Samuel Gottlieb Bürde (1753-1831) - Liebesgedichte

 




Samuel Gottlieb Bürde
(1753-1831)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Gewalt der Musik

Endlich wagt' ichs jüngst, Lucinden
Meine Liebe zu gestehn;
Wagt' es, ihr die Hand zu drücken; - -
Ey, Sie hindern mich am Stricken! -
Sprach sie kalt, und wollte gehn.

Kaum bewog ich sie zu bleiben;
Angeloben mußt' ich ihr,
Nicht von Liebe mehr zu sprechen;
Mein Gelübde nicht zu brechen,
Setzt' ich stumm mich ans Clavier.

Und nun sang ich, was ich fühlte,
Schmachtend war die Melodie.
Lächelnd saß die Spröd' und hörte,
Was in Worten sie empörte,
Hatt' in Tönen Reiz für sie.

In den schmelzendsten Accorden
Schildert' ich der Liebe Glück.
Ha! die Schlaue ward gefangen!
Glühend färbten sich die Wangen,
Und Gefühl verrieth der Blick.

Klug benutzt' ich meinen Vortheil,
Wandte plötzlich mich zum Schluß.
Liebst du mich? fragt' ich sie wieder;
Und sie schlug die Augen nieder, -
Und erwiedert ward mein Kuß.

Aus: Poetische Schriften von Sam. Gottlieb Bürde
Erster Theil Breslau und Leipzig
bei Wilhelm Gottlieb Korn 1803 (S. 11-12)

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Hero und Leander
Romanze

Von Abydos schwimmt Leander
Kühn nach Sestos, Nacht für Nacht;
Freylich wird er süß belohnet;
Denn sein Liebchen, Hero, wohnet
Drüben, wartet sein, und wacht.

Heute stürmts; am finstern Himmel
Glänzt kein einzig Sternenbild;
Jüngling! wag es nicht, und schwimme!
Horch! mit welcher Donnerstimme
Dir Neptun entgegen brüllt!

Doch er achtet keiner Warnung;
Muthig in die Fluth hinein
Stürzt sich der verwegne Schwimmer,
Denn ihm winkt der Kerze Schimmer
Dort, aus Hero's Kämmerlein.

Und sie steht, und seufzt am Fenster;
Ach! wie lang er heute bleibt! -
Armes Mädchen! weiche! weiche!
Ehe des Geliebten Leiche
Mit der Fluth ans Ufer treibt.

Und die Morgenröthe zeigt ihr
Den geahndeten Verlust!
Ach! mit flatterndem Gewande
Stürzt sie von des Thurmes Rande,
Aechzt, und stirbt auf seiner Brust.


Aus: Poetische Schriften von Sam. Gottlieb Bürde
Erster Theil Breslau und Leipzig
bei Wilhelm Gottlieb Korn 1803 (S. 15-16)

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Veränderte Gesinnung

Als ich zu ihren Füßen lag,
Ganz ihr zu eigen hingegeben,
Schien mirs unmöglich, einen Tag
Fern von der Einzigen zu leben.

Sie ist nun mein, seit einem Jahr,
Und jetzt zieh' ich die Stirn in Falten,
Und frage mich, wie's möglich war,
So lang' es bey ihr auszuhalten?

Aus: Poetische Schriften von Sam. Gottlieb Bürde
Erster Theil Breslau und Leipzig
bei Wilhelm Gottlieb Korn 1803 (S. 32)

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Die Ueberraschung

Auf dem Lande, bey der trauten Freundinn,
War, ach! eine ewig lange Woche
Schon mein Liebchen. Alle Nachmittage
Ging ich vor das Stadtthor, nach der Gegend,
Dort am Fuß des südlichen Gebirges,
Sehnuchtsvoll zu blicken; - hin zu eilen
Wehrten mir die leidigen Geschäfte.
Aerger als ein junger Dichter, schalt ich
Auf die Stadt, und pries das Glück des Landes.

Heute konnt' ich mit der Abenddämmrung
Meine Lieblingsaussicht erst besuchen.
Bey der Windmühl' auf der Anhöh stand ich,
Eingewurzelt, wie ein Meilenzeiger,
Ausgestreckt die Arme. - Hätt' ich Flügel! -
Und es schwebten Phantasie und Liebe
Fort mit mir; ich sah das Dorf im Thale,
Und das Haus mit rothem Ziegeldache,
Von der Linde Wipfel überraget,
Offen stand der Gartenmauer Pförtchen,
Offen auch die Hinterthür des Hauses,
Glücklich hätt' ich mich hinein gestohlen,
Wollte nun die Treppe schnell ersteigen,
Als ein Zweig, an den ich laufend streife,
Mich aus meinem wachen Traum erweckte. -

Still und einsam lag die Abendlandschaft,
Sternchen zeigten einzeln sich am Himmel,
Lichter, da und dort sich in den Fenstern;
Jetzt - wie schlug das Herz mir! kam ein Wagen
Auf dem Fahrdamm angerollt; im Dunkeln
Sah ich nur die schaukelnde Bewegung,
Hinwärts nach der Stadt gerichtet; eilte
Nach dem Thore, dort ihn zu erwarten;
Als ein morsches Rad mit dumpfen Prasseln
Brach. Zum Wagen flieg' ich, unterscheide
Der Gebieterinn, der Zofe Stimme.
Beyde stiegen aus. Auf meinen Lippen
Schwebten Worte zärtlicher Begrüßung;
Die Willkommne an das Herz zu drücken,
Hielt ich schon die Arme ausgebreitet.
Doch im gleichen Nun fuhr mir der Anschlag
In den Sinn, des Wiedersehens Freude
Noch durch Ueberraschung zu erhöhen. -

Tief drück' ich den Hut mir in die Augen,
Decke mit des Ueberrockes Klappen
Kinn und Mund, und mit verstellter Stimme
Redend, glückt mirs unerkannt zu bleiben.
Mein Geleit ward dankbar angenommen;
Ich empfand in ihres Schrittes Eile
Ach, der Liebe süßen Drang. Wir schlüpften
Durch die engen dunkeln Gassen. Heute
Pries ich die sonst oft verwünschte Kargheit
Der Erleuchtung. Abschied nahm der Führer,
An der Hausthür wird geklingelt; plötzlich
Geht sie auf, der innern Leuchte Schimmer
Fällt auf mein Gesicht, mit ihm der Neugier
Seitenblick. - Ein lauter Schrey der Freude! -
Ungestümm umarmt, und ausgescholten,
Stand ich, schweigend, vor ihr. Des Entzückens
Sprachverwirrung war in Frag' und Antwort.

Welch ein Abend! am gedeckten Tischchen
Welch ein traulich kosend Gegenüber!
Bis die holden Götter, Lieb' und Schlummer,
Uns in süßes Selbstvergessen wiegten.

Aus: Poetische Schriften von Sam. Gottlieb Bürde
Erster Theil Breslau und Leipzig
bei Wilhelm Gottlieb Korn 1803 (S. 55-58)

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Nina

Die Hände kreuzweis auf der Brust,
Saß sie am Weidenbaum,
Und träumte von vergangner Lust,
Den bittersüßen Traum.

Sanftrauschend stimmt der kühle Bach
In ihren Klageton,
Es stöhnt der West die Seufzer nach,
Die ihrer Brust entflohn. -

"Ich hab ein Reis von Rosmarin
Zum Kranze mir gewählt;
O schweigt! mein Herz hat ihm verziehn,
Wie sehr ers auch gequält."

Aus: Poetische Schriften von Sam. Gottlieb Bürde
Zweyter Theil Breslau und Leipzig
bei Wilhelm Gottlieb Korn 1805 (S. 336)

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Gespräch zwischen Mir und Ihr im Herbste

Das traurige Novemberwetter
bricht nun herein;
das grüne Schattendach der Blätter
stürzt kläglich ein;
der Wind pfeift durch die nackten Aeste
von Norden her,
die Vögel, unsre Sommergäste,
ziehn über Meer.

Sprich, Liebe, hätt'st du Lust zur Reise
ins beßre Land,
wo man nichts weiß vom Schnee und Eise,
nie Frost empfand?
wo Früchte reifen, Blumen blühen,
Jahr aus, Jahr ein,
sprich, wollen wir nach Süden ziehen? - -
"ich denke - Nein.

Ein steter Frühling würd' ermüden;
und glücklich seyn
lehrt doch in Norden wie in Süden
das Herz allein." -

Ja, Theure, jeden Strich auf Erden
macht Liebe schön!
Siberiens Schneegefilde werden
Arcadien.


Aus: Vermischte Gedichte von Samuel Gottlieb Bürde
Breslau 1789 In Commission bei Gottlieb Löwe (S. 11-12)

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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Samuel_Gottlieb_Bürde




 

 


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