Sophie Borries Ps. Diotima (1799-1841) - Liebesgedichte

 

 


Sophie Borries Ps. Diotima
(1799-1841)



Sehnsucht

Liebes, liebes Auge du!
Ach! noch einmal nur mit Leben
Möcht' dein Licht ich decken zu
Mit der Lippen warmem Beben;

Ach! die theure, gute Hand
Einmal noch in Lust und Schmerzen
Drücken nur an mein Gewand,
Wo's am näh'sten ist dem Herzen;

Einmal noch "du meine Seele!"
Hauchen dir mit Liebeston.
Wäre, daß dem Glück nichts fehle,
Dann mein Odem auch entfloh'n!

aus: Deutschlands Dichterinnen
in chronologischer Folge
herausgegeben von Abraham Voß
Düsseldorf 1847 (S. 363)
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Aussöhnung

Die Liebe ist ein tiefer Born,
Und Keiner ermißt ihn je;
Und thät' er durch Kälte, Spott und Zorn
Bis in den Tod uns Weh!

Die Liebe ist Demuth, Religion,
Des ew'gen Lebens Pfand;
Du brachst mein Herz, und ich - zum Lohn
Drück' zärtlich dir die Hand.

Wenn du nach Jahren gütig bist,
Ich nichts zu klagen hab'.
Ich weiß nur, daß die Liebe ist,
Und außer ihr das Grab.

aus: Deutschlands Dichterinnen
in chronologischer Folge
herausgegeben von Abraham Voß
Düsseldorf 1847 (S. 364)
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Das stille Haus

Heilig, wie aus Fabel-Träumen
Leise Schauer uns umwehn,
Weiß, am Flusse unter Bäumen,
Ich ein stilles Haus wo stehn.

Grad' als hätten Feenhände
Künstlich Stein an Stein gefügt,
Um die Marmor-weißen Wände
Eng' die grüne Reb' geschmiegt.

In der klaren Wellen Kräuseln
Ist es spiegelnd hingehaucht;
Ist aus ihrem sanften Säuseln
Wie ein Traumbild aufgetaucht.

Innig, wie mit tiefem Lauschen
Seel' in Seele sich verliert,
Schlanke Pappeln es umrauschen
Von des Mondes Strahl berührt.

Rosen flüstern, Lil'jen schwanken
Rund umher vom Beet' und Strauch';
Wie in sinnigen Gedanken
Süß bewegt durch Zauberhauch.

Von des Geißblatts Blüten-Bogen,
Nachtviolen und Jasmin
Düfte, gleich Gefühles Wogen,
Die Gemächer all' durchziehn.

Hoch das blendende Gefieder
Schwellend auf der Wasser-Bahn,
Schifft in hehrer Ruh vorüber
Tief in sich versenkt ein Schwan.

Denn vom Abendhauch getragen
Schwebt daher ein leiser Klang,
Als ob sich voll Sehnsuchts-Klagen
Aufwärts höb sein eig'ner Sang.

Zu der Laute, goldbesaitet,
Haucht ein Weib die Töne hin;
Kühner er die Schwingen breitet
Wie zum Thron der Sängerin.

Mahnend nach des Himmels Kerzen
Wendet diese bang' den Blick,
Sollt' er zahlen ihrem Herzen
Endlich seine Schuld zurück?

In der Rose Kelch versenken
Will sie ganz der Thränen Fluth,
Als möcht' ewig sie ertränken
Ihrer Düfte Liebes-Gluth.

Was dem Schmerze sie inmitten
Solcher Zauber hat geweiht? -
Anhdet nur: wer stumm gelitten
An des Lebens großem Leid.

aus: Deutscher Musenalmanach für das Jahr 1837
Herausgegeben von Adelbert von Chamisso
Achter Jahrgang Leipzig
Weidmann'sche Buchhandlung (S. 220-222)
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Der welke Kranz

Als laut am Frühlings-Morgen
Der Vogelsang erschallt,
Ging ich mit meinem Liebsten
Wohl in den grünen Wald.

Er brach von einer Eiche
Des jungen Laubes Zier,
Und flocht die grünen Blätter
Zum Kranz, den gab er mir.

Und das Symbol der Treue
Stellt ich auf meinen Schrein,
Als wir gekehret waren
Nach Haus im Abendschein.

Da steht es - ach, seit Jahren
Verwelket und bestaubt;
Gleicht so nun seiner Treue:
Die stets ich grün geglaubt.

aus: Deutscher Musenalmanach für das Jahr 1835
Herausgegeben von Adelbert von Chamisso und G. Schwab
Sechster Jahrgang Leipzig
Weidmann'sche Buchhandlung (S. 243-244)
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Biographie:

Borries: Sophie B., als geist- und gemüthvolle Dichterin unter dem Namen Diotima bekannt, als älteste Tochter des Domänenpächters Rohde in Mecklenburg zu Gramzow bei Teterow am 18. Aug. 1799 geboren, † 15. Mai 1841. In Folge der Verarmung ihrer Eltern durch den Krieg früh auf selbständigen Erwerb angewiesen, wirkte sie mehrere Jahre als Gouvernante in ihrer Heimath, sodann zu Hohensee bei Wolgast im Hause der Baronin v. Kirchbach. Hier lernte sie den verwittweten Hofrath Borries aus Greifswald kennen und vermählte sich mit ihm in ihrem 22. Lebensjahre. Das höhere Lebensalter des Gatten und die Kinderlosigkeit ihrer Ehe ließen eine Lücke in ihrem Leben, welche auch der treue Eifer, mit dem sie sich nach dem frühzeitigen Tode beider Eltern der Erziehung ihrer jüngeren Geschwister widmete, nicht auszufüllen vermochte. Ihre hervorragende Begabung führte sie daher zu einer tieferen Beschäftigung mit Litteratur und Kunst und zu wissenschaftlicher Unterhaltung mit geistesverwandten Persönlichkeiten. Zu diesen gehörte namentlich ein jüngerer Gelehrter, dessen geistvolle Auffassung des classischen Alterthums und der neueren Litteratur ihr eine mächtige Anregung gewährte, die sich allmählich zu einer tiefen Neigung steigerte. Bei den daraus erwachsenden Seelenkämpfen suchte und fand sie Trost in der Poesie. Ihre lyrischen Gedichte, welche zum Theil in der "Sundine" veröffentlicht wurden, dem Verfasser dieser Skizze aber in ihrer Gesammtheit als Manuscript vorlagen, athmen echt poetische Empfindung und Erhebung. Diese Schöpfungen waren es auch, welche die innige Freundschaft mit Adalbert v. Chamisso und dessen liebenswürdiger Gattin vermittelten. Durch seinen Freund Hitzig empfohlen, kam Chamisso auf einer botanischen Reise in ihr Haus. Aus geistiger Wahlverwandtschaft entstand ein inniger Seelenbund, der in der Folge durch brieflichen Verkehr noch enger geknüpft ward; auch weilte die Hofräthin wiederholentlich wochenlang im Hause Chamisso's. Ihr schrieb er als der seinem Herzen zunächst stehenden unmittelbar nach dem Tode seiner Frau und gedenkt ihrer auch in seinen Werken mit wärmster Anerkennung Dies innige Freundschaftsverhältniß löste sich erst mit dem Tode der Hofräthin.

aus: ADB Allgemeine Deutsche Biographie

 

 

 


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