlosen
Zweigen jetzt ich seh',
Ist's der Aprikosen
Ros'ger Blüthenschnee?

In der Abendröthe
Singt es durch das Thal,
Ist's nicht das Geflöte
Meiner Nachtigall?

Sagt, woher die Wonne,
Die im Aug' mir lacht,
Wenn die junge Sonne
Nicht den Lenz gebracht?

Nein? - aus allen Zweigen
Sind die Blüthen fort,
Und den Sturmesreigen
Führt um sie der Nord.

Nein - im Thal' verstummte
Jedes, jedes Lied,
Seit es die vermummte
Nebelnacht durchzieht.

Fern noch ist die Wonne,
Blicke ringsum doch,
Noch, noch schläft die Sonne,
Winter ist es noch.

Noch von Aprikosen
Gibt er keine Spur;
Siehst die Wangenrosen
Deines Liebchens nur.

Was du für die Klage
Hältst der Nachtigall,
Ist, daß ich's nur sage,
Liebchens Redeschall.

Und wenn du im Arme
Deines Liebchens bist,
Glaubst du, daß der warme
Sonnenmund dich küßt.

Und was all' die Triebe
Deutet so in dir,
Das - das ist die Liebe,
Glaube, glaube mir.
(S. 23-24)
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Das Geheimnis des Schönen

Was zieht uns an in schönen Zügen,
Was spricht uns an im schönen Wort'?
Geheimes muß in beiden liegen,
Denn nur Geheimes zieht uns fort
Aus der Gewohnheit engem Kreise;
Geheimes zieht den Menschen an,
Er liebt nicht die bekannte Weise,
Er schätzt nicht, was er fassen kann.

Die Knospe liebt er und die Blüthe,
Denn ein Geheimniß bergen sie,
Der Himmel dringt ihm zu Gemüthe,
Nur weil er ihn gesehen nie:
Geheimniß also liegt im Blicke,
Im Worte, das wir nicht versteh'n;
Es bleibt Geheimniß auch zum Glücke,
Verstandenes - muß untergeh'n.
(S. 25)
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Das Brautgeschenk
Ballade

Im Lande, wo hoch die Palme sich hebt,
Wo goldene Früchte nur keimen,
Eine holdere Sonne die Blüthen belebt,
Wo jeglicher Morgen mit liebendem Kuß
Einladet die Menschen zum Lebensgenuß,
Zum Spielen und Scherzen und Träumen:

Lebt' in der Mährchen goldenen Zeit
Ein friedlicher, mächtiger König;
Der hatt' eine Tochter, im Lande weit
Die schöne Amanda, die Holde, genannt,
Als das schönste der Mädchen allorten bekannt,
Deß freut' sich der Vater nicht wenig.

Einst sprach sie zu ihm: Lieb Väterchen, ach!
Nun wisse - so sehr ich dich liebte -
Was der armen Amanda bis jetzo gebrach:
Oft sagtest Du ihr von der Liebenden Glück,
Doch blieb es von mir noch immer zurück,
Das war es, was mich betrübte.

Da hab' ich mir so ein Plänchen gemacht,
Den Geliebten aus Allen zu finden:
Nur mit Jenem, der mir das Liebste gebracht,
Es sei nun von Perlen, es sei von Gold,
Es sei nun aus fernen Landen geholt,
Wird Amandens Herz sich verbinden.

Drauf ging die Botschaft durch's ganze Land,
Pfeilschnell von Munde zu Munde:
Amanda, als schönstes der Mädchen bekannt,
Hab' Herz und Thron dem zugedacht,
Der das Liebste auf Erden ihr überbracht; -
Und Alles staunte der Kunde.

Es wurde der Wahltag festgesetzt,
Da sollten die Prinzen sich zeigen;
Die Städte des Landes füllten sich jetzt,
Elephanten, Kamele, beladen schwer,
Karawanen zogen die Straßen daher,
Denn schon wollte die Zeit sich neigen.

Und als der Tag gekommen war,
Da eilte Alles zum Strande.
Erhaben ein Thron, gar wunderbar
Gefügt aus köstlichem Elfenbein,
Und schwer verziert mit Edelgestein,
Stieg auf im Purpurgewande.

Rings waren Tribunen für's Volk erhöht,
Mit glänzenden Schranken verzieret,
Dort saß das Volk, wie angesä't,
Hier standen die Prinzen schlank und hold,
Unzähl'ge Kamele mit Silber und Gold,
Von prunkenden Sclaven geführet.

Bald kam auf stolzem, arabischen Ross'
Einher der König geritten;
Im glänzenden Wagen durch den Troß,
Fuhr Amanda im züchtigen Jungrau'nkleid,
Das schönste der Mädchen weit und breit,
Geschmückt nach des Landes Sitten.

Rosen durchblinkten das seidene Haar,
So falb wie die Strahlen der Sonne,
Am Kleid, das angehauchet war,
Erglänzte Indiens Lilienpracht;
Wie der freundliche Mond in der Maiennacht,
Erfüllte sie Alles mit Wonne.

Am äußersten Rande des Ufers stand
Ein Jüngling, still und bescheiden,
Sein Herz hatt' längst Amanden erkannt,
Doch wagt' er's nicht zu erheben den Blick,
Er wich vor dem Glanze der Prinzen zurück,
Groß waren des Jünglings Leiden.

Oft sah er die Holde, doch sprach er sie nie,
Wie konnt' es der Arme auch wagen;
Wohl kannte den lieblichen Jüngling auch sie,
Wohl fand ihn ihr Auge, wohl sah sie ihn:
Doch scheute sie ihres Vaters Sinn,
Sie durfte ihr Herz nicht befragen.

Und als näher und näher der Zug jetzt kam,
An den staunenden Prinzen vorüber,
Von allen Seiten man Jubel vernahm,
Da schreckt sich am lärmenden, bunten Tross'
Des Königs stolzes, arabisches Roß,
Es wirft sich herüber, hinüber.

Ein Angstschrei des Volk's durchschneidet die Luft,
Doch will es die Zügel nicht fassen,
Es bäumt sich der Gaul, Amanda ruft:
O rettet, ihr Prinzen, o rettet, o eilt!
Doch zaudert jeder der Prinzen und weilt,
Zertreten will keiner sich lassen.

Jetzt reißt es ihn fort, in die Wogen hinab,
Durch des fliehenden Volkes Gedränge,
Und beide verschlingt das gähnende Grab,
Er sinkt in die Fluthen, es ist geschehn,
Nichts kann man mehr vom König' sehn,
Es jammert und heulet die Menge.

Da stürzt sich im mächtigen Sprung ihm nach
Der Jüngling, nicht achtend der Wogen,
Und kaum, als die Fluth sich abermals brach,
Erblickt man ihn, wie er mit Riesenkraft
Der brausenden Tiefe den Greisen entrafft
Und schnell an's Ufer gezogen.

Auf seinen Armen trägt er ihn hin,
Kniet nieder vor dem Throne,
Da ruft Amanda mit liebendem Sinn:
"Dir hat der Himmel mich zugedacht,
Du Jüngling hast mir das Liebste gebracht,
Nimm hin Amanden zum Lohne!"

Doch der Jüngling verbirgt des Herzens Gefühl,
Er wendet sich ab zum Strande,
Und als erröthend entfliehen er will,
Da hält ihn der Greis zurück und spricht:
"Der König versagt dir die Tochter nicht,
Der Vater segnet die Bande."
(S. 35-39)
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Das Mädchen am Fenster
Romanze

Laß, Mutter, am Fenster mich sitzen,
Dir ist es ja einerlei,
Wenn die ersten Sternlein blitzen,
Da geht mein Geliebter vorbei.

Ich seh' in den Himmel so gerne,
Und du weißt, mein Himmel ist er,
Dran glänzen nur zwei Sterne,
Doch mein Auge verlangt nicht mehr.

Ach, Mutter, Wolken umdüstern
Den freundlichen Himmel jetzt,
Und ängstliche Lüftchen flüstern:
"Vergebens an's Fenster gesetzt!

Es werden viel Abende kommen,
Viele Sterne wirst du noch seh'n!"
Sind aber die zwei mir verglommen,
So - will ich schlafen geh'n.
(S. 40)
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Die letzte Bitte
Ballade

An der Gattin Sterbelager
Saß der junge Graf Armand;
Bebend hielt Helenens Hand,
Jüngst so schön, jetzt todeshager,
An das Herz gedrückt Armand.

Wie des Tod's Apotheose
Stand Helene an der Gruft;
Mit der Liebe letztem Duft'
Stand sie, eine bleiche Rose,
An der Schwelle schon der Gruft.

Stumm verzweifelnd sah der Gatte
Hin - hin auf sein sterbend Glück;
Auch Helenens Blick, der matte,
Beiden starb dasselbe Glück.

Und daneben weinend leise,
Lag ein Mädchen auf den Knieen,
Starrend nach der Gräfin hin:
Alles dankte ihr die Waise,
Dieses Mädchen auf den Knieen.

'S brach die Gräfin jetzt die Stille:
"In dem Schranke - das Papier -
Mein Armand, gelobe mir -
Schwöre mir - mein letzter Wille,
In dem Schranke - - das Papier.

Mein Armand, nach dreißig Tagen
Oeffne zum Papier den Schrank;
Wirst du? -" ""Ja"" "dem Himmel Dank!
Jenseits - meine erste Frage - -
Letzte Bitte - dort - im Schrank." - . . .

Und die Gräfin starb in Frieden
Wie die Ros' enthaucht den Duft;
Und so sank sie in die Gruft,
Als der dritte Tag geschieden,
Wie die Ros' enthaucht den Duft . . .

'S steht am Schrank' ein Johanniter,
Dieser Ritter ist Armand; -
Nach dem Kreuz' griff seine Hand -
An dem Schranke steht ein Ritter,
Dieser Ritter ist Armand.

Zitternd öffnet er - nur leise -;
Ihre letzte Bitte hieß:
"Die ich dir zur Sorge ließ,
Nimm zur Gattin sie, die Waise!"
So die letzte Bitte hieß.

'S zog zu Feld der Johanniter;
An der Waise zehrt der Gram;
Als vor Askalon er kam,
Fiel vor Askalon der Ritter
Und die Waise starb vor Gram.
(S. 41-43)
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An Emilie

Meide, Mädchen, meinen Mund:
Willst du mich als Bruder küssen,
Dieser Kuß, du wirst ihn büßen,
Küßt des Mädchens Seele wund.

Die Natur läßt sich nicht täuschen,
Immer bleibt das Herz nicht still,
Das Gefühl wird endlich heischen,
Was dein höhres Selbst nicht will.

Schwester darfst du mir nicht sein,
Denn du kannst sie mir nicht bleiben,
Bin ich erst als Bruder dein,
Wird das Blut uns weiter treiben.

Klopft das Herz am lauten Herzen,
Schwimmt im Blicke nur der Blick,
Melden sich der Liebe Schmerzen
Mit der Liebe kurzem Glück.

Laß mich meiden deinen Mund
Und nur deine Hand mich küssen,
Daß wir nicht als Menschen büßen
Der Geschwister Seelenbund.
(S. 59)
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Amor als Kind
Lied

Die erste der Thränen,
Geweint dem Verlust
Im werdenden Sehnen,
Ist Balsam der Brust;
Die späteren Zähren
Durchgraben das Herz,
Drum laß nur gewähren
Den ersten Schmerz.

Denn Amor, der lose,
Er ist noch ein Kind,
Ist, wie im Gekose
Die Kinder sind:
Die Kleinen, sie stoßen
Uns nur an den Fuß,
Indessen bei großen
Das Herz leiden muß.

Wie schön sie dir lassen
Die Thränen im Blick,
Die Perlen sie fassen
Den Edelstein Glück;
Den Schmuck dir bewahre
Du liebliches Kind,
Es kommen die Jahre,
Die schmucklos sind.

Ein ewiges Fächeln
Des West's durch die Flur,
Ein ewiges Lächeln
Der Frühlingsnatur. -
Es ist nicht auf Erden,
Da herrscht die Zeit,
Und ihre Gefährten
Sind Wechsel und Streit.
(S. 62-63)
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Ein Sommermorgentraum
Epistel

Geliebte, o was für ein Tag!
Der Morgen webt sein Feierkleid
Aus Rosen und Violen heut'.
So schwebt er über uns'rer Stadt,
Wie aus dem dunklen Sarkophag'
Die Seele gegen Himmel zeut,
Den ätherblauen Sternenpfad.
Wer da noch stumm zu sein vermag,
Zu wem dies klare Geisterlicht
Erheiternd und begeisternd nicht
Gleich Aeolsharfentönen spricht:
Glaub' mir, es ist ein Bösewicht;
Ja, oder fort ist jede Spur
Aus seiner Brust von der Natur,
Sein armes Herz, es ist verwaist.

Ich sprang empor, mit mir mein Geist
Aus seinem bilderreichen Traum:
Wie ich in deinen Armen lag,
Dir kosend ew'ge Treue schwur;
Wie du die Wange mir geküßt,
Und deine Lippe mir versüßt
Noch mehr der Liebe Nektartrank;
Wie der Entzückung Blüthenflaum
Auf uns're Häupter niedersank;
Wie ich entschlummert dann, der Saum
Von deinem Kleide mich bedeckt,
Wie - hätte mich doch nichts erweckt
Aus dieser Seligkeiten Traum!

Es ist die sechste Stunde kaum,
Und Lebensgluth durchschwimmt die Lüfte;
Selbst durch der Mauern dumpfen Raum
Zieh'n spielend die entzückten Düfte:
Wie konnt' ich länger ruhig bleiben!
Es drängte mich die Phantasie,
Das Eingesog'ne hinzuschreiben;
Dem Zauberklang der Harmonie,
Eh' ihre Cherubs-Symphonie,
Von dem Geschrei des Tags zerstört,
Nicht mehr die rege Seele hört,
Gedanken, Worte nachzutreiben;
Die Töne kräftig zu erfassen
Und zu beleben; nicht zu lassen
Das einmal angeschaute Bild,
Bis das Verlangen sich gestillt,
Lebendig ist, was ich gefühlt.

Minuten lange stand ich an,
Womit ich dieses Tages Bahn
Am würdigsten eröffnen kann.
Doch nur Minuten. Sie vergingen,
Und sieh'! des Jünglings Blicke hingen,
Umschleiert von der Sehnsucht Flor,
An einem fernen Gegenstand'
Den jetzt sein forschend Auge fand.
Er schaute in den grauen Schein
Des tiefen Horizont's hinein.
Gleich hing' er suchend an dem Land'
Weit über jenem Nebel dort,
Sah er in's Weite fort und fort:
Ein Pilger, der den Wallfahrtort,
Ein Schiffer, der die sich're Bucht
Im Sturm für seinen Nachen sucht.

Ich schreibe ihr! Solch' Tageslicht
Gehört dem strengen Geiste nicht;
Der Liebe gab, nicht finst'ren Sorgen
Die heilige Natur den Morgen:
Ich schreibe ihr! Der Prosa Schritt
Nicht lange meine Feder litt;
Auf leichten Schwingen will sie hin
Zu dir, in deine Lüfte zieh'n;
Der heit'ren Muse Kuß dir bringen;
Vom Herzen - dir zum Herzen dringen,
Und so mich lohnen für mein Singen.
Mein Brief von gestern, diese Nacht
Hat dir ihn näher schon gebracht;
Wie neid' ich ihn! Wenn Helios
Zum zweiten Mal hinunterfloß
In seiner Thetis Wellenschooß,
Ist er, du Liebliche! bei dir;
Ruht sanfter als der Tagesgott,
Gewiegt vom weichen Abendroth,
In seinem hellen Demanthaus,
Beglückter noch als der Zephyr
Im jungen Hyacinthenstrauß,
In deinen lieben, lieben Händen
Von seiner langen Wand'rung aus.
Wie neid' ich ihn! Er darf sie küssen
Die Lippen, diese wundersüßen;
Ein Kleinod, dir am Herzen wohnen,
Und sich in deinen Blicken sonnen.

Wie neid' ich ihn! Er darf dir sagen,
Wie ich dich liebe, was du mir,
Geworden mit den Schauertagen
Des Fern-Verlassenseins von dir.
Er darf die schönen Perlen sehen,
Die dem Geliebten du geweint;
Die Abende, wo wir, vereint,
Die Arme fest in Eins geschlungen,
Wie von Sirenen eingesungen,
Der Zeit vergessen, uns genossen,
Der Liebe Bündniß enger schlossen
Und immer enger, beide Leben
Sich wechselweis' zurück gegeben,
Die Abende, wo, Mund an Mund,
Die Seelen in einander flossen,
Und so im unzertrennten Bund,
Zur Heimath strömten eine Quelle,
Nur eine schöne, frohe Seele,
In's hochbewegte, trunk'ne Herz,
Zu künden, was mit uns geschehen;
Wenn wir die Gegenwart nur schauten,
Die Wirklichkeit in tiefen Schlummer,
Und mit ihr allen, allen Schmerz
Einlullten, mit ihm allen Kummer;
Dem stillen Hoffen in uns trauten,
Und dieser Hoffnung Tempelschwelle
Auf Gott und uns're Treue bauten,
Die Abende mit ihren Wehen,
Mit ihren Wonnen, kann er theilen
Mit dir, sie dir zur Seite gehen,
Und ungestört bei dir verweilen.
Kann, wie einst ich, der Sehnsucht Lust
Mit dir empfinden Brust an Brust;
Kann trösten, wenn du Trost verlangst,
Darf dich erheitern, wenn du bangst;
Des Friedens Palmen um dich zieh'n,
Um deine Qual - wie neid' ich ihn!
So ist's; nie lebt der Mensch dem Jetzt.
Der Reiz des Augenblick's vergeht,
Die Sehnsucht ist's, was ihm zuletzt
Von allen Freuden übrig steht.
Die Sehnsucht nach Erneuerung
Des kaum verflog'nen Augenblick's -
Der Wunsch, des halbgenossenen,
So eben ihm entschwund'nen Glück's
Gestalten einmal noch zu seh'n
Noch einmal die Verwirklichung
Des lieben Traumes zu erschauen,
Verfolgen ihn, wie seine Zeit,
Gespenster, bis der nahen Bahre
Schmerz- und verlangenlosen Jahre
Die kargen Locken ihm ergrauen,
Die Stunde ihn den Manen weiht.
Du hattest recht: was uns erfreut,
Das aufgeblühte Blumenbeet,
Die volle Rose ist es nicht;
Was in verborg'nen Keimen steht,
Was aus der Knospe Hoffnung bricht,
Das, Mädchen! das macht unser Glück,
Das ist's, wornach so gierig späht
Der nimmersatte Menschenblick.

Ich lebte kaum, ständ' nicht das Hoffen
Mit wie ein schöner Garten offen,
In dem ich mich ergeben kann.
Die Hoffnung, dich mir zu erleben,
Dich noch zu finden auf der Bahn;
Dich mit dem Ende alles Strebens,
Ob auch am Schlusse meines Lebens,
Noch zu erreichen, hält mich wach:
Macht alle Leiden mir entschwinden,
Verleiht mir Kraft, die Zeit zu binden
An mich, mit ihr empor zu beben,
Auf ihrem Fittig allgemach
Dem Ziele näher stets zu schweben
Und näher, bis ich es erreicht,
Und trunk'nen Blick's von seiner Höhe
Auf die verlass'ne Tiefe sehe,
In der besiegt mein Schicksal keucht,
Vor meiner Größe bang erbleicht
In seines Neides dumpfem Wehe.

Wohin, o Muse! hast du mich
Geführt in der Begeisterung?
Wozu entflammt das Auge sich,
Wozu der Lyra Saitenschwung?
Geliebte! sieh, der Steuermann,
Er ist ein Jüngling, der den Kahn
In mäß'gen Kreisen zu bewegen
Noch nicht versteht. Der hohen See,
Den ungestümsten Meereswogen
Eilt er, lustfahrend selbst, entgegen;
Ob ihm sein Segel untergeh',
Ihn kümmert's nicht. Vom kleinen Bord
Bewegt er seine Ruder fort,
Bis er, auf eine Bank gezogen,
Stillstehen muß. Ich dichte, wie
Ich bin im Leben, anders nie.
(S. 64-70)
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Warnung vor mir

Schöne Donna, nimm die Rose,
Die der frische Strauch dir spendet,
Drücke sie an deine Lippen,
Trage sie an deinem Herzen.

Aber Donna, wenn der lose
Gott mit ihr sich zu dir wendet,
Hüte dich, am Kelch' zu nippen,
Denn im Kelche liegen Schmerzen.

Holde Donna, nur als Zierde
Trag' am Busen diese Rose;
Weinet Amor, zeig' die Dornen
Dem verwöhnten Götterknaben.

Sonst, o Donna, wird zur Bürde
Dir der Schmuck und das Gekose,
Denn es sind dem Erdgebornen
Tödtlich Amors Himmelsgaben.
(S. 72)
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Erfüllte Drohung

Nun, der Sänger ist gekommen
Mit der lieberreichen Laute,
Saß mit seines Sangs Gekose,
Holde Donna, dir zur Seite.

Hast den Fremdling aufgenommen
Ob er gleich dir anvertraute,
Daß, nach seinem ew'gen Loose,
Schmerz der Sänger nur bereite.

Blicktest auf in Mond und Sterne,
Wie auf Zeugen der Minute,
Aber Küsse sind nicht Eide,
Sterne selbst und Mond vergehen:

Also zieht in seine Ferne
Auch der Sänger, und du, Gute,
Blickst mit Sehnsucht in die Weite
Nach des Sternes Wiedersehen.
(S. 73)
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Der Herzensdieb
Lied

Er ist nun fort
Der Herzensdieb,
Fern ist der Ort,
Er ist nun fort,
Der mir so lieb!

Sein lieber Blick
Stahl mir das Herz,
Nahm mir mein Glück,
Sein lieber Blick,
Und ließ mir Schmerz.

Wenn Ihr ihn seht
Den Herzensdieb,
Sagt, wie's mir geht,
Denn noch, Ihr seht,
Hab' ich ihn lieb.
(S. 92)
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Entzücken

Der erste Strahl des Lichts,
Der erste Blick der Sonne,
Als sie die Welt dem Nichts
Entzog zur ew'gen Wonne;

Der Freiheit erster Tag
Des losgegebnen Sklaven,
Der stets in Ketten lag,
Wenn er entfliegt dem Hafen;

Des Frühlings erster Gruß
Aus tausend Blüthenranken,
Der freien Luft Genuß
Des jahrelangen Kranken:

Wer meine Lippen heut'
Auf ihrem Mund sah brennen
Kann all' die Seligkeit
Mit einem Wort' benennen!
(S. 95)
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Helene
oder
Lieder der Liebe

1.
Seufzer
Dich, o Helene, muß ich fliehen,
Denn für die Blume bin ich Nord;
Schließ deinen Kelch und laß mich ziehen,
Dich, o Helene, muß ich fliehen;
Die Perlen, die dein Blatt verschönen,
Die Perlen, sieh, bedeuten Thränen:
Dich, o Helene, muß ich fliehen,
Denn für die Blumen bin ich Nord.
(S. 96)


2.
Gefunden
O ewiges Leben
Der ewigen Zeit!
Dich zu bekämpfen,
Wer wagt den Streit?

Wer nennt ihn geschlossen
Den Himmel mit Recht?
Zwei gibt es der Himmel
Für's Menschengeschlecht.

Ein Himmel im Himmel,
Ein Himmel hier,
Ein Himmel in Sternen,
Und einer in dir!

Blick' auf in die Sterne,
Blick' erdenwärts,
Es zeigt dir den Himmel
Der Stern und das Herz.

O weinet nicht, Menschen,
Erkennet euch nur,
O sucht nur auf Erden
Des Himmels Spur:

Wie, hat denn ein Jeder
Zu suchen den Muth?
Ist nicht schon das Suchen
Ein himmlisches Gut?

Und hat denn gesuchet,
Der endlich fand?
Das Himmlische, reicht es
Gesucht die Hand?

Ich habe gefunden
Den Himmel, hier,
Den irdischen Himmel,
Den Himmel in mir.

So Himmlisches sucht' ich
Auf Erden nicht -
Gott, das ist dein Auge,
Dein Angesicht!

O sende den Engel,
Zu stimmen der Lust
Zerrüttete Saiten
Auf meiner Brust!

So sang ich vor Tagen,
So sang mein Herz
Hinaus der Entsagung
Entsetzlichen Schmerz:

Nun ist er gekommen,
Der Engel ist da,
Ich kann ihn erreichen,
Er ist mir nah.

Er schwebt vor dem Blicke,
Hier steht er, hier,
Die Lyra des Herzens
Er stimmt sie mir.

Ein Kind noch an Jahren,
An Denken ein Kind,
Mit Kindervertrauen,
Wie Kinder sind.

Ein Auge, das immer
Nur Engel geseh'n,
Ein Träumen die Sprache,
Ein Frühlingsweh'n.

Ein Wesen - aus Mondlicht
Und Aetherblau,
Ein Strahl der Sonne
Im Morgentau.

Eine Rosenknospe
In werdender Gluth,
Ein Doppelgedanken
Aus Schön und Gut.

Ein schlummernder Engel,
Ein Flötenklang,
Eine Quellenperle
Blumen entlang.

Ach, wie verdien' ich,
Helene, dich!
Nur unverdient öffnet
Der Himmel sich.
(S. 97-100)


3.
Der Kuss
Mehr kann nicht der Himmel geben,
Als, Helene, du:
Jeder Kuß, er ist ein Leben
Und die Seligkeit dazu!

Als ich heute dir am warmen,
Lauten Herzen lag,
Dasein war in deinen Armen,
Jeder Athemzug ein Tag!

Seele floß in Seele über,
Und in's Jenseits fiel
Jauchzend unser Ruf hinüber:
Sonne, stehe still!
(S. 101)


4.
Heimliches Glück
Heimlich holen
Aus den Augen wir den Blick,
Nur verstohlen
Suchen heim wir unser Glück;
Still, ganz still,
Weil das Glück es also will.

Still und leise
Klopft das Herz am Herzen an,
'S kennt die Weise
Und schnell wird ihm aufgethan,
Weil die Welt
Ringsum ihre Späher hält.

Nur verborgen
Lohnen wir den Kuß mit Kuß,
Küssen morgen,
Wenn das Herz heut darben muß;
Heimlich nur,
Denn so will es die Natur!
(S. 102)


5.
Gute Nacht!
Ich flog aus dem Stadtgewimmel
Der lieben Stube zu;
Da blickt' ich durch's Fenster zum Himmel,
Nach dir, denn mein Himmel bist du!

Es schwanden, es schwanden die Stunden,
Es schwand das Tageslicht,
Auch Mitternacht war entschwunden,
Ich sah dich noch immer nicht.

Da war mir einmal ein Schimmer
Vor's Auge magisch gebracht,
Ich sah dich in deinem Zimmer,
Du winktest mir gute Nacht!

Ein weißer Schleier umwehte
Dein luftiges Leibchen dir,
Du standest, wie im Gebete,
Ein Heiligenbild vor mir.

Auch ich hob meine Hände
Empor zum Gebet wie du,
Und als unser Beten zu Ende,
Da gingst du süß lächelnd zur Ruh'.

Du kannst ihr entgegenlächeln,
Du bist ja so rein, so gut.
Die Engel des Himmels umfächeln
Dein Haupt, und es ruht - es ruht.

Dir bettet Unschuld die Kissen,
Das Denken bettet sie mir,
Denn - die Ruh' erdenken zu müssen,
Ist das Loos des Denkers hier.
(S. 103-104)


6.
Die Kamöne
Es reicht die Kamöne
Die Leyer mir,
Die Göttliche gleichet,
Helene, dir!

Es lieh die Muse
Dein Bildniß sich,
Im Busen zu bilden,
Helene, dich!

Akkorde klingen,
Der Einklang tönt,
Du hast die Klänge,
Helene, versöhnt!

Mein Herz ist die Säule
Des Memnon; es klingt
Entgegen der Sonne
Nun, klingt und singt!
(S. 105)


7.
Dithyrambe
Lieblichste Blume der Flur,
Sonnige Tochter der Luft,
Sprosse der Lenznatur,
Dufte nur,
Denn für den Lenz ist der Duft;
Dufte, so lange die Nachtigall ruft,
Durch die Abendluft
Die Nachtigall ruft;
Durch's buschige Thal
Klagt die liebende Nachtigall!

Sternlein des Herzens du,
Das den Horizont begrenzt,
Silbergestirn der Ruh,
Glänze zu;
Glänze, so lange die Lenznacht glänzt,
So lang' der Himmel mit Sternen sich kränzt,
Nicht von Wolken begrenzt
Die Lenznacht glänzt,
Durch's buschige Thal
Klagt die liebende Nachtigall!
(S. 106)


8.
Die letzte Blume
Blühe fort in meinem Garten,
Letzte Blume meiner Zeit,
Heiße Liebe soll dich warten;
Blühe fort in meinem Garten,
Bis in's Geisterland der Düfte
Tragen dich die Lenzeslüfte:
Blühe fort in meinem Garten,
Letzte Blume meiner Zeit!
(S. 107)


9.
Was, o was?
Sag mir, o Mädchen, doch,
Was ist das Glück?
Aber ich frage noch,
Sagt's nicht mein Blick?

Was ist die Liebe doch,
Der süße Schmerz?
Aber ich frage noch,
Sagt's nicht mein Herz?

Was ist die Hoffnung doch
Im Busenraum'?
Aber ich frage noch,
Sagt's nicht der Traum?

Was ist die Blume doch,
Morgenumlacht?
Aber ich frage noch,
Sagt's nicht die Pracht?
(S. 108)


10.
Ihr Bild
Ein Rosenband auf weißem Hut',
Ihr glaubet nicht, wie schön, wie gut
Ein Schmuck, ein solcher, ist;
Doch nur, wenn sich ein Augenpaar,
So menschlich warm, so himmlisch klar,
Mit diesem Schmuck umschließt.

Um Hut und Rosenschleife schwebt
Ein Schleier, wie aus Luft gewebt;
Doch - ist's ein Schleier nur?
So haucht in einer Blumenau
Um eine Rose ihren Thau
Die holde Lenznatur.

Die tiefe Nacht der Locken trennt
Der Stirne lichtes Firmament
Auf der ein Himmel thront:
So sieht man zwischen Wolken stehn,
Durch dichtbelaubte Erlen gehn
Den vollen Silbermond.

Und wie man in den Himmel schaut,
Der über Wolken sich erbaut,
Und wie das Herz erglüht
Im Mondenlicht' und Sonnenschein',
So wunderbar bewegt sie mein
Beseligtes Gemüth.

Und wie vom Strahl des Sonnenlichts,
Der Mensch von Mond und Sternen nichts
Als ihren Anblick will:
So wird die Brust, wie sehr sie glüht,
Bei ihrem Anblick' das Gemüth,
So tief bewegt, doch still.
(S. 109-110)


11.
Schwur
Blühendes Weib,
Dein Blumenleib
Schmiegt an mich,
Einen Felsen, sich:
Dufte nur zu,
Bleibst Blume du,
Bleib' ich auf Erden hier
Ein Fels auch dir!
(S. 111)


12.
Trüber Himmel
Wie vom wilden Schmerz entrissen,
Heut' des Himmels Thränen fließen,
Eine einz'ge Thräne:
Auf des Regens Nacht gezogen
Sah ich Iris Strahlenbogen,
Sah ich dich, Helene!

Weine Himmel, 's lullt in Schlummer
Bald die Nacht nun deinen Kummer,
Sie wird ihn verwehen;
Dann - dann fließen meine Zähren,
Lass' ich meinen Schmerz gewähren,
Kann ja sie nicht sehen!
(S. 112)


13.
Sie kam nicht
Ich ging zur bestimmten Stunde
Die lieben Straßen entlang,
So hält die Wache die Runde,
Nur fröhlicher war mein Gang:
Die Stunde schlug,
Nun ist's genug,
Nun kommt sie die Straßen entlang.

Die Stunde, wohl hat sie geschlagen,
Und wie die Glocke das Herz,
Ach, Mädchen, ich kann dir nicht sagen,
Wie laut, wie laut der Schmerz
Als Glocke klang
Auf meinem Gang,
O armes getäuschtes Herz!

Da zog nun gar die Wache
An der Wache der Liebe vorbei;
Ich wußte nicht, ob es Rache,
Ob es Amors Muthwille sei:
Es schlug und schlug
Im Stundenflug,
Und die Stunde, sie war vorbei.
(S. 113)


14.
Im Glashause
Blühendes Mädchen, Sängers entzücken,
Du mit den flammenden Augen, o sag,
Zürnt die Blume dem Sonnentag',
Wenn er sie anblickt mit tausend Blicken,
Zürnt sie dem Thau,
Der in der Au
Kosend am duftigen Busen ihr lag?

Sommer ist hin, doch die Blumen blühen
Unter crystallenem Himmel fort;
Komme, du Blume, denn hier ist dein Ort,
Wo die Citronen im Laube glühen,
Wo sich im Kreis
Reis an Reis
Schmiegt mit der Liebe flötendem Wort.

Bist wie ein Sonnenstrahl mir in die Seele,
In die verschloßne, gesunken zur Zeit,
Gleich wie die Sonne den Keim befreit,
Wie sie der Lerch' erschließt die Kehle:
Aber nun fliehst
Du mich und ziehst
Fort, und das Herz fühlt sein altes Leid.
(S. 114)


15.
Frommer Wunsch
Könnt' ich deine Seele lenken,
Wunderbares Kind,
Die Gedanken mit dir denken,
Die das Leben sind;
Könnt' ich deinen Geist erschließen,
Füllen deine Brust
Mit den ewigen Genüssen
Wahrer Menschenlust!

Aber so nur an der Pforte
Deines Lebens steh'n,
Ach und nur mit halbem Worte
Still vorübergeh'n,
Während mit so reichen Schritten
Tausend nähern sich,
Die mit ihrem Hauch' vergiften,
Was geheilet ich!

Nur Minuten dem Genusse
Bietet uns die Zeit,
Diese Frist zu einem Kusse
Will die Menschlichkeit,
Ach und für der Seele Leben
Muß ich, liebes Kind,
Menschen dich zu eigen geben,
Die nur Kinder sind!

Aber sieh die ew'gen Sterne,
Mädchen, blick' hinauf,
Aus dem heil'gen Glanze lerne,
Wie dein Lebenslauf,
Wie dein Geist sich soll gestalten,
So in reiner Pracht,
Durch dich selbst in dir gehalten,
Zu durchziehn die Nacht.
(S. 115-116)


16.
An eine Immortelle
Immortelle!
Bring mein: Gute Nacht! ihr hin,
Sag ihr, daß ich glücklich bin,
Küßt sie dich an meiner Stelle.

Immortelle!
Sag ihr nicht, daß ich geweint,
Sag ihr, daß die Zeit vereint,
Hüllen nicht, doch Seel' und Seele.

Immortelle!
Sag ihr, Liebe sei der Stern,
Der, versinkt er westwärts fern,
Auftaucht aus des Ostens Welle.
(S. 117)


17.
Tröstung
Klagst du, Mädchen, ob dem Scheiden,
Banget ob der Trennung dir
Von dem Orte deiner Freuden,
Daß du ewig fort von hier?

Klage nicht! Nur Hüllen klagen,
Reine Seele thränen nicht:
Ueber allen Sarkophagen
Glänzt der Auferstehung Licht.

Wie zwei Bäche einer Quelle,
Flossen wir dahin ein Bach;
Unsrer Liebe klare Welle
Koste manche Blume wach:

Die am grünen Uferrande
Frommer Hoffnung Knospen schlug,
Und in ihrem Duftgewande
Nektar des Entzückens trug.

Klage nicht, denn wir genossen,
Schwammen durch des Glückes Thal -
Manche Quelle bleibt verschlossen,
Ist verloren für das All.

Daß im Strome wir zerrissen,
Einzeln durch die Wogenwelt,
Aufgelöst in Sehnsucht fließen -
Klage nicht, die Brandung fällt:

Und im stillen Oceane
Einstiger Entkörperung,
Fern von allem Erdenwahne,
Findet uns Vereinigung.

Klage nicht! wir sehn uns wieder;
Bringet dir die Trennung Weh'n,
Sinkt dein Auge zagend nieder:
Denke an das Wiederseh'n.

Denke, daß es in den Welten
Der azurnen Mitternacht
Uns die Zukunft wird vergelten,
Was zum Opfer wir gebracht.

Dann, wenn keine Nacht kann grauen,
Wo kein Scheiden uns mehr droht,
Wo wir keine Qual mehr schauen,
Kein Entsagen, keinen Tod.

Wenn der Geist, emporgeschwungen,
Leicht zur Gottheit sich erhebt:
Sind die Schmerzen ausgeklungen,
Jenseits nur die Freude lebt.
(S. 118-120)


18.
An ihren Engel
Du namenloses Himmelswesen,
Du, das die Erde Engel heißt,
Du, von der Gottheit auserlesen,
Zu schützen hier den Menschengeist!

Du Lootse, der vom Jenseitsstrande
Auf Aetherwellen schwimmst einher,
Das Seelenschiff zum fernen Lande
Zu führen durch ein Sinnenmeer!

Du Milder mit der Purpurblume
Des Mohnes der Vergessenheit,
Den nach verlornem Eigenthume
Ihr Kelch auf unsre Schläfe streut -

Du Lerchenton für unsre Freude,
Harmonica für unsren Schmerz,
Du Balsamine unsrem Leide,
Oase für das glüh'nde Herz!

Du - Engel! weil mit diesem Worte
Der Mensch sein Höhres in sich grüßt,
Das ihm des Höchsten Demantpforte
Jetzt zeigt, jetzt schließt und jetzt erschließt.

Dir - dir vertrau' ich jede Thräne,
Dir - dir vertrau' ich jedes Glück,
Dir - übergeb' ich jetzt Helene,
Von dir begehr' ich sie zurück.

Begleite hin sie durch die Tage
Der trennenden Nothwendigkeit,
Du mildre ihre milde Klage,
Du sänft'ge ihren sanften Streit.

Denn Sehnsucht und Entsagung streiten
Um ihres Friedens Eigenthum;
An deinem Busen laß sie gleiten
In eines Traums Elysium!

In einen Traum - in dem sie träume,
Was ihr die Wirklichkeit versagt,
Bis durch die nachtbedeckten Räume
Der Morgen der Erfüllung tagt.

In einen Traum - in welchem Psychen
Kein ungeweihter Blick entweiht.
Wo sie von Ottern nicht umschlichen,
Hinschläft in sel'ger Trunkenheit. -

In einen Traum - wo tausend Engel
Als tausend Tugenden sie schaut,
Und sich ein Leben ohne Mängel
Vor ihren Blicken auferbaut. -

In einen Traum voll Lebenslenze,
Voll Stunden, ewigkeitumlacht,
Voll Zukunftimmortellenkränze,
Voll Sonnentage ohne Nacht -!

In einen Traum - o wenn er bliebe! -
In dem am Busen der Natur
Sie die Mysterie der Liebe
Enträthselte durch Liebe nur!

Laß deinen Athem um sie schweben,
Ich darf ja, Engel, dürft' ich auch,
Nicht meines Lebens Odem geben
Für eines bösen Mundes Hauch.

O daß dein Hauch dem Uebel wehrte,
Das Gott in unserm Leben ließ,
Ein Cherub mit dem Flammenschwerte
Vor ihres Herzens Paradies!

Der du die Elementenkrämpfe
Der Seele kennst, und der du weißt
Um alle die Entsetzenskämpfe,
Die hier zu kämpfen hat der Geist -

Du, der du siehst, wie unser Friede
Sich durch die Sturmesnächte ringt,
Und wie dem Geiste die Aegide
Des Lebens Ungeheuer bringt -

Der du des Menschenherzens Keime,
Eh' sie entsprossen, welken siehst,
Der du mit uns zuletzt die Räume
All' unsrer Erstlingswünsche fliehst. -

O sag ihr nichts von meinen Zähren,
Nur um mein Hoffen wisse sie,
Mein Lächeln soll den Ernst verklären,
Und Dissonanz sei Harmonie!

So Engel, gieb dem Engelskinde
Ein heitres Bild von meinem Bild,
Daß ich vertrauend einst sie finde,
Und lebensliebend, lebensmild!
(S. 121-124)
_____



Der geraubte Kuss
Romanze

Ach nein, das kann nicht gelten,
Ach nein, das gilt auch nicht,
Wie wird der Vater schelten,
Wie glüht mir das Gesicht!

Ich wehrte mich, der Lose
Stand doch davon nicht ab,
Er hieß mich eine Rose,
Als er den Kuß mir gab.

Die Blumen küßt der Morgen.
So sprach er, in der Au;
Du, Mädchen, darfst nicht sorgen,
Daß Thräne wird der Thau.

Der Thau ist Thräne worden,
Ich weine ja so sehr:
Der Kuß wird mich noch morden,
Küßt er - mich nimmermehr!
(S. 141)
_____



Abermals

Herz, du bebst in neuer Regung?
Warmes Herz, o bebe zu!
Was der Stern in Kreisbewegung,
Was der Lenz mit seinen Blüthen,
Was der Nord im Sturmeswüthen,
Bist mit deinem Beben du!

Wie der Stern im ew'gen Kreise
Glüht um seine Sonne fern,
Ziehst du, Herz, im Erdengleise,
Von der Liebe Glanz umschwommen:
Kaum als Abendstern verglommen,
Glühst du auf als Morgenstern.

Wie der Lenz mit Westwindfächeln,
Tausend Blüthen sanft erschließt,
Weckt die Blumenwelt dein Lächeln,
Herz! wenn mit der heißen Freude,
Ach, und mit dem heißren Leide
Erste Liebe dich durchfließt.

Und so, was der Nord im Wüthen,
Wie er hinstürmt ohne Ruh'
Brechend all' die tausend Blüthen:
Das, o Herz, von Gram umgeben,
Das, o Herz, in deinem Beben,
Armes Herz! das bist auch du.
(S. 183-184)
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Furcht vor Amor
Lied

Ich bleibe jetzt gern in der Stube
Und sitze und blicke nicht um,
Denn draußen geht der Bube,
Der lockere Amor herum;
Ich fürchte mich vor seinen Pfeilen,
Sein Köcher ist niemals leer;
Wer würde die Wunde mir heilen,
Ich traue den Aerzten nicht mehr.

Denn einmal ist's schlimm mir ergangen,
Ich denke noch immer daran,
Die Spuren auf meinen Wangen
Man immer noch sehen kann;
Die Wangen, die kummerblassen,
Die glichen den Rosen so sehr;
Der Arzt hat mich treulos verlassen,
Ich traue den Aerzten nicht mehr.

Darum bleib' ich nun gern in der Stube,
Da hat doch das Herz noch Ruh',
Da kommt mir der lockere Bube,
Der Amor so leicht nicht zu;
Und blickt er durch's Fenster bisweilen
Auch noch so fromm auf mich her,
Versprechend so schön mich zu heilen,
Ich traue den Aerzten nicht mehr.
(S. 197-198)
_____



Die Verrätherin
Vier Lieder

1.
Ihre Rückkehr vom Lande
Sonst war's anders! Ob im Schneegewande
Trauernd auch die Gegend rings ich sah,
Kehrtest du zurück vom Lande,
War der holde Frühling da:
Ob auch Flocken durch die Lüfte sanken,
Von dem Sturme hingerissen rauh,
Wenn sie dich, du Sonne, tranken,
Schmolzen sie heran als Thau.

Sonst war's anders! Schwieg des Sturmes Wüthen,
Barg in Klüften sich zuletzt der Nord,
Riefen weinend dich die Blüthen
Des erwachten Maien fort:
Da erst ward es Winter, ach, uns beiden,
Winter, wenn die erste Schwalbe kam,
Bis den Blumenkelch der Leiden
Uns vom Mund der Winter nahm.

Nun ist's anders! Nun kamst du gegangen
Ernst und frostumhüllt, wie die Natur,
Schmerzensschnee deckt deiner Wangen
Sonst'ge Hyacinthenflur;
Ach, und wenn die eisumglänzten Sterne
Dem Aequatorsterne weichen einst,
Lächelnd ziehst du dann zur Ferne,
Statt daß du den Lenz beweinst!


2.
Die Erscheinung
Hört doch, hört doch, lieben Leute,
Was ich heute hab' geseh'n;
Draußen sah ich durch beschneite
Bäume hin ein Mädchen geh'n:
Abend war's und wolkentrübe,
Möglich, daß es mich bethört,
Sagt mir, war das meine Liebe,
Dieses Mädchen, so verstört?

Dunkle Gluth im irren Blicke,
Einst so himmlisch klar und mild,
Und der Mund, zum Liebesglücke
Wie geformt, verzerrt so wild;
Streng ihr Gang, indeß gleich Elfen
Sonst ihr Füßchen schwebend blieb,
Wer kann mir zur Wahrheit helfen,
Leute sagt, ist das mein Lieb?

Nein, das war mein Lieb wohl nimmer,
Hat vom Liebchen keine Spur,
Dieses ernste Frauenzimmer
Ist des Liebchens Schatten nur:
Sonne war im Untergange,
Vor mir ging mein todtes Glück,
Und das warf wohl Schatten, lange,
Täuschend in mein Aug' zurück.


3.
Geisterständchen
Leise schwebet her, Gespenster,
Still, o still, erweckt sie nicht!
Seht ihr oben dieses Fenster,
Draus ein matter Schimmer bricht?
Das ist Liebchens Lampenlicht.

Uns bedeckt mit dunklen Schwingen
Die Decembermitternacht;
Laßt uns ihr ein Liedlein singen
Von der treuen Liebe Macht;
Nur, daß Liebchen nicht erwacht!

"Wiegt dein Herzensschiff der Hafen,
Lächelnde Seeräuberin?
Kannst du, kannst du wirklich schlafen
Während ich im Sturm' dahin
Muß mit leckem Herzen zieh'n?

Frommt's dir, dunenweich zu liegen,
Da du mich gelegt auf Stein?
Kann dein Haupt ein Engel wiegen,
Kann der Traum beglückend sein,
Wenn die Brust nicht vorwurfsrein?

Träume süß, ich hab' verziehen,
Wahre Liebe zürnt ja nicht;
Ach, und muß sie strafend fliehen,
Straft sie, wie die Biene sticht,
Der beim Stich das Leben bricht."

Dank für euer Lied, Gespenster,
Fort, eh' Morgenlüfte weh'n;
Können oft noch unter's Fenster
Her zu einem Ständchen geh'n:
Fort, fort, fort, auf Wiederseh'n!


4.
Das trennende Gäßchen
Nur ein kurzes Gäßchen doch
Trennt mich jetzt von dir,
Und mir ist, als wärst du noch
Meilenweit von hier.

Drüber ziehen spät und früh
Schmale Wolken her,
Doch mir ist, als dehnten die
Aus sich wie ein Meer.

In dem Gäßchen gegen Nord
Steht ein Kirchelein,
Doch mir dünkt, es hebt sich dort
Nur ein Leichenstein.
(S. 207-213)
_____



Letzte Liebe

Ich hatte die Liebe verschworen;
Da lernt' ich kennen ein Weib;
Ihr Geist ist himmelgeboren,
Aus Blumen gewoben ihr Leib.

Und mit helllodernden Gluthen
Durchflammt mich die Phantasie,
Und alle Gefühle, die ruhten,
Sie leben, ich weiß nicht wie.

Ob inner den Mauern ich bleibe,
Ob ich draußen im grünen Gefild':
Ich erblick' von dem herrlichen Weibe,
Wohin ich blicke, das Bild.

Ich möchte das Weib wohl hassen,
Weil es so gefesselt mich hält,
Doch ich kann, ich kann es nicht lassen,
Denn in ihm ist meine Welt.

Es erwiedert die Holde mein Sehnen,
Sie erquickt die Brust, wenn sie glüht,
Bedeckt, aufkosend die Thränen,
Mit Küssen mein Augenlid.

Und ruht sich's am Herzen der Musen
Auch noch so sanft und warm,
'S ist wärmer an ihrem Busen,
'S ist wärmer in ihrem Arm.

Denn Mnemosynens Töchter versagen
Wohl oft den geflehten Kuß,
Doch ihr darf der Mensch noch klagen,
Wenn der Dichter auch schweigen muß.

Sie hält in ätherischen Ketten
Mich gefesselt an ihren Leib;
Ich kann, ich will mich nicht retten
Aus deinem Zauber, o Weib!

Denn müßt' ich aus deinen Armen,
Auch noch von deinem Schooß,
Dann lebte kein Gott, kein Erbarmen,
Dann wäre Verzweiflung mein Loos.

Ich will euch die Herrliche zeigen,
An die mich nun hält ein Schwur;
Schaut sie an mit verehrendem Schweigen:
Das Weib, es ist - die Natur.
(S. 350-351)
_____



Die Pflanzen der Liebe
Romanze

Ich ging, den Blick zur Erde,
Am Wiesenbach' hinauf,
Ein Veilchen sah ich blühen,
Das Veilchen nahm ich auf.

Ich schritt am Bache weiter,
Halb meiner unbewußt,
Da sah ich eine Rose,
Die nahm ich an die Brust.

Und weiter, weiter schreitend
Am klaren Bache hin,
Verlor ich beide Blümchen,
Und kam - an Rosmarin.
(S. 356)
_____


Aus: Morgen, Tag und Nacht
aus dem Leben eines Dichters
Gedichte vom Ritter Braun von Braunthal
In drei Abtheilungen
Leipzig bei Adolph Reimann 1834

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Johann_Braun_von_Braunthal

 


 

 


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