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Marie Calm
(1832-1887)
Des Seemanns Braut
Was birgt Dein geheimnisvoll tiefer Grund,
O Meer, o Meer?
Zeig', was Du begraben in Deinem Schlund,
Gib es mir her!
Schimmernde Perlen in heimlicher Zelle,
Rote Korallen und Steine so helle,
Gräser und Blumen und Muscheln bunt, -
Die birgt mein Grund.
Was frag' ich nach Perlen und Muscheln bunt,
O Meer, o Meer!
Die magst Du bewahren auf dunkelm Grund, -
Was birgst Du mehr?
Spielende Fische von Farben so prächtig,
Ries'ge Polypen mit Armen so mächtig,
Gierige Haie mit gähnendem Schlund, -
Die birgt mein Grund.
Was frag' ich nach Fischen und gierigen Hai'n,
O Meer, o Meer!
Behalte die schupp'gen Bewohner Dein, -
Was birgst Du mehr?
Trümmer von Schiffen mit Tauen und Masten,
Eiserne Tonnen mit goldenen Lasten,
Schätze, versunken in nächtlicher Stund', -
Die birgt mein Grund.
Was frag' ich nach Schiffen und rotem Gold,
O Meer, o Meer!
Behalt' den Tribut, den das Land Dir gezollt, -
Was birgst Du mehr?
Bleiche Gerippe und glatte Knochen,
Liebende Herzen in Kummer gebrochen,
Tapfre Soldaten mit klaffender Wund', -
Die birgt mein Grund.
Ha, die sind's, die Toten, die gib heraus,
O Meer, o Meer!
Mein Liebster zog fort und kam nimmer nach Haus, -
Ihn, ihn gib her!
(S. 387-388)
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Mein Herz ist eine stille Flut
Mein Herz ist eine stille Flut,
Darin Dein Bild als Himmel ruht,
Mein Herze ist ein grüner Wald,
Darin als Sang Dein Name schallt.
Mein Herze ist ein Ringlein fein,
D'rauf glänzest Du als Edelstein;
Mein Herz ist eine Frühlingsluft,
D'rin Deine Liebe webt als Duft.
Mein Herz ist eine Muschel zart,
Die Dich als Perle aufbewahrt;
Sie hält sie fest und läßt sie nicht,
Bis einst das kleine Haus zerbricht.
(S. 388)
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Gedichte
aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885
Biographie:
(...) Für die Verbesserung der Frauenbildung wirkt in Wort und Schrift
Marie Calm (Marie Ruhland) (geb. 3. April 1832 zu Arolsen, jetzt in
Kassel), die Tochter eines Kaufmannes, in Genf zur Lehrerin ausgebildet
und als solche in Engalnd (1853), Belgien, Russland (1858) und am Rheine
tätig, 1862-65 Vorsteherin einer Töchterschule in Lennep, seit 1865 in
Kassel Vorsteherin einer Anstalt für konfirmirte Mädchen. Ihre Schriften
"Weibliches Wirken in Küche, Wohnzimmer und Salon" 1874 voll gesunder
praktischer Winke und "Ein Blick ins Leben" sind für heranwachselnde
Mädchen sehr empfehlenswert. Ausserdem schuf sie Gedichte "Bilder und
Klänge" 1871, Skizzen und Novellen 1865, die Romane "Leo" 1876 und
"Durch Arbeit frei" (erschienen in der "Illustrierten Familienzeitung").
Beachtenswert ist auch ihre Brochüre "Die Stellung der deutschen
Lehrerin[n]en" 1870.
aus: Deutschlands
Dichterin[n]nen und Schrifstelerin[n]en
Eine literarhistorische Skizze zusammengestellt von Heinrich Gross
Zweite Ausgabe Wien 1882
siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Marie_Calm
siehe auch:
http://www.uni-kassel.de/finut/mariecalm.html
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