Christoph Gottehr Burghart (1682-1745) - Liebesgedichte

 

Christoph Gottehr Burghart
(1682-1745)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 

 

Er liebet ohne hoffnung

1.
Reist ihr bande! brecht ihr ketten!
Mich zu retten
Aus dem kercker meiner noth /
Lasset die betrübten sinnen
Fliehn von hinnen /
Denn mein hoffen ist nun tod.
Glück und neid hat sich verbunden /
Meine wunden
Sollen fort unheilsam seyn;
Ich soll klagen
Und verzagen /
Ich soll unauffhörlich tragen
Meine höllengleiche pein.

2.
Die vernunfft heist mich entweichen
Und den streichen
Des gelückes geben nach;
Wen das urtheil hat getroffen /
Das sein hoffen
Wird zu lauter weh und ach;
Der ist weise wenn er meidet
Und nicht neidet /
Was ihm nimmer werden kan /
Drum ihr sinnen
Folgt hierinnen /
Last Lisettens huld gewinnen /
Wem der himmel zugethan.

3.
Aber ach! kanstu verlassen?
Kanstu hassen?
Saladin Lisettens pracht /
Ach vergebens: ob ich solte /
Ob ich wolte /
Keines steht in meiner macht /
Eher werd ich geist und leben /
Wieder geben /
Eh mein herz die treu auffgiebt /
Ob die Ketten
Von Lisetten
Gleich noch schlechte hoffnung hätten /
Bleib ich doch in sie verliebt.
(Theil 4 S. 165-166)
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An Brisinden

1.
Soll meine liebe nichts als herben schmerz gebähren?
Soll meiner hoffnung-feld nur voller dornen stehn?
Heist mich der himmel stets auff steilen felsen gehn?
Und will mir keine ruh gewehren?
Ach ungerechter schluß!
Wie reimt sich dieses wohl zusammen?
Du zwingst mich / daß ich lieben muß /
Und wilst doch meine glut verdammen.

2.
Bey vollen schüsseln seyn / und nichts daraus geniessen /
Macht daß der hunger nur in unsrem leibe wächst;
So auch ein liebender nur desto stärcker lechst /
Wenn er muß dieses nahe wissen /
Und offt vor augen sehn /
Was keine geister hat gefangen;
Nicht aber darff um hülffe flehn /
Noch zeigen seiner brust verlangen.

3.
Ich kan Brisinden zwar wohl offte schaun und sprechen /
Doch nur als einen baum / der mir verbothen ist;
Ich darff von seiner frucht / wornach mich stets gelüst /
Nichts unterstehen abzubrechen;
Sonst würde mich ihr grimm /
Aus diesem paradiese jagen /
Und die vor angenehme stimm /
Mit tausend donnerworten schlagen.

4.
Indessen mehret sich mein schmerz mit dem verlangen /
Und meine marter nimmt mit den begierden zu;
Ich dencke stets an sie und stöhre meine ruh;
Wenn ich die purpur gleiche wangen /
Wenn ich den rosen-mund /
Und ihre liljen-brust erwege /
So wird mein herz auffs neu verwundt.

5.
Was kan sich meiner pein in aller welt vergleichen?
Wird ein verbrecher schon auff foltern ausgespannt /
Ein andrer aber gar zu asch‘ und staub verbrannt /
Muß doch ihr schmerz dem meinen weichen;
Sie leiden kurze zeit /
Hingegen meine brust empfindet /
Wie ihrer flammen hefftigkeit
Sich immer mehr und mehr entzündet.

6.
Ach so erbarme dich! O Himmel und Brisinde!
Von eurem willen kommt der ursprung meiner pein /
Durch ihn kan alle Noth auch leicht gehoben seyn;
Wenn ich bey euch genade finde;
Und zwar wo schönste du
Nur meine klage wilst erhören /
So wird der himmel meine ruh /
Weil er dich ehrt / auch nimmer stören.
(Theil 4 S. 169-170)
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Er will nicht mehr lieben

1.
Weg / O liebe!
Deinem ungereimten triebe
Sag ich itzund gute nacht;
Alles was dein schnelles gifft und dein feuer angestecket /
Was nach deinen lüsten schmecket /
Alles wird von mir verlacht.

2.
Zwar von diesen
Hab‘ ich dir auch ehr‘ erwiesen /
Und viel Opfer angebrandt;
Aber als mich Leucoris hat zu ihrem sohn‘ erkohren /
Hab ich deinen dienst verschworen /
Und zur freyheit mich gewandt.

3.
Auff den schulen
Kont‘ ich noch bißweilen buhlen /
Da war offtmahls lange zeit;
Wenn ich in der lection mich halb lahm und krumm gesessen/
Ward ich dann durch die Caressen
Meiner Oloren‘ erfreut.

4.
Itzt verschwinden
Mir die zeiten mit den Winden /
Alle stunden wend ich an;
Wer in seiner Facultät sich noch will habilitiren /
Muß wohl tag und nacht studieren /
Eh er Doctor werden kan.

5.
Drum Amouren
Weg / verlasset meine fluren!
Räumet die befreyte brust /
Eure tempel sind verstört und den Musen eingegeben /
Diesen will ich künfftig leben /
Diese bleiben meine lust.

6.
Weg Romainen,
Die zur lieb uns nur gewähnen /
Eure titel sind nur tand;
Dir O Codex bin ich hold! euren titeln / ihr Pandecten /
Bleiben künfftig die Affecten,
Meiner sinnen zugewandt.

7.
Weg ihr lieder /
Euer thon ist mir zu wieder /
Weil ihr von der liebe zeigt;
Lex und Regel werden mir weit mehr ruhm und ehre bringen;
Euren ungereimten dingen /
Ist kein kluger mensch geneigt.

8.
Endlich schöne
Vorgeliebte Olorene,
Gute nacht mein liebespol /
Ich mag deinen netten leib vor kein corpus juris nehmen /
Dessen darff ich mich nicht schämen /
Aber deines leibes wohl.
(Theil 4 S. 167-168)
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Als sie von der thüre weglieff /
da sie ihn kommen sahe

Wie? flieht mein engel denn vor ihrem Saladin?
Und will fort keinen gruß aus seinem munde hören?
Noch seine demuth mehr durch einen blick verehren /
Was muß die uhrsach seyn? war ich vielleicht zu kühn /
Als sich mein auge ließ zu deinen sternen ziehn?
Wie / oder will dich sonst ein falscher wahn bethören /
Und etwas wiedriges von deinem knechte lehren?
Doch nein / ich irre sehr: ich weiß ja was ich bin /
Ein Mensch voll sünden wust / voll ungeheurer Mängel
Du aber heist und bist ein unbefleckter engel /
Nun kan ein engel ja bey keinem sünder stehn /
Denn von den lastern wird der reine geist vertrieben
Was wunder! daß du nicht bist an der thüre blieben /
Als ich nechst hin zu dir / O engel / wolte gehn.
(Theil 4 S. 81)
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Er vergleicht sie mit der sonne

Als ich nechst deine pracht / mein engel / wohl erwog /
Und mir den fürhang recht von beyden augen zog /
Da fand ich daß mit dir auff erden nichts zu gleichen;
Denn / wer vollkommen ist / vor dem muß alles weichen.
Hierauff sah ich den glanz des hohen himmels an /
Und sprach: Hier ist / womit man dich vergleichen kan /
Das schöne sonnen-licht wird sich in allen stücken /
Zu deiner schönheit wol am allerbesten schicken:
Wilstu die probe sehn? Sie stimmet völlig ein /
Was gleiche gaben hat / das muß ja gleiche seyn.
Dem glanz der sonnen weicht der andern sternen schimmer;
So auch hat deine pracht vor allem frauen-zimmer /
Womit Elysien / womit Budorgis prangt /
(Ob sie gleich alle hübsch) den höchsten ruhm erlangt.
Die sonn' erleuchtet uns das ganze rund der erden;
Du aber unsre stadt und wilst zur Sonne werden /
Drum brauchen wir hinfort der andern lichter nicht /
Weil uns / wenn du noch blühst / kein sonnenschein gebricht.
Die sonne kan ihr licht viel andern sternen geben /
Und bleibet doch wie vor; Lisettens pracht kan eben
Noch hundert andern gnug zu ihrem schmucke seyn /
Sie bleibet doch wie vor vollkommen ungemein.
Die sonne scheint so wol den bösen als den frommen;
Du lässest deinen blick auch auff dieselben kommen /
Die dieser gnade doch mit nichten würdig sind /
Und / wie in jener strahl die erd' erquickung findt /
So kan dein anblick auch die grösten schmerzen stillen!
Und eine trübe brust mit frohem trost erfüllen /
Denn wie der nebel nicht bey sonnen-strahlen bleibt /
So auch dein auge leicht die traurigkeit vertreibt.
Die sonne scheinet stets / ihr glanz wird nicht vermindert /
Ob eine wolcke gleich uns sie zu schauen hindert;
Du bleibest wie du bist / und deine tugend strahlt /
Obgleich vor sie der neid viel fleck- und decken mahlt.
Man kan die sonne nicht mit blossen augen schauen /
Ihr licht verblendet uns: so / welche sich getrauen /
Dein blitzend angesicht genauer anzusehn /
Um deren augen ist es ebenfals geschehn;
Ja nicht die augen / nur das herze selber fühlet /
Wenn deine sonne recht mit ihren plitzen spielet /
Da man doch jener macht nur auff der haut erkennt /
Lisettens auge gar biß in das herze brennt.
Die sonne ruhet nicht / sie lauffet ohn verweilen;
Dich heisset auch der fleiß in allen dingen eilen /
Es kan die schöne hand nicht lange müßig stehn /
Noch der galante fuß umsonst spazieren gehn.
Der sonnen cörper ist mit bergen angefüllet:
Zwey berge zieren dich / woraus mein glücke quillet /
An weisse gleichen sie dem schnee und helffenbein /
Und können wohl mit recht ein thron der liebe seyn.
Die sonn' ist zwar sehr hell / doch hat sie tausend flecken;
Dein zarter leib kan uns verwunderung erwecken /
Kein tadel ist an ihm / kein fehler ist zu schaun /
Die liljen gleiche haut ist nirgend schwarz noch braun /
Es sey dann / daß du nichts der sonnen nachzugeben /
Ein schwarzes pflästrichen wilst auff die wangen kleben /
Und dieses solte dir mit nichten garstig stehn /
Du wirst vielmehr dadurch wohl noch einmahl so schön.
Die sonne kan nicht stets uns ihre flammen zeigen /
Sie muß zur unterwelt noch alle tage steigen;
Dein glanz erfreuet uns so wohl bey tag als nacht /
Schlafft gleich dein augenpaar / schläfft doch nicht deine pracht.
Dies macht es / daß man dich kan eine göttin nennen /
Dann / will das tolle volck der sonnen weyrauch brennen /
Und heist sie einen Gott; so schmücket man ein hauß /
Mit besserm rechte / dir / als einer göttin / aus.
Wer zweiffelt nun hinfort / daß du der sonne gleichest?
Der neid weiß selber nichts / worinnen du ihr weichest:
Ach! ungemeines kind ich bin mit dir vergnügt /
Weil alle liebligkeit in dir vergraben liegt.
Nur dieses ist mir leid / daß du in einem stücke
Der sonnen gleiche bist / dies ist mein ungelücke!
Der sonnen klares licht verliehrt offt seinen schein;
So auch wird deine pracht dereinsten nichts mehr seyn /
Indem der tod dich wird ins finstre grab verstecken /
Und deinen zarten leib mit seinem kittel decken.
Erweg ich dieses recht / so wüntscht mein treuer sinn:
Ach himmel nimm mich ja vor diesem falle hin!
(Theil 4 S. 45-47)
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Als er sie im garten bey einem andern sahe

Was seh ich? ist es wahr? darff ich den sinnen trauen?
Wie? oder seh ichs nicht / was doch die augen schauen?
Ach! ja / sie ist es selbst / ihr gang / statur und kleid /
Trifft mit Lisettens ein / hier ist kein unterscheid.
So bin ich ausgethan? So hat man mich vergessen?
Was Saladin an dir am ersten hat besessen?
O himmel / erd und lufft bestrafft den falschen sinn /
Und reisset mich zugleich durch euren eyfer hin!
Heist dieses mir getreu? Heist dieses mich nur lieben?
Nein! du hast deinen scherz mit meiner pein getrieben.
Ach! daß ich dich gesehn! ach! daß ich dir vertraut!
Ach! daß ich meine treu auff deinen sand gebaut!
Seht wie sie Vermidor auff tausend arth bedienet!
Seht wie er sie wohl gar zu küssen sich erkühnet!
O himmel / erd und lufft bestrafft den falschen sinn!
Und reisset mich zugleich durch euren eyfer hin.
Die bäume scheinen selbst das falsche paar zu hassen /
Ihr schatten fliehet weg / wenn sie sich blicken lassen;
Der wipffel rauschen zeigt mir ihren unwill' an /
Ihr krachen dreuet schon / weil ich nicht straffen kan /
Und ihrer äste fall soll dich mit schrecken lehren /
Daß man nicht ungestrafft die treue kan versehren;
Drum himmel / erd und lufft strafft auch den falschen sinn /
Und reisset mich zugleich durch euren eyfer hin /
Mein auge schleuß dich zu; ihr schnellen füsse fliehet!
Weil mir mein unglück hier in diesen fluren blühet;
Ach! könt aus ihrem garn mein geist so leicht entfliehn /
Als ihrer gegenwart sich kan mein fuß entziehn!
Allein so werd ich sie biß in den tod verehren /
Ob ihre falschheit gleich muß meinen schmerz vermehren /
O himmel / erd und lufft bestrafft den falschen sinn!
Und reisset mich zugleich durch euren eyfer hin!
Doch nein / nein / schonet noch der / ob zwar falschen / schönen!
Vielleicht wird sie mit mir sich wiederum versöhnen;
Ja solt es nicht geschehn / so straffet mich allein /
Sie aber lasset stets vergnügt und glücklich seyn;
Ich will vor ihre schuld mit meinem leben büssen;
So wird sie denn zuletzt aus meiner treue schlüssen /
Daß ihrer liebe werth nur ich gewesen sey /
O himmel / erd und lufft stimt meinem wuntsche bey.
(Theil 4 S. 47-48)
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Als sie auff dem Clavir spielte und drein sang

Wie lange muß dein knecht doch etwas von dir bitten /
Worinnen man dich nicht genung bewundern kan;
Ein stümper darff sich nur vor frembden ohren hütten;
Du aber greiffst den ruhm der besten meister an /
Und kanst dich über sie mit gutem rechte setzen /
Doch deine demuth schlägt dergleichen lobspruch aus /
Und spricht: Mein singen ist nicht tüchtig zu ergötzen /
Mein spielen kombt noch gar zu ungeübt heraus.
Ach schönste! kanstu wohl mit wahrheit solches sagen?
Verzeih / ich glaube dir / in diesem stücke / nicht;
Jedennoch wirstu mich am allerbesten schlagen /
Wo finger und Clavir das zeugnüß selber spricht;
Wo deine stimme mich wird etwas anders lehren /
Und wo mich deine hand durch spielen überweist /
Erhalt ich diesen wunsch / so wirstu selber hören /
Daß meine liebe dich / mit gutem rechte / preist.
So bath ich / als wir nechst allein beysammen waren /
Und ich dein Clavicord eröffnet stehen fand;
Du liessest mir das glück' auc endlich wiederfahren /
Und nahmst das Notenbuch und dein Clavir zur hand.
O himmel! O / was hab ich wunder da gesehen /
Was hab ich da gehört! ich stund als wie entzückt /
Um meine freyheit war es längst zuvor geschehen /
Sonst hättest du gewiß sie dazumahl bestrickt.
Du spieltest ungemein; es kamen läuffer / fugen /
Und sonst ein schwerer griff dir als was leichtes für /
Die finger flogen recht / wann sie geschwinde schlugen /
Und / zeigten überall die trefflichste manier;
Der beste meister muß hier seine seegel streichen /
Wenn deine schöne hand sich ihm' entgegen setzt /
Ja selbst Francesco wird dein lob nicht halb erreichen /
Ob ihn die albre welt schon unvergleichlich schätzt.
Noch mehr bewegte mich dein ungemeines singen /
Die schöne stimme war der engel stimme gleich /
Ich wüntschte meine zeit stets also zuzubringen /
Es dauchte mich dein hauß ein rechtes himmelreich.
Weg! weg! Italien! mit deinen sängerinnen /
Die der gemeine ruff biß an die sterne hebt /
Du wirst hinfort durch sie ein schlechtes lob gewinnen /
So lang' Elysiens Lisette nur noch lebt.
Weg ihr Castraten weg mit den Coloraturen!
Die stimme will bey euch schon etwas heischer seyn;
Hingegen machet hier Lisetttens hand figuren /
Und singt ihr schöner mund / so ist es ungemein.
So dacht ich dazumahl und itzo muß ichs schreiben /
Damit du sehen kanst / ich habe wahr gesagt /
Als ich dein lob erhöht; es wird auch ewig bleiben /
So lange nur der Welt die liebligkeit behagt.
Zwar deine höffligkeit will diesen ruhm nicht leiden /
Und du verachst dich selbst / allein es ist nicht recht;
Damit du künfftig nun must diese Sünde meiden /
So soll die straffe seyn ein kuß von deinem knecht'.
In dessen lebe wol / die freude heist mich schliessen /
Die mir die hoffnung macht / daß ich dich küssen soll;
Ich weiß du wirst die schuld mit gutem willen büssen /
Drum schreib ich recht vergnügt: mein engel lebe wol.
(Theil 4 S. 49-50)
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Saladin an Lisetten

Geh hin beglücktes blat / geh küsse diese hände /
Die mich mein unfall itzt nicht selber küssen läst /
Geh / sprich / daß Saladin dich an Lisetten sende /
Der treue Saladin / der seinen lebens-rest
In einer frembden lufft mit seuffzen soll beschlüssen /
Weil ihn dein lebens-licht nicht mehr bestrahlen kan;
Und wo sie was begehrt, von meinem thun zu wissen /
So zeig' ihr meine pein und meine schmerzen an /
Die mir / seitdem ich bin aus unser stadt gewichen /
Ein tägliches confect auff meinem tische sind;
Erzehle wie kein tag / wie keine nacht verstrichen /
Ja noch kein augenblick mir ohne sie verschwindt;
Deß tages red' ich nur mit ihr in den gedancken /
Bey nachte kan ich sie in tausend träumen sehn;
Ach! träume! seuffz' ich denn / ach bleibt in euren schrancken!
Was hilfft die phantasie / wenn es nicht kan geschehn?
Nun wol / geliebter brieff / fleuch mit erwünschten winden
In das beglückte land / wo dieser engel ist /
Allein / wer weiß ob du auch wirst genade finden /
Wer weiß / ob deine schrifft ihr schönes auge liest?
Vielleicht verhindert sie ein neuerwehltes lieben /
Ein langer weiberrock bedeckt offt kurze treu;
Vielleichte bin ich längst zu denen eingeschrieben /
Die man vergessen hat; ich fürchte vielerley;
Es kan Liticenat sie überwunden haben;
Es kan auch Hermion ihr liebster diener seyn;
Es kan ein frembder sich an ihrer liebe laben;
Es kan auch wol ein Freund mir das verderben dreun;
Ach schmerz! ist dieses wahr / so wüntsch' ich zu erbleichen/
So such ich mir den tod; mein leben würde doch
Nur einer marterbanck / ja einer höllen / gleichen /
Wo schwarze traurigkeit / wo kummer und was noch
Weit schrecklicher / als die verzweifflung / das gewissen /
Die grausen hencker sind. Ach himmel! laß mich ja
Vielehe durch den tod die matten augen schliessen /
Wo von Lisetten mir dergleichen unfall nah.
Doch wo gerath' ich hin? was bildet meinen sinnen /
Von falscher wanckelmuth mein schweres leiden ein?
Ach schönstes kind verzeih! du weist / es muß hierinnen
Ein recht verliebter geist offt etwas zärtlich seyn.
Vergib der treuen hand / wo sie zu viel geschrieben /
Auch ihr verbrechen stellt die grosse treue dar;
Ich weiß es / daß du mir annoch getreu vorblieben;
Allein die liebe sieht vielmehr auff die gefahr /
In die sie fallen kan; versichre mich mein leben /
Schreib nur drey worte her: Lisette bleibt getreu:
So will ich ferner nicht der furcht gehöre geben /
So lebet meine brust von allem zweiffel frey.
Wiewol es ist zu viel; ich darff es nicht begehren /
Daß deine schöne hand mich durch das schreiben ehrt /
Denn pflegt man sklaven wol dergleichen zu gewehren?
Ich will zu frieden seyn / ist nur mein wuntsch erhört;
Behalte schönstes kind / nur stets das alte wesen /
So bleibt zum wenigsten mein hoffen unverrückt;
Und darf ich nur von dir nie etwas neues lesen /
So werd ich allemahl durch diesen trost erquickt /
Daß keine feinde mich und meine ruh bekriegen /
Und daß ich noch zuletzt / O allerschönster lohn!
In deiner schwanen-schooß / Lisette / werde liegen /
Dann trägt beständigkeit den sieges-kranz davon,
Ich zweiffle nicht daran; das glück ist mir gewogen /
Es hat bißher von mir den untergang gewandt;
Die neben-buhler sind wie leichter rauch verflogen /
Ich aber fühle noch den angenehmen brand /
Den deine pracht in mir / O engels-bild / entzündet /
So lange dieser noch beflammt den matten geist /
So lange leb ich auch; so bald als der verschwindet /
Ergeht mein todesspruch / der mich ins grab verweist;
Denn ohne liebe kan und mag ich nimmer leben /
Sie ist ein rechtes horn / das allen überfluß
Uns von vergnügungen von süsser ruh kan geben:
Sie macht daß unsre brust den schmerzlichen verdruß /
Den schwersten unglücksfall / durch groß muth überwindet;
Sie ist der süsse zug / der einen edlen sinn /
Aus seinem schlaffe reist / und was zu thun verbindet;
Wol allen / und wol mir! daß ich verliebet bin!
Ich kan hierinnen mich vor andern seelig preisen /
Weil du das schöne ziel in meiner liebe heist;
Die welt hat schwerlich was dir gleiches aufzuweisen /
Das die vollkommenheit / wie du / in sich beschleust;
Ach! daß der himmel mich so weit von dir entrissen!
Ach könte wie zu vor dich doch mein auge schaun
Und stets den achten tag in unserm tempel grüssen /
Ich wolte meine ruh auff dieses glücke baun:
Allein gedult! gedult! wer weiß ob mein verlangen /
Nicht zu bestimmter zeit des himmelsschluß erfüllt:
Ihm stell' ich alles heim / er hat es angefangen /
Er selber ist es ja / von dem mein lieben qvillt;
Und wie er mir bißher beständigkeit gegeben /
So ist er auch vielleicht auff meinen lohn bedacht;
Indessen laß' er nur dich / schöner engel / leben /
Durch dein vergnügen wird auch dessen lust gemacht /
Der sich verbunden hat dein Sclave zu verbleiben /
So lange / biß der tod sein leben reisset hin /
Erlaub' ihm nur geneigt sich allezeit zu schreiben:
Der schönen Lisilis getreuer Saladin.
(Theil 4 S. 50-53)
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Auff ihre allzugrosse Fettigkeit

Hilff himmel! welch ein bild! soll das Lisette seyn?
Ist das ihr netter leib / ihr zartes angesichte?
Wie? oder äffet mich vielleicht der augenschein /
Indem ich nur auff sie stets die gedancken richte;
Ach nein! du bist es nur; ich kenne deinen strahl /
Ob du mir von gestalt gleich fast unkenntlich worden /
Dem auge bleibt die krafft auch in der grösten qvahl /
Womit den schönen leib das glücke sucht zu morden.
Wo ist die Majestät? wo die annehmligkeit?
Mit der dein antlitz vor wie eine Göttin prahlte;
Wo ist der wundermund? dem ich vor wenig zeit
Noch die verliebte schuld in einem traume zahlte.
Wo ist der dünne halß? wo ist das kleine kinn?
Wo ist der schlancke Fuß? wo sind die kleinen hände?
Wo der geschickte leib? ach schmerz' ist alles hin?
Ach findet deine pracht ein so geschwindes ende?
Zwar deine brust behält noch ihren heissen Schnee /
Die lilien / der halß / die rosen deiner wangen /
Und was mir lindern kan das übergrosse weh /
Der ungemeine geist ist noch nicht untergangen /
Nur was dich vor beliebt und angenehm gemacht /
Der glieder artigkeit ist ganz und gar verschwunden /
Wie sich dem tage gleicht die ungeheure nacht;
So hab ich Lisilis ihr selber ähnlich funden.
Ein frembder überfluß von vieler fettigkeit /
Vernichtet alle zier / verstellt dein ganzes wesen /
Das vormals kleine haupt ist allzu dick und breit /
Ja wo uns die natur ließ ihre künste lesen /
Da lässet sie uns ietzt auch ihre fehler sehn.
Ach schmerz! was hat an dir dein meister-stück verbrochen?
Daß ihm ein solcher fall zur straffe muß geschehn?
O himmel! dieses heist mehr als zu scharff gerochen!
Doch nein/ ich glaube nicht daß es von dir entspringt /
Es kan dein Ubel wohl aus andern quelle fliessen /
Wer zweifelt? daß die welt verfluchte schlangen bringt /
Die ihr verteuffelt gifft auff alle stellen giessen;
Vielleichte trat dein Fuß auff einen solchen ort!
Vielleichte hat dich wo ein drachen-hauch vergifftet /
Und basilisken blick; vielleichte hat ein wort /
Durch seine zauberkrafft dein unglück angestifftet.
So war / verdammter neid / dir so ein leichtes ding /
Lisettens grossen geist mit tausend lügen plagen?
Du must auch ihren leib der voller rosen hieng /
Mit greulicher geschwulst durch teuffels mittel schlagen.
O himmel! schaustu diß und kanst geduldig seyn?
Wilstu nicht ohn verzug den frechen frevel dämpffen?
Und schlägt dein eyfer nicht mit blitz und donner drein?
Auff! auff! du selber must vor deine kinder kämpffen!
Brich loß / zertritt den kopff / der uns so tieff verletzt;
Es müsse tausend weh auff dessen scheitel kommen /
Und tausend plagen sey demselben zugesetzt /
Der sich mein engel dir zu fluchen unternommen.
Nun wohl! es wird geschehn / getrost mein werthes kind!
Dein auge sieht betrübt / ich muß mit dir mich grämen;
Allein getrost! gleichwie man offtmals wieder findt /
Was uns der himmel ließ durch frembde tücke nehmen;
So glaube / daß auch du die ietzt verlohren pracht
Der glieder artigkeit bald wieder kanst erlangen;
Und wie ein Phoenix / den die flamme neu gemacht /
Weit schöner als zuvor mit neuer zierde prangen.
Doch gläube dieses mir / mein engel auch dabey /
Solt uns der himmel gleich nach wuntsche nicht erhören /
Sa daß dein erster schmuck nicht mehr zu hoffen sey /
Werd' ich doch deinen geist biß in den tod verehren.
(Theil 4 S. 53-55)
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Er offenbahret Lisetten seine liebe

Darff sich ein kühner brieff zu deinen füssen werffen /
Worinnen jedes wort von treuer liebe sagt?
Und wird ein schlechter knecht auch an dich schreiben dürffen /
Wie viel / wie allzu hoch sein herze sich gewagt?
Ich zweiffle fast daran / wenn ich bey mir erwege /
Daß nur dein grosser geist auff etwas grosses denckt /
Derhalben seh ich schon die harten donnerschläge /
Die dein ergrimmter arm auff meine scheitel lenckt;
Ich sehe schon zuvor / wie du für zorn erbleichet /
Und der verwegenheit mit tausend worten fluchst /
Ich sehe wie dein Fuß erstaunt zurücke weichet /
Wie neue marter du zu meiner straffe suchst.
Dies alles weiß ich schon / und muß dafür erschrecken /
Allein / ich will viel eh durch deine hand vergehn /
Als länger meinen schmerz in dieser brust verdecken /
Und ob ich lieben darff in ungewißheit stehn;
Mein schweigen ist bisher mich theuer angekommen /
Die grösse meiner pein hat die gedult besiegt /
Drum hab ich mir ein wort zu reden vorgenommen /
Reizt dieses deinen zorn so sterb ich wol vergnügt /
Ach! aber darff ich was / Lisette / von dir bitten?
So höre mich zuvor in diesen zeilen an /
Eh du den stab zerbrichst / steig mit bedachten schritten
Auff deinen richterstuhl / trau nicht auf falschen wahn;
Erwege doch genau die liebe meiner sinnen /
Die bis ins vierdte jahr (ich sag' es ohne scheu)
Mich dir zum sclaven macht / dann straffe mein beginnen /
Und sprich mir den sententz / ob ich zu tadeln sey.
Ich muß es zwar gestehn / ich will mich höher schwingen
Als meine würdigkeit und tugend meritirt,
Nur Fürsten solten dir die liebes-opffer bringen /
Allein die liebe hat hierzu mich angeführt /
Drum mag sie mich bey dir hierinnen auch vertreten /
Sie mag ihr altes recht zu schützen sich bemühn /
Da sie offt hohe zwingt was schlechtes anzubeten /
Dadurch sie niedrige nach hohen pflegt zu ziehn.
Sie achtet keinen stand; es muß wol eine crone /
Wenn sie es haben will / bey einem rocken stehn /
Und gleichfals liegt es nur an ihrem kleinen sohne /
So darff ein ackers-mann zu einer Fürstin gehn.
Uns wolte die natur in vielem gleiche haben /
Ach hätte sie dir auch ein gleiches herz gemacht!
Ich wolte meinen geist an deiner liebe laben /
So aber wird mein tag zu einer düstern nacht.
Diß / was ich hier gesetzt ist kein so frembdes wesen /
Mein auge hat es dier vorlängsten kund gethan /
Du kontest gar zu wol an meine stirne lesen /
Was mir im herzen steckt / und sich nicht bergen kan.
Du siehest / wo du wilt / wie offt mein mund erröthet /
Wenn du im tempel mir ganz in der nähe sitzt /
Ich stehe recht erstaunt / ich scheine fast ertödtet /
So bald ein ernster strahl aus deinen augen blitzt.
Doch eben dieser blick / der mich zu tödten meinet /
Reist die betäubte brust aus ihrem nebel raus;
Wann deine sonne nur auff meine stelle scheinet /
So kläret sich auch bald mein ganzer himmel aus.
Als ich vor langer zeit mich dreymahl dorffte wagen /
In deiner gegenwart die harffe zu bemühn /
Ach! wie war ich verwirrt / ich konte wenig schlagen /
Ich konte meinen fuß kaum mehr zurücke ziehn;
Er war zur erde sich zu werffen schon befliessen /
Und wolt um heilsam oel vor seine wunden flehn /
Ja hätte man nur nicht die andern scheuen müssen /
Es wäre warlich wol das letzte mahl geschehn.
Allein so musten nur die stillen blicke zeigen /
Was weder mund noch fuß zu thun erlaubet war /
Die seuffzer redeten / die lippen musten schweigen /
Ich furchte deinen zorn und liebte die gefahr.
Hastu Lisette nun die ketten angeleget /
So laß auch itzo zu / daß ich sie rühren darff /
Ich freu mich abermahl / wenn sich ihr klang erreget /
Indem das schönste kind mich in dieselben warff.
Dein treuer sclave liegt zu deinen zarten füssen /
Und betet deine pracht mit heisser andacht an /
Laß meine kühnheit doch nicht allzustrenge büssen /
Erweise daß bey dir erbarmung wohnen kan.
Du wirst durch güttigkeit dein hohes lob vermehren /
Und wo du meine treu mit gegenliebe lohnst /
So wird man deinen ruhm auch bey der nachwelt hören /
Wenn gleich dein knecht und du schon bey den sternen wohnst.
Wilstu den festen schluß des himmels denn verdammen?
Was das verhängniß heist / dem ka man nicht entfliehn /
Vom himmel kommen ja / bedenck es / meine flammen /
Dem wirstu dich umsont zu wiederstehn bemühn.
Drum weigre dich nicht mehr der liebe platz zu geben /
Sprich nicht: ich mag und will niemals verliebet seyn:
Wer ohne liebe lebt / hat nur ein halbes leben /
Und hegt in seiner brust ein herz aus Marmelstein.
Was nutzt das rosen-feld auff deinen schönen wangen?
Und was die lilien auff deiner schwanen-brust?
Kanstu auch einen kuß von deinem mund' erlangen?
Und hastu selbst an dir die allergröste lust?
Nein / traun / ein ander mund muß deine lippen küssen /
Und einen frembden sind die blumen zugedacht?
Du wirst es selber noch dereinst bekennen müssen /
Daß dein so schöner leib nicht dir allein gemacht.
Ich schreibe wol zu kühn / ach schönste! diese schmerzen
Verhindern daß ich nicht mein unglück fürchten kan /
Die lust und ungedult bestreiten mich im herzen /
Und etwas hoffnung führt die kühne Feder an.
So laß doch meine pein mich nicht vergebens qvälen /
Bedencke / liebe sey der gegenliebe werth /
Soll ich noch immerfort mehr marterwochen zehlen?
Wo bleibt der Oster-tag den meine brust begehrt?
Wilstu auff wahre treu den liebes-ancker gründen /
Und nicht auff leichten sand der eitelkeiten baun /
So kanstu wol an mir ein bild der treue finden /
Dergleichen in der welt wol schwerlich ist zu schaun.
Ich bin kein leichtes rohr / das jeder wind bewegt /
Was ich mir vor gesetzt / das halt ich steiff und fest;
Die liebe wird in mir nicht itzo erst erreget /
Ihr alter macht daß sie sich nimmer ändern läst.
Du kanst den treuen sinn auch nur hieraus erkennen /
Daß ich dich da geliebt / wie keine hoffnung war;
Ich sahe / wie es schien viel andre herzen brennen /
Die alle mehr denn ich; allein die ganze schaar
Ist / wo ichs sagen darff / als wie ein rauch verschwunden /
Nur Saladin behält den alten treuen sinn;
Die andern haben sich meist anderweit verbunden /
Ich bleibe dir getreu / so lang' ich etwas bin.
Genung / ich schlüsse nun / ich kan nicht länger schreiben /
Die worte wollen nicht nach meinem wunsche gehn /
Wer seine reden kan auffs allerhöchste treiben /
Und seine liebe läst in tausend worten stehn /
Der stecket voll betrug; du kanst genugsam sehen /
Was dein getreuer knecht mit wenig sylben sagt /
Erbarmt dich meine pein / so kan es bald geschehen /
Daß Saladin sein leid Lisetten mündlich klagt;
Wo du mich aber wilst durch deinen haß verderben /
So werd ich biß ins grab dir auch gehorsam seyn /
Der matte leib wird bald; die liebe nimmer sterben /
Sie wird aus meiner grufft stets rache / rache schreyn.
(Theil 4 S. 55-59)
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Die schöne Comödiantin

Was rühmt sich Spanien mit seiner Calderone /
In deren liebes-Garn ein grosser Philipp fällt?
Hier ist Angelica so ihr die wage hält /
Ein ungemeines bild / das eher einer crone
Als jene würdig ist / ja auff dem liebes-throne
Wird sie der Venus schon als Göttin zugesellt /
Den Fürsten lieben sie die götter unsrer welt;
Was will Angelica denn mehr zu ihrem lohne?
Ha! werthes vaterland dein ruhm muß ewig stehn /
Dann / wenn von uns sie wird in frembde länder gehn /
So werden diese gar / doch aber falsch gedencken
Daß sie Elysien der schönheit sonn' entwandt /
Nein! es ist ein Comet / den wir euch zugesandt /
Die sonnen pflegen wir nicht leichtlich wegzuschencken.
(Theil 4 S. 77)
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Auff die Dorilis

Dein nahme ist mir zwar / du aber nicht bekandt /
In dem dich Dälamon mir niemals zeigen wolte /
Weil eyfersucht bey ihm mehr als die freundschafft golte
Itzt strafft der himmel ihn durch ein entferntes land /
Wird deine gegenwart ihm' unverhofft entwand.
Ich weiß es / daß ein bach aus seinen augen rollte /
Wie er den abschieds-kuß von dir empfangen solte;
Ich weiß es / daß auch dir der schmerz die geister band;
Allein der himmel läst sich dieses nicht erweichen /
Es ist sein fester schluß: er will euch wermuth reichen /
Nachdem ihr lange zeit den zucker habt geschmeckt;
Ja Dälamon soll dich nicht eher wieder küssen /
Biß daß er Saladin läst deine schönheit grüssen /
Und biß kein eyfer mehr in seinem herzen steckt.
(Theil 4 S. 78)
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An eine Nonne

Darff sich was weltliches in deine zelle wagen?
Darff wohl / O heilige / bey dir ein sünder stehn?
Du pflegest sonsten zwar mit engeln umzugehn;
Jedoch GOtt selber will sein hauß uns nicht versagen /
Wann wir nur an die brust mit leyd und reue schlagen:
Mich drückt der sünden-last; du wirst dein lob erhöhn /
Woferne du mich läst bey dir zur beichte gehn;
So laß dich doch um rath vor mein gewissen fragen /
Du bist die Priesterin; dein leib ist mein Altar /
Die beyden lichter drauff sind deiner augen paar;
Der tempel aber selbst ist deine dunckle zelle /
Ach sprich mich / heilige / von meinen sünden loß /
Die straffe leg' ich dir ganz willig in die Schooß /
Wo nicht / so bringet mich die schuld noch in die hölle.
(Theil 4 S. 78-79)
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Auff ihren mund

Gar recht! du bleibest doch ein unvergleichlich kind;
Ich habe dich niemals ohn' uhrsach so genennet:
Wer dich gesehen hat / und deinen nahmen kennet /
Der findet meinen schluß mehr als zu wohl gegründet.
Ich rühme nicht den geist / der tausend herzen bindt /
Nicht wangen / nicht den halß / nicht wie dein auge brennet /
Nicht dein schwarzbraunes haar / und was mir kaum vergönnet /
Die alabaster brust / die nichts ihr gleiche findt /
Nur der vollkomne mund soll hier alleine zeigen:
Kan seine nettigkeit noch etwas grösser seyn?
Vor seinem purpur muß sich aller purpur neigen /
Sein angenehmer thon versüst die schwerste pein.
Kurz: seine schönheit ist der rechte liebes-zunder /
Und du Lisette wirst durch ihn zu einem wunder.
(Theil 4 S. 79)
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Als er des morgens von ihr Abschied nahm

Bricht mir denn meine nacht mit hellem morgen an?
Geht mir die sonne denn mit ihrem auffgang nieder?
So ists: der harte schluß setzt meine freuden-lieder /
In einen trauer-thon; ich bin schon auff der bahn /
Die meinen matten fuß zum grabe führen kan /
Ich traure nicht um mich noch meine freund und brüder;
Nur dieses daß ich bald die schönheit deiner glieder
Nicht weiter schauen soll / steckt meinen kummer an.
O ungereimtes wort! daß ich zum himmel schickte /
Als mir der feinde macht die hoffnung fast erstickte:
Ich wünschte nur von dir Lisett' entfernt zu seyn.
Itzt will sein harter schluß den wunsch erfüllet wissen /
Ich soll die ungedult durch meinen abschied büssen /
Ach träff auch nur mein wuntsch im wiedersehen ein!
(Theil 4 S. 79-80)
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Als sie ihr im winter einen
sommer-rock mit blumen nehte

Ich glaube deine hand kan wunder-wercke machen;
Die angenehme zeit hat sich schon längst versteckt /
Die blumen-felder sind mit schnee und eyß bedeckt /
Doch soll der frühling itzt auff deinem rocke lachen;
Ich seh die blumen blühn / ich finde tausend sachen /
Die uns vor diesem nur der sommer ausgeheckt /
Durch deine wunder-kunst im winter aufferweckt;
Wie? kan es möglich seyn / daß solches menschen machen?
Gewiß ein ander muß sich hier zu schwach gestehn;
Lisetten aber wird es stets nach willen gehn /
Weil noch der frühling wird an ihrem leibe blühen /
Die rosen / welche sie in ihren rock versetzt /
Und diese lilien / die man vor wahre schätzt /
Sind ihr von wange / halß / von brust und schoß geliehen.
(Theil 4 S. 80)
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Als sie mit andern frauenzimmer
auff dem schiffe fuhr

Ihr ströme gehet sanfft! ihr winde leget euch!
Und treibt das werthe schiff mit angenehmen wehen;
Das schiff dem Argo nicht an ruhm und würden gleich /
Das schiff / das man der einst soll bey den sternen sehen /
Dort fand man helden zwar / doch blosse menschen stehn /
Und Jason in der mitt' als einen fürsten sitzen;
Dort war ein guldnes-fließ. Hier sieht man göter gehn /
Hier sieht man Lisilis wie eine sonne blitzen.
Man ehret ihre pracht: sie sitzet oben an /
Wie eine Käyserin umringt mit Princeßinnen;
Sie ist das goldne fließ / das mich vergnügen kan /
Und das kein Jason auch mir wird entführen können.
Sie ists / an der die welt was unvergleichlichs hat;
Ich kan mit gutem recht sie liebes-göttin nennen:
Und was sie ist es ja: denn ihr befehl und raht
Macht daß die halbe welt muß in der liebe brennen.
O schiff! dein ruhm ist groß / ob du gleich selber klein:
Mir was kan ich dich wol am füglichsten vergleichen?
Die Venus fährt in dir / drum mustu muschel seyn /
So itzt die wilde See vertauscht mit fluß- und teichen!
(Theil 4 S. 81-82)
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Als sie sich einen mann zu seyn wüntschte

Wer gibt dir / schönstes kind / doch die gedancken ein?
Wer bringet deinen sinn auff die verkehrte grillen?
Du wilt nicht was du bist / ein frauenzimmer seyn /
Und wüntscht dich einen mann: was muß dein geist umhüllen /
Daß er den vorzug nicht der frauen mercken kan?
Ihr seyd das schöne volck / dem alles lob gebühret;
Die männer schauen euch mit solchen augen an /
Woraus man liebe / furcht und ehrerbietung spüret.
Ihr herrschet in der welt / und wir gehorchen euch;
Wir fürchten euren zorn vielmehr als tod und sterben;
Ihr habet über uns ein allgemeines reich /
Dergleichen Ludewig wird nimmer mehr erwerben.
Ihr habet unser glück in eurer schönen hand;
Ihr seyd den sternen gleich / die uns den einfluß geben;
Und wie der schwefel wird von feuer abgebrannt /
So haben wir von euch auch allesammt das leben.
Wir sind dem schatten gleich / den ihr / als leiber macht;
Wie jener ohne den nicht ist / noch kan entstehen /
So wird auch unser wohl von euch hervorgebracht /
Und muß / so bald ihr wolt / auch wieder untergehen.
Ihr seyd ohn alle qvahl und lebt in steter ruh;
Wir aber müssen offt mit tausend fällen streiten;
Ihr schlüsset / wann ihr wolt / die müden augen zu /
Wir müssen auch bey nacht offt gehen / fahren / reiten:
Und alles nur vor euch. Wir heissen zwar das haupt /
Doch nur wann ihr uns wolt mit federpüschen krönen;
Ihr habet alle mahl uns längsten weggeraubt /
Damit ihr destomehr die männer könnet höhnen.
Was fehlet euch denn wol: seyd ihr noch nicht vergnügt?
Du kanst / mein engel / ja den Göttern gleiche leben;
Behalte deinen stand / weil es der himmel fügt /
So kanstu deinen knecht auch in den himmel heben.
(Theil 4 S. 82-83)
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Als er ihr eine gewisse Arie überschickte

Hier hastu schönstes kind das nechstbegehrte lied /
Du sprichst: es habe dir recht ungemein gefallen /
Weil es von thränen sagt / von Quahl / und Wassergallen /
Und weil die traurigkeit aus allen sylben sieht;
Ach schmerz! so liebstu das / was mir die ruh entzieht /
So hörestu mit lust mein ungelück' erschallen /
Denn alles geht auff mich; ich bin es unter allen /
Vor dem Lisette mehr als basilisken flieht /
Und über dessen haubt viel ungewitter steigen;
Es kan dir iedes wort / als wie ein spiegel zeigen /
Wie mein verlangen sey mit tausend angst vermählt;
Wilstu die grausamkeit nun noch was höher bringen /
So wird dir zwar mein wuntsch durch meinen tod gelingen /
Doch auch ein stachel seyn / der dein gewissen quählt.
(Theil 4 S. 83)
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Auff ihre vermeinte anderwärtige verheyrathung

So bistu eine braut? so muß ich noch erleben /
Daß mich mein feind besiegt?
So muß ich ihm den raub geduldig übergeben
Um welchen wir gekriegt?
Er nihmt den theuren schatz / nach dem ich stets gegraben /
Ohn' alle müh' und schweiß;
Du öffnest seiner lust die angenehmsten gaben /
Von der die liebe weiß;
Ach hartes donnerwort / das mir die seele rühret;
Wie wenn des himmels hand
Den dreygespitzten blitz nach unsrer brust geführet /
Und marck und bein verbrandt.
Mein geist ist überschwemmt mit ungeheuren leiden /
Der sinnen krafft ist hin /
Und die empfindligkeit will aus dem herzen scheiden /
Ich weiß nicht wo ich bin;
Es will kein thränen-see aus meinen augen fliessen /
Kein seuffzer wird gehört /
Warum? weil sie doch nicht gnung zu beweinen wissen /
Was meine ruh verstört.
Die grösse meiner pein geht über alle plagen /
Drum kan nur blut und tod
Von meinem ungelück' am allerbesten sagen /
Als zeigen meiner noth.
Kan blut und tod allein von meinen schmerzen zeigen /
So reist ihr adern reist!
Ich bin ohndem bereit ins schwarze grab zu steigen /
Weil es mein unfall heist;
Es ist nunmehr genung; ich habe treu gelitten /
Als ich noch hoffnung sah';
Itzt hat die schönste hand den schwachen drath zerschnitten /
Drum ist mein sterben da.
Ich sehe schon die grufft / ich sehe Charons nachen /
Ich seh die geister stehn:
Ich seh wie lieb und treu sich schon zu rechte machen
Mit mir ins grab zu gehn.
Denn weil Lisette sie aus ihrer brust verwiesen /
Und wanckelmuth erwehlt;
So wollen sie mir sich einen ort erkiesen /
Wo uns kein wechsel quählt.
Ich hatte dich zur braut vor meine treu erkohren /
Du mich hingegen nicht /
Was hat nun Saladin das er nicht hier verlohren?
Weil sie die treue bricht.
Vor hochzeit-hembde muß ich sterbekittel sagen;
Vor einen lorber-kranz
Muß ich Cypressen itzt auff meinem haubte tragen;
Der hochzeit fackeln glanz
Muß mir in meinen sarg an statt des bettes scheinen;
Die freudige musick
Besteht in ach und weh / in klagen und in weinen;
Das allerbeste stück /
Wornach ich selber soll den ersten reyhen haben /
Und meinen braut-tanz thun /
Geht aus d dur und heist: last uns den leib begraben;
Die schooß in der ich ruhn
Die mich erquicken soll / ist kühler sand und erde;
Ja alle liebes-frucht
Bestehet nur in dem: daß ich zu staube werde:
Das macht Lisette flucht;
Lisette hat das glück‘ in ihren schönen händen /
Wem sie ihr herze giebt
Zu dem muß fried und heil und lust und ruh sich wenden /
Weil sie der himmel liebt.
Nun / weil Lisette mir das urtheil hat gesprochen /
So muß es auch geschehn;
Ihr winck ist mein befehl; ich habe nichts verbrochen /
Doch aber soll sie sehn
Daß ich um meinen tod sie nimmer werde hassen /
Ich bin vielmehr vergnügt /
Daß sie mich ihren zorn hat niederschlagen lassen /
Nachdem sie mich besiegt.
So lebe / schönstes kind / ich sterbe nun mit freuden /
Und muß von hinnen gehn;
Der treue geist soll nie von deiner seite scheiden /
Der leib im grabe stehn /
Allein die lieb und treu wird allezeit Cypressen
Auff mein gebeine streun /
Damit die nachwelt nicht so leichte kann vergessen /
Wem sie gewesen seyn.
(Theil 4 S. 84-86)
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Salari an Severino / als sie sich aus verzweiffelung erstach
Aus dem ersten theile des Italiänischen Spinelli

Blut / Severino / blut! mit blute schreib ich dir /
Im blute will ich auch den letzten abschied nehmen;
Verachte nicht die hand / verschmäh nicht das papier /
Ob schon die Schreiberin sich itzt vor dir muß schämen.
Ich bin noch überall von deinem blut bespritzt /
Ich habe deine hand durch meinen dolch getroffen /
Den doch die eyfersucht auf deren brust gespitzt /
Die mich fort nichts mehr hieß von deiner liebe hoffen.
Ach schmerz! ach qual! ach pein! ich habe dich verletzt /
Verzeih‘ es mir mein Prinz / ich that es nicht mit willen
Und schau / ich habe mir die straffe selbst gesetzt /
Es soll mein heisses blut itzt deine rache stillen.
Du weist / wie Salari dich stets sehr hoch geacht /
Es kann es Tripolis und sein gestade zeigen;
Das glücke hatte dich zum sclaven mir gemacht!
Doch muste sich mein herz zu deiner liebe neigen;
Mein Vater hatte dir die fessel angelegt /
Du mustest wie ein knecht in unserm hause dienen;
Ach! wie hat deine last offt meinen sinn bewegt /
Biß mich die liebe hieß ein grösser werck‘ erkühnen /
Ich offerbarte dir den angenehmen brand /
Und sagte: wo du mich wilt deine liebste nennen /
So giebt dir meine treu die mittel in die hand /
Daß du und ich uns leicht von hier entfernen können.
Du wolltest lange nicht / weil Mardi dich besiegt;
Doch weil du keinen rath sie zu erlangen fandest /
So sprachstu endlich ja und schienest recht vergnügt /
Wann du durch einen kuß dich mir auffs neu verbandest /
Bald stieg ich in das Schiff und floh mit dir davon.
Ich fürchte weder sturm / noch die erbosten wellen /
Nicht meines vaters zorn / nicht schande spott und hohn.
Nur in die freyheit dich / mein Severin / zu stellen /
Wir strichen durch die See und kamen in gefahr /
Wenn uns das wilde mehr offt zu verschlingen dräute;
Biß daß Sicilien nicht allzuferne war /
Und uns von aller furcht durch seinen port befreyte.
Hier dacht ich bin ich nun in sicherheit gebracht;
Hier wird nun meine lust in voller blüthe stehen:
Ach aber! als ich kaum den süssen schluß gemacht /
So muß mein liebes-schiff im hafen untergehen.
Es kam dir Mardi ein / du willst sie wieder sehn /
Du suchest überall / und denckest sie zu finden;
Trapani lässet dir auch diesen wuntsch geschehn /
Mir aber allen trost durch diesen fall verschwinden.
Trapani schmerzens-orth / du feindin meiner ruh /
Ach! daß ich dich gesehn / und nicht im Meer‘ ertruncken;
So wär mein unglücks-thor mit meinen augen zu /
Und dörfft ich in mein blut itzt nicht die hände tuncken.
Schau Severino schau! was du mir angericht;
Ich habe vaterland und eltern nur verlassen /
Weil meine liebe sich zu deinem wohl verpflicht;
Ich habe dich erlöst; ich habe zorn und hassen
Der meinigen um dich vor lauter nichts geschätzt;
Ich bin durch noth und tod durch wind und wellen gangen /
Ich habe meinen Gott / gewisen / treu verletzt /
Nur dich / mein theurer Prinz / zum liebsten zu erlangen.
Du hast auch meine gunst am ersten nicht veracht /
Und allzeit mit dir / als deiner braut / gelebet /
Allein als dir dein wunsch die Mardi wiederbracht /
Hat diese mir den zeug zum ungelück gewebet.
Du liebest sie allein / du sitzest stets bey ihr;
Ich aber muß mich ganz von dir verstossen wissen;
Gedenck es Severin / ob meine schmerzen hier
Sich wohl von der vernunfft in schrancken lassen schlüssen.
Nein! ihre last kömmt mir ganz unerträglich vor /
Und meine marter ist nur mit sich selbst zu gleichen /
Wer keinen solchen schatz wie Salari verlohr /
Kann auch die grösse nicht von meiner quahl erreichen.
So kanstu / werther Prinz / aus meinem leiden sehn /
Wer mir das eisen hat in meine hand gegeben;
Verzweiffelung schrie mir zu! es ist um dich geschehn /
So lange Mardi wird bey Severino leben.
Bald fuhr ich rasend auff / und wollte durch ihr blut
Dein herze wiederum auff meine seite zwingen;
Ich stach nach ihrer brust / du stundest auff der hut /
Und machtest / daß der streich mir muste mißgelingen:
Der stich traf deine hand an statt der feindin brust;
Ach unglücks-voller stich! so muß ich das durchbohren /
Was mein vergnügen war / und noch ist meine lust;
Ach Dolch! verfluchter Dolch! nun bin ich selbst verlohren.
Ich selber und auch du / wir haben schwer gefehlt /
Drum will ich nach verdienst uns auch das urtheil sprechen:
Ich habe deinen stahl zu meiner straff erwehlt /
Dir aber meine brust statt jener zu durchstechen.
Nun wohl! so schneide mir den lebens-drath entzwey /
Weil du nicht scharff genung die Mardi zu ermorden;
Der adern rothe fluth ein söhnungs-opffer sey /
Weil meines Prinzen blut von dir vergossen worden /
Und dieses letzte macht mein sterben noch so schwer /
Ich wollte meinen tod viel freudiger umfangen /
Wenn deine hand nur nicht von mir verwundet wär /
Und mein gespitzter Dolch nicht diese schuld begangen.
Ich setze dich davor zu meinem erben ein;
Das soll vor deinen schmerz ein klein geschencke seyn /
Was ich von Tripolis mit mir hierher geführet /
Biß sich die wunde gar aus deiner hand verliehret.
Nun lebe wohl / mein Prinz; ietzt fliesset blut und geist /
Itzt stirbt mein treues herz‘ um deiner liebe willen;
Hab ich dir einen dienst durch meinen tod geleist /
So laß drey thränen nur aus deinen augen quillen.
(Theil 4 S. 88-91)
_____



Uber seinen Abschied

1.
Ihr augen weinet blut /
Und schmelzet endlich gar in thränen;
Es fodert dieser tag dergleichen rothe Fluth /
Denn heute soll ich mich gewähnen
Lisettens pracht nicht mehr zu sehn /
Das heisset ich soll mich bereiten /
Mit einer ewigen verzweifflungs-nacht zu streiten /
Weil um mein lebens-licht es ohne sie geschehn.

2.
Ach ungeheures Wort!
Das mir biß in die seele dringet /
Und aus der werthen stadt / dem angenehmsten orth /
In frembde lufft zu ziehen zwinget /
Ach glücke! du bist mir zu schwer!
Ich wolte mich hier leichtlich fassen /
Wenn ich Lisetten nur nicht dürfft‘ alleine lassen /
Und ihrer liebe recht versichert worden wär.

3.
Doch was versichert wär!
Sie weiß ja nichts von meinem lieben /
Noch daß von ihrer hand mein leiden stammet her;
Ich wolte mich nur halb betrüben /
Wann ich die heisse noth /
Ihr nur vor augen dürffte legen;
Allein daß auch mein herz bey hunderttausend schlägen /
Muß unempfindlich seyn ist ärger als der tod.

4.
Nun alles mit gedult!
Man soll aus meiner treu erkennen /
Wie ihr geschlecht‘ und sie die männer ohne schuld
Pflegt unbeständige zu nennen;
Das glücke will mich zwar
Von mir dem leibe nach itzt treiben /
Doch meine seele soll nach mir zurücke bleiben
Ob gleich die treue glut ihr noch nicht offerbahr.

5.
Ich will ohn hoffnung seyn /
Ich will ohn allen trost mich qvälen;
Schenck himmel ihr nur stets von deinen freuden-wein /
Und laß sie frohe stunden zehlen!
Vielleichte wird die zeit
Was ich um sie gelitten zeigen /
Und ihre felsen-brust zu der erbarmung neigen /
Dann bin ich wohl belohnt vor meine traurigkeit.

6.
In dieser zuversicht
Will ich den letzten abschied nehmen;
Lisette sey vergnügt: denn klagestu nur nicht /
So werd ich mich mit freuden grämen.
Mein lieben aber sey
Dem treuen himmel übergehen /
Er lasse keinen feind Lisettens huld erheben /
So reist mein kummer-joch vielleichte bald entzwey.
(Theil 4 S. 177-179)
_____


 


Alle Gedichte aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)


Biographie:
Burghart, Christoph Gottehr, auch: C.G. Timotheus B., geb. 2.8.1682 Prauß bei Nimptsch, gest. 14.2.1745 Reichenbach. - Lyriker.

Der aus einem Pfarrhaus stammende B. studierte - nach sorgfältiger Ausbildung in Breslau und Halle - 1701-1704 in Wittenberg und promovierte dort als Mediziner. Während seiner Studienjahre war er gut befreundet mit Christian Hölmann, der etliche Ekligen, Sinn- und Gelegenheitsgedichte Burgharts - gekennzeichnet durch die Initialen C.G.B. - in die von ihm edierten Bände 4 und 5 der Neukirchschen Sammlung (1704-1705) aufnahm. 1704 begann Burghart seine Tätigkeit als prakt. Arzt und heiratete am 29.9.1704 die Breslauer Kaufmannstochter Anna Rosine Bischof, wohl die "Lisette", "Lisillis", "Elise" der Gedichte. Einziger Sohn war Gottfried Heinrich, der wie sein Vater als angesehener Mediziner und Schriftsteller wirkte. Burghart, der später Bürgermeister von Reichenbach wurde, veröffentlichte auch zahlreichen medizinische Schriften in lat. Sprache. Als lyrischer Dichter war er schon 1704 verstummt.
Virtuoser Wortreichtum und verspielte Tändelei, aber auch Knappheit und eine in wissenschaftl. Denken begründete Genauigkeit im Detail charakterisieren Burgharts Verse. In seinen Liebesgedichten, die v.a. den Einfluß Lohensteins verraten, stilisierte er sich gern als "Saladin" um dem sinnenfreudigen Ton mehr Gewicht zu verleihen.
Aus: Walther Killy Literatur Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Bertelsmann Lexikon Verlag Band 4 (1989)

 

 


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