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Georg Busse-Palma
(1876-1915)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
So mußt du sein ..
Jung mußt du sein .. an fünfzehn Jahr vielleicht.
Mit langem Haar, das ledig seiner Spangen
Sich um dich schmiegt und bis zum Knöchel reicht,
Als wär’s ein Mantel, den du umgehangen!
Und diesen Mantel weich und welligbraun,
Den müßten atmend weiße Hügel heben
Und drüberher zwei dunkle Augen schaun,
Die Freund dem Traum nur und noch fremd dem Leben.
So möcht' ich dich und möcht' dich an mich ziehn
Und brennend küssen in verschwiegnen Nächten.
Den heißen Mund auf deinen kühlen Knien
Und rings um mich das Dunkel deiner Flechten.
Durch jede Sünde mußt du mit mir gehn,
Doch wenn der Stunden Leidenschaft verglühte,
Mir keusch und lächelnd auch ins Antlitz sehn
Und mir verzeihn in großer Kindergüte ..
So mußt du sein, die ich mir freien möcht'!
Geb's Gott, ich find' dich noch in frühen Tagen.
Denn früh schon altern die von Faust's Geschlecht,
Die so wie ich zwei Seelen in sich tragen! ..
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 17)
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Aufforderung
Nun kam der Lenz, der Flügelspreiter
Der Sehnsucht, wieder in das Land.
Ach meine Sehnsucht ist nichts weiter
Als Liebe, die ihr Nest nicht fand.
Viel tausend Rosen seh ich blühen,
Und alle Gärten stehn in Pracht.
Wo aber wird das Haupt erglühen,
Das meine Unrast ruhig macht?
Ein Herz zum Nisten sucht mein Sehnen,
Dann will es stäte Liebe sein —
Die Arme auf, ihr holden Schönen,
Und fangt das gern gefangne ein! — —
aus: Die singende Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 18)
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Im Garten
Schelmisches Mädchengelächter
Klang im Herzen mir nach.
Sang als weckender Wächter
Stürmische Sehnsucht wach!
Hab' mich an Liebes gedenkend
Gleich nach Rosen gebückt —
Traurig das Sträußchen nun senkend,
Da ich es freudig gepflückt.
Unnütz brach ich das beste,
Was am Stengel nur stand.
Von der Hecke die Gäste
Zogen weiter ins Land.
Weiter sind sie getrieben,
Drosselgleich wälderwärts.
Nur der Strauß ist geblieben,
Aber wo ist mein Herz?
Habt ihr es zu euch genommen,
Die ihr so hurtig entflohn?
Rosen und Küsse bekommen
Sollt ihr als Finderlohn! — —
aus: Die singende Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 19)
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Mondlied
Im Lindengrün hat sich der Mond verfangen
Und sieht so aus, als ob er weinen möcht. —
Wie er im Laub, verfing sich mein Verlangen
In eines Mädchens braunem Haargeflecht.
In Lindenzweigen und in Mädchenflechten —
Wer, bleicher Bruder, löst so lieben Bann? —
Wir sehn so aus, als ob wir weinen möchten,
Der Mond und ich, und sehn uns lange an ...
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 23)
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Sehnsucht
Schwingen schwüler Abendwinde
Haben sie zu dir gebracht.
Meine rote Sehnsuchtssünde
Sieht dich nackend jede Nacht.
Und dann wühlen ohne Ende
Kühlung suchend sich ein Paar
Schmaler fieberheißer Hände
Ach im Traum nur! in dein Haar.
Und dann pressen halbverschmachtet
Lippen sich auf deinen Leib,
Lippen, die den Tod verachtet
Und jetzt betteln: sei mein Weib!
Aber du in keuscher Kühle
Ahnst noch nichts von solchem Schmerz.
Moulin rouge, die rote Mühle
Mahlt dich später, weißes Herz! — —
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 24)
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Dein Mädchenzimmer
Dein Mädchenzimmer — seltsam ist die Luft,
Halbwelk im Glas verschwült der blaue Flieder.
Darüber zieht ein andrer, feinrer Duft,
Entströmt der Fülle deiner jungen Glieder.
Es liegt dein Bett noch von der Nacht zerwühlt,
Und seine Wärme spür' ich mit den Händen —
Ach, diesen Flaum hat deine Brust gefühlt,
Hier lag dein Haupt und dorten deine Lenden!
Zerspring nicht, Herz, und klopft nicht gar so laut!
Ich werf' mich hin und deck' mit tausend Küssen
Das seel'ge Linnen, dem zur Nacht vertraut,
Was sonst der Mond nur und mein Sehnen wissen.
Mit warmen Hüllen hüllt es nachts dich ein.
Mit heißren Hüllen soll mein Kuß dich decken.
Und diese Küsse soll'n die Stimmen sein,
Die deine Seele aus der Kindheit wecken!
Wenn du zum Schlaf die Glieder rosig dehnst,
Soll ihre Glut dir jeden Schlaf verjagen,
Bis du auch glühst und dich nach Armen sehnst,
Die dich als Weib aus heißer Taufe tragen! —
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 25)
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Weißt du, mein Liebling ...
Weißt du, mein Liebling, was ich einmal möchte?
Ich möcht' mit dir weit in die Wälder fliehn
Und deines Haares dunkelblonde Flechte
Dort fest, ganz fest um meinen Nacken ziehn:
Daß deine Lippen, die so lieblich brennen,
Die ganze Nacht nicht von den meinen können! —
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 26)
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Wandlung
"Ach im Grabe möcht ich sein!"
Sang ich oft vor Zeiten.
Sieh, nun kam ein Händchen klein,
Voll von Seligkeiten.
Mitten in mein Herz hinein
Ließ es alle gleiten! —
Was mein Herz nun Sel'ges trägt,
Keimend und im Sprießen,
Sei dereinst zurückgelegt
Zu des Säters Füßen.
Was sich knospend in mir regt,
Blühend soll's ihn grüßen!
Weißt du, wer die Saat gestreut
Und das Knospen heget?
Eine, deren Lieblichkeit
Mich gar tief beweget.
Eine, die sich jederzeit
Gern ans Herz mir leget!
Ward ihr Name dir bewußt?
Dürftest ihn doch wissen!
Augentrost und Herzenslust
Sollt' er heißen müssen. — —
Lottchen, komm an meine Brust,
Komm und laß dich küssen! — —
aus: Die singende Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 27-28)
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Mit einem Ringe ...
Dies Ringlein soll dir sagen
Daß ich dir treu und hold.
Du sollst es immer tragen
In gut' und bösen Tagen,
So lauter wie sein Gold!
Darinnen eingelassen
Herzrot ist ein Rubin.
Ich will so fest dich fassen
Und dich noch minder lassen
Als wie der Reifen ihn!
Mit feinen Goldschmiedschlägen
Band Liebe dich und mich.
Ich ward, um dich zu hegen,
Du wardst, um dich zu legen
Ganz fest und treu an mich!
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 29)
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Loblied
Ich hab' das feinste Liebchen
Von allen in der Stadt.
Beim Lachen hat sie Grübchen,
Sonst sind die Wänglein glatt.
Sie hat das schönste braune Haar,
Dazu zwei Äuglein spiegelklar,
Drin ich mich oft gespiegelt —
O Gott, wie schön das war!
Mein Schatz hat weiße Zähnchen
Und einen roten Mund.
Wie Flaum von jungen Schwänchen
Ein Brüstchen blank und rund.
Das hebt sich schüchtern kaum zur Höh', —
Ich mein', wenn ich im Traum es seh,
Mir müßt' das Herz zerspringen
Vor süßem Sehnsuchtsweh!
Sonst wüßt' von meiner Kleinen
Ich nicht das kleinste mehr,
Wenn nicht ein Stückchen Leinen
Von ihr mein eigen wär.
Doch das erzählt an sichrem Platz
Von einem rosigen Hemdenmatz
Gar süßes und geheimes —
Grüß Gott, verratner Schatz! — —
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 30-31)
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Überraschung im Bad
Du darfst mich nicht schmähen
Herzliebster Kam'rad!
Ich mußte dich sehen
Auch einmal im Bad!
Verstreut in den Ecken
Sind Hemdchen und Schuh.
Den Goldfisch im Becken
Deckt gar nichts mehr zu!
Bis über das Näschen
Fast hockst du im Naß.
Aber herziges Häschen
Was hilft dir denn das?
Zu klar ist die Welle,
Das Händchen zu klein —
Die klein kleinste Stelle
Kaum hüllt es dir ein.
Es gibt nur ein Mittel,
Dem Blick zu entfliehn:
Du mußt mich als Kittel
Ganz eng an dich ziehn.
Schnell hops' aus dem Warmen
Und husch zu mir her.
Wenn wir uns umarmen,
Dann seh ich nichts mehr!
Wie rosig das Fellchen!
Nun taucht es empor.
Wie hält mein Gesellchen
Die Händchen sich vor!
Nun gib mir ein Küßchen
Und schmieg dich ganz dicht.
Deine niedlichen Nüßchen
Die drücken noch nicht!
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 32-33)
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Der Dichter
Zwei Sorten von Verliebten trägt die Welt:
Phantast'sche Schwärmer, Narren, sind die einen,
Die andern gleichen ganz und gar den Schweinen.
Jedoch im Dichter sind die zwei gesellt!
Dem schenkte Gott ein Herz, so groß und reich,
Daß er ein Narr ist und ein Schwein zugleich.
Der schräge Flug, mit dem er aufwärts zieht,
Schleift eine Schwinge unten tief im Schlamme,
Derweil die andre oben in der Flamme
Des Sonnenballs wie flüss'ges Gold erglüht.
Der ist kein Dichter, dem nicht Erdenkot
Den Flug beschwert so gut wie Sonnenrot.
Im Gleichmaß bleiben ist der Schwachen Kunst.
Die tiefste Nacht ist bei den hellsten Kerzen.
Es glüht das Fleisch nach dem erglühten Herzen,
Der innren Liebe gleicht die äußre Brunst
Und baut sich aus nach ihrem innren Bild,
Wie mit dem Nußkern seine Schale schwillt.
Ich bin ein Dichter und ein junger Mann.
Was also wundert dich mein Glühn und Drängen?
Wie könnt' mein Herz so heiß an deinem hängen,
Hing nicht mein Fleisch auch deinem Fleische an?
Drückt sich mein Haupt dir in den Schoß hinein
Weiß ich gewiß: Als Schwärmer und als Schwein
Hab' ich dich lieb und mag ohn' dich nicht sein! —
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 34-35)
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Apotheose
Es gärt der Saft im Birkenreis.
Der Frühling kehrte wieder.
Und wieder reckt sich nackt und heiß
Dein Leib durch meine Lieder.
Ich hab' dir Vers an Vers gefügt
Zu Sänften, seidigweichen,
Und lächelnd hast du dich geschmiegt
In Decken ohnegleichen.
Nun tragen meine Reime dich
Wie bronzne Sklavenpaare,
Und alle Völker beugen sich
Vor dir durch tausend Jahre ...
aus: Die singende Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 36)
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Künftiges Lied
... Und bist du heute auch mein Weib,
Das eine werd' ich nie vergessen,
Daß ich den süßen, keuschen Leib
Nicht so viel früher schon besessen!
Und bist du heut auch zehnfach schön:
Selbst wenn wir selig müd' uns küßten,
Muß meine Sehnsucht suchen gehn
Nach vierzehnjährigen Kinderbrüsten.
Dein Leib ist also wunderbar,
Daß mir der Wunsch das Herz erhitzte,
Zu wissen, wie er früher war,
Als deine Jugend ihn noch schützte.
Und mächtig hat die Leidenschaft
Durchschauert mich nach jenen Tagen,
Wo du noch alles knospenhaft
Im kurzen Hängekleid getragen! —
Die Knospen müssen früh vergehn,
Damit die Blüten sich erschließen.
Ich aber möcht' dich zwiefach sehn
Und dich als Kind und Weib genießen!
Und laß den Blick ich jäh erglüht
Um deine reife Schönheit gleiten,
Dann singt mein Herz ein Sehnsuchtslied
Nach dir in deinen Kinderzeiten! ...
aus: Die singende Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 37-38)
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Nach der Trennung
Die Mittagsglocken klingen,
Verbringen mir die Ruh'.
Mir ist, als hört' ich springen
Darin zwei Mädchenschuh.
Nach meiner Türe späh' ich:
Wann kommst du, kleiner Schatz?
Doch still und traurig geh' ich
Zurück auf meinen Platz.
Um jede Mittagsstunde
Klang einst ihr kecker Lauf.
Ein Lächeln auf dem Munde,
Tat sie das Türlein auf.
Ich stand schon vor dem Passe,
Die Arme ausgespannt,
Und trotz der schönsten Gasse
Ist sie hineingerannt.
Ich weiß, sie klinkt auch heute
Noch manchmal an der Tür,
Verführt durch das Geläute,
Und sucht wie einst nach mir.
Sie späht nach allen Tischen,
Ich horch auf ihren Gang,
Und doch sind Meilen zwischen
Uns zwein schon mondelang!
O Schatz, was soll dies Sehnen!?
Wir sind so weit getrennt!
Oft wünscht' ich unter Tränen,
Daß ich dich lassen könnt'.
Verbrannt ist deine Locke,
Und andre freit' ich mir.
Doch jede Mittagsglocke
Macht mich so bang nach dir! — —
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 39-40)
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In der Czarda
In die Czarda hier zum Weine
Kehrt' ich ein und trink' alleine,
Märzenkühl und nebelnaß —
Ach noch immer herrscht der Winter,
Doch es steht ein Lenz dahinter,
Goldig wie der Trank im Glas.
Seit ich fort von dir gegangen
Sah mein Sehnen und Verlangen
Stets nach diesem Frühling aus.
Wenn die Gärten sanft erglühen
Darf ich wieder heimwärts ziehen,
Heim in meines Mädchens Haus!
Kleines Mädchen, fliegt das Zöpfchen
Dir noch heut so keck ums Köpfchen?
Lacht dein Aug' noch heut so schön?
Prost! ich heb' mein Glas hier einsam
Darauf, daß wir bald gemeinsam
Wieder Hand in Händen stehn! — —
aus: Die singende Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 41)
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Vorfrühling
Weiche Frühlingswinde wehn
Um die Winterwende,
Die mir um die Wangen gehn,
Warm wie Mädchenhände.
Kleine Blumen blau und braun
Blühn schon an den Gassen,
Wie zwei Augen anzuschaun,
Die mich nie verlassen.
Bald, wie bald und heiß erblüht
Auch die Ros' im Hage,
Rot als wie die Liebe glüht
Die ich heimlich trage ...
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 42)
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Pierrots Liebe
1.
Die beiden Hände hast du mir gegeben
Und lieb und zärtlich mich dazu geküßt.
Ich nahm dein Herz und schenkte dir mein Leben,
Mein Weib und Kind, die du mir beides bist.
Du warst zu jung, um gleich mit mir zu kommen.
Weil ich dich liebte, ging ich fort von dir.
Doch deine Treue hab' ich mitgenommen
Und meine Sehnsucht ließ ich dir dafür! — —
2.
Wohl dem, der eine Hoffnung hat!
Mich hat sie heimgeführet.
Prinz Karneval lärmt durch die Stadt
Und ich auch geh' maskieret.
Zwei lange Jahre blieb ich aus.
Nun frei' ich mir mein Mädel!
Viel lust'ger als das Festgebraus
Spukt das mir durch den Schädel.
Wo sich am Markt die Menge staut
Treff' ich das Kind am Ende
Und küß der süßen kleinen Braut
Ganz närrisch froh die Hände! — —
3.
Halloh, die Colombine dort,
Wie sie das Röcklein schwinget!
Sie hält das Haupt mir abgewandt,
Und doch, mein Herz hat "sie" erkannt
Und jubelt auf und singet!
Doch halt! ein schmucker Kavalier
Ist plötzlich bei der Kleinen.
Er drückt die Hand ihr lieb und lind —
Mir scheint, als ob es Brautleut' sind.
Mein Herz wird weh zum Weinen!
Ich schleich' mich heimlich hinter sie —
Da hör' ich süße Sachen:
— Komm zu mir, wenn der Vollmond scheint! —
— Doch nur ein Stündchen, süßer Freund! —
Mein Herz zerspringt vor Lachen. —
4.
Ich trug bis heut auf meiner Brust
Ein Mädchenhemd in treuem Sehnen.
Was einst nur ich und es gewußt,
Ist heut vertraut für den und jenen.
Die kleinen Brüstchen wurden voll,
Seit diese Spitzen sie umgaben.
Mein keusches Kind ward männertoll
Und ist für jedermann zu haben!
O Gott, ich armer Pierrot!
Mir brennt das Herz, mir brummt der Schädel.
Das kommt von elendem Bordeaux
Und einem schlechtgewordnen Mädel!
Ich will ganz still nach Hause gehn.
Schon rinnt die Schminke von den Backen,
Und es ist greulich anzusehn,
Wenn einen Narrn die Tränen packen ...
5.
Fern war ich lange,
Und sehnender Schmerz
Füllte mir bange
Nach ihr nur das Herz.
Da ich aufs neue
Zurück nun gekehrt:
Sehnsucht und Treue,
Sie war sie nicht wert!
Die unerschlossen
Als Knospe ich ließ,
Siehlt sich in Gossen
Und war einst so süß.
Herr, hab' Erbarmen
Mit Pierrots Not!
Ihr aus den Armen
Umarm’ mich der Tod! —
aus: Die singende
Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903] (S. 67-71)
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Letzte Lieder an Lotte
Frühlingssturm
Wie könnte ich dich verwinden!
Der Frühling braust und zieht,
Hoch über tosenden Gründen
Schreit möwengleich mein Lied.
Im Forst von knatternden Stämmen
Stürzt wiehernd des Sturmgotts Gaul,
Die Donau beißt an den Dämmen
Sich flockig das schwarze Maul.
Die brennenden Augen lohen
Nach dir durch Sturm und Flut.
Springflut und Deichbruch drohen
Auch mir im brandenden Blut! ...
aus: Brückenlieder
Ein Gedichtbuch
von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1906 (S. 51)
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Gewitternacht
(Ein Liebesbrief)
Ihr nennt mich
närrisch und habt auch recht,
Denn wenn ich verliebt bin wie heute eben,
Dünkt selbst die Sonne mich fast zu schlecht
Sie meinem Mädel als Brosche zu geben.
Und wenn ein Verderben das Land verheert,
Flut, Feuer und Leichen mit grinsenden Mienen:
Mir, der ich von Liebe verwirrt und verstört,
Muß das auch zu rhythmischer Huldigung dienen!
Blau wie ein Feld in dichten Veilchen blüht,
Stand erst der Himmel über stillen Landen.
Dann ward er rot wie heiße Liebe glüht,
Bis seinem Antlitz alle Farben schwanden
Und weh und wild ihn ein Titanengram,
Sehnsucht und Zorn schwarzgallig überkam.
Er rief den Harfner seiner Traurigkeit,
Und grau und grimm sprang von den Felsenkanten
Der Sturm empor und sang von Mord und Streit
Und von dem Kampf der Götter und Giganten,
Daß seine Brauen immer düstrer zuckten
Und sich im Horst die Adler schreiend duckten. -
Der Tod allein macht Adlerherzen bleich,
Und der war nah! In zackigem Gefunkel
Schoß Blitz an Blitz, weiß loh'nden Schlangen gleich,
Ins Herz der Nacht und züngelte durchs Dunkel;
Und oben dröhnte donnernd dumpf Gestöhn
Und Wutgeschrei bis in die höchsten Höhn!
Die Blitze zuckten schauerlich nach oben
Und niederwärts in Flammenraserein.
Allvaters Thronstuhl bebte vor dem Toben,
Und schauernd fragte er am Schicksalsstein,
Ob diese Glut sein Spruch noch einmal bändigt,
Ach, oder ob der Götter Zeit beendigt.
Auf flacher Erde ward versengt das Gras,
Gestürzt der Hirt, verkohlt im Kahn der Ferge.
Die Riesenpappeln splitterten wie Gras,
Und edle Schlösser wurden Flammenberge.
Wie rasend schleuderte des Himmels Hand
Blitzstrahl um Blitz, bis ihm die Kraft entschwand.
Da ward es still, ganz still mit einem Mal,
Bis sich der Schmerz, der ihm die Brust fast sprengte,
Die Bahnen brach in Tränen bittrer Qual,
Im Wolkenbruch, der alles Land ertränkte,
So daß die Dörfer, heiß noch von den Flammen,
Wie Seglerflotten nun im Wasser schwammen.
Drei Tage weinte er, und wehren konnt
Er dann noch kaum die Tränen seinem Leide.
Als hätt er leuchtend nie uns übersonnt,
Hing kalt und grau er über wüster Heide.
Der durch Äonen Mensch und Götter schied
In selger Klarheit, blieb vergrämt und müd.
Weißt du, warum? - Dich, Schatz, hat er gesehn,
Und wilde Sehnsucht griff ihn deinetwegen.
Statt leuchtend klar zu Häupten dir zu stehn,
Wollt er sich zärtlich dir zu Füßen legen.
Und da Gesetzt des Weltenlaufs ihn band,
Empörte sich und schluchzte der Gigant! -
So hat selbst Ewige deine Lieblichkeit
In tiefster Brust verwundet und bewegt.
Ach, und nicht sanfter wär mein Trennungsleid,
Hielt süße Hoffnung nicht mein Herz umhegt.
Doch da ich hoff, laß tausendmal dich grüßen!
Der Himmel weint, ich jauchz' dir bald zu Füßen!
aus: Brückenlieder
Ein Gedichtbuch
von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1906 (S. 52-54)
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Verzicht
Soll ich wirklich wiederkehren?
Ach, mir bangt in tiefster Brust.
Jedes Leid muß sich verklären,
Aber trüb wird jede Lust.
Heut bist du mir Stern und Wunde,
Großer Glanz und heißes Glühn.
Kühlt die Glut in selger Stunde,
Muß das Licht auch blässer blühn.
Käm Erkenntnis je uns beiden,
Daß der Sehnsucht Sternenflug,
Träumerglück und Trennungsleiden
Täuschung nur und holder Trug,
Daß wir beide uns erhöhten
Über alle Wirklichkeit ...
Unsern schönen Traum zu töten,
Wahrlich, Mädchen, wär es leid!
Lieber einsam und in Tränen
Leb ich der Erinnerung,
Nur ein ungestilltes Sehnen
Hält uns ewig schön und jung.
aus: Brückenlieder
Ein Gedichtbuch
von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1906 (S. 55-56)
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Im Glanz der Ferne
Ich laß dich nur, weil meine Liebe
Dich allzu hoch und heilig liebt;
Damit dein Bild sich niemals trübe,
Hab ich mein Herz zu Tod betrübt.
Erfüllt, wird jedes Glück geringe
Und zeigt die Grenzen seiner Kraft.
Ich aber will die Adlerschwinge
Der grenzenlosen Leidenschaft.
Wie könntest du mein Höchstes bleiben,
Wirst du in allen Tiefen mein!
Wir würden uns im Alltagstreiben
Zu nah für so viel Liebe sein!
Fern aber wirst du mich umschweben
In Knospenmystik doppelt schön,
Und wandernd bleib in schön'rem Leben
Auch ich vor deiner Seele stehn.
aus: Brückenlieder
Ein Gedichtbuch
von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1906 (S. 57)
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Ostseelieder
1. Vineta
Hier stand die Stadt der Städte,
Die sich Vineta nannt.
Die See verließ ihr Bette
Und schluckte Stadt und Strand.
Die Wellen kamen gesprungen
Und würgten Städter und Stadt,
Vineta, das immer gesungen
Und niemals gebetet hat.
Heut rauschen Wogen und Winde,
Wo Trubel und Tanz getollt.
Stumm ward die singende Sünde
Und stumm das klingende Gold;
Nur Glockenstimmen durchbeben
Mitunter die laute Flut,
Darunter das stille Leben
Vinetas begraben ruht.
Ich hab die Glocken vernommen,
Sie klagen wunderlich weh.
Sie konnten aus Tiefen kommen
Und können doch nie zur Höh.
Sie stöhnen so dumpf und trübe,
Von tiefen Stürmen gewiegt,
Wie eine unsterbliche Liebe,
Die lebend im Grabe liegt. -
2. Gleichnisse
Wenn sich Meer und Himmel küssen,
Mund auf Mund im Abendrot, -
Sollt ich deinen nicht vermissen,
Der sich einst so lieblich bot?
Wenn die Flut sich schmiegt und schmeichelt
Auf den weißen Dünensand, -
Ach, so hab ich dich gestreichelt
Zärtlich einst mit zarter Hand!
Einer Möwe Silberschwingen
Blitzen auf und schwingen weit -
Flüchtig wie die Tage gingen
Jener silberschwingigen Zeit. -
Wogendrang und weißes Schäumen,
Ewig rastlos, bannt den Blick -
Ewig rastlos wogt mein Träumen
An den Strand der Insel Glück.
Wenn aus Höhen in die Tiefe
Klagend dann ein Adler schreit,
Ist's, als ob ein Echo riefe
Antwort meinem Sehnsuchtsleid! ...
3. Bernstein
Heut hat die See gestürmt,
Und ihre Wellenjungen,
Fünf Ellen hoch getürmt,
Sind zwanzig weit gesprungen.
Den halben Strand bedeckt
Der Muscheln Myriade.
Ein Tümmler liegt verreckt
Fettglänzend am Gestade.
Doch hier und da im Tang
Erblitzt im Morgenlichte
Braunrot und blondhaarblank
Das Herz der Urweltfichte.
Versunkener Wälder Blut,
Das blühend sich verschwendet,
Hat die empörte Flut
Im Bernstein uns gespendet.
Den Wald verfault und schwarz
Hat längst die See zerrieben.
Es ist allein das Harz
Goldklar und blank geblieben.
So bleib von einem Glück,
Das längst die Zeit verschlungen,
Das Edle mir zurück
In dem, was ich gesungen;
In Liedern, die bewegt
Aus tief zerwühltem Innern
Manchmal zum Munde trägt
Ein schmerzliches Erinnern! -
Wie Bernstein mir beschert
Nach stürmischem Erschauern,
Wird tief wie er geklärt
Ihr Gold mich überdauern! - - -
aus: Brückenlieder Ein Gedichtbuch
von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1906 (S. 58-63)
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Die ewige Rose
Wohl ist die Welt ein Garten voll Prunk und Pracht,
Doch zeitlich endet, was in der Zeit entzündet!
Unzählige Blumen welken in jeder Nacht,
Die früh der Morgen farblos am Boden findet.
Wohin wir blicken, Enttäuschung und früher Tod!
Eins drängt das andre im Sinken und Aufwärtssteigen. -
Wo blühen die Rosen, die ewig duftig und rot
Der suchenden Seele den ewigen Frühling zeigen?
Es ist nur eine Rose, die zeitlos blüht,
Und die hier welken, sind Worte, die von ihr sprechen,
Die, nie entglommen, auch nie im Herbst verglüht,
Die selbst die Stürme der tiefsten Nacht nicht brechen.
Die sieht kein Auge und tastet auch keine Hand,
Die wurzelt nirgends und wurzelt in jedem Leben;
Es fand sie keiner, der sich nicht selber fand:
Sophia, dir Ewige, an der wir als Knospen beben.
aus: Brückenlieder
Ein Gedichtbuch
von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1906 (S. 119-120)
_____
Hassan und Abdullah
Eine Zirkusballade
Stürmt es, wirbelt das Meer.
Schlag nicht das Wasser deswegen!
Schlüg' es der Wind nicht so schwer,
Brauste es dir nicht entgegen.
- Also verschuldet's der Wind? -
- Knabe, treib keinen Spott!
Wind ist des sausenden Erdballs Kind,
Und den Erdball lenkt Gott!
Schicksal und Wille, o Seele,
Keiner scheidet und trennt die zwei!
Schicksal ist die gespannte Kehle
Und deine Tat nur der lösende Schrei.
Liebender du, und du Hasser!
Wolltet ihr wirklich auch, was ihr getan?
Ach, unser Wille ist biegsam wie Wasser.
Schlägt es der Wind, dann zerschlägt es den Kahn!
Helles Trompetensignal. In die Arena tritt
Bambo, der Elefant, schwer mit wuchtigem Schritt.
Wie ein graues Gebirge steht er im Zirkuslicht,
Wackelt mit schlappen Ohren und macht ein schlaues Gesicht.
Purpurne Decken trägt er, ganz von Gold überblitzt.
Bambo, der borkige Riese, weiß, wer im Sattel sitzt!
Zierlich wirft seine Herrin allen den Handkuß-Gruß.
Zierlich biegt sie das Leibchen und wippt den winzigen Fuß.
Warme Sterne als Augen, rot und flaumig der Mund,
Edel gekrümmt das Näschen und die Wangen mondrund.
Jauchzen und Händeklatschen, Rosen fliegen über sie hin.
Es ist Franja, die schöne, Franja, die Tänzerin!
Franja spielt heute Fürstin aus indischem Land.
Franja trägt einen Turban mit flammendem Diamant,
Goldüberbuckelte Brüste mit blutrotem Rubin,
Seidne Hosen mit Bildern auf Schenkel und Knien,
Bildern aus farbigen Steinen und Perlstickerein,
Braun aus goldenen Schuhen blüht nackend ihr Bein.
Prinzen in Scharlach, Trabanten in schimmernder Wehr,
Drängen sich bunt um ihr riesiges Reittier her.
Hassan und Abdullah treten vor sie zum Spiel.
Hassan wirft Messer und Abdullah dient als Ziel.
Hassan hat feurige Augen und schwarzen Bart,
Abdullah ist noch ein Jüngling und glatt und zart.
Aber die Augen beider feuchten sich heiß,
Sehen sie Franja, die Tänzerin, und dann zittern sie leis.
Hassan und Abdullah sind zwei arabische Brüder.
Hassan erzog den Knaben und lehrte ihm Spiel und Lieder.
Wärmte ihn nachts, wenn es kalt war, am eigenen Herzen,
Lachte mit ihm, wenn er froh war, und litt seine knäbischen Schmerzen.
Und so hing auch der Jüngling an ihm dem treusten Berater,
Sah den Bruder in ihm, den Freund, den Lehrer und Vater.
Blind vertrauend hat nie seine Wimper in Angst sich gebogen,
Wenn ihn auch Hassans Messer funkelnd umflogen.
Vor der fangenden Scheibe hockt er im gelben Sand.
Türkisch gekreuzt die Beine unter dem weißen Gewand.
Hassan prüft noch die Messer, fühlt nach Griff und Stahl.
Plötzlich zuckt und erbebt er in Schreck und Qual.
Blicke hat er gefangen, Blicke voll sündigem Glück -
Abdullah, glatter Junge, wo lerntest du diesen Blick?
Sahst bis heute doch immer eher mädchenhaft zart,
Jetzt aber lugte ein Mann daraus mit Salbe und Bart!
Knabe, hüte dein Auge! Schrecklich ist, was es sprach!
Hassan, dein älterer Bruder, trachtet ihr selber nach!
Langsam hebt der ein Messer, wiegt es in nerviger Faust.
Surr! wie funkelnd das Scharfe die Luft durchsaust!
Neben dem Haupte des Knaben, um eine Haaresbreite,
Beißt es sich in das Fangholz an seiner Seite.
Um eines Haares Breite - - Abdullah lebte nicht mehr,
Wenn nicht die Hand, die geworfen, die Hand seines Bruders wär'!
Abdullah hat nicht gezittert und der Gefahr nicht gedacht.
Hat ihm doch Franja, die Tänzerin, liebevoll zugelacht!
Hassan sah es mit Schielen und erstarrte in Schmerzen,
Gleich als trüg' er die Messer statt im Gürtel im Herzen.
Wieder durchschwirrt es die Luft, Noch ist er sicher und stark.
Heimlich nur brandet sein Blut, und wie gedörrt ist sein Mark.
Neben sich hört er Franja leise mit Bambo flüstern,
Spürt ihres Fleisches Geruch und hört ihre Seiden knistern.
Wenn er nur sprechen dürfte! - "Abdullah!" würde er flehn,
"Schließ deine Augen, Knabe, denn ich darf sie nicht sehn!
Als ich heute erwachte, mitternachts, warst du nicht da.
Wo du nachtsüber gewesen, weiß ich jetzt, Abdullah!
Bilder stehn dir im Auge, schrecklich und süß dazu.
Ach! ich habe sie lieb gehabt, viel lieber als du!" -
Abdullah lächelt glücklich, ganz umsponnen von Träumerei.
Messer um Messer schneiden blitzend an ihm vorbei.
Immer den Tod auf der Spitze rahmen sie seinen Leib,
Aber er sieht nur auf Franja, Franja, das schöne Weib.
Sieht nur die roten Steine auf der vergoldeten Brust,
Und seine Augen erzählen von heimlich genossener Lust.
Abdullah, schließ deine Augen! Hassan zittert die Hand.
Eben sah er wie Franja heute nacht vor dir stand.
Trug nur ihre Rubinen, hatte sonst gar nichts an.
Wollt' dir in allem dienen, und da wurdest du Mann. -
Abdullah, schließ deine Augen! Hassan ist fieberkrank!
Hassan liebt deine Tänzerin schon jahrelang!
Wehe! da saust schon sein Messer und ihm bebte die Hand!
Abdullah sieht nur die Bilder auf Franjas Gewand.
Träumt von glühenden Wonnen, die er glühend genoß,
Und er sieht nicht den tückischen Tod auf dem scharfen Geschoß.
Jäh durchzittert den Zirkus geller Entsetzensschrei.
Dieses Messer, o Hassan, brachtest du nicht vorbei!
In den Logen und Bänken drängen sich laut die Tausend,
Weiber kreischen in wildem Schreck und flüchten sich grausend.
Mit dem Messer im Herzen hockte der Knabe da,
Lautlos wand sich im Sande der sterbende Abdullah!
Aus der geöffneten Wunde spritzt das dampfende Blut,
Spritzt bis auf Bambo, den Riesen, und er trompetet vor Wut.
Irr vor Angst klettert Franja schreiend zur Erde nieder,
Aber Bambo ward toll vom Blut und zermalmt ihre Glieder.
Rasend den Rüssel schwingend, schleudert er sie in den Sand.
Zwischen zwei roten Rubinen sein Fuß eine Stätte fand.
Hassan steht wie ein Steinbild, reglos und stille.
Als man ihn fragend bedrängt, fragt er: "War es mein Wille?
Hab' ich dem Knaben wirklich das Messer ins Herz gesandt?
Oder war ich als Werfer Geworfner in stärkrer Hand?"
Hassan ist grau geworden, Hassan bettelt um Brot,
Hassan hockt an den Straßen, grübelnd in Weh und Not.
Hassan will es nicht glauben, daß er getan, was er tat.
Hassan betet zum Himmel um Erleuchtung und Rat.
Messer wirft er nie wieder, Messer sind ihm verleidet. -
"Wer ein Messer führt," spricht er, "duldet, daß Gott mit ihm schneidet!
Hab' doch den Knaben geliebt, war mir wie eignes Kind -
Aber der Wille ist Wasser, und Gott bläst darüber als Wind." - -
aus: Zwischen Himmel
und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma
Berlin 1913 (S. 3-7)
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Mädchen im Frühling
1.
Ich singe durch die Frühlingstage,
Als wär' mein Herz ein Drosselnest.
Ich singe mit so hellem Schlage,
Als stünd' ich froh im frohsten Fest.
Und muß doch trüb die Stirne neigen,
Wenn blaß und lau der Tag verfließt.
Ich singe, und ich möchte schweigen –
O komm, du Mund, der meinen schließt!
2.
Ich bin jetzt oft versunken
Selbst tags in Träumerein;
Ich bin jetzt oft wie trunken
Und trank doch niemals Wein.
Mein Herz und meine Glieder
Sind süß berauscht von Flieder
Und jungem Sonnenschein.
Vor Menschen muß ich's hehlen,
Gott aber kennt mein Blut:
Sehnsüchtige Wünsche quälen
Mich oft mit heißer Glut!
Ich trag' in Scham und Bangen
Nach einem Mann Verlangen,
Der mir am Herzen ruht.
Mein Mund wird rot im Traume,
Wenn er im Traum mir naht.
Stünd' ich am Apfelbaume,
Ich tät', wie Eva tat.
Doch bin ich selbst ein Garten
Und muß es still erwarten,
Ob wer mich gerne hat ...
3.
Er nannte mich: "Du Heilig-Reine",
Doch war nicht reinlich, was er tat.
Er bog die Knie und küßte meine,
So bang ich um Erbarmen bat.
Er rief von Leidenschaft gerötet:
"Madonna du, wie bist du schön!" –
Doch wie er mich dann angebetet,
Das kann kein Mädchenmund gestehn!
Ich ward entheiligt und erhoben.
Mir schwand die Welt in Weh und Lust.
Ich fiel und stieg dann doch nach oben
Und nahm ihn mit an meiner Brust. –
4.
Nun freue ich mich meines Leibes,
Weil ihn mein Freund so zärtlich liebt!
O köstliches Geschick des Weibes,
Das reich wird, wenn es alles gibt!
Ich streichel' glücklich meine Brüste!
Heut weiß ich, daß sie lieblich sind!
Bevor mein Freund sie selig küßte,
War ich für ihre Schönheit blind.
Ach! Alles, was ich scheu verborgen,
Ward heiß erweckt durch seinen Kuß
Und schritt in einen neuen Morgen
Wie aus dem Grab einst Lazarus!
5.
Wir Mädchen singen seit alter Zeit
Ein Lied in allen Landen,
Ein Lied voll herber Traurigkeit,
Das ich erst heut verstanden.
Ein Lied, das also klagt und klingt:
O du mein knospendes Leben!
Wer deine Liebe zur Blüte bringt,
Dem dürfen wir sie nicht geben!
Mein Herz war früh schon voll und warm
Und blühte wie junger Flieder,
Und einer hielt es weich im Arm,
Doch war die Welt dawider!
Ich lach' wie sonst. Nur manchmal liegt
Es schwarz vor meinen Blicken:
Er, der mein Herz im Arm gewiegt,
Darf seine Frucht nicht pflücken!
So klingt das Lied landaus und -ein,
Das Lied vom Mädchensehnen.
Ich muß wie meine Schwestern sein
Und schluck' auch meine Tränen.
An eines andern Herz gedrückt,
Wird mein Herz auch ergühen.
Doch der, der seine Früchte pflückt,
Nicht er ließ es erblühen!
6.
Der junge Kirschbaum schmückt sich allzu reich.
An jedem Aste schaukeln tausend Blüten,
Und täglich tun sich neue Wunder auf.
So stand auch meine Jugend einmal da:
Ganz überblüht von rosig-weißen Wünschen
Und eines Sommers voller Frucht gewiß.
Wenn ich nun seh', wie leicht die Kirschbaumblüten
Im Wind verfliegen, packt mich oft ein Schmerz.
Mag Gott den jungen Baum hier besser hüten
Als einst mein Herz! –
aus: Zwischen Himmel
und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma
Berlin 1913 (S. 136-139)
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Weibliche Geographie
(Nach einem
Volkslied)
In der Schwäbischen Alb und im Wiener Wald
Sind die Berge und Hügel gar vielgestalt.
Sind schneeig im Winter und grasgrün im Mai,
Doch nichts ist kurioser als hier diese zwei! - -
Die recken sich gar nicht so arg in die Höh
Und stehn doch des Sommers wie Winters im Schnee!
Und über dem Schnee stehen zierlich und rot
Zwei klein' kleine Knöspchen und frieren nicht tot!
Das ist doch was Neu's, das nicht jedermann weiß,
Und die schneeigen Hügel sind obendrein heiß!
Und säh' man's nicht selber, dann glaubte man nie,
Wie schnurrig mitunter die Geographie! - - -
aus: Zwischen Himmel und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma
Berlin 1913 (S. 147)
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Strophen des Verliebten
1. Der Pirol
Ich hör' den Pirol singen,
Er lockt im Pfirsichbaum.
Um seine goldnen Schwingen
Spielt mein verliebter Traum.
Er singt, was ich ersehne,
Und fliegt dann pfeilgeschwind
Vorbei wie eine Strähne
Goldblonden Haars im Wind. -
2. Blaßrote Nelken
Blaßrote Nelken stehen
Rings um mein Haus umher.
Wie andere sie sehen,
Seh' ich sie nimmermehr.
Will ich ihr Blühn begrüßen,
Verschwimmt es mir zur Stund
Zu einem wundersüßen
Blaßroten Mädchenmund. -
3. Gefolgschaft
Fliegt ein Vogel durch die Lüfte,
Der in Rosen heimisch war,
Haften ihm die zarten Düfte
Lange noch an Schwingenpaar.
Und wie ihm der Rosenranken
Duft durch Flaum und Flügel quillt,
Sind die singenden Gedanken
Meiner Brust von dir erfüllt!
aus: Zwischen Himmel und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma
Berlin 1913 (S. 149-150)
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Fremde Flammen
Unsre Lippen, unsre Hände,
Weich und voller Blut -
Sag': sind es nicht doch nur Wände
Zwischen Glut und Glut?
Sind die Leiber und das Leben,
Was hier fühlt und spricht -
Nicht nur Mauern, die sich heben
Zwischen Licht und Licht?
Manchmal, wenn wir innig flüstern
Und vertraut uns nahn,
Hör' ich Flammen in uns knistern,
Die sich niemals sahn ...
aus: Zwischen Himmel
und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma
Berlin 1913 (S. 151)
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Zwischen zwei Küssen
Schau' mich niemals mehr so an,
Denn ich kann es nicht ertragen!
Fremde Augen sahn mich an,
Als du deine aufgeschlagen.
Wie Gefangne gramerfüllt
Sich an blinde Scheiben drücken,
Stand ein Fremdes schwarzverhüllt
Hager hinter deinen Blicken.
Alles, was ich fühl' und fass',
Wird in Wonne uns gemeinsam -
Stumm nur hinterm Fensterglas
Stehn die Seelen ewig einsam.
Stehn und sehn sich traurig an,
Fremde, die von uns nichts wissen.
Jedes Glück verwelkt daran,
Zwischen Rosen auch und Küssen! -
Schau' mich niemals mehr so an ...
aus: Zwischen Himmel
und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma
Berlin 1913 (S. 158)
_____
Verflognes Haar
Heut hat der Wind im Stadtgewühl
Ein Haar auf meinen Rock geweht.
Ich hob es auf in losem Spiel:
Es flammte wie aus Gold gedreht!
Gedreht aus Gold und Flammen -
Von wem wohl mocht' es stammen?
Ach Gott! es haben so viele,
So viele sonniges Haar!
Da wölbte plötzlich glutgefüllt
Sich in Erinnerung mein Mund.
Vor meine Seele stieg ein Bild:
Ein weißes Haus in grünem Grund.
Mein blonder Spielgeselle
Warf mit mir Bocciabälle -
Spätsommerheiß und fiebernd
Lag rings der Garten im Schlaf.
Wir bückten uns nach einem Ball
Und kamen uns zu nah dabei.
Da schlug vom Baum in dumpfem Fall
Der Märchenapfel für uns zwei.
Mein Mund in Mädchenhaaren -
Wie heiß und jung wir waren!
Wir sahen den Ball im Grase
Und hoben ihn doch nicht auf ...
Spätsommerheiße Seligkeit,
Die mit dem Sommer sich entlaubt!
Heut sind so fern wir jener Zeit
Wie dieses Haar hier seinem Haupt!
Es blitzt noch blond und eitel,
Und ist von seinem Scheitel
Doch längst im Wind verflogen,
Wie wir von Jugend und Glück!
aus: Zwischen Himmel
und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma
Berlin 1913 (S. 168-169)
_____
Liebe
Von jedem verkündet,
Erträumt und erstrebt;
Von keinem ergründet
Und restlos erlebt;
Vom Alltag umschlossen
Nach kurzem Genuß,
Und wieder genossen
Im flüchtigsten Kuß;
An Umfang geringe,
Doch flammendurchblitzt,
Wie funkelnd im Ringe
Der Edelstein sitzt;
In Sehnsucht gebettet,
Auf Sehnsucht gestellt,
Verknüpft und verkettet
Sie uns mit der Welt! -
aus: Zwischen Himmel
und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma
Berlin 1913 (S. 190)
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Mystik der Liebe
Was wir als Samen in uns reifen,
Sieht das in uns nicht seine Welt?
Was um uns wir als Welt begreifen,
Ist das nicht Gott, der uns enthält?
Das Volk, das wir in uns erschufen,
Löst sich in Liebe von uns los.
Wir drängen es zu höhren Stufen
Aus uns in einen fremden Schoß.
Und warten selbst in Gottes Lenden,
Daß wir, sein Same, übergehn
Und tief im Todesschoße enden,
Um als sein Erbe zu erstehn!
aus: Zwischen Himmel
und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma
Berlin 1913 (S. 206)
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Biographie:
Georg Busse-Palma * 20. 6. 1876 Lindenstadt, † 14. 2. 1915 Teupitz
(Nervenheilanstalt). (ev.).
B. verließ früh das Elternhaus und zog auf Wanderschaft durch Belgien,
Frankreich, Österreich, Italien. Er bezeichnet sich selbst als
Autodidakten. Nach einem unsteten Leben ließ sich B. als freier
Schriftsteller in Berlin nieder. - Seine Lieder, bei denen gelegentlich
Liliencron Pate gestanden, suchen im Gegensatz zu den schönen Stimmungen
und weichen Melodien des Bruders mit Leidenschaft, Schroffheit und
Bitterkeit, wohl auch Frivolität, dem Leben gerecht zu werden. Während
seine frühen Erzählungen nur Stimmung bringen, geht es in den späteren um
sittliche Probleme.
W. u.a. Lieder eines Zigeuners, 1899, 21908 mit Anhang: Nach
chines. Dichtern; Kinder d. Ostens, Roman, 1901; Zwei Bücher Liebe u.a.
Gedichte, 1903; Die singende Sünde, Neue Gedichte 1903; Brückenlieder,
1905; Erste Liebe u.a. Erzählungen, 1912; Zw. Himmel und Hölle, Neue
Balladen u. Schwänke, Sprüche u. Lieder, 1913.
aus: ADB Allgemeine Deutsche
Biographie
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