Clemens Brentano (1778-1842) - Liebesgedichte

Clemens Brentano

 


Clemens Brentano
(1778-1842)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

An dem Feuer saß das Kind,
Amor, Amor,
Und war blind;
Mit dem kleinen Flügel fächelt
In die Flamme er und lächelt,
Fächle, lächle, schlaues Kind!

Ach, der Flügel brennt dem Kind,
Amor, Amor
Läuft geschwind!
»O, wie mich die Glut durchpeinet!«
Flügelschlagend laut er weinet,
In der Hirtin Schoß entrinnt
Hülfeschreind das schlaue Kind.

Und die Hirtin hilft dem Kind
Amor, Amor,
Bös und blind.
Hirtin, sieh, dein Herz entbrennet,
Hast den Schelm du nicht gekennet?
Sieh, die Flamme wächst geschwind,
Hüt' dich vor dem schlauen Kind!
(S. 259-260)
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An eine Feder 17 Jenner 1834

Danke, danke, süße Feder!
Liebchen ist es, die dich schnitte,
Solche Huld geschieht nicht jeder,
Denn sie hat nach Kindersitte
Dich mit ihrem Mund benetzet,
Ihre süße linde Lippe,
Die noch nie ein Kind verletzet,
Küßte lindernd deine Nippe,
Und du trankst auch eine Zähre,
Die um mich sie hat vergossen,
Federchen nicht mehr begehre,
Du hast Lust und Leid genossen,
Schwarz will ich dich nie betinten,
Tinte ist so herb und bitter
Und ein Linderkuß gleicht linden
Rosen um ein Perlengitter
Komm und schreib:
Mit meinem Blute
Das die Linde hat versüßet,
O du Liebe, Süße, Gute?
Sei vom treusten Herz gegrüßet
Das an deinem Herzen ruhte
Und gerungen und gebüßet
Und geküßt die scharfe Rute
Wie ein Kind, als sie erblühte
Unter deinen linden Händen,
O du Überfluß der Güte
Willst du nicht dein Werk vollenden?
Lasse doch die Dornenhiebe
Rosen deiner Seele tragen,
Daß mein Blut sich Ruh' erschriebe:
Laß die linde Lippe sagen:
Ich vergebe, denn ich liebe.
(S. 531-532)
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Du

Die Erde war gestorben
Ich lebte ganz allein
Die Sonne war verdorben,
Bis auf die Augen dein.

Du bietest mir zu trinken
Und blickst mich nicht an
Läßt du die Augen sinken
So ist's um mich getan.

Der Frühling regt die Schwingen
Die Erde sehnet sich
Sie kann nichts wiederbringen
Als dich, du Gute, dich.
(S. 375-376)
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Die Liebe fing mich ein mit ihren Netzen,
Und Hoffnung bietet mir die Freiheit an;
Ich binde mich den heiligen Gesetzen,
Und alle Pflicht erscheint ein leerer Wahn.
Es stürzen bald des alten Glaubens Götzen,
Zieht die Natur mich so mit Liebe an.
O süßer Tod, in Liebe neu geboren,
Bin ich der Welt, doch sie mir nicht verloren.
(S. 49)
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Als sie mir Taschentücher geschenkt,
die sie in Karlsbad gesäumt
12. Juli 1834

Die Liebe gab mir Tränen,
Die linde hat mir Tüchlein dann gesäumt,
Zu trocknen viele Tränen,
Die ich um sie zu weinen noch versäumt,
Willkomm' zukünft'ge Tränen,
Ihr habt euch solche Huld wohl nicht geträumt,
O Mutter meiner Tränen,
Die jetzt noch unter deinem Herzen ruhn,
Fromm tust du meinen Tränen,
Wie treue Mütter ihren Kindlein tun,
Bereitest meinen Tränen
Ein mildes Lager mit der linden Hand
O reicher Strom der Tränen!
Der so ein liebes lindes Bett hier fand,
O nehmt mich auf ihr Tränen!
Tragt mich hinüber in das andre Land,
Und spiegelt mir ihr Tränen
Die Linde, die da an des Saumes Rand
Vielleicht mit eignen Tränen
Die liebe Gabe Stich vor Stich erfand,
Wo sollt ihr hin, ihr Tränen?
Wenn eure Mutter sich von euch gewandt,
Verrinnen müßt ihr Tränen
In einer öden Wüste glühem Sand.
Erweichet doch ihr Tränen
Das Herz, das nie ein ander Herz noch fand,
Und euch gebar ihr Tränen,
Und euch die Tüchlein in die Wiege band,
Daß es vor euch, ihr Tränen
Nicht grausam fliehe, fern und abgewandt;
Es gab wohl kaum noch Tränen,
Die ihre arme Mutter so geliebt,
Und doch, o arme Tränen,
Die liebe, süße Mutter so betrübt!!?
O arme, sel'ge Tränen!

O liebe, linde, die so gern vergiebt.
Vergieb, vergieb den Tränen!
Sieh stille zu, es sind die letzten bald,
Wenn ich in Reuetränen
Ein Tüchlein sterbend in den Händen halt',
Will ich mit treuen Tränen
Ans Herz es drücken, das schon überwallt,
Das überwallt in Tränen
Und meine Seele trägt vor Richters Thron,
Da will ich euch ihr Tränen
Im Tüchlein reichen meines Gottes Sohn,
Daß er sein Blut, ihr Tränen,
Euch mischend, mir die schwere Schuld vergiebt,
Und zu euch spricht ihr Tränen:
Viel ist vergeben euch, die viel geliebt!
(S. 555-556)
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Die Rose blüht, ich bin die fromme Biene,
Die in der Blätter keuschen Busen sinkt,
Und milden Tau und süßen Honig trinkt,
Doch lebt ihr Glanz und bleibet ewig grüne.
So singt mein tiefstes Freudenlied,
Ach meine Rose blüht!

Die Rose blüht, o Sonnenschein verziehe,
Daß lange noch der liebe Sommer währt,
Und mir kein Sturm die süße Lust versehrt,
Daß all mein Heil aus dieser Rose blühe,
So freut sich innig mein Gemüt,
Weil meine Rose blüht!

Die Rose blüht, und lacht vor andern Rosen,
Mit solcher Huld, und Liebesmildigkeit,
Daß gern mein Sinn sich zu der Pflicht erbeut,
Mit andern Blumen nie mehr liebzukosen,
Weil alle Liebe, die erglüht,
Aus Dir Du Rose blüht!
(S. 143-144)
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Ich grüß' dich, zarte schöne Fraue,
Und biet' dir freundlich gute Nacht,
Bis daß der ew'ge Tag im Taue
Vor deinem Kämmerlein erwacht.

Ein heil'ger Engel soll zur Seiten
An deinem Bettlein wachend stehn,
Den goldnen Flügel ob dir spreiten
Und schwere Träume von dir wehn.

Daß sie sanft erwache
Aus ihres Schlummers Ruh',
Der Morgenstern, der scheine
Ihr recht mit Liebe zu.

Sie schlafe, sie wache,
Sie stehe, sie gehe,
Die Fraue meine,
Oder was sie tu'.

Ich grüß' vor aller Blüt' die Rose
Die an dem Abendhimmel blüht,
Ihr Herz ergießt sich dir im Schoße,
Wenn sie zur Erde niederglüht.

Ich grüß' dich, klarer Abendsterne
Du brennest auf dem Haupte mein.
Bei ihr, bei ihr so wär' ich gerne
In ihrem engen Kämmerlein.

Daß ein Engel bringe
Der Zarten meinen Gruß,
Leis wie im Maienscheine
Der Honigblumen Kuß.

Sie bete, sie singe,
Daß eile die Weile,
Da ich alleine
Ohne sie sein muß.
(S. 136-137)
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14. Juli 1834

Ich weiß wohl, was dich bannt in mir,
Die Lebensglut in meiner Brust,
Die süße zauberhafte Zier,
Der bangen tiefgeheimen Lust,
Die aus mir strahlet, ruft zu dir,
Schließ mich in einen Felsen ein,
Ruft doch arm Lind durch Mark und Bein:
Komm, lebe, liebe, stirb an mir,
Leg' dir diesen Fels auf deine Brust,
Du mußt, mußt.
(S. 559)
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(J. Jüngling N. Nixe)

J. Komm Hexchen, weil die Sonne scheint,
In meine kühle Laube

N. Ja Schatz, die wilde Rebe weint
Es lacht die Turteltaube.
Rukukukuku, Rukukukuku
Hast du kein Glas, so trink aus dem Schuh.

J. Dein Fuß ist fein, dein Schuh ist klein
Ich komm zu kurz beim Trinken

N. Ich geb' ein Küßchen obenein
Das macht die Waagschal' sinken.
Rukukukuku, Rukukukuku
Verdrießt euch's macht die Äuglein zu.

J. Willst du nicht schöne Künste mich,
Mein süßes Hexchen lehren?

N. Sag, warum freut die Traube dich
Mit ihren vielen Beeren?
Rukukukuku, Rukukukuku
Ich fürchte, es drücket euch beide der Schuh.

J. An einer süßen Traube muß
Doch Beer' an Beere sitzen,

N. Ja, doch jed Beerlein ist ein Kuß
Den Wein recht zu erhitzen.
Rukukukuku, Rukukukuku
Machen wir's wie die Weinbeerlein nu.

J. Sag Hexchen, warum weinen wohl
Im Frühling so die Reben?

N. Weil sich ein Mägdlein sehnen soll
In ihrem jungen Leben.
Rukukukuku, Rukukukuku
Mein Hexchen jetzt auch dergleichen tu.

J. Und warum schwillt der Wein im Faß?
Wenn draus die Trauben blühen.

N. Hüpft doch mein Herz ohn' Unterlaß
Weil deine Wangen glühen.
Rukukukuku, Rukukukuku
Du Hexchen Herzchen, wie hüpfest du nu.

J. Ach Hexchen, hilf der Schlauch ist leer,
Und voll ist noch der Willen,

N. Dort steht der rote Mond im Meer
Der soll den Schlauch dir füllen.
Rukukukuku, Rukukukuku
Roter Mond, welch Weinlein schenkest du?

J. Der Mond schenkt einen Zaubertrank,
Er wird mich gar berauschen,

N. Horch, Nachtigallen, Liebeszank
Schatz, laß uns den belauschen.
Rukukukuku, Rukukukuku
Wie Nachtigall klingt der Guguck nu.

J. O Zauberei verbuhlter Nacht
Wie süß die Wellen flüstern.

N. Sieh, wie der Mond im Spiegel lacht,
Ich bin zu baden lüstern.
Rukukukuku, Rukukukuku
Er sieht gewiß durch die Finger zu.

J. Ach Hexchen, zieh dein Hemdchen aus,
Ich drehe dir den Rücken,

N. Ich mache schon die Wellen kraus,
Schatz teile mein Entzücken.
Rukukukuku, Rukukukuku
Wie schnell, wie schnell dreht er sich nu!

J. Ach Hexchen, du schwimmst wie ein Fisch
Kaum trau' ich meinen Augen.

N. Schatz komm ins Bad, ach kühl ach frisch,
Ich lehr' dich untertauchen.
Rukukukuku, Rukukukuku
Wie eilt der Tölpel dem Wasser zu.

J. Ich tipp' hinein mit einem Fuß,
Es will mir nicht behagen.

N. Ich spitze schon den Mund zum Kuß,
Und du willst jetzt verzagen.
Rukukukuku, Rukukukuku
Am neuen Tore steht die Kuh.

J. Ich wat' hinein bis an das Knie,
Es macht mir Krampf und Schmerzen

N. Mein Schatz, die Arme breit ich hie,
Komm her, ich will dich herzen.
Rukukukuku, Rukukukuku
O du verfluchtes Hexchen du.

J. Nun steht das Wasser mir am Leib
Es macht mir böse Grimmen

N. Mein Schatz, den Schmerz ich dir vertreib',
Wenn wir umarmet schwimmen.
Rukukukuku, Rukukukuku
O du armseliger Sünder du!

J. Fatal steigt mir das Wasser an
Ganz kalt wird mir's im Magen

N. Heran, in meinen Arm heran
Ich will gesund dich zwagen.
Rukukukuku, Rukukukuku
Der Bader eilt der Baderin zu.

J. Zum Hals schon eilt das Wasser mir,
Mein Maul kriegt schon die Sperre,

N. Fort, Elender, welch schwach Gezier,
Welch eckelhaft Gezerre.
Rukukukuku, Rukukukuku
Sie hat ihn und wird noch gar grob dazu.

J. Das Wasser fließt mir in den Mund
Lebwohl o Welt, ich sterbe.

N. Hinab zieh ich dich auf den Grund,
Und oben lacht sein Erbe.
Rukukukuku! Rukukukuku!
Um Gotteswill Erbe lach nicht darzu.
(S. 231-234)
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O kühler Wald
Wo rauschest Du,
In dem mein Liebchen geht,
O Widerhall
Wo lauschest Du
Der gern mein Lied versteht.

O Widerhall,
O sängst Du ihr
Die süßen Träume vor,
Die Lieder all,
O bring' sie ihr,
Die ich so früh verlor. -

Im Herzen tief,
Da rauscht der Wald
In dem mein Liebchen geht,
In Schmerzen schlief
Der Widerhall,
Die Lieder sind verweht.

Im Walde bin
Ich so allein,
O Liebchen wandre hier,
Verschallet auch
Manch Lied so rein,
Ich singe andre Dir.
(S. 125-126)
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Alles lieben oder Eins lieben
All - Eins
11. Juni 1834 nach Karlsbad

Still folgt die Liebe deinen Schritten,
Denn alle Lust und alle Pracht,
Die dich ergötzt in Kunst und Sitten,
Hat sie ja selbst für dich erdacht.

Ich darf nicht rings umher mehr blicken
Der Farben Glut, der Formen Zier
Der Lüfte Wehn, der Blumen Nicken
Ist all für dich, kömmt all von mir.

Es wird kein stolzes Schloß gebauet,
Es wird kein edles Bild geschnitzt,
Die Liebe hat es durchgeschauet,
Die Liebe hat hindurchgeblitzt.

Weil du in Vielem liebst zu leben
Hab Vieles ich dir herbestellt,
Als Gott der Liebe sich ergeben,
Da kamst du selbst mitsamt der Welt.

Da kam auch ich mit meiner Liebe
Und alle Kunst und aller Sinn,
Und daß ich wüßt', wo Alles bliebe
Trug ich es zu der Einen hin.

Du gehst ganz lustig durch spazieren
Und drehst das Hälschen in die Rund,
Ich habe Eins nur zu verlieren,
Mit dir geht Alles mir zu Grund.

Du suchest das in allen Dingen
Was ich in dir gefunden hab',
Du möchtest allen Liebe bringen,
Ich tret' der Lieben Alles ab.

Du suchst die Liebe rings entfaltet
Ich sehe sie in dich verhüllt,
Nichts hast du, was sich dir gestaltet,
Ich hab' dich nicht du süßes Bild.

Was du inmitten von vier Winden
Zu suchen hin und her dich drehst
Kann mir in vier Fischbeinchen schwinden,
Wenn du ein bißchen schneller gehst.

Du möchtest in der Liebe wählen
Ich folge Arm Lind dir, weil ich muß.
Du möchtest die Gestirne zählen
Ich fand die Welt in einer Nuß.

Süß Lieb, das ich muß heiß verlangen,
Arm Lind, all, was du krank vermiss'st,
Wir werdens einst in Uns umfangen
In dem, der Eins und Alles ist.

Mir brennet in dem kranken Herzen
In einem Flammenblumenstrauß.
Von unermeßner Art des Schmerzen
Die tiefgebeugte Seele aus.

Und du, durch die der Strauß erblühet,
Streckst wohl zu ihm die feine Hand
Scheust nicht die Glut, aus dir erglühet,
Scheust nicht dies Herz von dir entbrannt,

Und wenn die Feuerblumen blitzen
Von meiner Tränen heißem Tau
Zählst du mit kühlen Fingerspitzen
Die Blümchen auf des Traumes Au.

Ich hab' den Schmerzenstrauß gedichtet,
Der flammend mir im Herzen rast,
Und hab' in Flammen es vernichtet
Daß nicht die Glut dein Herz verglast.

Ich habe viel zu dir gesprochen
Auch letzte Worte bis zum Tod,
Und hab' mein Herz vor dir gebrochen,
Wie ich dir brechen darf dein Brot.

Ich leb' nicht mehr, lieg' unbegraben,
Mein Schatten fleht in heißer Buß',
Süß Lieb, soll mich mit Tränen laben,
An der schwarzlaub'gen Linde Fuß.
(S. 546-548)
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Trippel Trippel trap, trap, trap
Heut schließ' ich die Tür' nicht ab
Wenn ich dich erst bei mir hab'
Küss' ich dich recht tüchtig ab.

Weck' mir nicht die Mutter auf
Nur nicht hust', nicht nies', nicht schnauf',
Nicht zu stolz renn' mir herauf
Wer hoffärtig fällt leicht drauf.

Weck' mir nicht die Martinsgans,
Tritt dem Hund nicht auf den Schwanz,
Schleiche wie der Mondenglanz,
Wie ein Floh im Hochzeitskranz.

Stoß' mir nicht die Kübel um
Liebster Schatz, ich bitt' dich drum
Rumpelt er rumpidipum
Liebster Schatz, das wäre dumm.

Und vor alleim ich dich bitt
Auf der Treppe in der Mitt'
Mache einen großen Schritt
Von vier Stufen fehlt die dritt'.

In das Maul nimm deine Schuh'
Kömmt die Magd, so fahr' drauf zu
Dann glaubt sie, du seist Wu Wu
Kriecht ins Bett und läßt uns Ruh'.

Gehe links, ach geh nicht recht
Sonst kömmst du zum Oberknecht
Und da kriegst du ein Gefecht
Und der Jockel schmeißt nicht schlecht.

Steig auch nicht bis unters Dach
Kömmst du in das Taubenfach,
Da wird gleich mein Bruder wach,
Eilet schnell dem Marder nach.

Bist du vor der Kammertür
Klage deinen Jammer mir,
Dann schieb' ich die Klammer für
Schrei', wer ist, Potz Hammer, hier.

Und da wache alles auf
Mutter, Bruder, Knecht im Lauf
Nahn, es wird 'ne Prügeltrauf
Besser als 'ne Kindertauf.

Doch es gieng 'nen andem Gang,
Mutter nach neun Monden sang
Mädel, 's wird mir angst und bang,
Sonst war ja dein Röckchen lang.
(S. 187-188)
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Liebesnacht im Haine

Um uns her der Waldnacht heilig Rauschen
Und der Büsche abendlich Gebet,
Seh' ich dich so lieblich bange lauschen
Wenn der West durch dürre Blätter weht.

Und ich bitte: Jinni holde, milde
Sieh ich dürste, sehne mich nach dir
Sinnend blickst du durch der Nacht Gefilde
Wende deinen süßen Blick nach mir.

Ach dann wendet Jinni voll Vertrauen
Ihres Lebens liebesüßen Blick
Mir ins wonnetrunkne Aug' zu schauen
Aus des Tages stillem Grab zurück.

Und es ist so traulich dann, so stille
Wenn ihr zarter Arm mich fest umschlingt
Und ein einz'ger liebevoller Wille
Unsrer Seelen Zwillingspaar durchdringt.

Nur von unsrer Herzen lautem Pochen
Von der heil'gen Küsse leisem Tausch
Von der Seufzer Lispel unterbrochen
Ist der Geisterfeier Wechselrausch.

Auf des Äthers liebestillen Wogen
Kömmt Diane dann so sanft und mild
Auf dem lichten Wagen hergezogen
Bis ihn eine Wolke schlau verhüllt,

Und sie trinket dann an Latmus' Gipfel
Ihrer Liebe süßen Minnelohn
Ihre Küsse flüstern durch die Wipfel,
Küssend, nennst du mich Endymion.

Liest auch wohl mit züchtigem Verzagen,
Meiner Blicke heimlich stille Glut
Und es sterben alle deine Klagen
Weil die Liebe dir am Herzen ruht.

Fest umschling' ich dich von dir umschlungen
Stirbt in unsrem Arm die rege Zeit
Und es wechseln schon des Lichtes Dämmerungen
Starb schon Gestern wird schon wieder heut.

Wenn die lieben Sterne schon ermatten
Wechseln wir noch heimlich Seligkeit
Träumen in den tiefen dunklen Schatten
Flehend und gewährend Ewigkeit.

Fest an dich gebannt in dich verloren
Zähle ich an deines Herzens Schlag
Liebestammelnd jeden Schritt der Horen
Scheidend küsset uns der junge Tag.
(S. 24-25)
_____

 

Geheime Liebe

Unbeglückt muß ich durchs Leben gehen,
Meine Rechte sind nicht anerkannt;
Aus der Liebe schönem Reich verbannt,
Muß ich dennoch stets ihr Schönstes sehen!

Nicht die schwache Zunge darf's gestehen,
Nicht der Blick verstohlen zugesandt,
Was sich eigen hat das Herz ernannt,
Nicht im Seufzer darf's der Brust entwehen!

Tröstung such' ich bei der fremden Nacht,
Wenn der leere lange Tag vergangen,
Ihr vertrau' ich mein geheim Verlangen;

Ist in Tränen meine Nacht durchwacht,
Und der lange leere Tag kommt wieder,
Still ins Herz steigt meine Liebe nieder.
(S. 258-259)
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An S.

Wie war dein Leben
So voller Glanz,
Wie war dein Morgen
So kindlich Lächlen,
Wie haben sich alle
Um dich geliebt,
Wie kam dein Abend
So betend zu dir;
Und alle beteten
An deinem Abend.

Wie bist du verstummt
In freundlichen Worten,
Und wie dein Aug' brach
In sehnenden Tränen,
Ach da schwiegen alle Worte
Und alle Tränen
Gingen mit ihr.

Wohl ging ich einsam,
Wie ich jetzt gehe;
Und dachte deiner,
Mit Liebe und Treue -
Da warst du noch da
Und sprachst lächlend:
Sehne dich nimmer nach mir,
Da der Lenz noch so freudig ist
Und die Sonne noch scheint -

Am stillen Abend,
Wenn die Rosen nicht mehr glühen
Und die Töne stumm werden,
Will ich bei dir sein
In traulicher Liebe,
Und dir sagen,
Wie mir am Tage war.

Aber mich schmerzte tief,
Daß ich so einsam sei,
Und vieles im Herzen.
O warum bist du nicht bei mir!
Sprach ich, und siehst mich
Und liebst mich,
Denn mich haben manche verschmäht,
Und ich vergesse nimmer,
Wie sie falsch waren
Und ich so treu und ein Kind.

Da lächeltest du des Kindes
Im einsamen Wege,
Und sprachst: harre zum Abend,
Da bist du ruhig
Und ich bei dir in Ruhe.

Dein Herz wie war es da,
Daß du nicht trautest,
Viel Schmerzen waren in dir,
Aber du warest größer als Schmerzen,
Wie die Liebe, die süßer ist,
Als all ihr Schmerz.

Und die Armut, der du gabst,
War all dein Trost,
Und die Liebe, die du freundlich
Anderen pflegtest,
War all deine Liebe.

Einsam ging ich nicht mehr,
Du warst mir begegnet
Und blicktest mich an -
Scherzend war dein Aug'
Und deine Lippe so tröstend -
Dein Herz lag gereift
In der liebenden Brust.

Freundlich sprachst du:
Nun ist bald Abend,
Gehe, vollende,
Daß wir dann ruhen,
Und sprechen vom Tage.

Wie ich mich wendete -
Ach der Weg war so schwer!
Langsam schritt ich,
Und jeder Schritt wollte wurzeln,
Ich wollte werden wie ein Baum,
All meine Arme,
Blüten und Blätter,
Sehnend dir neigen.

Oft blickte ich rückwärts
Hin, wo du warst,
Da lagen noch Strahlen,
Da war noch Sonne
Und die hohen Bäume glänzten
Im ernsten Garten,
Wo du gingst.

Ach der Abend wird nicht kommen
Und die Ruhe nicht,
Auf Erden ist keine Ruhe.

Nun ist es Abend,
Aber wo bist du?
Daß ich dir sage,
Wie der Tag war.

Warum hörtest du mich nicht,
Als du noch da warst?
Nun bin ich einsam,
Und denke deiner
Liebend und treu.

Die Sonne scheint nicht,
Und die Rosen glühen nicht,
Stumm sind die Töne -
O! warum kömmst du nicht,
Willst du nicht halten,
Was du versprachst?
Willst du nicht hören,
Soll ich nicht hören,
Wie der Tag war?

Wie war dein Leben,
So voller Glanz,
Wie war dein Morgen
So kindlich Lächlen,
Wie habe ich immer
Um dich mich geliebt,
Wie kömmt dein Abend
So betend zu mir,
Und wie bete ich
An deinem Abend.

Am Tage hörtest du mich nicht,
Denn du warst der Tag,
Du kamst nicht am Abend,
Denn du bist der Abend geworden.

Wie ist der Tag verstummt
In freundlichen Worten,
Wie ist sein Aug' gebrochen
In sehnenden Tränen,
Ach da schweigen alle meine Worte,
Und meine Sehnsucht zieht mit dir.
(S. 81-84)
_____

 


Alle Gedichte aus: Clemens Brentano, Werke, Erster Band
Hrsg. von Wolfgang Frühwald, Bernhard Gajek und Friedhelm Kemp Carl Hanser Verlag, München, 1968


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Clemens_Brentano


 


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