Ignaz Franz Castelli (1781-1862) - Liebesgedichte



Ignaz Franz Castelli
(1781-1862)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Nettchens Aussteuer

Mein Nettchen hat zwar nicht wie andre Mädchen
Viel Gut und Gold,
Und doch bin ich in unserm ganzen Städtchen
Ihr einzig hold.

Sie weiß nicht alle Pflanzen schön zu sticken
Aus Süd und Ost,
Doch weiß sie, welche sich am besten schicken
Zur Hausmannskost.

Sie plappert zwar nicht vier verschiedne Sprachen
Recht fertig her,
Doch ihre schönen schwarzen Augen sagen
Mir zehnmal mehr.

Sie trillert bei'm Klavier nach Beifall strebend
Kein Opernlied,
Doch singt sie in der Kirche herzerhebend
Das "Heilig" mit.

Stirbt ihr ein Hund, ein Kätzchen, niemals weinet
Sie da vor Schmerz,
Doch wenn ein Mensch ihr arm und elend scheinet,
Da bricht ihr Herz.

Sie hat zwar Siegwarts Leiden nicht gelesen,
Stirbt nicht für mich,
Doch athmet Liebe nur ihr ganzes Wesen,
Sie lebt für mich.
(Band 1 S. 12)
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Liebeslieder eines Humoristen

Lieder dichten ist jetzt der Brauch.
Ich kann's zwar nicht; doch thu' ich's auch,
Gedruckt ist nie was umsonst gewesen,
Einer schreibt und die Andern lesen.

I.
Wie ich sie fand
Einst ging ich so spazieren,
Ganz ohne anderm Ziel,
Als - weil mir eben warm war,
Damit mir werde kühl.

Da schlendert' ich behaglich
Die Gassen auf und ab,
Und pfiff mir Melodeien
Und spielte mit dem Stab.

Und wie ich eben trillre
Das wunderschöne Lied:
"Auf, Freunde! pflückt die Rose
Bevor sie Euch verblüht."

Da sah' ich gehn ein Mädchen,
Ein Mädchen - muß gestehn
Ich kann sie nicht beschreiben
Weil - ich sie nicht gesehn.

In einem dichten Schleier
War die Gestalt verhüllt,
Doch Phantasie entwarf mir
Ihr wunderschönes Bild.

Sie hatte blaue Augen,
Und rabenschwarzes Haar,
Ja, ja, die muß sie haben,
Und wär' es auch nicht wahr.

Und dann ein würz'ger Athem
Und Stimmen-Harfenton
Sind allen Liebchen eigen,
Das weiß ich lange schon.

Da trat ich ihr dann näher
Gewinnend frischen Muth,
Ich faßte sie am Arme,
Wie man gewöhnlich thut.

Und sprach: "Verzeih' o Schöne!
Daß ich gefolget bin,
Den Schmetterling, du weißt ja,
Zieht's zu der Rose hin!"

Auf den Gedanken bildet'
Ich mir was Rechtes ein,
Und dachte mir sie müßte
Mir gleich gewogen seyn.

Da wandte sie das Köpfchen
Und lispelte mir zu:
"Herr! geh' er seines Weges
Und laß er mich in Ruh!"

Die Worte, ach! die Worte
Vergeß ich nie; - betrübt
Und stumm schlich ich von dannen.
Seitdem bin ich verliebt.
(Band 1 S. 18-20)



II.
Individualität
Sie sagen man könne nicht schlafen
Wenn man verliebet wär',
Ich aber, - Gott soll mich strafen
Ich schlafe viel süßer und mehr.

Man werde blaß, und kläglich
Spricht man zum Mondenschein.
Ich werde fetter täglich
Und kann mich der Sonne noch freu'n.

Die Blümlein sollen lachen
Und reden zu Liebenden.
Von allen diesen Sachen
Hab' ich noch nichts gesehn.

Ihr Herren! die ihr liebet
Erklärt dies Räthsel mir,
Ich weiß nicht ob ich besser,
Ob schlechter lieb' als ihr.
(Band 1 S. 20)



III.
Sympathie
Ich habe sie gesucht,
Gesucht in allen Winden,
Und konnte sie nicht finden,
Das ist doch recht verflucht.

Geseh'n hatt' ich sie nie;
Doch um sie jetzt zu sehen,
Ließ ich mich nur so gehen
Und hofft' auf Sympathie.

Ich dachte nämlich mir:
Wenn die dein Auge findet,
Die dir das Herz entzündet,
So zieht's dich schon zu ihr.

Es zog mich richtig zwar,
Und zog mich bald an jene
Und bald an diese Schöne,
Die rechte keine war.

Die Eine mag ihr Haar,
Die Andr' ihr Auge haben,
Die Dritte andre Gaben,
So wird das Anziehn klar.

Doch sie - sie fand ich nie,
Und was sie auch in Büchern
Darüber mir versichern,
Der Teufel hol' die Sympathie.
(Band 1 S. 20-21)



IV.
Begeisterung
Die Leute machen Gedichte
Wenn sie die Liebe plagt,
Das ist eine dumme Geschichte,
Daß man eine Sache verrichte,
Die Einem nicht behagt.

Sie sagen von selber käm' es,
Die Verse diktire das Herz,
Das wäre wohl etwas Bequemes,
Doch mir kommt gar nichts, ich nehm' es
Daher nur eitel für Scherz.

Da hab' ich zwar etwas geschrieben,
Was auch wie Verse fast klingt,
Doch wenn alle die, welche lieben,
Nicht höher im Dichten es trieben,
Dann wünscht man, daß keiner was singt.
(Band 1 S. 21-22)



V.
Sonett
Doch ein Sonett, das hat nur vierzehn Zeilen,
Und braucht wohl auch nicht tiefen Sinn zu kunden.
Sieh' da, drei Verse sind schon überwunden.
Die andern werden sich wohl nach beeilen.

O du! von der - durch die ich hab' empfunden,
Den Schmerz von Amors giftgeschwollnen Pfeilen,
Die du die Wunde schlugst, komm sie zu heilen.
Es wird geschehn, sobald ich dich hab' funden.

Wo bist du? wo, wo, wo? du theure Seele!
Ihr Lüfte blast mir zu, die ich erwähle,
Ihr Sterne zeigt wohin den Schritt ich wende.

Ich soll, ich will, ich muß sie sehn die Theure
Und sollt' ich wagen selbst das Ungeheure,
Und sollt'! - ha! das Sonett ist schon zu Ende.
(Band 1 S. 22-23)



VI.
Wiederfinden
Sie ist gefunden
Und nun gesunden
All' meine Wunden,
O sel'ge Stunden
Die ich empfunden!

Wie dieß geschehen,
Ihr sollt es sehen
Und draus verstehen
Wie sich die Wehen
Zu Wonnen drehen.

Ich fuhr erst neulich
Das Wetter freilich
War sehr abscheulich,
Es staubte gräulich,
Auf's Land sehr eilig.

Zwei Frauen waren
Vor mir gefahren
Mit blonden Haaren.
Konnt' nicht gewahren
Die Sonderbaren.

Trotz Husten, Singen
Und andern Dingen
Wollt's nicht gelingen
Nur einen ringen
Blick zu erzwingen.

Oft gab der Leiter
Den Pferden Deuter
Und fuhr so heiter
Und schnell auf breiter
Landstraße weiter.

Doch endlich glückte
Es mir, ich quickte,
Die Eine blickte
Nach mir und nickte,
Was mich entzückte.

Dieß Schau'n, ein klares,
Zwar sonderbares
Jedennoch wahres
Gefühl gebar es,
Das rief: Sie war es!
(Band 1 S. 23-24)



VII.
Seligkeit
Da fuhr ich denn hinter ihr drein
In Wonne
Und achtete nicht auf den Schein
Der Sonne.

Ich konnte dem leuchtenden Born
Entsagen;
Denn meine Sonne saß vorn
Im Wagen.

Was ich da gefühlt, keine Feder
Verkündet's;
Doch von den Verliebten ein Jeder
Empfindet's.

Die Luft, die in ihren Locken
Gespielet,
Hat mir auch die Wangen trocken
Gekühlet.

Die Wohlgerüche von ihr
Die Lüfte
Von hinten trugen zu mir
Als Düfte.

Den Staub, der aufstieg gleich Rauch
Zur Sonne,
Den schluckt' ich hinten gleich auch
O Wonne!

Kurz, jede Nerve in mir
Erbebte.
Die seligste Stunde ich hier
Erlebte.
(Band 1 S. 24-25)



VII.
Erster Anblick
Beim Gasthof zum goldenen Engel,
Da stiegen die Damen aus,
Ein Engel ging zu dem andern;
Ich folgte nach in's Haus.

Da hab' ich sie nun gesehen; -
Ihr Himmelsmächte all!
Wie soll ich sie beschreiben
Mit todtem Wörterschwall?

Ihr Auge - nein ihre Augen, -
Zwei waren's sicherlich,
Das eine sah auf ihr Näschen,
Das andre sah auf mich.

Ihr Haar! - hier ist der Ausdruck
Der Einheit ganz genau,
Sie hatte fast nur eines,
Und dieses war schon grau.

Ihr Antlitz! - Ach ein Grübchen
Gewahrt' ich in dem Kinn,
Und zwei dann in den Wangen
Und noch viel andre drin.

Die Füße! o die findet
Man stattlicher nicht mehr,
Sie hätten's nicht verschuldet
Wenn sie gefallen wär!

Und dann der Busen! - Himmel!
Wer würde nicht perplex?
Mit einer Hand deckt Venus
Die Brust, sie nicht mit sechs.

Es war bei solchen Dingen
Erstarrt das Herze mein,
Zu groß, zu groß die Einen,
Die Andern - ach! - zu klein!
(Band 1 S. 26-27)



IX.
Wer sie war
Da ich Euch nun ihre Reize verzeichnet
Treu und wahr,
Horchet erst auf, will Euch auch verkünden
Wer sie war.

Tiefes Wissen, das sonst nur die starken
Männer ziert,
Hat auch die Zarte in sich gesogen,
Hat studirt.

Sie kennt im Menschen den tief verschlungnen
Aderlauf;
Sie schreibt Recepte gleich allen andern
Ärzten auf.

Wenn auch das Kind vom Vater und Mutter
Leben erhält,
Tritt es doch immer durch sie nur alleine
In die Welt.

Kurz sie war - was der Frank' unter weise
Frau erkennt,
Aber der Deutsche viel schmerzendurchdrungner
Wehmutter nennt.
(Band 1 S. 27-28)



X.
Liebes- und Liederschluß
Die Wissenschaft ist nicht poetisch,
Das ganze Geschäft ist nicht ästhetisch,
Also zog ich mich zurück; -
Das war meiner ersten Liebe,
Hoff' auch meiner letzten Liebe
Tragikomisches Geschick.
(Band 1 S. 28)
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An Fanny

Ich möchte dir einmal ein Liedchen bringen,
Den Wunsch hast du mir öfters schon entdeckt,
Doch wenn ich es versucht, von dir zu singen,
Hat meine Phantasie mich stets geneckt;
Nicht flink genug war meine Hand zu schreiben,
Es fiel mir gar so viel auf einmal ein,
Dem Herzen muß das Blatt stets schuldig bleiben,
Denn jenes ist zu groß, und dieß zu klein.

Dacht' ich bei deinen Augen anzufangen,
So sah ich gleich das braune Lockenhaar,
Wollt' ich dann mahlen deine Rosenwangen,
So stellten sich die Grübchen d'rin mir dar,
Wollt' ich von deinem sanften Munde sprechen,
So sah ich auch zugleich den Perlenzahn.
Eins nöthigt mich das Andre abzubrechen,
So end' ich nie, und fange niemals an.

Will ich beschreiben deines Herzens Güte,
Da ist denn gar kein Wort mir gut genug,
Nichts glückte, was ich mich zu bilden mühte,
Ich fühlte nur, und war zu wenig klug.
Nichts traf ich, wie es stand in meinem Busen,
Und Alles schien mir viel zu schwach, zu kalt;
Genug! - dem Frechen zürnen sonst die Musen,
Der eine Grazie so menschlich mahlt.
(Band 1 S. 31-32)
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Liebe und Reichthum

Ich hatt' ein Herz ganz voll von Liebe,
Auch mangelt' es mir nicht an Reichthum,
Da rief ich zu dem Gott der Liebe:
"Dich ehr' ich höher als den Reichthum!
O! schenke Liebe mir für Liebe,
Was nützt mir ohne sie mein Reichthum?
Es ist die Lieb', und nur die Liebe
Des Herzens größter, einz'ger Reichthum."

Marien bot ich meine Liebe,
Marien bot ich meinen Reichthum,
Marie log mir Gegenliebe,
Und theilte mit mir meinen Reichthum;
Doch ach! dieß Mädchen meiner Liebe,
Verpraßte bald mir meinen Reichthum,
Dann endete auch ihre Liebe
Zu gleicher Zeit mit meinem Reichthum.

Ihr mit den Herzen voll von Liebe,
Doch ohne jeden andern Reichthum,
Erwartet ja nichts von der Liebe,
Denn Niemand liebt Euch ohne Reichthum.
Einst lebte man nur in der Liebe,
Sie war des Herzens schönster Reichthum;
Jetzt! - ohne Reichthum trennt die Liebe,
Und ohne Liebe knüpft der Reichthum.
(Band 1 S. 70)
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Lischens Kuß

Noch denk' ich jener Feierstunde,
Da Lischen mich umfing;
Noch brennt der Kuß auf meinem Munde,
Den ich von ihr empfing.
Die Küsse sind hienieden,
So wie die Mädchen auch verschieden.

So manche, die im Arm wir schließen
Zum Kuß, uns kaum berührt,
Das heißt, unreife Frucht genießen,
Nach der man lüstern wird;
Ein solcher Kuß pflegt immer
Zu reizen, aber sättigt nimmer.

Fest wie das Moos an einer Klippe,
Hängt eine Andre lang
Mit wildem Feu'r an uns'rer Lippe,
Und macht uns angst und bang;
Ein solcher Kuß pflegt immer
Zu sätt'gen, aber reizt dann nimmer.

Doch nicht wie diese, küsset Lischen,
Ja, in ein Himmelreich
Versetzet mich von ihr ein Küßchen,
Und reizt und sättigt gleich;
Nein, so wie sie, küßt keine,
Es gibt im Küssen nur die Eine.
(Band 1 S. 121-122)
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Die Denkmale der Liebe

Mein Schreibpult hat ein verbogenes Lädchen,
Da gibt es gar herrliche Sachen darin,
Sie kommen von Händen der lieblichsten Mädchen,
Von Hannchen und Lischen, und Röschen und Gretchen;
Kommt, setzt euch mit mir zu dem Schreibpult hin;
Wie ich sie bekommen, erklär' ich euch treu,
Ich weiß es, ihr lächelt wohl manchmal dabei.

Dieß Schnürchen von Haaren, es ist von Brigitten:
Am Abende, der uns der seligste war,
Hab' ich sie ihr scherzend vom Kopfe geschnitten; -
Seitdem gab sie vielen, die sie wohl gelitten,
In seligen Stunden ein Denkmal vom Haar,
Und hat ihr nur jeder so viele geraubt,
So hat sie jetzt sicher kein Haar auf dem Haupt.

Den Ring hier erhielt ich von Eleonoren,
Es ist eine Schlange, die endlos sich schließt;
Sie hatte, indem sie dieß Zeichen erkoren,
Symbolisch mir ewige Liebe geschworen,
Nicht minder sind Schlangen auch Bilder der List.
Als Denkmal der letztern verwahr' ich sie nur,
Denn listig genug brach sie Treue und Schwur.

Den seidenen Geldbeutel strickte mir Käthchen,
Stets seh' ich mit Wehmuthsgefühlen ihn an,
Sie liebte nur Prunk, das sonst liebliche Mädchen,
Ich that, was ich konnte, für dieses Kokettchen;
Doch schien's ihr noch immer zu wenig gethan.
So ging denn mein Geld im Galloppe darauf,
Den Beutel bewahr' ich zum Andenken auf.

Den Fächer hier hab' ich von Suschen. - Die Feine
Hat wirklich zu arg mit mir Armen gespielt,
Sie hielt ihn zwar oft vor die Augen zum Scheine;
Doch schielte sie neben hinaus durch die Beine,
Bis sie sich ein reicheres Männchen erschielt,
Ich mußte natürlich dann weichen. - Ich schied,
Und nahm diesen Fächer zum Andenken mit.

Dieß Päckchen voll Briefe mit goldenen Enden
Erhielt ich von Klärchen; - sie schrieb mir darin:
Sie wünsche, daß wir uns auf ewig verbänden,
Denn nimmermehr werde ihr Herzchen sich wenden,
Es sei meine Liebe ihr höchster Gewinn.
Dasselbe enthält auch der unterste hier;
Doch gilt die Adresse, - da seht nur, - nicht mir.

Die Weste hat mir Karoline gesticket,
- Nur Qual gab dieß Mädchen mir, Sorgen und Pein,
Die West' ist mit herrlichen Rosen geschmücket,
Doch glaubt mir, so viel ihr auch Rosen erblicket,
So viel flocht sie Dornen in's Leben mir ein.
Nicht länger ertrug ich's, - mir wurde vor Leid
Das Herz immer enger, die Weste zu weit.

Da seht ihr noch and're verschiedene Sachen,
Von Mädchen und Weibern mir einstens geschenkt,
Die ewig und treu mich zu lieben versprachen,
Und Worte und Schwüre dann leichtsinnig brachen;
Ich wurde betrogen, verlacht und gekränkt;
Dieß Lädchen im Schreibpult nützt mir gar sehr,
Jetzt glaub' ich den Schwüren der Weiber nicht mehr.
(Band 1 S. 130-132)
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Der verliebte Eidbrüchige

Gleich heftig immer dich zu lieben,
Den heil'gen Schwur gab ich dir einst,
Und er ist, wie du leider meinst,
Bei mir ganz unerfüllt geblieben. -
Du hast auch Recht, ja, ich gestehe,
Ich bin recht sehr veränderlich;
Denn glaub', je öfter ich dich sehe,
Je stärker, Mädchen, lieb' ich dich.

Selbst meine Blicke sind Verräther,
Jetzt hängen sie an deinem Mund,
Jetzt an dem Arm, so weiß und rund,
Dein großes Auge, blau wie Äther,
Ist's bald, wornach ich staunend geitze,
Und bald des Busens Üppigkeit;
So führt mich jeder deiner Reitze
Zur neuen Unbeständigkeit.
(Band 1 S. 156)
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Mißmuth verrathener Liebe
(Geschrieben zu Heiligenkreuz im Mai 1812)

Was ist es, das die Seele mir umdüstert,
Und meine Augen unwillkürlich näßt?
Von dumpfen Tönen fühl' ich mich umflüstert,
Von nie gefühlter Bangigkeit gepreßt,
Die Einsamkeit und Schwermuth sind verschwistert,
Ein Schwärmer passet nicht zum frohen Fest;
O laßt mich aus dem Kreis' der Lust, ihr Brüder,
Dort auf der Wiese findet ihr mich wieder.

Hier prangt Natur in ihres Reichthums Fülle
Als Herold jener unsichtbaren Macht,
Die jungen Blüthen sprengen ihre Hülle,
Das All' ist aus des Winters Schlaf erwacht,
Es schlägt die Nachtigall, es zirpt die Grille,
Und Alles preiset laut der Erde Pracht;
Nur mich allein füllt namenloses Sehnen,
Nur meinem Aug' entstürzen Wehmuthsthränen.

Der Herzens Klopfen droht die Brust zu sprengen,
Es liegt auf mir mit bleiernem Gewicht,
Ihr Vögel schweig't mit euern Lustgesängen,
Du Sonne! zieh' hinweg dein Strahlenlicht!
Ihr Bäume! laßt die frischen Zweige hängen!
Hinstürzen möcht' ich auf mein Angesicht,
Mit jedem Halme meine Schmerzen theilen,
In jeden Jubel meine Klagen heulen.

Erinn'rung! holde Zauberinn der Freuden!
Du Himmelstochter wirst zur Furie mir,
Du zauberst jetzt mir namenlose Leiden,
Und meines Herzens Beben kömmt von dir;
In diesen grünen Au'n, auf diesen Haiden
War ich so überglücklich einst mit ihr! -
Ein jeder Baum ist Denkstein froher Stunden,
Und ruft mir gräßlich zu: Sie sind verschwunden!

Dort faßen wir auf moosbewachs'nen Klippen,
Durch Liebe in ein Wonnemeer getaucht,
Der Feuerkuß brennt noch auf meinen Lippen,
Durch den sie ihre Seel' in mich gehaucht.
Nie werd' ich mehr von diesem Borne nippen,
Aus dem ich all' mein Leben einst gesaugt; -
Hier schloß sie mir den Mund mit ihren Küssen,
Der bald auf immerdar wird schweigen müssen.

Kein Sonnenstrahl dieß Plätzchen mehr erhelle,
Verdorret all' ihr Blümchen dieser Flur,
Zum Gießbach wachse an, du kleine Quelle!
Empöre dich, du friedliche Natur!
Ihr alle hörtet ja an dieser Stelle
Der Pflichtvergeßnen theuren heil'gen Schwur;
Den Meineid, den die Falsche hier geschworen,
Saust, Winde! überall ihr in die Ohren.

Sie zu vergessen, ach, vergeblich Streben!
Ihr Bild ist fest vor meinen Blick gebannt,
Nicht hassen kann ich sie, der ich ergeben,
Nicht fluchen der, für die mein Herz gebrannt.
Sehr arm ist der, der nie in seinem Leben
Die Himmelstochter: Liebe, noch gekannt;
Die Ärmsten doch sind jene hier auf Erden,
Die um dieß Hochgefühl betrogen werden.
(Band 1 S. 158-160)
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Der Sitz der Liebe

Was für ein Ort muß dir zum Sitz, o Amor, taugen?
Wohnst du in meiner Brust? - wohnst du in Clärchens Augen?
Wenn ich auf deinen Glanz mein Sinnen einzig richte,
So seh' ich immer dich in ihrem Angesichte;
Doch denk' ich deiner Qual, und deiner tiefen Wunden,
So hab' ich dich nur stets in meiner Brust gefunden.
Ach Amor! willst du deine unumschränkte Macht
Der Unempfindlichkeit, die meiner spottet, zeigen,
So wechs'le deinen Sitz, da sie nur deiner lacht, -
Und such' ihr in das Herz, mir in's Gesicht zu steigen.
(Band 1 S. 209)
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Grabschrift auf ein Kind der Liebe, welches von
seiner Mutter ermordet wurde

Die mich gebar, hat mir den Tod zugleich gegeben.
Es war ein streitend Paar, das über mich geboth;
Zum Trotz der Ehre gab die Liebe mir das Leben,
Zum Trotz der Liebe gab die Ehre mir den Tod.
(Band 1 S. 209)
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Amors Tod
(Legende)

Gott Amor lag einst krank darnieder,
Der Götterrath besuchte ihn,
Zeus blitzt' ihm Feuer in die Glieder,
Apollo las ihm Göthe's Lieder,
Minerva hielt das Schild ihm hin,
Cythere ließ an ihren Busen
Das Söhnchen ruh'n, und alle Musen
Versuchten's, ihn zu divertiren,
Selbst Hebe reicht ihm die Arznei;
Vulkan wollt' ihn magnetisiren,
Mit Ambra kam Neptun herbei,
Mars gab ihm Kraft durch seinen Speer,
Merkur bracht' ihm Kaffeh daher,
Diana steckt in Hasenfelle
Die Füßchen, reicht' ihm Hirschhorngeist;
Auch Hymen kam; - zur Thüresschwelle
Trat er hinein, und auf der Stelle
Entfloh des armen Amors Geist.
(Band 1 S. 211)
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Ich liebe dich
An Marien

Ich liebe dich! welch göttlich Wort!
Es flammet mir durch alle Adern;
Könnt' ich's nicht sprechen, hier und dort
Müßt' ich mit Erd' und Himmel hadern.
Ihr Redner, die ihr meisterlich
Gedanken wisset vorzutragen,
Vermögt ihr Süßeres zu sagen,
Als dieses Wort: Ich liebe dich?

Seh' ich dich, drängt es sich vom Herzen
Empor zum allzuschwachen Mund,
Und tausend Freuden, tausend Schmerzen
Thät' ich dir gern auf einmal kund;
Doch immer sträubt die Zunge sich
All' die Gefühle vorzutragen,
Und nichts vermag ich dir zu sagen,
Als nur die Wort': Ich liebe dich!

Wozu soll ich das Schweigen brechen?
Dieß Wort, begründend mir mein Glück,
Bedarf ja nicht der Mund zu sprechen,
Es sagt's die Hand, es sagts der Blick. -
Darum, Marie, laß ich mich
Durch nichts in meinem Traume stören,
Ich will nur deine Augen hören,
Und die gesteh'n: Ich liebe dich!
(Band 1 S. 225-226)
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Amors Waffen
(Allegorie)

Einst hatte jener lose Götterknabe,
Der stets an Sterblichen sein Müthchen kühlt,
Mit unsern Herzen unbarmherzig spielt,
Und Wunden schlägt, die schmerzen bis zum Grabe,
Auch auf der Mutter Götterherz gezielt. -
Sie fühlt den Pfeil, und unter lautem Weinen
Besteigt sie schnell den Taubenwagen,
Um diesen ungezog'nen Kleinen
Beim Gott der Götter anzuklagen. -
Die Klage war kaum vorgetragen,
Als Zeus, der seine Stirn in Furchen zieht, -
Den hohen Götterrath zu sich beschied,
Damit sie über diesen Frechen
Das Urtheil ohne Gnade sprächen. - -
Man disputirte her und hin,
Und endlich ward beschlossen,
Auf vier und zwanzig Stunden ihn
Aus dem Olymp zu stoßen. -

Gesagt, gethan. Es wurd' in aller Eile
Das Urtheil am Verbrecher exequirt;
Sein Köcher nur und seine Pfeile
Ihm mitzunehmen placidirt;
Und so stieß man ihn ohn' Erbarmen
Zum Himmelsthor hinaus, den Armen. -

Da irrt er nun, auf unwegsamen Gründen,
In sich gekehrt, betrübt und stumm,
Und ohne Speis' und Trank herum,
Denn nimmer konnt' er selbst sich überwinden,
Den Menschen sich zu nähern nackt und bloß;
Erbarmungswürdig war des Kleinen Los,
Vor Schwachheit konnt' er kaum mehr schweben,
Dem Durst, der Hitze Preis gegeben,
Lag lechzend er auf einem Steine da
Und war der letzten Stunde nah. -
Da kam Herr Plutus jenes Wegs daher,
Gestützt am Stab, und von dem Ungefähr,
Das blind den Blinden leitete, geführt. -
(Was Wunder, daß er manchmal irre wird.)
Es sah ihn Amor kaum, so stählte
Ein neuer Muth ihm alle Glieder.
Er warf sich vor dem Gott des Reichthums nieder,
Dem er sein trauriges Geschick erzählte,
Und flehte ihn um Hülf' und Beistand an. -
Beim Herkules! es dringen deine Schmerzen,
Erwiederte Herr Plutus, mir zum Herzen;
Doch ist mir's leid, ich kann nicht helfen. Wann
Hat Plutus etwas je umsonst gethan?
D'rum sprich vorerst, was gibst du mir
Zum Pfande, wenn ich borge dir?
"Du siehst ja, daß ich ohne Kleider bin,
Ich habe nichts, als meine Pfeile hier!" -
Auf diese leih' ich zwei Dukaten dir. -
"Grausamer! nun so nimm sie hin!" -
Mit Thränen, voll der tiefsten Traurigkeit,
Mußt' Amor seine Pfeile nun verpfänden.
Es nahm sie Plutus, und seit dieser Zeit
Sind sie auch immerfort in seinen Händen.
(Band 2 S. 29-31)
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Die Liebeslaute
(Ballade)

I.
"Ruft mir den blassen Sänger herauf,
Er soll mir das Zwerchfell erschüttern,
Ein lustiges Liedel spiel' er mir auf,
Von Feien und Gnomen und Rittern."

Und Liebemund trat in das Prunkgemach
Inmitten von horchenden Scharen!
"Fang' an!" rief der Graf, - doch der Sänger sprach:
"Ich kann Eurem Wunsch nicht willfahren."

"Herr Graf! seht hier meine Laute; - die Hand,
Die theure, der Schönsten der Schönen
Hat mir sie geziert mit dem Rosenband,
Die Laute darf Liebe nur tönen."

"Ihr weih' ich jegliche Melodei,
Sing nur von Mathilden und Minne,
Und eher brech' ich die Laute entzwei,
Eh' ich andere Lieder ersinne."

"Ho ho!" - grinst der Graf, "das klingt ja sehr dreist,
- Indem er ihn höhnisch verlachet -
Laß sehen, mein kecker trotzender Geist,
Ob der Kerker nicht zahmer dich machet!"


II.
Was tönt aus jenes Thurmes Mauern,
Wer singet noch zu dieser Stund'?
Es ist der Liebe banges Trauern,
Es ist der Sänger Liebemund;
Er thut der Nacht und ihren Schauern
Die Sehnsucht seines Herzens kund;
Es klingt so sanft, es klingt so süß,
Wie Engelsang im Paradies.

Es lauscht der Graf in seiner Stube
Dem Himmelston - bas wurmt es ihn:
"Trotzt er noch lange mir der Bube?
Beugt nichts des Stolzen festen Sinn?
Wohlan, so sei die kalte Grube
Des Sängers Lohn, des Lieds Gewinn!" -
Sprach's - lehnt vor's Fenster sich - da klang
Vom Thurm herüber dieser Sang:


III.
Kling' meine Laute,
Preise die Traute,
Die dich geziert mit dem rosigen Band!
Tön' ihr im Schlummer,
Tön' ihr den Kummer,
Den nur für sie der Geliebte empfand.

Quälen und plagen,
Fesseln und schlagen
Könnt ihr den Sänger, der euch widerstrebt,
Niemals ihn zwingen
Das zu besingen,
Was nicht im innersten Herzen ihm lebt.

Frei in die Lüfte
Steigen die Düfte,
Ist nicht die Welt ihr geräumiges Haus?
Frei in dem Herzen
Wohnen die Schmerzen,
Frei haucht die Lippe des Sängers sie aus.

Dich meine traute
Herrliche Laute
Stimmt nicht nach Willen des Mächt'gen Gebot,
Singst nur die Triebe
Mächtiger Liebe,
Bis du verklingest bei Liebemund's Tod.


IV.
Hart an der Veste ein Felsen steht,
Wo immer Sturmwinde sausen,
Wo sich schaudernd der Blick von dem Abgrunde dreht,
In welchem die Wasser brausen,
Dorthin ward beim ersten Sonnenstrahl
Der Sänger gebracht, wie der Graf es befahl,
Rund um ihn stand schweigend der Knappen Zahl.

"Noch einmal - so redet der Harte ihn an: -
Laß ich Gnade für Recht dir ergehen,
Ein lustiges Liedel von dir will ich ha'n,
Wo nicht, soll dir Schlimmes geschehen;
Erfüllst du nicht gleich den Befehl, den ich gab,
So stürzt man dich in die Tiefe hinab,
Die brausenden Wasser dort sind dein Grab!"

Und lächelnd Liebmund den Grafen mißt:
"So leicht wird kein Sänger bezwungen!"
Er stimmet die Laut', die Antwort ist
Das Lied, das im Thurm er gesungen;
Dabei ihm Augen und Wangen glüh'n,
Er schaut so getrost in die Wogen dahin,
Als säh' er das Bildnis des Liebchens darin.

D'rob entbrennt der Graf in schrecklicher Wuth;
Die Brauen zusammengezogen,
Schreit er wütend: "So büße den Frevelmuth,
Hinab ihn, hinab in die Wogen!"
Da ergreifet der Sänger die knechtische Schar,
Noch flattert im Winde sein schwarzes Talar -
Doch bald wird man nichts mehr vom Sänger gewahr.

Die Saiten reißen, und klagend und schwach
Klang Liebmunds getreue Laute
Noch lang' in den Wogen so sehnend nach
Die Melodei zu dem Lied an die Traute. -
Und jetzt noch höret der Wandersmann,
Der manchmal steigt diesen Felsen hinan,
Die Töne der Laut' aus den Wogen an.
(Band 2 S. 50-54)
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Meine Sonnen
(An Doris)

Ach! zwei Sonnen sind mir aufgegangen,
Hell mir funkelnd durch des Lebens Nacht;
Bei dem Morgenroth, das sie auf deine Wangen
Gossen, bin zum Leben ich erwacht.

Alle Blüthen meines Daseins reifen
Durch die Wärme, die sie mir verlei'n,
Und des Kummers düstre Nebelstreifen
Schwinden, strahlet mir ihr heller Schein.

Keine Sorge würde mehr mich quälen,
Könnt' ich, wenn sie freundlich auf mich seh'n,
Als ein zweiter Josua befehlen
Diesen Sonnen, ewig still zu steh'n.
(Band 2 S. 69)
_____



Marie

Der Sänger zog durch Wald und Flur,
Sang immer einen Namen nur:
Marie!
Und Wald und Flur und Echo sprach
Ihm diesen holden Namen nach:
Marie!

Ein Wand'rer hört's, und nahm das Wort:
"Was rufst du denn so fort und fort:
Marie?"
"Sie ist es, die mein Mund nur preist,
Mein Leben und mein Streben heißt:
Marie!

Doch schau' ich fruchtlos hin und her,
Ach find' ich dich denn niemals mehr,
Marie!
Drum fort, nur fort von Haus zu Haus!
Sähst du aus einem nur heraus,
Marie!"

Der Wand'rer sprach: "Ein stiller Ort,
Ist unter jenen Linden dort;
Marie
Las ich auf einem Kreuze da."
"Wie?" schrie der Sänger: "Mir so nah
Marie."

Hinunter eilt' er wild und bang,
Und jede seiner Saiten klang:
Marie!
Er sieht das Kreuz, der Mann sprach wahr,
Stürzt hin, sein letzter Seufzer war:
Marie!
(Band 2 S. 72-73)
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Als ich sie schlafend fand
(Sonett)

O hättest du doch immer sie verschlossen,
Die beiden Flammen, die mein Herz verbrannt,
O hätt' ich nie den Himmelsglanz gekannt,
Den sie so schnell auf mich, und in mich gossen.

In mein Verderben wär' ich nie gerannt,
Des Buben Pfeil hätt' nimmer mich durchschossen,
Und meine Thränen wären nie geflossen,
Hätt' mich dein Aug' nicht an dein Aug' gebannt.

Doch weil sie sich geöffnet, diese Sterne,
Und ich hineinzuschau'n tollkühn gewagt,
So wollte mich dafür der Himmel strafen.

Ich sah, damit dadurch ich fühlen lerne -
O hättest Theure immer du geschlafen,
So wär' auch ich zu Qualen nie erwacht.
(Band 2 S. 77-78)
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Liebesgewitter

Es trübet sich der Himmel meines Glückes,
Schon zeigt sich eine Wolke düstergrau
In meiner Wonne reinem Ätherblau,
Und Blitze leuchten durch die Nacht des Blickes.

Die Sonne birgt sich, schwere Tropfen fallen,
Es liegt auf mir der Bangigkeit Gewicht,
Die Ferne seh' ich nur im falben Licht,
Und laut hör' ich der Rede Donner hallen.

Laß gnädig es an mir vorüber ziehen,
Das grause Wetter, das Zerstörung droht,
Laß nach der düstern Nacht das Morgenroth
Der reinen Liebe mir auf's Neu erglühen.
(Band 2 S. 100)
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Jubellied erhörter Liebe

Ach nun gesunden
All meine Wunden,
Es ist verschwunden,
Was mich betrübt.
Verstummt ihr Klagen,
Die Freuden tagen,
Ich darf nun sagen:
Ich bin geliebt!

Jetzt sind es Blicke,
Jetzt Händedrücke,
Was von dem Glücke
Mir Zeugniß gibt.
Es spricht dein Sehnen,
Es sprechen Thränen,
Es sei kein Wähnen:
Ich bin geliebt!

Der Held mag streiten,
Auf Leichen schreiten,
Ruhm zu erbeuten,
Wie's ihm beliebt,
Ich sieg' im Haine,
Beim Mondenscheine;
Sie ist die Meine,
Ich bin geliebt!

Erstrebt durch Plage
Euch Sarkophage,
Worauf man sage,
Wie hoch ihr's triebt,
Werd' ich vergehen,
Ein Stein soll stehen,
Worauf zu sehen:
Er war geliebt!
(Band 2 S. 101-102)
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Fort!

Laß aus dem lärmenden Getriebe,
O theure Doris! uns entflieh'n,
Hier wird uns keine Freude blüh'n,
Hier ist die Heimat nicht der Liebe.
O sieh nur, wie sie sich bemüh'n
Zu stören uns're süßen Triebe,
Sie lauern überall die Diebe,
Das schönste Glück uns zu entzieh'n.

Sie gaffen uns bis in die Seele
Und haschen Blick und Ton und Wort,
Und nehmen Freundschaft zum Panier.
O laß uns suchen stillen Ort,
Damit erlogne Freundschaft dir
Und mir nicht noch die Liebe stehle.
(Band 2 S. 102)
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Liebe

Uns unterjocht der Liebe Macht
Noch eh wir an Vertheidigung gedacht,
Und ihre ganze Kraft läßt sie uns sehen,
Wenn keine mehr uns bleibt zu widerstehen.
(Band 2 S. 105)
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Glaube, Hoffnung und Liebe

Der Glaube erhellet die schwarzen Stunden,
Er ist des Lebens wohlthätigstes Licht;
Ich habe geglaubt, - so den Weg wohl gefunden,
In's Labyrinth, doch heraus fand ich nicht.

Die Hoffnung gießt Balsam in alle Wunden
Und heilet wo jede Hülfe gebricht;
Ich habe gehofft, - mich betrogen gefunden,
Mir war sie ein Dolch, der das Herz mir durchsticht.

Die Liebe hält segnend die Menschen umwunden,
Mit einem Band, das aus Rosen sie flicht;
Ich habe geliebt, - doch nur Dornen gefunden,
Wo die Rosen blieben, das weiß ich nicht.
(Band 2 S. 111)
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Die drei höchsten Momente der Liebe
(In drei Sonetten)

I.
Das erste Erblicken der Geliebten
Der Jüngling will ganz kalt durch's Leben gehen,
Und nun auf einmal steht sie vor ihm da,
Die er im Traum schon öfters in sich sah,
Doch außer sich und wachend nie gesehen;

Er starrt und staunt, die Engel sind ihm nah,
Nun fängt er an sich selber zu verstehen,
Er weiß, wohin sich seine Wünsche drehen,
Er fühlt es, daß ein Wunder jetzt geschah.

Entgegen strömt ihr seines Blutes Welle,
Ihm ist, als müßt' er nichts mehr thun als schauen,
In ihre Augen ewig sich versenken.

"Sie ist's!" dieß strahlt aus seiner Augen Helle,
"Sie ist's!" so hallt's ihm zu aus allen Auen,
"Sie ist's!" nur dieß - nichts weiter kann er denken.


II.
Das Geständniss
Es löst in Worten auf sich das Gefühl,
Das Flammenmeer, im Innersten verschlossen,
In einem Strome hat es sich ergossen,
Im Busen wird ihm nun so wohl und kühl.

Ich liebe dich! dieß Wort ist süß entflossen
Den Lippen; sprach er gleich der Worte viel,
Dieß einzige war aller andern Ziel.
Er wiederholt's! sie hört's stets unverdrossen.

Das Siegel seiner Wünsche ist erbrochen,
Das Herz ist auf die Zunge ihm getreten.
Wohl ihm! sie weiß zu deuten nun sein Pochen,

Die wetterschwang're Wolke ist entladen,
Es traf der Blitz, doch traf er ohne Schaden,
Die Sonne strahlt, er darf zu ihr nun beten.


III.
Der erste Kuss
Es führte von Korallen eine Brücke
Zur Seligkeit des Himmels ihn hinan,
Auf sammt'ne Kissen leitet seine Bahn,
Damit er ja das Herz nicht wund sich drücke.

Mit Perlen ist besetzt der Purpurkahn,
Der ihn vorbeischifft an dem Riff der Tücke,
Den Freibrief zu dem höchsten Erdenglücke,
Jetzt legt er ihm ein rothes Siegel an.

O himmlisch Bild! wenn gleichgestimmte Seelen
Im süßen Hauche in einander fließen,
Und sich in einem Flammendruck vermählen.

Zu mahlen dieß ist keiner Sprache eigen,
Der Mensch kann hier empfinden nur und schweigen,
Drum wollen sie der Rede Thore schließen.
(Band 2 S. 113-115)
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Augensprache

Wenn die Späher lauschen,
Forschend auf uns seh'n,
Laß uns Blicke tauschen,
Die sie nicht versteh'n.

Was die Schrift bedeute
Auf der Kugel klein,
Wissen nur Geweihte,
Lesen sie allein.

Mir, geliebtes Wesen,
Schreib' sie ohne Trug;
Wollen And're lesen,
Schließe schnell das Buch!

Was der Mund verkündet
Ist oft falscher Scherz;
Doch im Aug' entzündet
Seine Schrift das Herz!

Darum will ich bauen
Auf den holden Blick,
Deinem Aug' vertrauen,
Kündend mir mein Glück.

Astronomen spüren
Nach den Sternen fern,
Ich will nur studieren,
Deinen Augenstern.
(Band 2 S. 137-138)
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Rechte Liebe

Wenn du, Zweifler, noch nicht weißt
Ob du recht verliebet seist,
Prüfe sorgsam Herz und Geist:
Herrscht noch der Verstand als König
Und ist Lieb' ihm unterthänig,
Liebst du etwas noch zu wenig.
Doch stieg Liebe auf den Thron,
Und spricht dem Verstande Hohn,
Dann liebst du zu viel mein Sohn!
Nur wenn beide brüderlich
In die Herrschaft theilen sich,
Keins des andern Rechte schwächt,
Dann - ja dann nur liebst du recht.
(Band 2 S. 163-164)
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Amor's Handelschaft

Ist ein seltsamer Krämer, der kleine Gott mit der Binde,
Gar sehr verwunderlich ist, wie er die Küsse vergibt.
Die man um theures Geld muß kaufen, sind werth keinen Heller,
Und die umsonst man bekömmt, die nur sind
schmackhaft und süß.
(Band 2 S. 223)
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Der Liebe Bedeutungen

Die Liebe soll ein Blitzstrahl seyn!
Wohl seh' ich die Bedeutung ein;
Kann man es immer doch gewahren,
Wie Blitz' aus schwarzen Augen fahren,
Und schlagen in ein Herz hinein:
Ist brennbar dieß, so zündet's gleich,
Wo nicht, gibt's einen Wasserstreich;
Und leget dann sich das Getümmel,
So kühlt sich dort und da der Himmel:
Drum muß - leicht sieht das Jeder ein,
Die Liebe wohl ein Blitzstrahl seyn.

Dann soll die Liebe ein Verein
Von zwei getrennten Hälften seyn,
Die einst ein Herz zusammen waren.
Darüber bin ich auch im Klaren,
Und sehe die Bedeutung ein:
Viel der Verliebten sind zu seh'n,
Die sich im Leben nicht versteh'n;
Es nie vergessen, nicht nach Jahren,
Daß einstens sie getrennet waren;
Drum muß die Liebe ein Verein
Von zwei verschied'nen Hälften seyn.

Die Lieb' soll eine Krankheit seyn;
Das sieht ein jedes Kind wohl ein;
Denn tausend Qualen, tausend Schmerzen
Entbrennen in dem wunden Herzen,
Und selbst die Lust wird noch zur Pein. -
Wie jede andre Krankheit wird
Die Lieb' auch manchesmal curirt,
Dürft nur nach Doctor Hymen senden,
Dann wird die Liebe schnell sich enden,
Und jede Spur verschwindet rein;
Nicht schwer muß diese Krankheit seyn.

Die Liebe soll ein Spielwerk seyn;
Auch darin tritt kein Zweifel ein:
Seht nur die Weiber, wie sie spielen
Mit unsern Schwüren und Gefühlen,
Und wechseln mit den Spielerey'n. -
Wenn Liebe etwas Höher's wär',
Sie rächte wohl dafür sich schwer;
Doch eine Puppe muß es leiden,
Wirft man sie weg ob neuer Freuden;
Drum muß, - es tritt kein Zweifel ein,
Die Liebe wohl ein Spielzeug seyn.

Ein Gott soll gar die Liebe seyn?
Zu viel! das räum' ich ihr nicht ein;
Etwas von unterird'schen Göttern
So Einer, die stets auf uns wettern,
Und plagen uns, das könnte seyn.
Doch nein, auch davon ist sie weit;
Ein Gott besitzt Unsterblichkeit,
Die Liebe könnt ihr sterben sehen,
Wenn irgend rauhe Lüftchen wehen;
Drum, mag die Lieb' auch alles seyn,
Die Gottheit räum' ich ihr nicht ein.
(Band 2 S. 253-255)
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Der Liebende auf den Alpen

Es krönet Schnee den Gipfel hier
Wo still ich in die Ferne blicke,
Und dennoch flammet Glut in mir,
Für dich Friederike!
Hier kann mir nichts den Sinn zerstreu'n,
Ich höre laut mein Herze schlagen,
Und jeder Schlag will dir nur sagen:
O denke mein!

Held Hannibal stieg hier empor,
Um sich des Lorbeers Kranz zu pflücken;
Ich zieh' den Kranz der Myrthe vor,
Er soll mich schmücken. -
Sein Name lebt in Erz und Stein,
Ich gönne ihm den Ruhm mit Freuden,
Viel mehr bin ich ja zu beneiden,
Denkst du nur mein.

Es kündet uns der Dichter Wort:
Dem Himmel hier man näher thronet;
Mein Himmel ist im Thale dort,
Wo Liebchen wohnet.
Fort von dem Berg in's Thal hinein,
Dort wird das Glück mir wieder tagen,
Der Theuren kann ich liebend sagen:
Stets dacht' ich dein!
(Band 2 S. 263-264)
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Ich bin dein

Dein bin ich, dein! und bin's für's ganze Leben!
Dieß süße Wort, ich nehm' es nie zurück;
Dir zu gefallen ist mein einzig Streben,
Es spricht mein Mund, mein Herz und auch mein Blick:
Dein bin ich, dein!

Dein bin ich, dein! der Sieg ist dir gelungen,
Ich küsse noch die Kette, die mich hält;
Darin besteht mein Ruhm, daß ich bezwungen,
Zurufen möcht' ich es der ganzen Welt:
Dein bin ich, dein!

Dein bin ich, dein! Nur dieses kann ich denken,
Mein Leitstern ist's auf diesem Erdenrund
Und größer's Glück kann Gott mir nimmer schenken,
Als wiederholt auch mir dein Rosenmund:
Dein bin ich, dein!
(Band 2 S. 266)
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Wenn du mich liebst

Wenn du mich liebst, so sehr als ich dich liebe,
Dann weicht von mir der Ungewißheit Schmerz;
Wenn du mir lohnst mit gleichem heißen Triebe,
Dann strahlt die Morgenröthe in mein Herz.

Wenn du mich liebst, dann schwindet all' mein Sehnen,
Es senkt sich Ruh' in meine wunde Brust,
Und siehst du dann in meinem Auge Thränen,
So sind es nur die Thränen süßer Lust.

Wenn du mich liebst, dann endet mein Verlangen;
Denn Alles wird mir deine Liebe seyn;
Mein Garten ist die Ros' auf deinen Wangen,
Dein Wunsch mein Gott, dein Blick mein Sonnenschein.
(Band 2 S. 266-267)
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Der Liebe Lust und Qual

Aus Liebchens Mund und Liebchens Augen
Ein süß Vergessen sich zu saugen,
Zu sinken an der Theuren Brust,
Das ist der Liebe Lust;
Doch seh'n, wie um des Mundes Rosen,
Des Auges Veilchen Hummeln kosen,
Umflatternd sie in gier'ger Zahl,
Das ist der Liebe Qual.

Für die Geliebte Alles leiden,
Für die Geliebte Alles meiden,
Und freu'n sich über den Verlust,
Das ist der Liebe Lust; -
Doch all die überwund'nen Wehen,
Das gute Herz verkannt zu sehen,
Verkannt der Opfer große Zahl,
Das ist der Liebe Qual.

Den Neigungen der Theuren fröhnen,
All' ihre Wünsche gerne krönen,
Für sie nur thuen, was du thu'st,
Das ist der Liebe Lust; -
Doch sehen, wie mit jedem Geben
Sich neue Ford'rungen erheben,
Wie sie befiehlt, die nie befahl,
Das ist der Liebe Qual.

Wenn sie geschmollt, sie zu erweichen,
Die Hand ihr zur Versöhnung reichen,
Wenn du dein Recht auch opfern mußt,
Das ist der Liebe Lust; -
Doch wenn sie stets auf's Neue streitet,
Sich täglich neues Recht erbeutet,
Bis sie dir ganz die Freiheit stahl,
Das ist der Liebe Qual.

Der Liebe Flammen immer nähren,
Und wenn sie selbst vom Leben zehren,
Und noch so brennen in der Brust,
Das ist der Liebe Lust; -
Doch sehen, wie den Gluthenwellen
Eisfelder sich entgegen stellen,
Dort Kälte und hier Flammenstrahl,
Das ist der Liebe Qual.

Dem Liebchen ew'ge Treue schwören,
Dem Schwur getreu ihr angehören,
Bis nicht mehr athmet deine Brust,
Das ist der Liebe Lust; -
Doch Hymens Ketten um sich schließen,
Was eh' man gern that, jetzt thun müssen,
Weil es der Trauring dir gebot,
Das ist der Liebe Qual - und Tod.
(Band 2 S. 277-278)
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Amors Werkstätte

Eines Tages schmiedet Amor
In Chlorindens Schelmenaugen
Seine scharfen Liebespfeile; -
Ach! zu meinem Unglück wollt' ich
Diese Arbeit nah betrachten,
Guckte tief in seine Werkstätt';
Aber ach, so viele Funken
Sprangen da heraus, daß Amor
Selbst vor diesem Sprühn sich scheuend,
Fliehen wollte; - doch der Arme!
Er verbrannte sich die Flügel,
So, daß er dann nicht mehr weiter
Fliegen konnt', als in mein Herz.
(Band 3 S. 71-72)
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Galanterien dem schönen Geschlechte gewidmet

1.
Zwei Küsse
Neulich wollt es mir endlich glücken,
Daß mir Louise zwei Küsse gegeben.
Einer tödtete mich vor Entzücken,
Der andere brachte mich wieder zum Leben.


2.
An Friderike
Wie mir geschieht, wenn ich dich sehe,
So ward im Leben mir noch nie;
Die Zeit gewinnt Flügel in deiner Nähe,
Und die Liebe verlieret sie.


3.
Einäugige Mutter und einäugiges Söhnlein
O gib, du schöner Knabe,
Dein Aug' der Mutter dein;
Dann wird sie Venus werden,
Und du wirst Amor seyn.


4.
An Helene
O schwöre mir nur, schwöre, schwöre,
Daß mir allein dein Herz gehöre.
Nicht etwa darum weil ich baue
Auf solchen Schwur und ihm vertraue:
Nein! weil ich ihn so gerne höre.


5.
Der galante Säufer
Die Frau
Schon wieder betrunken! wer kann's ertragen?
Greift denn die Vernunft bei dir niemals Platz

Der Mann
Das thu' ich aus Liebe, muß ich dir sagen:
Weil ich dich dann doppelt sehe, mein Schatz!


6.
An Marie
Du grollst, daß ich dir auf den Fuß
Nachfolge, liebes Schätzchen:
Mißgönnst du also mir sogar
Das kleinste aller Plätzchen?


7.
Drei Göttinnen in Einer
Ich schwanke noch, soll ich dich Göttliche,
Als Juno, Pallas oder Venus ehren. -
An Majestät gleichst du der Juno ganz,
Pallas an Geist, und lächelst du, Cytheren.


8.
An Marie
Da Gott dir doppelt Reitze hat gegeben,
Warum gab er mir armen Mann
Nicht auch ein doppelt Leben,
Damit ich alle ganz genießen kann.
(Band 3 S. 115-117)
_____



Amors Testament

Gott Amor war dem Sterben nah,
Sonst konnt' er über's Ende lachen,
Doch als den Tod er vor sich sah,
Wollt' er mit allen seinen Sachen
Doch früher Richtigkeit noch machen.
Den Himmelsadvokaten ließ
Er zu sich an sein Lager kommen,
Und sagt' ihm in die Feder dieß
Mit schwacher Stimm' und sehr beklommen.

"Zwar lebet noch ein Bruder mir
Gott Hymen, den ich soll bedenken,
Allein in Feindschaft lebten wir,
Er pflegte mich zu kränken,
Drum will ich diesem gar nichts schenken,
Haupterbe soll die Treue seyn
Von Allem, was ich laß' auf Erden,
Und Lust, das süße Mägdelein,
Soll Testamentvollstrecker werden.

Mein Band vermach ich dem Vergnügen,
Der Hoffnung reicht den Gürtel dar,
Die Zwietracht soll die Fackel kriegen,
Die Pfeile laßt für Plutus liegen,
Der Freude gebt mein Flügelpaar;
Als Grabmahl setzt mir einen Stein,
Und da ich eitel nie gewesen,
So grabt darin die Worte ein,
Mir eben nicht zum Ruhm zu lesen:

Hier liegt die Stütze dieser Welt,
Und ihre Geissel auch daneben,
Ein Knabe, der sie arg gequält,
Doch auch der Lust ihr viel gegeben,
Da er belebet erst das Leben;
Es beugte Alles sich vor ihm,
Dem kleinsten Gott, dem größten Diebe,
Ein Engel und ein Ungethüm;
Gut Nacht, o Welt, hier ruht die Liebe
."
(Band 3 S. 126-127)
_____



Liebesfeuer

I.
Donna Stella war die schönste
Von den Frauen in Sevilla,
Trug sie ihren Schleier offen,
Mußten ihn die Andern senken.

Ihre Augen waren Sonnen,
Und das Feuer dieser Sonnen
Zog aus Männer-Augen Wasser,
Die doch sonst nicht gerne weinen.

Ihre Haare waren Netze,
Von den Grazien selbst geringelt,
Daß die Locken mußte locken
Jeden, der sie sah, und fangen.

Ihre Lippen waren rothe,
Zum Genuß geschwellte Beeren,
Die da winkten, daß sich Jeder
Lüstern mühte sie zu pflücken.

Ihre Zähne waren Perlen,
Die nicht schliefen in den Tiefen,
Sondern in dem mild'sten Glanze
Jedem Auge - offen lagen.

Ihre Haut war Alabaster,
D'rin sich blaue Adern schlängeln,
Und der Äolsharfe Tönen
Glichen ihrer Stimme Klänge.

Also war der Frauen schönste
Donna Stella in Sevilla,
Und kein Männerauge pflegte
Ungestraft ihr zu begegnen.


II.
Aber sprach aus diesen Zügen
Glut auch, Leben und Vergnügen,
Strafte doch das Herz sie Lügen,
Dieses Herz war leer und kalt.

Nach dem Tode ihres Gatten,
Den sie liebte noch im Schatten,
Wollte Keinem sie gestatten,
Ihr mit Liebe mehr zu nah'n.

Spaniens hohe, Spaniens schöne,
Allverehrte Lieblingssöhne
Suchten dieses Herz durch Töne
Und durch Blicke sich zu fah'n.

Selbst Don Manos, der vor Allen
Sucht der Herrinn zu gefallen,
Der die Laute läßt erschallen
Jeden Abend ihr zum Lob;

Manos, der auf allen Wegen
Ihr mit Demuth kommt entgegen,
Dem ihr Anblick nur ist Segen,
Ihre Ferne aber Fluch;

Der schon viele Monden schauet
Nach dem Sterne, - hofft, - vertrauet:
Endlich werde aufgethauet
Dieses Eis an seiner Glut;

Selbst Don Manos hofft vergebens;
Und das Ziel all seines Strebens
Ist Entmuth'gung seines Lebens,
Unerfüllter Sehnsucht Qual.

Stella's holder Augenschimmer
Gegnete dem seinem nimmer,
An der Erde haftend immer,
Die ihr Liebstes in sich schließt.

Denn geleistet hat dem Schatten
Ihres hingeschwundnen Gatten
Sie den Schwur: nie zu gestatten
Einem Andern Liebesdienst.


III.
Aus dem Hause Stella's brechen
Flammen auf in dunkler Nacht,
Prasselnd scheint des Feuers Macht
Die verhöhnte Glut zu rächen.

Denn es wächst mit der Sekunde,
Und Verderben drohend sind
Trockenheit und Äols Kind
Mit dem wachsenden im Bunde.

Ha! schon schlägt es aus dem Dache,
Aus den Fenstern schon hervor,
Jammerschrei'n vernimmt das Ohr,
Balken stürzen mit Gekrache,

Glocken tönen von den Thürmen,
Horchet! ihr metall'ner Mund,
Thut die höchste Noth Euch kund,
Wer wird Donna Stella schirmen?

In dem Herzen dieser Treuen
Brennet eine Flamme nur,
Die entzündet einst ihr Schwur,
Ihr will sie sich ewig weihen.

Ruhig schlummert sie, der Kummer
Weicht, ein holder Traum umschwebt
Tröstend sie; ihr Gatte lebt,
Süß und fest ist dieser Schlummer.

Und den Vorhang an dem Bette
Greift die Flamme schon, ihr Licht
Röthet Stella's Angesicht,
Ist denn Niemand der sie rette?

Ha! jetzt stürzt mit glüh'nden Wangen
Manos in's Gemach, in Hast
Sieht man die geliebte Last
Ihn mit starkem Arm umfangen.

Fest an seine Brust gedrücket,
Daß ihn sanft berührt ihr Hauch,
Trägt er sie durch Flamm' und Rauch,
Freudetaumelnd, hochentzücket.

In's Gebüsch auf weiche Blätter
Legt er sie im Gartenraum; -
Sie erwacht aus ihrem Traum,
Und ihr Blick fällt auf den Retter.

Dieser saugt ihn in den seinen,
Schaut, und schaut, und spricht kein Wort,
Reißt sich los und eilet fort,
Glück und Unglück zu beweinen.


IV.
Plötzlich war die Flamm' entstanden,
Lodert' auf im Erdgeschosse,
Wo die Zimmer unbewohnet,
Dieß erhoben die Gerichte.

Und Don Manos' Nebenbuhler,
Don Alonzo di Saligos,
Zeigte sich vor dem Alkade,
Sprach: "ich kann Euch Aufschluß geben:

Hart an Donna Stella's Hause,
Wie Euch wohl bekannt ist, wohn ich,
Erst nach Mitternacht begab ich
Gestern mich nach Haus' im Dunkeln.

Einen Mann, gehüllt im Mantel,
Drunter eine Blendlaterne
Sorgsam er zu bergen suchte,
Sah um Stella's Haus ich schleichen.

Näher trat ich und bemerkte,
Wie er scheu erst um sich blickte,
Und da Niemand es gewahrte,
Dann sein schändlich Werk vollbrachte.

Leise öffnet' er ein Fenster,
Und hinein warf er ein Päckchen,
Drauf in wenigen Minuten
Stand das Erdgeschoß in Flammen.

Jener Mann, ich hatte nimmer
Aus den Augen ihn verloren,
Harrt' in einem Nebengäßchen
Auf die Früchte seiner Schadthat. -

Jetzt erkannt ich ihn - Alkade!
Höre mich, es war Don Manos!
Ja, Don Manos, der aus Rache
Dieß Verbrechen hat begangen.

Denn er brennt, ein Jeder weiß es,
Wie ein Rasender für Stella,
Die sein Seufzen nie erhörte,
Und durch Kälte ihn gereizt hat."


V.
Vor dem peinlichen Gerichte
Steht mit ruhigem Gesichte
Manos - Der Alkade frägt:
Ob er diesen Brand gelegt?

Alles horchet stumm der Frage,
Jeder Blick verneint die Klage,
Der den edlen Jüngling sah;
Er allein antwortet: - "Ja!"

Staunen rings und dumpfes Schweigen:
Kann sich das Verbrechen zeigen
In dem edlen Angesicht,
Das nur Muth und Tugend spricht?

Und Don Manos froh und heiter
Spricht mit fester Stimme weiter:
"Ja, geleget ward der Brand -
Hört es All! - durch meine Hand.

Nicht kann ich die That bereuen,
Jeder wird sie auch verzeihen,
Der mit jener Glut geliebt,
Die den Muth zum Höchsten gibt.

Sollt' ich auch die Erde spalten,
Einmal in den Armen halten,
Einmal drücken an die Brust
Mußt' ich sie, o sel'ge Lust!

Dieses wollt' ich und gelungen
Ist's, - ihr Starrsinn ist bezwungen,
Ich genoß der Sel'gen Lust,
Stella lag an meiner Brust.

Ja, der Himmel stand mir offen,
Will nichts wünschen mehr, nichts hoffen,
Nun verzicht' ich auf die Welt,
Thut, wie dem Gesetz gefällt!"
(Band 3 S. 214-221)
_____



Er und Sie
(Nach Guerin)

Sie ging auf der Wiese,
Er ging auch da,
Sie senkte die Blicke;
Er trat ihr nah,
Sein Herz war verloren
Als er sie sah:
"Ich liebe dich Holde
Verlasse dich nie!"
So sprach er betheuernd,
Und was that sie? -
Sie lächelte.

Er ging zu den Eltern
Und warb um sie:
"Mein Kind," sprach der Vater,
"Bekommst du nie,
Dukaten sind besser
Als Sympathie."
Drob zürnt er nicht wenig,
Und tobt' und schrie,
Schalt grausam den Vater,
Und was that sie? -
Sie weinte.

Fort ging er und dachte
In seinem Sinn:
Was dir nicht beschieden,
Laß fahren hin!
Bald wußt' eine Andre
Ihn anzuzieh'n,
Er nahm die zum Weibe
In Harmonie,
Und Lust lebt er fürder,
Und was that sie? -
Sie starb.
(Band 3 S. 223-224)
_____



An Sie
(Am siebenten Jahrestage unserer Bekanntschaft)

Daß ich zum ersten Mal
Dein liebes Antlitz schaute,
Und daß dein Augenstrahl
Des Herzens Eis mir thaute,
Daß ich mich selbst verstand,
Das was ich suchte, fand,
Und mit mir kam in's Klare,
Heut sind es sieben Jahre.

Daß ich gelernt: Ein Weib
Kann Höh'res auch gewähren
Als bloßen Zeitvertreib,
Daß ich es lernte ehren,
Das sonst ich für ein Bild
Des Unbestands nur hielt,
Für eine Handelswaare,
Heut sind es sieben Jahre.

Wenn Amor uns besiegt,
Dann werden wir geboren,
Die Zeit, die außen liegt,
Die ist für uns verloren,
Wie trügt doch die Gestalt,
Sie meinen ich sei alt,
Doch trotz der grauen Haare
Zähl' ich erst sieben Jahre.

Ein einz'ger Augenblick
In Liebchens Arm verschwunden,
Gibt namenloses Glück,
Wie viele süße Stunden
Und Tage dank' ich dir,
Und Monathe, wo wir
So überselig waren
In diesen sieben Jahren!

Auch Schmerzen ohne Zahl,
Bringt oft die treu'ste Liebe,
Doch ohne diese Qual
Die Lust geringer bliebe,
Drum will auch für die Pein
Ich noch dir dankbar seyn,
Die ich durch dich erfahren
In diesen sieben Jahren.

Einst pflegt' als heilig man
Die Siebenzahl zu preisen,
Doch will sie mir fortan
Als heilig sich beweisen,
So schlinge sie das Band,
Das einst sie um uns wand,
Stets fester bis zur Bahre
Noch siebenmal sieben Jahre.
(Band 3 S. 238-240)
_____



Liebe und Lust

Flügel hat die Liebe,
Flügel hat die Lust,
Blind ist stets die Liebe,
Blind ist auch die Lust,
Wunden schlägt die Liebe,
Wunden schlägt die Lust,
Kurze Zeit währt Liebe;
Bald erstirbt die Lust,
Darum hält für Liebe
Öfters man die Lust.
(Band 4 S. 25)
_____



Der gemordete Amor

Der kleine Amor war verschwunden,
Einst plötzlich aus den Himmelshallen:
Viel Thränen rinnen, Seufzer schallen,
Er war der Liebling ja von Allen;
Denn ob auch schmerzten seine Wunden,
War doch der Schmerz mit Lust verbunden.

Frau Venus kann sich nicht erwehren
Der Thränen um den lieben Kleinen,
Sie hofft; doch will er nicht erscheinen,
Und als die Götter sich vereinen
Ihn aufzusuchen, sieht mit Zähren
Und jammernd man sie wiederkehren.

Verhüllt mit einem Tuche bringen
Sie still heran des Kleinen Leiche,
Ermordet ward mit einem Streiche
Das arme Kind bei einem Teiche,
Wo seitdem keine Vögel singen,
Und Weidenäste traurig hingen.

Dem Eigennutz ward Schuld gegeben,
Er hab' ermordet diesen Knaben -
Ob lüstern gleich nach seinen Gaben,
Schwört er ihn nie gekannt zu haben,
Man fand das wahr und mußte eben
Von dem Verdachte ihn entheben.

Dann prüfte man des Mordes wegen
Die Unbeständigkeit. - Geschwinde
Gelang's jedoch dem lieben Kinde
Sich frei zu machen von der Sünde.
Sie setzt ein Alibi entgegen,
Um ihre Unschuld darzulegen.

Und jetzt erschien, von Wach' umgeben,
Herr Hymen. Konnt' es dieser wagen
Den eig'nen Bruder zu erschlagen? -
Man frägt mit Schauder ihn und Zagen,
Er schweigt, und man erkennt mit Beben,
Daß Hymen Amorn bracht' um's Leben.
(Band 4 S. 49-50)
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Weibliche Schönheiten
(Ein Sonetten-Cyklus)

I.
Die anmuthige Schöne
Was Anmuth sei, wer wagt es auszudrücken?
Der Prunk der Worte führt ihn nicht zum Ziel
Nicht dem Verstande, nein, nur dem Gefühle
Wird es, die Anmuth zu beschreiben glücken.

In Allem was wir an dem Weib erblicken,
Kann sie sich zeigen: In des Mundes Spiele,
In schwarzer Locken lockendem Gewühle,
Ja, selbst in eines Köpfchens zartem Nicken.

Die Schönheit strebt gleich Cedern hoch zur Luft,
Die Anmuth gleicht Resedens sanftem Duft,
Die Schönheit laut gleich der Trompete lärmet,

Die Anmuth flötet lieblich durch den Wald.
Die Schönheit ist die Sonne, welche strahlt,
Die Anmuth ist die Sonne, welche wärmet.


II.
Die gelehrte Schöne
Gelehrsamkeit auch preis' ich an den Frauen,
Denn wenn sie gleich nicht in die Tiefe dringen
Auch selten sich zur höchsten Höhe schwingen
Und ihr Gebäud' auf leichten Flugsand bauen,

So ist, wenn Frauen in das Wissen dringen,
Doch dieses lieblicher bei ihnen anzuschauen,
Als wenn man selbes will aus altergrauen
Und staub'gen Pergamenten sich erringen.

Eindringlicher erklärt ein Rosenmund,
Und was da schreibet eine schöne Hand
Wenn auch ein Tand, ist doch ein holder Tand.

Zwei Frauenaugen tiefer sind gedrungen
Als zwanzig krafterfüllte Männerzungen,
Die Grazien thun die Weisheit süßer kund.


III.
Die reizende Schöne
Es gibt auch eine Schönheit, welche Glut,
In deine Adern gießt, die dich verzehret,
Wo unnennbarer Reiz die Lust gebäret,
Die allgewaltig lodert durch dein Blut.

Man fühlet da nicht Liebe, die uns ehret,
Das Herz weiß nicht, was tolle Flamme thut.
Und schnell entfernet man mit keckem Muth
Ein jedes Hinderniß das ihr verwehret.

Unselig Feuer! unbesonnen Wagen!
Das nur von des Cozynthus Flammen stammt,
Unbändig, aber niemals lange flammt,

Der Du es fühlst, wie muß ich dich beklagen!
Erloschen ist es bald und aus den Kohlen
Kannst du die mitverbrannte Ruh nicht holen.


IV.
Die stolze Schöne
In einem wunderschönen Angesichte
Ist oft ein einz'ger fremder Zug zu schauen,
Der uns zurückschreckt von den schönsten Frauen
Und einen Schatten beigesellt dem Lichte.

Oft zeigt er sich auf hochgezognen Brauen,
Im Blicke oft voll strafendem Gewichte
Im Mundeswinkel auch; er macht zu nichte
Die Mutter aller Liebe: das Vertrauen.

Wenn solchen Zug und solche fremde Töne
In einem schönen Antlitz ich gefunden,
Abstoßende Gewalt hab' ich empfunden,

Und neigt nach mir das Köpfchen auch die Schöne,
Nicht kann ich's doch ertragen, muß gestehen,
Wenn sie mich hold, doch stolz hat angesehen.


V.
Die schmachtende Schöne
Von allen Sternen, die Gott ausgesendet,
Damit man seine Allmacht kennen lerne,
So schön sind keine als die Augensterne,
Vor allen jener milde, der nicht blendet;

Aus dessen sanftem Himmelblauen Kerne,
Auf dich o Glücklicher, ein Strahl sich wendet
Der deiner Seele süßen Frieden spendet,
In den du immer schauen möchtest gerne.

Die Sehnsucht, die aus solchem Sterne strahlet,
Dies himmlische Verschwimmen eines Blickes,
Vorbote ist es unnennbaren Glückes,

Das keine Zunge nennt, kein Pinsel malet
Und einem Sonnenblicke gleich zu achten
Ist dieses süße sehnsuchtsvolle Schmachten.


VI.
Die sittsame Schöne
Von allen Eigenschaften, die erhellen
Die Schönheit und ihr höhern Reiz verleihen,
Ist keine doch, wie laut auch manche schreien
Der Sittsamkeit, der holden, gleich zu stellen,

Wer wagt es ihren Schleier zu entweihen?
Und wenn auch seines Bluts empörte Wellen,
Empor sich drängen zu des Herzens Quellen,
Er wird sich eines solchen Siegs nicht freuen.

Ein Zauber ist die Sittsamkeit der Weiber,
In dessen Kreis unlautere Gewalten
Entwaffnet werden, sich nicht aufrecht halten,

Er kömmt und sieht und wankt, der kühne Räuber,
Und wo er rauben will mit gier'gen Krallen,
Muß er, um anzubeten, niederfallen.


VII.
Die mütterliche Schöne
Wie auch das kleine Mädchen mag gefallen,
Wie auch die Jungfrau Alles hoch verehret,
Wie auch die Gattin ihr Verdient bewähret,
Die Mutter ist die Herrlichste von Allen.

Hier hat sich Blüth' in schön're Frucht verkehret,
Es steigt schon ihres Säuglings erstes Lallen
Als Dank für sie empor zu Gottes Hallen,
Sie ist's, die Frauenzweck und Pflicht uns lehret.

O Hagestolz! der du noch grübelnd schwankest,
Ob Eh' verwerflich oder ratsam ist,
Wenn noch ein Blut in deinen Adern fließt;

Wenn du dich noch an etwas Ird'sches rankest,
Wenn du ein Mensch von einem Menschen bist,
Preis' ein Geschlecht, dem du die Mutter dankest.


VIII.
Die zierliche Schöne
Dir hat Natur mit königlichen Händen
Den Hermelin der Reize umgehangen,
Sie wußte deinen Blicken, deinen Wangen
Die Macht des Liebeszaubers zuzuwenden.

Nun suchte solche überreichen Spenden,
Womit Natur das Schöne angefangen,
Geschmack und Kunst mit wohlgewähltem Prangen,
Zum Bild der höchsten Anmuth zu vollenden.

Bewunderung und stille Sehnsucht sonnen
Wie Adler sich im Glanze deiner Blicke,
Entzückt durch deiner Anmuth holdes Wesen;

O welche überseligste der Wonnen,
Wem es beschieden wäre vom Geschicke
In deinem Auge Mitgefühl zu lesen.


IX.
Die liebliche Schöne
Am milden Frühlingsabend Zephyrswehen,
Wie lieblich kühlt es uns die glühnden Wangen,
Wie lieblich ist der Sterne flimmernd Prangen,
Wenn wir uns durch die Flur bei Nacht ergehen,

Und wen erfasset nicht ein lieblich Bangen,
Wenn Nachtigallen sanft im Haine flehen?
Wer kann den Flötentönen widerstehen,
Die unwillkührlich jedes Herz durchdrangen?

Die Lieblichste doch aller Lieblichkeiten,
Die freundlich unsern Lebenspfad begleiten,
Es ist ein lieblich Weib, ihr Aug der Stern,

Ihr Ton der Nachtigallen sanftes Flöten,
Ihr Athem Zephyrswehen, ihr Erröthen
Ein Frühlingsabend - Meisterstück des Herrn.


X.
Die hohe Schöne
Wenn sich der Hoheit Glanz mit Schönheit gattet,
Der Purpurmantel um die Schultern hängt,
Fühlt man sich nicht erwärmet, nein versengt,
Und jede Hoffnung ist von Furcht umschattet.

Wird von der Hoheit Liebe wohl gestattet?
Dies ist die Frage, die sich auf uns drängt,
Man naht sich tief im Innersten beengt
Und jeder Muth vor solchem Strahl ermattet.

Doch plötzlich ist er wieder dann gewonnen,
Wenn mild uns lächeln jene beiden Sonnen,
Die auch der Hoheit Licht und Leben spenden,

Dann weichet alles innerliche Schaudern,
Es stürzen nieder alle Scheidemauern
Und Ehrfurcht wird sich schnell in Liebe wenden.


XI.
Die eitle Schöne
Was willst du dich mit äußerm Schmuck behangen,
Den schöner ich an deinem Leib gewahre?
Warum mit Rosen kränzen deine Haare,
Die herrlicher noch blühn auf deinen Wangen?

Saphiere leuchten aus dem Augenpaare,
Und zwei der schönsten Perlenreihn, umfangen
Von zwei Rubinenschließen, seh ich prangen,
Was soll zu solchem Schmuck die eitle Waare?

Die Jugend, nicht bedarf sie derlei Glanzes,
Wenn ihr Natur ihr Köstlichstes gespendet
So ist sie von der Mutter schon vollendet,

Ein heil'ges unveränderbares Ganzes,
Und wer sie will mit fremder Schönheit schmücken,
Der kann ihr ihre eigne nur entrücken.


XII.
Die strenge Schöne
Der Schönheit, ihr der hohen würdevollen
Steht oft die ernste Strenge still zur Seite,
Und liegt mit süßer Liebe oft im Streite,
Die plötzlich hat das Herz erobern sollen.

O Schönheit, laß Bewunderung dir zollen,
Laß diese Strenge, der dein Herz sich weihte,
Zur Hälfte nur erringen sich für heute,
Ein halbes Grollen ist ein halbes Wollen.

Abweisend und verhöhnend jedes Hoffen
Umspinnt die Eisigkälte dir dein Leben,
Und doch kann sie, zu lieben dich, nicht wehren.

Denn, wen verweisend auch dein Blick getroffen,
Er fühlt, daß es kein schönres Glück kann geben,
Als sich in deiner Liebe zu verklären.
(Band 4 S. 160-167)
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Frauenblätter

1.
Frauenmacht
Wenn wir uns noch wie Kinder geberden,
So machen die Frau'n, daß wir Männer werden,
Und wenn wir Männer geworden sind
So machen die Frauen uns wieder zum Kind.


2.
An Illa
Als ich zum ersten Mal dich sah,
Warst du mein erstes Vergnügen mir,
Als ich zum letzten Mal dich sah,
Trugst du mein letztes Vergnügen mit dir.


3.
Als ich sie öfters vergebens besuchte
Schon viermal kam ich; - deine Diener sprachen
Du seist nicht da, man ließ mich nicht hinein,
Mein Kind, um eine Göttin mir zu seyn,
Brauchst du dich nicht unsichtbar zu machen.


4.
An eine schöne Müllerstochter
Du brauchst zu deiner Mühle keinen Wind,
Du bist ja gar so schön, mein liebes Kind,
Daß Seufzer, welche deine Reiz' erregen,
Hinreichen deine Mühle zu bewegen.


5.
An die flatterhafte Alma
Daß du mich liebst, o säume nicht
An jedem Tage neu es mir zu schwören,
Zwar glaub' ich deinen Schwüren nicht,
Doch thut es mir so wohl sie anzuhören.


6.
Verschlimmerung durch Heilung
Es pflegte, da ich krank jüngst war
Sorgfältig mich ein schönes Frauenzimmer,
So bin ich jetzt genesen zwar,
Doch fühl' ich mich bei weitem schlimmer.



7.
Theodore
Ein Jeder, der sich nahet Theodoren,
Empfindet alsogleich, er hab' ein Herz,
Doch Jeder, der von ihr geht, fühlt auch Schmerz
Darüber, daß er dieses Herz verloren.



8.
Exaltation
Gott ließ die Sonne nur darum entstehen,
Damit deine Schönheit beleuchtet sey,
Und wenn wir andere Sachen noch sehen,
So ist das ein Zufall so nebenbei.



9.
Galanterie
Eine schöne Frau
Ich habe immer gelebt in dem Wahn
Daß mich ein Mann nicht gehörig achtet
Der keck mich sieht mit dem Fernglas an.

Ein galanter Mann
Ich habe die Sterne nie anders betrachtet.


10.
Bitte
Verargt den Frauen doch nicht jeden kleinen Scherz,
Sie haben gegen sich Natur und Lieb' und Herz.


11.
An ein schönes Mädchen, das in einem Korbe Blumen trug
Wenn ich eine Biene wär'
Hätt' ich nach Blumen groß Verlangen,
Doch würde mir die Wahl wohl schwer
Setz ich mich auf die Blumen her,
Die da in deinem Körbchen prangen
Oder auf jene auf deinen Wangen?


12.
An zwei Schwestern
Für Euch muß wohl Jeder in Liebe entbrennen,
Doch ist Eure Anzahl zu groß und zu klein,
Um Eine mehr würde man Grazien Euch nennen,
Um Eine wen'ger würd's Venus seyn.


13.
Aufschrift auf ein Badhaus
Hier zündet die Sehnsucht mehr Feuer an
Als all dieses Wasser löschen kann.


14.
An eine Maler, der eine sehr schöne Frau malte
Dein Standpunkt Maler ist nicht leicht,
Du darfst nichts geben und nichts rauben
Und doch je mehr dein Bild dem Urbild gleicht,
Je mehr wird man's geschmeichelt glauben.


15.
An einen Ehemann
Kann deiner Gattin Schönheit, Jugend
Auch viele Männer eifersüchtig machen;
Du Glücklicher kannst drüber lachen,
Nicht deine Ruhe kann's gefährden,
Denn überzeugt von ihrer Tugend
Kannst du es niemals selber werden.


16.
Der galante Trunkenbold
Die Frau
Schon wieder betrunken? Mann glaube mir
Du wirst mich zwingen von dir zu gehen.

Der Mann
Ich betrinke mich bloß aus Liebe zu dir,
Weil ich im Rausch dich kann doppelt sehen.


17.
Bitte
Eine schöne Frau
Um einen Platz für meinen Mann
Bitt ich Sie, edler Freund! sich zu verwenden.

Ein galanter Herr
Thun will ich, was ich nicht verweigern kann,
Fleht man uns mit so vielen Reizen an,
So bittet man mit Waffen in den Händen.


18.
Das: Je ne sais quoi
Ein junges Mädchen besitzt eine Macht
An die sie bisher noch gar nicht gedacht,
Und die sich doch von ihr entfernet
Sobald sie selbe kennen lernet.


19.
Als ich bei einer schönen Frau speiste
Du willst mich immer zum Essen zwingen,
Ich weiß nicht, wie ich's zu Stande bringe,
Wie soll ich denn noch was Andres verschlingen
Wenn ich immer dich mit den Augen verschlinge?


20.
Stelle aus einem Liebesbriefe
Geliebte ich schreibe dir
Mit Federn aus Amors Flügeln,
Den Schmetterling wußt' ich zu zügeln,
Er kann nicht mehr fliehen von mir.


21.
Männerliebe und Frauenliebe
Im Mannesleben
Wird Liebe nur Episoden geben,
Im Frauenleben
Wird Liebe sich zur Geschichte erheben.


22.
Klagen einer Frau
Die Männer sind sehr ungerecht
Gen unser schwächliches Geschlecht,
Sie machen uns die Tugend zum Verbrechen,
Und doch verzeihn sie uns nicht unsre Schwächen.


23.
Einäugige Mutter und einäugiger Sohn
Gib, wunderschöner Knabe klein
Dein eines Auge der Mutter dein,
So wird sie Venus, du Amor seyn.


24.
Warnung für junge Mädchen
Vergeudet im Frühling Ihr all Eure Blüthen
So mag vor dem Herbst Euch der Himmel behüten.


25.
Damengeschenk
Die Börse hat Camilla mir gestickt
Und mir erlaubt sie öffentlich zu zeigen,
Doch hätte das Geboth mich mehr beglückt:
Die Börse zu verbergen und zu schweigen.
(Band 4 S. 176-182)
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Aus: I. F. Castelli's sämmtliche Werke
Erstes bis viertes Bändchen
Vollständige Ausgabe letzter Hand, in strenger Auswahl
Wien Druck und Verlag von Ant. Pichler's sel. Witwe 1844

 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Franz_Castelli


 

 


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