Max Bruns (1876-1945) - Liebesgedichte



Max Bruns
(1876-1945)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Tiefste Schönheit

Da warst du schön - :
Die Frühjahrsonne floß um deine Haare,
lichtgolden;
halbwaches Lächeln glitt um deine Lippen;
dein Leib im Knospen deiner achtzehn Jahre
keusch in Weiß zwischen rosa Blütendolden.

Doch schöner sah ich dich - :
Um meinen Nacken deine goldne Mähne -
und Sommerhitze . . .
die Arme heiß um meinen Leib gerungen,
in meinen Lippen deine jungen Zähne;
weiße Brüste drängten aus weißerer Spitze.

Da aber warst du am schönsten -:
Nackt lag dein Leib an meinem hingebettet,
Ader an Ader;
doch reglos fühlten wir uns wie aus Fernen -
noch war das Tier in uns erst halb entkettet -
tastende Blicke aus irre sehnenden Sternen . . .

Da aber warst du am schönsten, Weib!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 10-11)

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Stürmische Nacht

Schwarz und schweigend droht die Nacht ins Land,
und ein schwüler Wind reißt tiefe Klüfte
in die Wolkenberge - eine Nebelwand
wächst vor unsern Blicken in die Lüfte.

Spähst vergeblich aus nach einem Stern;
und du hast des Himmels Dunkeln
und der Sterne tausendfaches Funkeln
doch so gern!

Wie die Blitze zucken! Bangt es dich?
Komm und kaure dich im Laube nieder!
Frösteln ängstlich dir die zarten Glieder?
Komm und preß sie wärmend fest an mich!

Sei nicht furchtsam! Sieh, der Sterne Heer
ist mit seinen ungezählten Funken
in mein junges, heißes Herz gesunken.
Komm -: Ich liebe dich so sehr!!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 14-15)

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Sünde

So veilchenschwül die stille Nacht;
ein bleiches Silber sprüht vom Mond;
die Rosen stehn in nackter Pracht,
in ihren heißen Kelchen wohnt
ein zitterndes Verlangen.

Von fern schluchzt eine Nachtigall
ihr wildbewegtes Sehnsuchtlied.
Deine Auge fleht ins weite All;
durch deine junge Seele zieht
ein erstes Weibesbangen . . .

Das wilde Lied so heiß, so heiß -
ich fühle tief, wie du entbrennst.
Das Mondlicht schwankt so fahl und weiß
im Birkenbaum, wie ein Gespenst; -
wie unsre Seelen rangen!

Und dann - wie ist dein Auge feucht,
wie zuckt dein Mund so blaß und kalt . . .
Im Osten droht ein rot Geleucht,
und Nebel schauern durch den Wald:
Nun kommt der Tag gegangen!!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 16-17)

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Drama

Der dumpfe Sommerabend lastete
mit schwerem Flügel auf den heißen Dächern -
wie war der Nachmittag uns schwül gewesen! -:
In meinen teppichweichen Prunkgemächern
erstickte uns die ätherscharfe Luft:
der Rivieraveilchenduft
aus meines Weibes Kleidern, Tüchern, Fächern.

Ich fieberte vor Qual, und rastete
nur für Sekunden, vor dich hingezwungen:
vor deinen wilden, tiefen, kalten Blick -
und habe dich in Hast und - Haß! umschlungen,
und bettelte und bangte: Weib!
nur einmal gib mir diesen schwachen Leib,
nach dem mein starker Leib sich mattgerungen!

Da fühlt ich dich mit schweißbeperlten Brüsten
in meinen Händen ringen, Well' um Welle -
doch als dich meine Zähne blutig küßten,
war mir's, als ob ein Lachen mich durchgelle . . .
Ich starrte in den dämmerfahlen Schein:
und sah ein bleiches Weib: das Weib war mein,
und stand mit hartem Lachen auf der Schwelle . . .


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 18-19)

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Komm wieder!

Komm wieder! Es braust ein Wirbelwind,
der sehnt sich nach dem Meere;
und ich kann dir's nicht sagen, mein Weib, mein Kind,
wie ich mich nach dir verzehre.
Mein Arm ist so stark - und umschließt dich nicht?
Mein Mund ist so heiß - und er küßt dich nicht?
Und es betteln meine Lieder:
Komm wieder!

Komm wieder! Die Nächte sind schwer und schwül,
und überall duften die Rosen:
Ich liege schlaflos auf einsamem Pfühl . .
allüberall duften die Rosen!
Und ich weiß ja, daß du dich selbst betrügst
und auch wie ich so sehnend liegst,
kein Schlaf erquickt die Lider -:
Komm wieder!

Draußen lastet schwüle Nacht
und ich seh es wetterleuchten;
meine Sinne sind erwacht,
ungeduldig in den feuchten
Linnen ringt mein nackter Leib,
meine heißen Schläfen tropfen,
meine Glieder fiebern, klopfen:
Fühlst du nicht mein Schreien, Weib?!

Meine Lippen zucken irr,
noch von deinem Atem trunken -:
Heiß die Wangen, Haare wirr,
warst du mir ans Herz gesunken,
deine Blicke, ahnunggroß,
sah ich sich in Brunst erhellen,
und in ungestümen Wellen
rang und schwoll dein junger Schoß.

Du!! Mein Hunger quält mich wild
und er muß dich ganz genießen,
denn dein rauschverklärtes Bild
will und will mir nicht zerfließen.
Draußen lastet schwüle Nacht -:
Morgen, Weib, im Mittaggluten
werden wir zusammenfluten,
denn auch du bist aufgewacht . . .!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 22-24)

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Glückessehnen

O wirf sie fort, die neidisch enge Hülle,
laß mich dich sehn
in deiner Jugend knospenzarter Fülle;
die Rosen duften schwül in nächtiger Stille -
du bist so schön!

Laut pocht dein Herz, es schweigt dein roter Mund,
die lieben Augen sind von großen Tränen
so bang erfüllt.
Ich fühl es, wie dies tiefe Glückessehnen
dein Innerstes durchwühlt.

Auch mir erstirbt in Seufzer jedes Wort;
so schwül und stille,
so weltenfern entlegen ist der Ort.
Des jugendheißen Leibes starre Hülle -
komm, wirf sie fort!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 25)

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Weibesschauer

Komm nun, komm, mein Liebster du!
Mich ermüden diese Feste
und der bunte Schwarm der Gäste;
komm, mein Herz verlangt nach Ruh.
Bin so matt; ein einzig Sehnen
fühl ich noch: mich ganz in deinen
Arm, an deine Brust zu lehnen,
all mein Glück da auszuweinen -

Aber jetzt: wie wild und jach
faßt dich glutendes Verlangen -!
Du! ich bin so jung, so schwach,
und dein Blick erregt mir Bangen;
denn mit unheilvollem Sehren
züngelt er um meine Glieder.
Nein, nicht so neig dich hernieder -
ach, ich ahne dein Begehren . . .

Komm, so wonnereich, so traut
laß wie sonst uns zärtlich kosen;
sieh, geschmückt mit weißen Rosen
lächelt liebend dir die Braut,
und von bräutlichen Gesängen
tönt um uns ein ferner Reigen,
und ich bin dir ja zu eigen,
nur: mich schreckt dein wildes Drängen -

Wie dir heiß die Schläfen glühn,
wie die Augen bläulich funken -
schon bin ich, dir zu entfliehn,
selber dir ans Herz gesunken.
Aber wehe! Deine Rechte
fühl ich kraftvoll mich umwinden,
und aus meines Hauptes Flechte
ahne ich die Rosen schwinden . . .

Nein, o nein! Du tötest mich!
Sieh, ich winde mich und stöhne -
ja, ich liebe, liebe dich,
aber mehr noch meine Schöne,
meine Frische, meine Reine;
und die willst du mir zerstören?
Laß, Geliebter, dich beschwören!
Hilflos bin ich, und ich weine -

Warum küßt du mich so heiß,
hältst so zärtlich mich umwunden?
Ja, mein Gatte, ja, ich weiß:
Jetzt bin ich dir ganz verbunden,
bin nun Blut von deinem Blut -
Gott, wie töricht war mein Klagen!
Bist du nicht so stark, so gut?!
Nein, ich kann dir nichts versagen!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 26-29)

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Nacht

Nun ringen sich die Blumendüfte los,
das Mondlicht flutet breit vom Himmel nieder,
und alle Schönheit hat sich aufgetan.

Nur schauernd wage ich, mich dir zu nahn,
und neige tief das Haupt in deinen Schoß;
die Arme schließen sich um deine Glieder.

War eine Zeit, da wir uns niemals sahn? . . .
Ich halte dich, und lasse dich nicht wieder.
Wie still ist diese Nacht, wie rein und groß!

Das Mondlicht blinkt aus tausend Kelchen wider;
ich neige tief das Haupt in deinen Schoß,
und halte dich, und lasse dich nicht wieder.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 30)

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Glück

Küß mir noch einmal so die müden Augen.

O ja -:
Ich sehe durch die leise schauernden Lider
deine jugendschlanken, weißen Glieder,
ich fühle deinen weichen Atem fächeln,
ich sehe gar dein mutterzärtliches Lächeln.

Ein müder Knabe mein' ich nun zu sein;
der schläft am Herzen seiner Mutter ein . . .

Meine Mutter ist jung und strahlend schön -
ich kann die ganze Winternacht
ihr klares Lächeln sehn!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 31)

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Im Wandern

Ich zog mit meinem lenzjungen Weib
durch blühende Lande;
es hüllten ihren knospenden Leib
lichte Gewande,
und sie sang das Lied von der Liebe.

Am Wege saß da ein griesiger Wicht,
mit seinen gehren
Blicken schien er von Fuß zu Gesicht
mein Weib zu entehren -
den hab ich im Wandern erschlagen.

Und weiter führt ich mein lenzjunges Weib
durch blühende Lande;
ich sah ihren reinen, fraulichen Leib
durch lichte Gewande
und ich sang das Lied von der Jugend.


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 32)

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Unser Paradies

Sieh, das ist nun meine Wiese,
die fortan auch dir gehört!
Schatz, hier sind wir ungestört:
sind wir wie im Paradiese!
Dort im Hintergrund der See,
abgegrenzt durch Weidenhecken,
winkt zum Baden, winkt zum Necken,
bietet zärtlichstes Verstecken -
ringsum duftet roter Klee.

Ja, das Paradies ist da
etwas anders als im Himmel,
ferne spielt ein Bauernlümmel
auf der Ziehharmonika;
das sind keine Sphärenklänge,
kommt auch nicht "Vom Himmel hoch" -
aber uns beglückt es doch!
Horch, und nun ertönen noch
Mädchenstimmen, Zwiegesänge . . .

Leise klang das Volkslied aus;
plätschern hörst du jede Welle.
Und die Nacht so sternenhelle!
Wie von einem frischen Strauß
kommt der Kleeduft, voll und süß.
Wie die Lichter rings verscheiden!
Sieh, und unter dichten Weiden
winkt die schmalste Bank uns Beiden:
Das ist unser Paradies!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 33-34)

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Liebesgeläute

Und wie mein Haupt an deinem Herzen ruht,
ist plötzlich alles weich und lind und gut;
und deines Haares sonnenlichter Schein
bettet mich ganz in goldne Klarheit ein.
Da schließ ich still und lächelnd meine Lider
und geht dein Herz so leise hin und wider
und klingt - ich lausche - lauter Lenzeslieder.


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 47)

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Dein Auge

Dein Auge hat so frühlingfeuchten Schein -
so bettet sich die Sonne oftmals ein
in keusche, lichtbeglänzte Wolkenhüllen.

Ich ruhe tief in deinem weichen Blick,
da kündet sich ein strahlendes Geschick
und eine Sonne will die Welt erfüllen.

Wer ahnt denn schon ihr morgenstilles Glühen? -
Ich aber muß von dir begnadet sein:
Schon seh ich tauverklärte Blumen blühen,
in blauen Lüften stille Wolken gleiten
und weiße Vögel sanft die Schwingen breiten
und Glück und Lust aus allen Blicken sprühen,
und alle Herzen läuten klar und rein -:

Dein Auge hat so frühlingfeuchten Schein!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 48)

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Frühgang

Alle Büsche blinken vom Morgentau,
es perlt und sickert von tausend Blättern;
und die Finken jubeln und schmettern darein
und grüßen den gütigen Sonnenschein,
und die flinken Epheuranken klettern
in den höchsten Eichenzweigen empor,
sich dem Lichte zu neigen -
und dann der zartfeine Glockenblumenreigen!

Laß uns lautlosen Fußes gehn
und heimliche Worte flüstern -
oder lieber laß uns stille stehn
und all das hastige Treiben sehn
und lächelnd uns zueinander neigen
und schweigen.


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 49)

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Komm mit!

Will dich denn immer das Leben noch quälen?!
Komm mit, an den Bach! auf die Wiese!
Da will ich dir eine Weidenrute schälen
und dir eine Frühlingsflöte daraus schneiden;
dann liegst du zu mir in den grünweichen Rasen
und wirst dein Leid in alle Himmelswinde blasen;
und ich will dir närrische Märchen erzählen
und dir alle Büsche und Blüten schenken -
sollst nur noch an das glitzernde Sonnenlicht denken!!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 50)

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Du!

Ich habe die Wärme des Maientags
mir tief ins Herz getrunken:
Der Fliederbusch im weißen Kleid
hat mich mit streichelnden Blüten beschneit,
meine Blicke wurden so hell und weit -
bin wohlig hingesunken.

Die Veilchen drängen sich an mein Ohr,
wollen sich mir verschwistern,
Ich schlummre nicht und bin nicht wach:
Mein Herz träumt in den Maientag
und hört, wohin es lauschen mag,
deine warme Stimme flüstern . . .


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 122)

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Ein Liebeslied

Doch dieser Tag, so groß und jung,
erwuchs aus keiner Dämmerung:
Aus leuchtenden Wolkenballen
ist er, ein goldenes Göttergeschenk,
auf meinen Schlummer gefallen.

Doch dieser Tag kennt keine Zeit;
er strahlt und blüht und leuchtet
noch durch die Ewigkeit.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 123)

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Liebesklänge

Ich brach nur eine Rose für deine Brust -
da hast du meine ganze Liebe gewußt.

Du gabst mir deine gütig große Hand -
da wußt ich tief, daß mich dein Herz verstand.
*

Erde und Himmel will ich lassen;
will nur den Saum von deinem Kleide fassen.
*

In dein Nachtgewand will ich mich schmiegen;
deine Brust soll mich in Schlummer wiegen.
Der Himmel uns zu Häupten wird erglänzen
und deinen Schlaf mit Sternenträumen kränzen:
Heiliges Bild der Liebe ohne Granzen!
*

Ich hob den Blick zu dir; du neigtest dich -:
und Träume fielen selig über mich.
*

Ich schauerte in heimlichem Erwarten;
die ganze Nacht wußt ich mit mir im Bunde;
in der Himmelskuppel in seliger Ferne
summte still das heilige Feuer der Sterne.
Dein Lichtgewand durchschwebte leis den Garten -:
Dann kam eine tiefe, nie erträumte Stunde . . .
*

Ich will mich auf dich niederneigen
und all mein Glück nun hüllenlos
in deinen jugendschlanken Schoß,
in deine tiefste Seele schweigen - -
*

O komm, lieg her und sieh mich an -:
Nun ist der ganze Himmel aufgetan!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 124-126)

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Sehnsucht

Liebe! Die Sonne lacht über dem Schnee,
und Himmel ist klar und blau!
Mich faßt eine selige Ungeduld,
als wollt ich dir etwas sagen,
etwas Großes, leuchtend Herrliches -
und Liebste: ich weiß doch nicht was!

Der Birnbaum vor meinem Fenster hier -:
Wie das flimmert und blinkert und flirrt!
O du!! Jetzt müßtest du bei mir sein,
hier bei mir sein, dicht an mich geschmiegt,
und müßtest das mit mir sehn:
Den Birnbaum hier! und den Kirchturmknauf!
und das schneeige Weiß! und die Wintersonne!
und dort, ganz fern im Blauen verrauchend,
das feine kräuselnde Wölkchen . . .!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 127)

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Trunkene Andacht

O du! deine üppig leuchtenden Farben!
Mich martert ein heißes, tolles Verlangen:
deinen süßen, seligen Leib zu umfangen
- und sei's mit den Augen, und sei's nur im Bild! -
Du! laß mich nicht darben!

Tritt vor den Spiegel,
und wirf die Flechten von den Brüsten,
dann wächst dein Blick in tiefen Lüsten,
von nächtiger Dunkelheit erfüllt.
Wie Eva an den vier Flüssen ging
und trunken und mit Schlangenblicken
an ihren Spiegelbildern hing,
so sieh dich selber mit Entzücken
und banne alles, was du von dir weißt:
ein Weib mit schönheitwildem Künstlergeist.
Ich aber will vor diesem Bilde knieen,
so wie der Mönch vor dem Marienbild,
wie einst Giorgone vor der Venus lag,
wie Adam vor dem Weib am siebten Tag:
mein Herz, von Schönheitweh und Qual erfüllt,
wird dich mit Urwaldblütenpracht umblühen.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 128-129)

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Sommer

So komm: von deinem sommerreifen Leib
laß mich die häßlich starren Kleider lösen,
lieg nackt im Grase neben mir, mein Weib -
o nicht in dumpfen Süchten, nicht im Bösen:
denn deine Glieder sind mir Melodie,
wie nur ein Gott uns Melodien spendet,
von Anbeginn erklungen, - aber nie,
o nie beendet!

Wie unter meiner Hand dein Körper schwillt
in einem kraftvoll wundertätigen Weben,
wie heiß dein Blut durch jede Ader quillt,
wie deine Brüste ringen -: Das ist Leben!!
Aus allen Poren drängt ein herber Duft,
o mich berauschen seine vollen Schwaden, -
und bläulich wallend lockt die Sommerluft,
in ihr zu baden!

Mit seinen starken Gnadenhänden hat
der Himmel Segen über uns ergossen:
Hier spreizt der Wegerich sein breites Blatt,
die Margaretenblumen sind erschlossen, -
und alles, alles das ist dein und mein,
mit hellen Augen stehn wir im Getriebe,
und unsre Sinne jauchzen nackt und rein -:
O Liebe! Liebe!!


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 130-131)

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Segen

Und immer seh ich, wie du vor mir standest,
lichtzart das leichtgebauschte Frühlingskleid,
und wie du mir kein leises Wörtlein fandest,
als sich die jungen Blicke, zukunftweit,
in meine heißen Augen hell verglühten -
im Juni war's, zur ersten Sonnenwende,
und alle wilden Rosenstöcke blühten,
und war ein Tag voll Segen ohne Ende -!

Und wie ich mich, ein Kind, geläutert fühlte,
als scheu dein schlanker Leib an meinem lag
und mir dein Mädchenhauch die Schläfen kühlte,
daß ich zum ersten Weihekuß zu zag.
Zwei weiße Falter spielten uns zu Häupten,
in Düften wiegte sich der blaue Flieder,
aus allen Rosenkelchen aber stäubten
goldgelbe Wölkchen zitternd auf uns nieder . . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 132-133)

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Phantasie

Die Purpurzügel in die weiße Hand!
Von Atlasdecken schwillt der Sattel weich.
Und nun die Blicke sonnenwärts gewandt:
In unser Reich!

Ein Lachen flattert goldig in den Lüften
und zittert bis zum fernsten Himmelsrand;
und überall ein tauig frisches Düften . . .

Du aber läßt dem Gaul den leichten Zügel
und greifst im Fluge nach den goldnen Sternen
und schweifst mit mir in immer neue Fernen . . .

Tief blaut ein Strand . . weinrot ein Seidezelt . .
Brautlieder sinnt ein unsichtbarer Chor . .
wir gehen selig ein in unsre Welt . . .

Als Wächter steht dein weißes Roß davor.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 134-135)

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Stille

Legst du auf meinen Scheitel deine Hände
und neigst mir deine Blicke, weich und mild,
bist du mir wie ein stilles Frauenbild
aus einer Heiligenlegende,
aus einem alten Lied in höheren Chören.
Wenn deine dunkle Stimme mich umfließt,
sich deine Kindesseele mir erschließt,
mein' ich, ich müßte Palmen rauschen hören . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 138)

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Mein Sonntag

Und nun hab ich dich gefunden,
Schwester, Freund und Weib zugleich,
und du machst mich gut und weich,
schenkst in diesen Winterstunden
mir ein blaues Frühlingsreich.

War ein rauher Mann, voll Schuld und Fehle, -
kindesrein machst du mir Sinn und Leib,
stiller Sonntag meiner Seele,
du, mein Weib!


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 140)

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Im Einschlafen

Komm, so: an meine Schulter geschmiegt,
von meinem Atem in Schlaf gewiegt, -
was dich erfüllt, verquillt zum Traum; -
du fühlst mich kaum - - -

"Schläfst du schon?" -

Durch die müde blinzelnden Lider
lächeln die Augen . . und schließen sich wieder . .
Auf deinen Lippen
träumt ein letzter,
ungeküßter Kuß.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 141)

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Sei still!

Von ferne wiegt ein weicher Duft
sich leicht zu uns herüber -
hinter den dunstigen Nebeldecken
braut eine liebe, lächelnde Sonne - -
halte den Atem; trockne die Tränen!
still! - neige nur lauschend das Ohr
und horch in die feucht-frische Luft:
Aus Ätherfernen
sendet trostreiche Sonne
- Lenzesbotschaft! -
die erste Lerche . . .

Kind! du lächelst ja schon -!


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 142)

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Eine Liebessymphonie


Mir träumt . . .

Der Mond im stillen weiten Himmelsmeer,
von allen Wolkenflocken reingebadet,
lockt meine Blicke leuchtend zu sich her . . .

Die Seele strahlt in einem tiefen Glanz . .
Mir träumt von einem weißen Sternenkranz,
mir träumt von einem erd-entrückten Leben,

wo Paradiesesvögel ihre Schwingen breiten,
verhaltne Süchte durch die Stille gleiten
und sacht im Glanz des Morgenstrahls verbeben,

wo meine Seele deine Seele küßt
und alles Ruheglück und reiner Friede
und eine letzte Sternenklarheit ist. -

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 319)

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Ein Flüstern

Vom Abendstern das letzte bleiche Licht,
das durch die Zweige meines Birnbaums spielte,
stahl sich mein tagesmüder Blick -
mich faßte Sehnsucht, Sehnsucht nach dem Frieden,
und sternbeschienen träumte ich hinüber
in diesen letzten tiefen Traumgedanken
an dich -.

Du aber schrakst um Mitternacht empor
und sahst den Mond an deinem Lager wachen
und wußtest nicht, was dich geweckt -:
die Silberpappel, die dein Haus behütet,
die flüsterte und rieselte und raunte
und zitterte in einem neuen Licht -
so klar - . . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 320)

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Hörst du - ?

Hörst du den heiligen Urweltton?
Er sucht dich Nacht für Nacht
und ist ein flammenheißes Gebet:
Weil meine zitternde Seele
in tiefer Sehnsucht steht!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 321)

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Ein und Alles!

Wenn nun diese Stunden kommen,
da das Herz die tiefste Einkehr hält -:
Was ward dir gegeben? was genommen?
und was ist dir nun die Welt?
Große! Gütige! Was soll ich sagen?
Tausend Sommerrosen blühen hier!
Garben häufen sich an allen Enden!
Jedes Glück drängt sich zu meinen müden Händen!
Warum bist nicht Du bei mir -?!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 322)

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Versehnt . . .

Blaues Leuchten um mich her
tropft und sickert durch die Bäume,
und mein Sinn wird müd und schwer,
und mein Herz beschleichen Träume . . .

Alles Leben geht zur Ruh,
Sternenfriede will sich breiten -
doch in diesen Einsamkeiten,
Schwesterseele, fehlst mir Du -!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 323)

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Dein Bild

Dein großer Blick, dein großer blauer Blick!
So steht die Sonne über Palmenzelten -.
Aus deinen Augen träumen Wunderwelten:
Mir ahnt ein märchenheimliches Geschick.

Ein süßer Liebreiz wölbt den weichen Mund;
die Stirn ist keuscher als der Tau der Nächte.
Dein Sonnenhaar, befreit von Netz und Flechte,
legt um das Bild den goldig reinen Grund.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 324)

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Schneelicht

Dich fröstelt nicht in diesen Schwangefiedern.
O komm, du sollst in meinem Mondesnachen
still die Novembernacht mit mir durchwachen
und sollst mir jeden sanften Blick erwidern.

Und wenn dann bleich der Stern der Frühe zieht,
so werden müde unsre Augen sinken -
wir fühlen nur der Sonne weißes Blinken -
uns wiegt ein wellenweiches Wiegenlied - -


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 325)

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In Deinem Schlosse

Scheu trat ich ein -: ein weiches Schlafgemach.
Ein Lilienruch kam von der Decke nieder
und träumte um die sehnsuchtschlanken Glieder
des Weibes, das in Spitzen vor mir lag.

Ihr Mädchenduft umhüllt mich mild und milder,
ihr kranker Blick empfängt mich still beglückt; -
kaum sehn wir noch . . so weltenfern entrückt . .
die alten dämmergoldnen Ahnenbilder - -.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 326)

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Du sandtest Blumen . . .

"Im Lande meiner heimatblauen Seen
brach ich dir blau- und weiße Orchideen:
die sollen sich auf deinen Schlummer neigen
und deinen sehnsuchtkranken Menschenblicken
die Heimat zeigen.
Da siehst du mich, dir schwesterrein vereint,
und siehst die Blüten ernst und still und klar
auf schlanken Stengeln aus der Tiefe steigen
und Sternenträume auf uns niederschweigen,
und schmückst, in Tränen lächelnd, mir mein Haar
und weißt nicht, daß ich, eh wir uns gesehen,
ein Kind der kleinen Menschenerde war - - -."

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 327)

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Amoroso

Zum Danke

Die kranken Blumen, die du leise brachtest,
vertraut ich, schwer erwacht, der zarten Vase
aus farbenbleichem Venezianerglase -
und fühle wohl, was du versonnen dachtest . . .

Siecht draußen nicht der Sommer schwül dahin,
erstickt an seinen übersehnten Gluten -?
Mir träumt von unbewegten blauen Fluten -
und deine weißen Blumen spiegeln drin . . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 328)

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Entführung

Und deine weißen Blumen spiegeln drin,
wenn meine Träume sehnend sich erheben
und leise über deinen Linnen schweben -
und liebend nehm ich alles, alles hin.

Dann hält der Mondkahn über deinem Haus;
in blauem Licht erschimmern deine Brüste,
die jeder meiner Träume zitternd küßte -
wir heben sacht uns in das All hinaus.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 329)

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Die letzte Nacht

Wir heben sacht uns in das All hinaus.
Wie leicht der Mondeskahn sich wiegt und neigt!
Und träumerleise über Bord gebeugt,
pflückt meine Liebe einen bleichen Strauß

von Sternen für dein blaues Nachtgewand.
Und dann - verrinnt die Nacht im letzten Morgen.
Wir träumen schweigend, Brust an Brust geborgen.
Noch tief im Traum verschlingt sich Hand in Hand.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 330)

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Der letzte Morgen

Noch tief im Traum verschlingt sich Hand in Hand;
und ein Erwachen - fühlen wir nicht wieder.
Entschlummernd ließ die Seele Leib und Glieder. -
Kennst du das Ur-Meer, ohne Grund noch Strand?

Die Flut ist rein kristallen - wie das Nichts;
der Träume bunte Gaukelbilder schwinden:
weil alle Sichtbarkeiten hier erblinden
im Morgenstrahl des nie erblickten Lichts -.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 331)

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Sänftigung

Ein Sehnsuchtruf entrang sich in die Nacht,
so wild und brünstig, - jäh bin ich erwacht.

Ich hab deine Sehnsucht ans Herz genommen,
dann sind mir von selber die Worte gekommen:

Wolltest du, dir sei ein Rausch beschieden,
der im frühen Tag dir jäh verweht?
Lausche ein mal nur in diesen Frieden -:
Spürst du nicht, wie leis das Glück umgeht?
Du, das Glück hat daunenweiche Sohlen,
und wenn man nicht auf sein Schreiten hört,
kommt der laute Tag: und tief verstört
hat man selbst sich um das Glück bestohlen.

Bette lauschend dich an meine Brust
und laß ab, dich selber zu betören,
und du wirst es leise rauschen hören,
was dein lautes Sehnen nie gewußt.
Sieh, schon weicht dein menschenkleiner Kummer
und du spürst dir Seligkeiten nahn; -
von dir ab fällt all dein trüber Wahn, . .
und du lächelst, . . und du sinkst in Schlummer . . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 332-333)

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Glück der Ferne

Was ist Nähe und Beglückung?
Ist nicht jede Wonne mein,
fühl ich so in Traumverzückung
deiner fernen Augen Schein?
Mich verlangt's nicht deiner Hände,
die ein jeder halten kann -:
Du bist in mir! und am Ende
bin ich so ein froher Mann.

All mein Fühlen ist Erinnern,
all Erinnern bist nur du,
trägst mir aus geheimstem Innern
leise Melodien zu;
Melodien, die mich füllen
mit dem urvertrauten Klang
deiner Stimme - und im Stillen
wird mein Leben zum Gesang.

Und ich wandle unter Bäumen,
lausche heimlich in die Luft,
tief versink ich da in Träumen,
und mich schmiegt der Abendduft
und mich wiegt das Abendläuten
in ein weiches Dämmern ein -:
So, im leisen Weiterschreiten,
bin ich dein und du bist mein! 


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 334-335)

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Gedenken

Mein Fühlen fließt wie reines Mondeslicht
geruhig in die hohe Nacht hinaus,
und schmiegt sich ferne um ein stilles Haus
und lehnt sich an die Scheiben, innig dicht.

Du ruhst, schon halb verträumt, in deinen Linnen
und schlummerst hin im Mondlicht, rein und still, -
und noch im Schlummer mußt du selig sinnen,
was doch das Mondlicht Liebes von dir will . . .


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 336)

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Überstirntes Glück

Nie war das All so weit und groß und klar,
die weißen Sterne blühten, Licht bei Licht; -
du lehntest glühend an mich, selig dicht,
rotgolden floß um mich dein keusches Haar.

Durch alle Weiten wob ein Frühlingshauch,
der machte leis die Sinne müd und trunken.
Und als du lächelnd tief in Schlaf gesunken,
hielt meine Seele Wacht, - die Sterne auch.


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 337)

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Mondlicht

Wenn dein Leib so weich bei meinem wohnt,
wird meine Seele still ein Silbermond,

deß Licht beglänzt zwei bleiche blaue Wellen,
die heilig-heimlich ineinanderquellen,

die traumesleise sich zur Ruhe wiegen -
und verklärt in lauter Glanze liegen . . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 338)

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Zu deinen Füßen . . .!

Zu deinen Füßen, still geliebtes Weib,
möcht ich entschlummern, tief in Seligkeiten.

Fern werden die Sterne ihre Reigen gehen -
ich werde ihr Licht nur fühlen, nie mehr sehen.

Leise spür ich nur hin und wieder dein Kleid,
wenn deine Brüste erbeben in Seligkeit . . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 339)

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Junge Nächte

Wenn der Frühling sich erfüllen will,
werden alle Nächte keusch und still,

wird der Mond so blau und träumereich,
flimmern alle Sterne silberbleich;

Und ein schwüler Vogel lockt und lockt,
daß der Liebe jäh der Atem stockt;

und es geht ein Leuchten, weich und klar,
wie von golden reichem Frauenhaar . . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 340)

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Goldene Tage

In diesen seligen Tagen
will ich zu dir eilen,
will lange bei dir weilen
und dir erschauernd sagen:
wie mein ganzes Sein sich deinem neigt,
wie ewig deine Liebe um mich schweigt!

Alle Lüfte beben,
golden von rieselndem Licht -:
Dicht, o selig dicht
will ich bei dir leben,
sehe dein keusches Haar von Sonne blinken, -
spüre alles, was schwer ist, tief versinken.

Wir wollen uns aufwärts tragen
in diesen seligen Tagen -!

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 341)

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Meine Träume

Meine Träume halten bei dir Wacht
und sie neigen sich auf deine Nächte; -
schneller als ein Gott dir Schlummer brächte,
fühlst du dich von ihnen lind umlacht.

Denn sie huschen heimlich und verstohlen; -
eh noch ein Gedanke es gedacht,
schmiegt sich an dein Herz die blaue Nacht:
Meine Träume haben weiche Sohlen.

Weihnachttrunken leuchten Lichterbäume,
Flügel spürst du in der Stille gleiten,
und dein Atem stockt in Seligkeiten:
Reicher als das Glück sind meine Träume.

Ihre Tiefe ahn ich selber kaum,
wenn ich Nachts sie an dein Lager sende;
und ich hebe selig beide Hände -:
Hehre du! du meiner Träume Traum!


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 342-343)

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Friede

Ich bin bei dir . . .
Du hast mein Haupt in deinen Schoß genommen.
Alles ist Frühling.
Du zeigst mir lächelnd, wie die Veilchen kommen.
Das Gras ist jung, der Kies ist sonnig und feucht,
seine Tropfen rieseln blausilbern dazwischen,
die Sonne ist mild - und ich, ich bin bei dir,
bin still und selig vor dir hingeschmiegt
und so geruhig wie ein frommes Tier,
deß deine großen Hände gütig warten.
- - - - - - - - - - - - - - -
Wie klar die Welt in unsren Seelen liegt -!

Abend wird und jeder Laut verstummt. -
Eine ferne Glocke singt und summt . . .

Friede -!


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 344)

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Ewige Nähe

In mein glückverträumtes Schweigen
regt sich plötzlich leis die Pforte,
und es will sich zu mir neigen,
und mir klingen weiche Worte,

weiche Worte, nie vernommen,
und mich streifen liebe Hände,
daß ich, abendlichtumglommen,
staunend meine Blicke wende -:

Nichts! Und dennoch spürt ich eben
dein Herz sich in meines weiten! -
Immerdar von dir umgeben,
leb ich tiefste Seligkeiten!


Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 345)

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Glückbeschienen

Deine Seele ist das tiefe Meer:
Deine Seele ist unergründlich und hehr.

Wann der Mond sich über die Klippen hebt,
wann seliges Blaulicht auf der Fläche schwebt,

lieg ich . . . einsam . . . traumentrückt . . . am Strand;
das Glück hält blaue Flügel ausgespannt - -.

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 346)

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Von den tiefsten Wundern unserer Nächte

Schiffe, die sich Tages niemals trafen,
ruhen Nachts im gleichen stillen Hafen, -
jeder Mast von Sternenlicht bekränzt;

Schiffe, die an keinem Tage schliefen,
ruhen Nachts auf gleichen Traumestiefen,
reich von Mondesschimmer überglänzt . . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 347)

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Heimliche Beglückung

Nur heimlich durften wir Genossen sein,
nur heimlich du von mir umschlossen sein.

Dann durfte, was in meinen Tiefen träumt,
für dich erglühend ganz ergossen sein.

O aller Tage ungetrübter Glanz:
von goldner Sommerflut umflossen sein!

Kann der, den heilige Fülle traumwärts hob,
im Drang der Stunde je verdrossen sein?!

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 4)

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Ständchen

Mag August uns mit Gewitter schlagen,
und vom Fliederbaum den Flitter schlagen,
dennoch soll er deinen Troubadour
nicht zum blassen Leichenbitter schlagen.

Lockend will ich gleich der Nachtigall
weich vor deines Gartens Gitter schlagen.
Lugend vom Balkone siehst du mich
zierlich die verliebte Zither schlagen

(aus den Saiten blaut ein Funkenspiel,
wie vom Feuerstein die Splitter schlagen);
und du läßt mich ein und wirst mich hold
zu der Liebe treuem Ritter schlagen.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 5)

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Später Genuß

Du hieltest meinen Blick, so scheu und zahm, gebunden,
die in des Glückes Strauß mir Leid und Gram gebunden.
An strenge Maße blieb die Gunst, die du gewährt,
an Spröde jede Lust, die bang ich nahm, gebunden.

Doch einmal hat der Rausch auch deine Glut geweckt;
nicht bangend blieb dein Sinn, da kühn ich kam, gebunden.
Wie reifer Frucht Arom, so schmolz mir Kuß um Kuß:
der Schleier lag gelöst, der lang die Scham gebunden.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 6)

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Liebesnacht

Der Blütenwind, der lüstern überm Bach weht,
der bald erschwellender und bald nur schwach weht,

er windet sich durch Taxuslauben her,
wo nachtumschmiegt manch schmelzend weiches Ach weht.

Horch, wie er spielend das Spalier erklimmt
und trunknen Tritts die wilden Rosen wach weht!

Er dringt ins Fenster. Spürst du mir im Arm,
wie er ein warmes Wogen ins Gemach weht?

Hebt nicht den Vorhang eine schöne Frau,
der breit ein weicher Düfteschleier nachweht?

Komm, schließ die Augen; lausch dem kleinen Lied,
das noch im Dunkeln heimlich unterm Dach weht.

Bald tändeln Amoretten dich in Traum. -
Horch, horch, wie leis ihr himmlisches Gelach weht . . .!

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 8)

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Flüchtige Erinnerung

Erinnerungen, die mir quellen, haschen
sich leicht und lüstern, wie sich Wellen haschen -:
Du tauchtest tief den Blick in meine Blicke,
doch unerfaßbar, wie Libellen haschen.

Ich durfte Küsse dir von Stirn und Nacken,
von allen heimlich lieben Stellen haschen.
Vergleitend griffen die behenden Hände
und durften dort nach blonden Bällen haschen.

Könnt ich noch Eines Kusses linden Labe
von deines Mundes wilden Quellen haschen;
noch Eines Druckes flüchtig feines Grüßen
der Hände, die den Tag erhellen, haschen!

Du Hingeschwundne ließest mir die Lehre:
Man muß die Stunden, eh sie schnellen, haschen.
- Erinnerungen, die mir quellen, haschen
sich wohlig huschend, wie sich Wellen haschen.


Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 9)

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Selige Wandlung

Sei's, daß ich in wachen Nächten wild zu Dir geschrien habe,
daß ich garstig Dich gescholten, grausam Dich geziehen habe;
hat auch meines Kummers Wolke zu dem Wahne sich verdunkelt,
daß ich Deinen Pfad zu meiden, Deinen Gruß zu fliehen habe:
Spät erfuhr ich - und erfuhr es, ach! mit bangendem Erbeben -,
daß ich einer bittren Täuschung Sinn und Leib geliehen habe:
da ich Deiner weißen Zähne zierlich funkelnde Juwelen
an dem Saume meiner Lippen lächelnd aufgeriehen habe. -
Nachtentfahrend schaut mein Auge, wie ich, überwachter Wächter,
Dein Gelock, zur Lust gebettet, sanft auf meinen Knie habe.
Glaub, daß ich für deine Güte nur noch ungetrübte Träume
und für Deines Leibes Adel nur noch Melodien habe.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 12)

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Neue Lust

Seit ich Dich gefunden habe
und mich Dir verbunden habe,
ist's, als ob der trübste Tag
nur besonnte Stunden habe,

da ich wieder Glanz und Glück,
die mir schon geschwunden, habe
und der Seele Frost und Reif
frühlingshaft verwunden habe.

Selig bin ich, wenn ich nur
Deiner Liebe Kunden habe
und zum Preise Deiner Zier
Reime, die sich runden, habe.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 13)

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Heimgefunden

Selig, daß ich spät Dein Herz gefunden!
Selig auch, was ich an Schmerz gefunden!
Gleich dem Manne bin ich, der Musik
staunend noch im rauhen Erz gefunden,
nun ich meines Lebens leerem Klang
die melodisch weiche Terz gefunden
und, an Deiner treuen Brust gewiegt,
friedsam wieder heimatwärts gefunden.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 14)

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Unrast der Nacht

Wenn mein Auge trüb verwacht ist,
sinn ich wohl, wie tief die Nacht ist;

ob in ihr noch weiterzittert,
was am Tag geweint, gelacht ist;
ob nicht Dir ein Traumeszeichen
meiner Sehnsucht überbracht ist.

Ahnst Du nicht, welch Sturmesfeuer
nun im Finstern mir entfacht ist?
daß ein ganzer Sternenhimmel
aufgeblüht in blauer Pracht ist?

Spürt doch selbst die Erde schlummernd,
wie sie silbern überdacht ist. -
Ahne, Liebliche, wie selig
all mein Herz in Deiner Macht ist.


Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 15)

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Liebeswunsch

Alles möcht ich Dir verbunden tragen,
Dich durch sternentrunkne Stunden tragen:

Wo die Leier rauscht, der Schwan sich wiegt,
Dich durch tönende Rotunden tragen,
zu Gefilden, deren mildes Licht
Menschenblicken längst entschwunden, tragen.

Kehrend, welch ein Leuchten wird Dein Blick,
klar von unsren heiligen Funden, tragen,
zu Beladnen gleich dem Talisman,
dessen Segens sie gefunden, tragen!

Zu Verstörten möcht ich mannagleich
Deiner Milde sanfte Kunden tragen;
und sie sollten Deines Namens Klang
dankbar in berauschten Munden tragen.

Treulich schirmend würd ich Arm um Arm
panzergleich Dich zu umrunden tragen -
und im sichren Harnisch meiner Brust
selig lächelnd Deine Wunden tragen.


Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 16-17)

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Dichtergabe

Aus der Tage trüber Enge
locken leichte Lustgesänge,
reihn sich wie auf Perlenschnüre
auf der Laune bunte Stränge.

Welch ein Rauschen! welch ein Sprühen!
welch ein glitzerndes Gedränge!
Daß mir's doch, sie Dir zu fügen
zu erhabnem Schmuck, gelänge!

Schau, sie flechten sich zu eines
Krönleins Diademgestänge,
nun ich in die glitzernd bunten
klar bedacht die dunklen menge.

Neig dich leicht, auf das ich, Herrin,
hell den Schmuck ins Haupt Dir hänge.
o, nun wandelst du und leuchtest
gar in fürstlichem Gepränge.

Staunend schaut der Neid der Schwestern
Dich entrückt in höchste Ränge:
Denn es geht ein goldnes Leuchten
über Deines Lebens Gänge!

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 18-19)

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Dir!

Dir, der ich den Glanz der Seele oft in Klängen hingegeben,
sei die Glut, die sich nicht hehle, in Gesängen hingegeben;

wie ersehnte Sommernächte Silber aus den Wipfeln schleudern,
in der milden Philomele wilden Gängen hingegeben;

wie des Morgens Wolkenscharen, keusch der welken Nacht entwunden,
sich an Memnons klare Stelle klingend drängen, hingegeben;

wie sich an der Berge Schroffen dicht die Alpenrosen schmiegen,
nach des Schöpfers Urbefehle ihren Hängen hingegeben.

Dir sein meiner hellen Hämmer goldgemeißelte Geschmeide,
Dir die glitzernden Juwele, Dir die strengen hingegeben!

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 20)

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Nachtgesang

Heilige Ruhe, tiefes Schweigen eint sich keusch und schlicht der Nacht;
Mild im sterndurchwirkten Schleier strahlt das Angesicht der Nacht;
neigt sich zu dem Trunknen nieder, und mein Herz wird brunnentief:
in die weit erschlossne Seele samml ich alles Licht der Nacht.
Hoch hör ich die Leier rauschen, und die goldne Ähre blüht,
eine Feuersbrunst von Sternen zittert und entbricht der Nacht.
Und was blüht und rauscht und redet, rundet sich zu Klang und Reim:
Dankbar weih ich Dir, Geliebte, dieses Glanzgedicht der Nacht.


Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 21)

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Mein Stern

Sieh, die Blüte ist zur Frucht, ist zu Fleisch und Kern geworden;
aus dem Knaben ward der Mann, und ich bin es gern geworden.
Mancher Traum war törger Trug, und ich hab ihn stark verwunden;
der einst dem Gelüst erlag, ist sich selbst zum Herrn geworden.

Schwer und einsam ward mein Weg, seit er sich zum Ziele senkte;
Du nur bist dem Freunde nie, Schwester, fremd und fern geworden.
Wie der Schiffer Nacht und Sturm sternwärts blickend überdauert,
bist Du meiner Stürme Licht, meiner Nächte Stern geworden.


Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 22)

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Erinnerung

Da Du meine Wangen lind mit der weichen Hand gestrichen,
sie mir selig und verstummt, Blick in Blick gebannt, gestrichen:
zog's durch mein verzagtes Herz warm und lösend wie ein Wehen,
das, von süßen Düften schwer, über Sommerland gestrichen.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 23)

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Dürft' ich dich malen!

Dürft' ich auf heilige Tempelwände malen,
dein Bildnis würd' ich ohne Ende malen.
Doch wollt' ich als ein weltentrückter Mönch
erwogne Arbeit, nicht behende malen.

Ich würde mit des Leibes letzter Glut,
ein Bildner, der sich selbst verschwende, malen.
Ich würde deines Lebens letzten Sinn
und deiner Liebe große Sende malen -:

Ich würde deines Hauptes Diadem,
der Kleidung köstliches Gebände malen;
und samt der edlen Büste wollt' ich kühn
den Schwung der rein gewölbten Lende malen.

Klar würd' ich deines Leibes schönen Bau
und keusch, daß nie ein Blick ihn schände, malen,
des Auges Lust, des Mundes milden Ernst,
die Güte deiner schlanken Hände malen.

Ja, was dein Herz als Heiligstes bewahrt,
würd ich, daß man es tief verstände, malen.
Verdunkelt wollt' ich, wie ich dich verlor,
doch flammend, wie ich neu dich fände, malen.

So würd' ich unsrer Liebe Pilgerfahrt
als eine goldene Legende malen.


Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 80-81)

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Liebesbitte

Geliebter, meiner Mühsal wolle mild sein:
Laß mich durch deine Treue tief gestillt sein!
denn lange lag ich in des Grames Grund
und mußte wie ein wundgehetztes Wild sein.

Bedürftig bin ich, scheu und stumm gemacht,
kann nicht gleich dem, das nur durch Größe gilt, sein:
Ich kann dir nicht der lenzgeschwellte Strom,
kann nur der Quell, der silberrieselnd quillt, sein.

Du steige leuchtend hoch ob meiner Nacht
und wolle friedsam wie des Mondes Bild sein
und hülfreich wie sein glanzgebognes Horn
und schirmend wie sein lichtgeschaffner Schild sein!

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 82)

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Danklied

Wie ganz bist du's, der mich emporgezogen,
da du mich groß den Schwestern vorgezogen!
Mich, die vom Glück Verstoßene, hast du
aus Gram und Frost, darin mich fror, gezogen.

Du hast der Frau, die scheu im Dunkel saß,
vom Haupt des Schleiers dichten Flor gezogen
und die gen Nacht Gewandte neu verklärt
in goldner Abendwolken Tor gezogen.

Nun bin ich aus des Alltags trüber Welt,
in der mein Leben sich verlor, gezogen
und rein als deine Muse, Schwester, Braut
in der verklärten Frauen Chor gezogen.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 83)

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Neues Erwachen

Ich weiß, daß ich gleich jenen Geigen war,
in denen lange dunkles Schweigen war,
bevor ich aus des Grames großer Nacht
nun auferweckt und dir zu eigen war.

O horch, wie in dem müden Instrument
von Klängen ein verschwiegner Reigen war,
der hell zum Licht mir dieses Haupt erhebt,
das schon im abendlichen Neigen war!


Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 84)

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Leben in Liedern

So lag ich durch Jahre in bitterem Leide gebunden,
in zweifelnder Nacht wie ein irrender Heide gebunden;
da hast du zum Glauben der Liebe mich wieder erzogen
und lautere Lustmelodien um uns beide gebunden.

Du hast mich mit Klängen gekrönt und erlesne Gesänge
behutsam ums Herz mir als Schmuck und Geschmeide gebunden.
Nun quillt es und klingt mir im Herzen von heiligen Lauten:
Ich bin wie ein Psalter der Liebe, in Seide gebunden.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 85)

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Bräutliches Sehnen

Zur Zeit des sanften Silbergraus - wo weilst du?
Ich sende meine Sehnsucht aus: Wo weilst du?

An deine Pforten pocht mein heißes Blut.
O tritt aus deiner Träume Haus! Wo weilst du?

Der Sterne weiße Wächterschar beglänzt
die Wunder dieses Weltenbaus: Wo weilst du?

Mein Sänger, der den Tag versäumt: O komm!
Trag hoch mich in die Nacht hinaus! Wo weilst du?

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 86)

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Ruf in die Ferne

Mein Kind! Mein Weib! Die Du mein Heimatort bist!
Wie faß' ich's denn, daß Du, mein Frühling, fort bist?!
Du bist mein Leuchten und mein Blühn gewesen:
Geschah's, daß Du dem Darbenden verdorrt bist?

Komm heim! Mein Blut verlangt nach Deinem Blute,
da Du, Geliebte, meines Heiles Wort bist.
Mir fehlt des Lebens Sinn und sanfter Segen,
wo DU mir fehlst, die Du mein Gut und Hort bist!


Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 87)

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Begehr

Zu Deiner Linken müßt' ich liegen dürfen,
mich an die keusche Schulter schmiegen dürfen
und müßte Deine Scheu und Deine Scham
in einer seligen Nacht besiegen dürfen.

In Einer Flamme müßte Herz an Herz
zum heißdurchlohten Himmel fliegen dürfen.
Und dann müßt' ich mein still geworbnes Kind
mit warmem Hauch in Schlummer wiegen dürfen.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 88)

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Vollendung

Wenn ich in menschlichem Verein gewesen,
bin ich wie atmend unter Stein gewesen;
sie hatten ihre Lust und ihr Gelächter,
doch ihre Stimmen sind mir Pein gewesen.

Zur großen Liebe ward ich nur gezogen,
wenn ich in Flur und Wald allein gewesen.
Doch ganz lag erst die Welt in Lust vollendet,
wenn ich an seligen Tagen Dein gewesen!

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 89)

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Duft der Nacht

Ich hab mich von der Erde losgeatmet;
die Traumnacht hab ich tief und groß geatmet.

Geliebte! Deinen Duft hab ich wie Blüten,
erschüttert von des Windes Stoß, geatmet

und Deines Hauptes braun enthüllte Haare
und Deine Brüste, bleich und bloß, geatmet.

Ich habe Deines Mundes klare Quelle
und Deinen keusch geschaffnen Schoß geatmet.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 90)

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Traum der Leidenschaft

Sieh Dein Bildnis mich mit einem Male füllen,
mild wie Blütendüfte heilige Tale füllen.
Eine Wundergrotte will ich dir bereiten,
blinkend sie mit bläulichem Opale füllen.

Glühend wird mein Herz gleich einer Mondesampel
unsre Nacht mit weichem Lichtovale füllen.
Lustverloren sollen unsre klaren Blicke
stolz und rein sich mit der Liebe Strahle füllen.

Selig spür' ich Deine reichen Brüste schwellen
und Dein Nachgewand, das silberfahle, füllen.
Und erschauernd fühlst Du mich mit Glanz und Segen
Deines Schoßes rein geschwungne Schale füllen.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 91)

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Genesung

Ich hab so manche sehnende Sucht geschmeckt,
freudloser Himmel härteste Zucht geschmeckt.

Ich hab vor des Geschickes geißelndem Hieb
die herben Bitternisse der Flucht geschmeckt, -

bis daß ich Dich, allgütige Trösterin,
und Deiner Liebe Wonne und Wucht geschmeckt.

Da hab ich Deiner Augen blühendes Blau
und Deines Mundes fleischige Frucht geschmeckt

und heißer Himmelsstriche südlichen Duft
in Deines Busens brennender Bucht geschmeckt.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 92)

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Gruß in die Ferne

Da von Dir die Morgenstrahlen mir ein holdes Ahnen senden,
laß mich liebende Gedanken auf den goldnen Bahnen senden;
daß Du nicht mich säumig scheltest, daß nicht tränenschwere Wolken,
mich zu meiner Pflicht zu rufen, mir ein sanftes Mahnen senden.

Wie die nachtgenetzten Gärten die erhellten Wimpel hissen!
Wie die Wasser Perlensträuße von den stillen Planen senden!
Wie die Vögel ostwärts fliehen! Wie die weißen Wolken wallen!
Alle wollen Dir die Grüße Deines Untertanen senden!

Dürft, o dürft ich Dir, o Herrin, meine Treue, meine Liebe
auf der traumerbauten Brücke luftiger Lianen senden!
Durch die Wüste dieser Tage, da ich lange Trennung leide,
möcht' ich duftbeladner Schätze ganze Karawanen senden!

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 93)

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An die Geliebte!

Du meines Geistes gotterfüllte Kraft!
Du Schöpferhauch, der mir die Glieder strafft!
Du goldnes Gut, aus Träumen reich errafft!
Du Harfe meiner höchsten Leidenschaft!

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 94)

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Hingabe

Es müßte, was ich sang, bei Dir wie Duft in den Gemächern liegen,
und meine Briefe müßten tief in Deiner Truhe Fächern liegen;
und über Deinem leisen Schlaf müßt' all mein Sehnen und mein Sorgen
wie lauter silbernes Geleucht des Mondes auf den Dächern liegen.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 95)

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Besessenheit

Wie sich die gezähmten Schlangen an des Gauklers Stabe winden,
muß ich bunt um Dein Gedenken meines Liedes Gabe winden.

Also mag wohl um das Standbild einer schilfentwachsnen Nymphe
schmückend zarte Rosenketten ein entzückter Knabe winden.

Ja, ein sinnbetörter Knabe, könnt ich lustvoll um Dein Leben,
Dich mit Liebe zu umhegen, meine letzte Habe winden.

Und wenn Du von hinnen führest ohne Wort und ohne Grüßen,
würd' ich Blüten noch und Ranken um des Rades Nabe winden.


Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 96)

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Nachtlied für die Geliebte

Die Blütenkelche beben, wenn es nachtet.
Wie scheu wird alles Leben, wenn es nachtet!
Den Vogel, der im Glanz die Brust gewiegt,
siehst Du zum Neste streben, wenn es nachtet.

Nun sänftigt sich in mir der laute Tag:
Die Flut wird glatt und eben, wenn es nachtet.
Mich trägt es mondhinaus: Es kann der Geist
am Wust der Welt nicht kleben, wenn es nachtet.

Schon hüllt sich fern das Land in weißen Traum.
Welch wunderbares Weben, wenn es nachtet!
Wohin verlockt mich's? O Geliebte, laß
zu Dir das Herz mich heben, wenn es nachtet.

Dir weih ich gläubig jedes Tags Beginn:
Dir will ich mich ergeben, wenn es nachtet.
Das Dunkel droht: Schick Deine Liebe aus,
mich schimmernd zu umschweben, wenn es nachtet!

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 97)

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Honigmond

Mehr, als heilige Inderschriften schrittweis je beschrieben haben,
sind der Tändelein gewesen, die wir, traun, getrieben haben.
Ganz uns köstlich auszukosten, mußte solcher trunknen Tage,
solcher warmen Wonnenächte jede Woche sieben haben.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 106)

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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Bruns



 

 


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