Felix Dörmann (1870-1928) - Liebesgedichte

Felix Dörmann

 

Felix Dörmann
(1870-1928)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

Rhythmen (zweite Reihe)

Ich fühl' im Herzen tief die Liebe singen.
Vrchlicky

1.
Dein Antlitz ist bleich und rein
Wie Mondlicht.
Nur deine Lippen lodern
In brennendem Rosenrot.
Weich und tief,
Versöhnung singende Orgellaute,
Quellen Worte des Herzens
Von Deinen sündhaft schönen Lippen,
Und in meine zuckende Seele
Träufelst Du
Lindernden Balsam.


2.
So laß mich knien vor Dir
Tief im Staube,
Laß mich Deine schmalen Hände
Leise küssen;
In diesen tränenfeuchten,
Dunklen Augen
Wohnt das Mitleid,
Wohnt die Alles vergebende,
Göttliche Liebe.
O laß mich knien vor Dir
Tief im Staube. –


3.
Ich möchte beten,
Beten aus tiefster Seele, -
Und weiß nicht zu wem;
Denn ich glaub' es nicht,
Daß über der Sterne
Funkelndem Reigen
Ein Vater thront.
Und so sing' ich denn
Meiner Seele Jubelfanfaren,
All ihre jauchzende,
Trunkene Seligkeit
Hinaus in die Welt,
In die kalte, blütenarme Welt:
Noch kann ich lieben,
Noch kann ich lieben,
Tief und keusch und wunschlos!
Ich möchte danken -
Und weiß nicht wem,
Ich möchte singen, weinen und beten.


4.
Kalt und schneidend
Zog der Dezembersturm
Über meiner Seele
Weiße Rosen.
All die süßen,
Frühlingstrunknen,
Aufblühenden Knospen
Hangen nieder und sinken nieder,
Verbrannt und verdorrt,
Von Frost und Rauhreif.
Weiße Blätter rieseln, rieseln
Eins ums andere
Immer weiter,
Endlos weiter.
Doch wenn sie die Dornen berühren,
Die bösen Dornen,
Dann sickern dunkelrote,
Blutige Tropfen
Aus den weißen,
Zarten Blüten.
Es ist heißes, starkes,
Achtlos verquellendes Herzblut …
(S. 86-88)
_____
 

 

Verloren

1.
Die schimmernde Pracht Deiner Glieder,
Ich hab' sie voll Andacht geschaut,
Doch vor der umnachteten Seele
Hat mir gegraut.

Ich hätte dich gerne, so gerne
Emporgerissen zum Licht;
Du aber – wild und trotzig -
Du wolltest nicht.

Und doch war Deine Liebe
Gewaltig, heiß und echt - - -
Ich aber ließ Dich fallen, -
Und das war schlecht.


2.
Du bist krank gewesen,
Kleine Geliebte!?
Krankhaft blaß ist Dein Antlitz,
Matt Dein Auge,
Mühsam schleppt sich Dein Schritt.
Komm, o komm zu mir,
Laß Dich stärken, laß Dich laben - - -
Fieberhaft heiß ist Deine
Kleine Hand und Deine Nerven
Zucken und schaudern,
Du bist immer noch krank,
Kleine Geliebte.
Sag, wo ist Dein Lachen geblieben,
Jenes helle,
Auf- und niedersteigende Lachen,
Wo Dein jauchzender Aufschrei,
Der mich an Grußesstatt
Immer empfing?!
"Müde bist Du, sterbensmüde,
Kleine Geliebte?!"
Komm an mein Herz!
Laß mich diesen zarten Busen,
Der mir einstmals
Voll und wogend entgegenschlug,
Einmal noch röten mit lodernden Küssen.
Besser fast noch als ich
Weißt Du es selbst,
Kleine Geliebte,
Krank bist Du, todeskrank,
Nichts kann Dich retten!
Aber eine Nacht, eine Nacht
Laß uns glücklich noch sein!
Mög auch von Deinem Mund
Tödlich das Gift
Überfließen zu mir,
Was liegt daran! -
Sterbend noch wollen wir
Höchster Wonnen tödliche Freuden
Ausgenießen.
(S. 52-54)
_____

 

Nur Vergessen

Diese Wangen, diese bräunlich bleichen,
Dieses dunkle, leichtgewellte Haar;
Diese Lippen, diese tollkirschgleichen;
Dieser Augen rabendunkles Paar;
Diese Brauen, dicht und schwer gezogen;
Dieser Wimpern nachtgefärbter Samt;
Dieser Leib, so müd zurückgebogen;
Diese Hände, weich und glutdurchflammt! -

Aus dem Herzen hast Du mir getrieben,
Was es gut und stark und groß gemacht,
Tot ist alles, nur ein krankes Lieben
Zittert fäulnisfahl durch meine Nacht.
Nun, so laß das irre Haupt mich pressen
Tief ins duftdurchtränkte, weiche Haar,
Wahnwitz oder Liebe – nur vergessen,
Was ich bin und was ich war.
(S. 56)
_____

 

Liebe!

Du hast Deinen brünstigen Leib mir geschenkt,
Mit rasender Wollust das Hirn mir durchtränkt -
Ich aber ich dürste nach Liebe.

Der Wollust berauschender Opiumwein,
Er lullt ja die brennende Sehnsucht nur ein,
Die brennende Sehnsucht nach Liebe.

Im Wahnwitzgejauchz' dionysischer Gier
Aufzittert noch immer, noch immer in mir -
Die schreiende Sehnsucht nach Liebe.
(S. 63)
_____

 

Ahnung

Du schlummerst, - am Busen Geschmeide -
Als lebendes Titianbild,
Ein Schleier von rötlicher Seide
Den mattweißen Körper umquillt.

Wie leuchtet ums Antlitz, das bleiche,
Der Rosen brennende Pracht;
Wie zittert Dein Busen, der weiche! …
Du träumst wohl von Freuden der Nacht?

Du wirst mit saugenden Küssen,
Mit rasender Liebeswut
Mein Herz erst wecken müssen,
Vielleicht sogar mit Blut.
(S. 62)
_____

 

Intermezzo

1.
Durch meine Träume zittert
Der Erde reinste Gestalt,
Die dunklen Augen strafen
Mit göttlicher Gewalt.

Doch eine Träne rieselt
Von ihrem Angesicht,
Die mir von Mitleid, Liebe
Und von Erlösung spricht.


2.
O sieh meine Seele verfaulen
In Elend, Sünd' und Qual,
O neige Dich erbarmend
Zu mir ein einzig Mal.

O lege Deine Hände
Nur einmal weich und mild
Auf meine heiße Stirne,
Du reinstes Frauenbild.

Dann wird sie von mir weichen -
Die dumpfe Sinnengier,
Aus Elend, Not und Sünde
Schrei' ich empor zu Dir.


3.
O laß bei Dir mich wohnen,
Bei Dir mich immer sein,
Erlösung kann mir werden
Bei Dir, bei Dir allein.

Denn nur bei Dir ist Frieden
Und stilles, tiefes Glück,
O sei nicht grausam, stoß' mich
Nicht in die Nacht zurück.


4.
Dein Name klingt so süß und weich,
Ist ganz und gar Dir selber gleich,
Du blasse, zarte Lilie.
Ich will ihn nicht entweihen,
Nicht an die andern reihen
Aus alter, trüber Zeit,

Wo Sinnengier und Leidenschaft
Mit trotzig ungestümer Kraft
In meinem Herzen wühlte;
Wo ich veträumt die Tage
Und abends beim Gelage
Der tollste Zecher war.

Mit Deiner Liebe milder Kraft
Hast Du den Bann der Leidenschaft
Zerschmettert und gebrochen.
Ein tiefes, keusches Lieben
Ist alles, was geblieben,
Und das gilt Dir allein.


5.
Und wieder nah'n die düstern,
Hohläugigen Geister der Nacht,
Mit sinnbetörendem Flüstern
Und prüfen gierig und lüstern
Die alte, gewaltige Macht.

O rette, Geliebte, rette!
Hör' meinen verzweifelnden Schrei!
Nicht schreckt sie die heilige Stätte,
Sie schließen um mich ihre Kette,
O hilf, o steh' mir bei!

Auflodert das tollste Begehren,
Der Sünden schlummernde Brunst,
Bei ihrem Gifthauch schwären
Der Seele Wunden und leeren
Ins Hirn ihren krankhaften Dunst.

Mein tiefes, keusches Lieben
Die flammende Gier durchloht,
Die reinen Gedanken entstieben,
Und nichts ist zurück mir geblieben,
Als wollustrasende Not.

Sieh meine zuckenden Glieder, -
Des Mundes blasigen Schaum;
O neig' zu mir Dich nieder, -
Hinweg das starre Mieder,
Für meine Lippen Raum!

Hinweg von Deinen Brüsten
Das faltige Schleiergewand,
Es ringt mein ganzes Gelüsten
Nach keuschen, ungeküßten,
Hinweg, hinweg Deine Hand!

Ich fühle mein Aug' sich verglasen,
Mein Leib verkohlt, verbrennt,
Jetzt mußt Du mit mir rasen, -
Mußt teilen meine Ekstasen,
Der Seligkeit höchsten Moment.


6.
Auch Dich hab' ich, reinste der Frauen,
Mit Lasterbegierden entweiht.
Nicht darf ich Dein Antlitz mehr schauen
In Ewigkeit.

Mein Herz ist im Schlamme versunken,
Gespenstig flackert in mir
Nur Sehnsucht, wahnwitztrunken,
Und kranke Gier.

Was soll mein schluchzendes Ringen,
Der Seele Verzweiflungsgebet?
Ich kann die Dämonen nicht zwingen - -
Es ist zu spät.
(S. 99-103)
_____

 

An ***

Hoch durch die Wipfel der Bäume
Brauste der Frühlingssturm,
Und rauschende Lieder
Entquollen den Kronen.
Hier unten aber,
In weinblattumschatteter
Traulicher Laube,
War Götterfrieden
Und Götterstille.
Die roten Lichter
Der scheidenden Sonne
Durchtanzten neckend
Das Blättergewirr,
Und brachen sich schimmernd
Im Gold Deiner Haare.
Lichtdurchtränkt und sonnenumwoben
Erschienst Du mir
Wie eine Madonnengestalt
Des alten Venedigs.
Anmuttrunken und schönheitsselig
Sah ich hinein
In die meerfluttiefen
Und meerflutblauen,
Leuchtenden Augen
Und sah durch sie
In eine reine, süße Kinderseele,
In die zum ersten Male
Farbenglühend
Die Liebe einzog.
Und zaghaft, wie des Mondes matte Sichel,
Die über jenen abenddunklen Wäldern
Schüchtern aufsteigt,
Zog der Gedanke ein in meine Seele,
Das schattentrübe, elendvolle Dasein
Gleich einer schweren Fessel abzustreifen
Und zu den Ungeborenen zurückzukehren.
Das heitere Sonnenkind,
Das nie den Schmerz gekannt,
Es würde
Den dunklen Träumer schnell vergessen haben;
Er aber stürbe
Im seligen Bewußtsein
Reiner Liebe.
(S. 28-29)
_____


Madonna Lucia

II. Teil


1.
Ich grüße Dich, Taumel der Sinne,
Hirnzehrendes Autodafe,
Nur Du kannst löschen und dämpfen
In rasenden Wollustkrämpfen
Der Seele schneidendes Weh.
Ich grüße Dich, Taumel der Sinne.

Mein Hoffen, mein Träumen, mein Sehnen,
Es liegt im Staube zerschellt.
Wer Lust hat, umkreise die Trümmer
Mit tränendem Aug', mit Gewimmer,
Bis selber zusammen er fällt.
Ich aber, ich lenke die Schritte
Zu Dir, Lucia, zurück, -
Du wirst mich gierig umpressen,
Und ich, ich werde vergessen
Mich selber, die Welt und das Glück.
Ich grüße Dich, Taumel der Sinne,
Hirnzehrendes Autodafe,
Nur Du kannst löschen und dämpfen
In rasenden Wollustkrämpfen
Der Seele schneidendes Weh.
Ich grüße Dich, Taumel der Sinne.


2.
Der Traum der keuschen Liebe,
Längst ist er ausgeträumt,
Es tanzen und toben die Nerven,
Das Blut zum Hirne schäumt;
Es bricht sich in wilden Kaskaden
Am Herzen, verdorrt und versteint,
Das seine verbissenen Qualen
Verschüttet und ausgeweint.
Ich will meine Zähne vergraben
In Deinem knirschenden Haar,
Im Blutrausch will ich vergessen,
Daß ich ein Anderer war.
Ich weiß, Du kannst genießen,
Unfaßbar, riesenhaft stark,
Wohlan, so genieß' mich, Lucia -
Es schreit nach Fäulnis mein Mark.


3.
Im Herzen wühlt und lodert
Die wüsteste, tollste Begier
Und reißt und stößt und peitscht mich,
Madonna Lucia, zu Dir.
Die Glieder schauern und beben,
Das Auge Flammen sprüht,
Wie kochende Lavaströme
Das Blut meine Adern durchglüht.
Ich flehe Dich an, o gebrauche
Die göttlich dämonische Macht,
Die meine zerfaserten Nerven
Zum rasendsten Taumel entfacht.
Und wenn an Deinem Busen
Zum Wahnwitz schwillt die Lust,
Dann, üppigste, geilste der Schlangen,
Erwürg' mich an Deiner Brust.


4.
Und wieder umpreßt und umschnürt mich
Das grauenhaft herrliche Weib,
Es brennt und zuckt und zittert
Morphiumgesättigt ihr Leib.

Jedwede Muskelfaser
Sich zum Zerreißen dehnt,
Die schrankenlosesten Freuden
Das trunkene Hirn ersehnt.

Es hebt in wilden Stößen
Schweratmend sich die Brust,
Durch jede Fiber rieselt
Bewußtseinertötende Lust.

Dein Feuerauge funkelt
In brünstiger Liebesgier,
Jetzt ist die Zeit gekommen, -
Geliebte, - jetzt sündigen wir.


5.
Die bläuliche Haarflut umschattet
Dein müdes, entfärbtes Gesicht,
Aus dem mit unendlichem Zauber
Schwermütige Grausamkeit spricht.

Wenn auch der gemarterte Körper
Sich gegen die Liebe schon bäumt,
Von qualengeborenen Wonnen
Die trotzige Seele noch träumt.

Ihr wühlendes Flammenbegehren
Höhnt jeglicher irdischen Glut;
Du wirst noch die brennende kühlen
In des Geliebten Blut.


6.
Du hast mit krampfigen Griffen
Die dampfenden Glieder enthüllt,
Du hast bei meiner Umarmung,
Eine brünstige Wölfin, gebrüllt.

Dein fieberglühendes Auge,
Von rötlichen Linien durchsprengt,
Im Überreize tränend,
Blutgierig an meines sich hängt.

Festklammern sich knirschend die Zähne, -
Jetzt sprengt ihren Wall ein Gekreisch -
Ein Aufschrei, - und sie graben
Und wühlen mir im Fleisch.


7.
Ich hab' in Deiner Seele
Das schlafende Feuer entdeckt,
Und seine verheerenden Gluten
Mit tollem Jauchzen geweckt.

Die Flammen lodern und steigen,
Mein Leib versiecht und verfällt,
In Schande, Blut und Vernichtung
Dein schmetterndes Lachen gellt.

Die blutige, blasse Madonna,
Mit Augen bräunlich umringt,
Die stachlichte Knute der Liebe
Ins Herz mir, ins zuckende schwingt.

Die dunkelroten Tropfen,
Sie perlen langsam zu Tal,
Und Leib und Seel' durchschüttert
Die tödlichste Wonne der Qual.


8.
Du bist meine Herrin geworden,
Bacchantisch berauschendes Weib,
Trink' aus, trink' aus meine Seele,
Zerstör' den vergifteten Leib.

Ich kann nicht mehr heißer empfinden,
Ich reiche zu Dir nicht hinan,
Du bist der Dämon der Liebe
Und ich – ein sterblicher Mann.


9.
Leb' wohl, Madonna Lucia.
Dem Untergang bin ich geweiht,
Ich habe geliebt und genossen,
Verflossen
Ist meines Lebens Zeit.
Leb' wohl, Madonna Lucia.

Der todeswunde Adler
Nach öden Felsen kreist,
Er kann kein Mitleid brauchen,
Verhauchen
Will einsam er den Geist. -
Leb' wohl, Madonna Lucia.
(S. 104-109)
_____

 

Vorgesang

Ich habe geliebt,
Wie Dichter lieben,
Und ob ich hohes Glück genossen -
Mehr noch hab' ich gelitten.
F. v. Saar

Ich habe geliebt
Wie Dichter lieben:
Aus tiefster Seele,
Mit jedem Atom,
Schrankenlos und unbekümmert
Um Menschensatzung.

Der uferlose Strom
Rasender Liebeswonnen
Durchzog in wilden Wirbeln
Mein hochaufschlagendes Herz,
Und in mir lebt
Leuchtende Erinnerung
An liebesschwüle Stunden.

Aber auch der gierdelosen Liebe
Milderes Feuer
Kennt meine Seele:
Ich habe geliebt,
Wie Dichter lieben:
Anbetend, innig und keusch,
In tiefstem Schweigen,
In lautloser Seligkeit!

Aber ob ich auch hohes Glück genossen -
Mehr noch hab' ich gelitten,
Durch meine Seele zogen
Götterwonnen und Titanenqualen!
(S. 25-26)
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Namenlos

1.
Ich habe nur ihr großes Herz gekannt
Und ihres teuren Leibes Paradies. -
Nicht weiß ich, wer sie war und wie sie hieß,
Denn ihren Namen hat sie nie genannt.
Doch auch den meinen wies sie stolz zurück:
"Ich brauch' ihn nicht! – In meiner Seele lebt
Für alle Zeit das namenlose Glück,
Mit der Erinnerung an Dich verwebt." -

Du bist ihr gleich, Du bräunlich blasses Kind. -
Dein tiefgelegenes, dunkles Auge rief
Vergangnes jach empor. – Ein Wirbelwind
Wühlt Alles auf, was tränenmüde schlief.
Und wieder flutet um das teure Bild
Der süßesten Erinnerungen Meer,
Und aus der Seele, stoßend, dumpf und schwer,
Ein fassungsloses Schluchzen bricht und quillt.


2.
Manches Mal, in stillen Nächten,
Steigt mir noch Dein Bild empor
Und ich kann's nicht, kann's nicht fassen,
Daß ich Dich so ganz verlor.

Deine großen, braunen Augen,
Mit den Wimpern lang und schwer,
Blicken ganz noch wie vor Zeiten
Warm und innig zu mir her.

Als in jener dunklen Stunde
In das fremde Land Du gingst
Und zum allerletzten Male
Weinend mir am Halse hingst,

Damals hast Du mir versprochen:
"Hören wirst Du bald von mir"
Aber niemals kam ein Zeichen,
Niemals nur ein Gruß von Dir.

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Wilder Schmerzen wüstes Toben
Hat in Wehmut sich gewandt,
Und im raschen Lauf der Tage
Selbst Dein Bild dem Geist entschwand. -

Manchmal nur in stillen Nächten
Steigt es mir noch heiß empor -
Und ich kann's nicht, kann's nicht fassen,
Daß ich Dich so ganz verlor.
(S. 44-45)
_____

 

Sehnsucht

Ich sehne mich nach einer Traumgestalt,
Nach einem unberührten, keuschen Wesen,
Das noch im Buch der Sünde nicht gelesen,
Das Wollust nicht einmal im Geist umkrallt.

In ihrer Seele müßte Mitleid wohnen
Mit jedem Menschen und mit jedem Tier,
Am allermeisten aber doch mit mir,
In dem das Elend und die Marter thronen.

Und wie vom übervollen Weinpokal
Die goldnen Fluten achtlos niederschießen,
Müßt' ihre Himmelsreinheit mich umfließen
Und tilgen meiner Seele Sündenqual.
(S. 69)
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Kleine, mit den großen Nixenaugen

Kleine, mit den großen Nixenaugen,
Mit dem bleichen, somnambulen Antlitz,
Mit der schweren, goldnen Flechtenkrone,
Schmiege Deine Wange an die meine,
Sag' mir noch einmal die trauten Worte:
"Dein für immer, Dein für immer!"

Sieh, so seltsam, so erstaunlich dünkt's mir,
Daß gerade Du, das vielgeliebte,
Wohlgehegte, sorgenlose Schoßkind
Für den unruhvollen, rätselhaften,
Hirngepeitschten Schwärmer Liebe fühlt.

Presse Deinen Mund, den kleinen, heißen,
Innig an mein Ohr, und leise, leise,
Daß es niemand hört auf dieser Erde,
Auf der kühlen, spöttisch klugen Erde,
Sag' mir noch einmal die trauten Worte:
"Dein für immer, Dein für immer!"
(S. 38)
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Liebesschauer

Liebesschauer mir im Herzen wühlen,
Deiner Schönheit blutigem Altar,
Sturmgewaltig wettert durch mein Fühlen,
Atemloser Wonnen wilde Schar.
Aus des Herzens abgrundtiefen Schachten,
Wo Gedankenfluten hoch gerollt,
Die den Weltenbau ins Wanken brachten,
Wenn empor zum Lichte sie getollt,
Quellen Lieder, Deiner Schönheit trunken,
Sausen Flammen irrer Liebesglut,
Meine großen Ziele sind versunken,
Bleich und todesstarr mein Wille ruht;

Wehr und Waffen hat der Rost zerfressen,
Daß ich einstmals stritt, - ich weiß es kaum;
Meine Sendung hab' ich längst vergessen -
Nur für Dich hat meine Seele Raum!
(S. 57)
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Niemals

Mit ehernem Griffel grub ich
Tief in Dein weiches Herz
Für immer mein Bild.
Und wenn auch Vorsicht,
Klugwaltende, sichergehende
Dich behütet
Vor des Dichters
Flammenzehrender Liebe,
Niemals wirst Du mich vergessen.
Deines Mundes erste Küsse
Ich hab' sie getrunken,
In meinen Armen
Lernte Dein herrlicher Leib
Ahnungsvolle,
Bebende Liebe.
All die süßen ersten Schwüre
Deines jungen,
Verlangenden Herzens
Galten mir.
In Deiner Seele leben
Ewig jung
und ewig reizvoll
Ungenossene und unermessene
Scheugeahnte Wonnen,
Unzertrennbar gebunden
An meinen Namen.
Verfluchen wirst Du mich vielleicht,
Vergessen aber niemals!
(S. 41-42)
_____

 

Geliebte, kleine Braut!

Schling' Deines Haares Strähne
Ums Haupt mir, kleine Braut,
Zerküsse die funkelnde Träne,
Die mir von den Wimpern getaut.

Vom Elend hier auf Erden
Hab' ich genug erschaut,
Genügsam will ich werden,
Geliebte, kleine Braut!

Ich will mein Sehnen begraben,
Die Wünsche, so brennend und laut,
Du sollst allein mich haben,
Geliebte, kleine Braut!
(S. 30)
_____


 

Stumme Liebe

Selig, willenlos dahingegeben,
Ruht der schlanke Leib in meinen Armen,
Und die feuchten, vollen Lippen suchen
Leise die meinen.

Aber keine Liebesworte schauern
Aus bedrängtem Busen weich ans Ohr mir;
Nur die dunklen, angstvoll großen Augen
Leuchten vor Liebe.

Schweigend pressen sich die heißen Hände,
Sprechen sich die Geister und die Herzen,
Und geheimnisvoll beschleicht die Seele
Ahnung des Glücks.
(S. 39)
_____


 

Reinigung

Und als Du leise mich geküßt
Und Dich mir angeschmiegt,
War mir's, als ob ich weinen müßt' -
Mein Lieb, Du hast gesiegt.

Der brandigen Gedanken Heer
Vertrieb Dein junger Mut,
Mein ganzes Herz begierdeleer
In Deinen Händen ruht.

O hab' mich lieb und bleib' bei mir
Und mach' mich ganz gesund,
Zeitlebens will ich's danken Dir
Aus tiefstem Herzensgrund.
(S. 70)
_____


Madonna Lucia

I. Teil

1.
Und bist Du wie Marmor so starr und so kalt
Und kennst Du der Liebe Dämonengewalt
Bisher nur vom Sagen und Singen,
So wallet wie siedende Lava mein Blut
Und weckt auch in Dir die verhaltene Glut -
Ich will Deine Lieb' noch erzwingen!

Lagst Du mir nur einmal, nur einmal im Arm,
Und saugten die Lippen nur einmal sich warm,
Im tobenden Aufruhr der Sinne,
Dann bricht auch in Deine gefühllose Brust
Bacchantisch, unzähmbar, für immer die Lust,
Dann schwörest auch Du zu der Minne.


2.
Du mußt in mir versinken,
Mir ganz zu eigen sein,
Ich will Deine Seele trinken
Wie feuerflüssigen Wein;
Und wenn sich zur Liebesekstase
Die schäumende Wollust gesellt,
In stammelndes Liebesgeflüster
Der Schrei des Genusses gellt,
Und wenn dann – fester und fester -
Dein zitternder Arm mich umschlingt,
Und in die erstickenden Küsse
Lethargisches Röcheln erklingt, -
Dann bist Du für immer mein Eigen,
Du sinneberückendes Weib,
Und mein ist die mystische Seele
Und mein ist der leuchtende Leib …
Du mußt in mir versinken,
Mir ganz zu eigen sein,
Ich will Deine Seele trinken,
Wie feuerflüssigen Wein.


3.
O laß mich, laß mich umranken
Die schmiegsam volle Gestalt,
Laß Busen mich betten an Busen
Mit stürmischer Glutengewalt.
O laß mich in trunkener Liebe
Durchwühlen Dein flimmerndes Haar,
Wundküssen die zuckenden Lippen,
Der Lider kühles Paar.
Ich liebe Dich übermenschlich,
Du bleiches Medusengesicht,
Und weiß, daß Deine Seele
Schon für die meine spricht.
Was soll das törichte Weigern,
Das halberstickte "Nein",
Du wirst in meinen Armen
Noch todeszärtlich sein!


4.
Es schläft in Deinem Auge
Ein Liebeswahnsinn-Atom,
Noch scheut und fürchtet die Seele
Den tosenden Flammenstrom.
Ich aber will ihn entfesseln,
Und sei es mit frevelnder Faust,
Ich will, daß sein Gluthauch betörend
Zwei selige Menschen umsaust.
Auch Deine Seele dürstet
Nach einem Liebesmeer,
Es brennen und glühn Deine Hände, -
Dein Herz glüht tausendmal mehr.
Du schweigst und Du zitterst, Lucia,
Und über Dein Antlitz fliegt
Ein heißes, dunkles Erröten -
Lucia – Du bist besiegt!


5.
Ein fahles Mondlicht zittert
Durchs offene Fenster herein,
Dein nackter Leib erschimmert
Wie mattes Elfenbein;
Die halbgeschlossenen Augen,
Sie glühen begehrend mich an -
Dann flüsterst Du innig und leise:
Du lieber, Du teurer Mann.
Und Deine kühlen Arme,
Sie reißen mich an die Brust,
Und ich küsse die wogende, heiße,
Und wilder erfaßt uns die Lust.
Von Deinen Lippen ringt sich
Ein jauchzender Liebesschrei, -
Und achtlos rollen die Stunden
In endlosen Küssen vorbei.


6.
Der Tag ist langsam verronnen,
Die Nacht bricht endlich herein,
Zu seliger Liebe Wonnen
Leuchtet der Sterne Schein.
Wie sind Deine schneeigen Glieder
Vom Feuer der Liebe durchloht, -
Und wieder küss' ich und wieder
Die Lippen so heiß und so rot.
Den Haaren die Funken entstieben,
Wenn zitternd die Hand sie durchwühlt,
Ja, Du kannst küssen und lieben,
Wie Du hat noch keine gefühlt.
Gefangen nimmst Du die Sinne
Das Herz und den Geist und den Leib,
Du bist die Fürstin der Minne,
Du liebegewaltiges Weib. -
---------------------------------------
Schon brennt die Ampel trüber,
Schon zeigt sich Frührotschein -
Wär' erst der Tag vorüber
Und bräch' die Nacht herein.


7.
Die müden Leiber ruhen
Jedweder Regung bar,
Und um uns beide flutet
Narkotischen Duftes Dein Haar.

Noch sind die heißen Glieder
Einander angeschmiegt,
Noch küssen sich die Lippen,
Bis uns der Schlaf besiegt.


8.
Aus dunklen Seelentiefen
Steigt's herzerschütternd empor,
Es quellen qualengepeitschte,
Wildschmerzliche Tränen hervor.

Wie hab' ich einst empfunden
So lauter, keusch und tief,
Eh' Dein berückender Anblick
Die schlafende Wollust rief.


9.
Ich könnt' Dich erwürgen, Lucia,
Wie giftige Vipernbrut,
Ich möchte Dein Antlitz zerfetzen,
Zerstampfen in rasender Wut.

Was stachelst Du wieder und wieder
Erlöschende Sinnengier,
Hinweg mir aus den Augen,
Mir ekelt, ekelt vor Dir.
(S. 93-98)
_____


 

Totenliebe

1.
Und leise trat ich an Dein Sterbelager,
Du kaum erschlossne, schnell verwelkte Blüte.
- - Mir war ja heimlich zugeflüstert worden,
Du hättest ganz im Stillen mich geliebt. - -

Noch einmal hoben sich die schweren Lider
Und aus den todesmatten Augen brach
Ein letzter – langer – tiefer Blick der Liebe,
Und Deine abgezehrte, kleine Hand,
Noch einmal legte sie sich fest in meine,
Und dann war Alles, Alles, Alles aus.


2.
Halb unbewußt war ich hinausgegangen …
Zu einer stillen, grünen Ruhestätte,
Zu einem schattenkühlen Schlummerbette,
In dem ein Herz vergißt sein Glutverlangen.

Und wieder faßte mich das alte Bangen,
Das ich so gerne längst begraben hätte,
Und wieder hörte ich Dein dumpfes: "Rette!"
Das mich verfolgt in Nächten, qualvoll langen.

Und meiner Brust, der heißen, sehnsuchtstollen,
Erstickte Liebeslaute sich entrangen,
Und schwere Reuetränen niederquollen.

Da lebenswarm noch glühten Deine Wangen,
War ich zu kalt, um Freundschaft nur zu zollen,
Und jetzt, nach Deinem Tod, dies Glutverlangen?
(S. 36-37)
_____


 

Satanella

1.
Wenn die Gluten des Weines
Dein Antlitz röten,
Bleiche Madonna,
Dann flieh' meinen Augen.
Ich bete Dich an
Und liebe Dich grenzenlos, -
Aber nur mit todesblassen Wangen;
Doch zeigst Du Dich mir
Durchflutet vom Feuer
Des spanischen Weines,
Sanft erglühend,
So faßt mich die Lust,
Die schreiende Lust,
Dich zu küssen, zu küssen, zu küssen,
Und im Kuß zu erdrosseln; -
Denn Du mußt bleich sein,
Totenbleich.


2.
Ruhbedürftig, liebesübersättigt,
Sinkt nach tobenden Genüssen
Dein gespensterblasser,
Herrlicher Leib
Keuchend zurück.
Weit geöffnet, in schweren Atemzügen
Zittern die Nüstern,
Und im leisen Nachtkrampf
Zerren sich die hochgeschürzten Lippen …
Langsam steigt von Deinem tiefgelegnen
Onyxdunklen Auge
Deines Lides leichtumblauter,
Schwerer Schleier.
Liebesicher und hochmut-funkelnd
Glutet Dein Blick in meinem …
Plötzlich, den hilflos-zornigen,
Liebezermarterten Leib
Machtvoll niederzwingend,
Wühlt sich der Wille zur Wollust
Nochmals stürmisch auf aus Deiner Seele,
Und herüber zu mir
Zischt Dein gewaltiges
Grauenhaft süßes:
"Her zu mir!"


3
Blaugrünes Ampellicht
Flutet in vollen Strömen,
Wie zitternder Weihrauchdampf,
Wie phosphorschimmernde Mondesgloriole
Um Dein weit zurückgebogenes
Geisterhaft herrliches Haupt;
Schreckhaft leuchten
Aus dem mattgetönten Antlitz
Deiner Augen
Bräunlich violette Ringe.
Düster glosend wie Granaten
Wühlen und drängen und bohren sich
Deine gewaltigen, bannenden
Flammensterne
Tief hinein ins Herz meines Herzens …
Nein, ich kann nicht,
Kann nicht widerstehen
Diesem wortlos-heißen Wollen,
Dieser liebesirren Bitte -
Nimm mich hin!


4.
Ineinander schlingen sich die Glieder …
Aus Deinem hoch aufwogenden,
Wonnegepreßten Busen quillt
Ein seliges Seufzen und Stöhnen …
Wieder wirft und biegt sich mein Leib
In markaussaugenden Krämpfen der Lust …
Durch jede Nervenfaser bebt ein Sturm …
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Von Deinem blutig gebissenen Lippen bricht
Unheimliches Freudengeheul -
Weiter wütet die Liebesfeier.
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5.
Zerfetzte Kamelien
Im heliotrop-durchtränkten,
Blauschwarzen Haar;
Die strotzende Brust,
Dicht an die meine gebettet,
Mich umschlingend
Mit den kußgeröteten Armen,
Mit dem ganzen schlangengeschmeidigen Leib -
Also teilst Du mein Lager.
Agonie der Wollust,
Süß betäubende,
Hat Dir langsam
Deine fiebernden Sinne
Eingeschläfert,
Hat die hochgespannten,
Pressenden Muskeln
Leise gelöst.
Ruhig steigt Dein Atem
Auf und nieder
Und ein Lächeln,
Eines glücklichen Kindes
Seliges Lächeln,
Streift verklärend,
Dämon verscheuchend
Über Dein Antlitz.
(S. 77-81)
_____


 

Wieder grüßen Deiner Augen –

Wieder grüßen Deiner Augen
Märchenhafte Zaubersterne
Herab zu mir,
Vom bleichen Antlitz,
Dem unnennbar süßen,
Und die alte, heiße Liebe
Lodert auf;
Wie vom Ätna Feuerströme,
Brechen aus den Flammenaugen,
Aus den mächtig, dunklen Sternen
Wilde Gluten in mein Herz,
Und mich faßt ein stürmendes Verlangen,
Eine brennend heiße, tolle Sehnsucht,
In die Arme wollustschauernd
Dir zu stürzen,
Deines Mundes Küsse aufzusaugen
Wie den Sonnenstrahl der Heliosblume …
Und Du siehst die Flammen in mir wühlen,
Siehst den Leib in Liebeskrämpfen beben -
Und Du lächelst kühl und spöttisch.
(S. 66)
_____



Rückkehr

Wieder ruht mir in den Armen
Der geliebte braune Körper
Mit dem dunklen Kranz der Haare
Auf der heißen, vollen Brust.

Wieder bett ich meine Lippen
Und mein tränenfeuchtes Antlitz
In das warme, duftdurchströmte
Lebenslust-durchglühte Fleisch.

Und die braunen, starken Arme
Pressen sich um meinen Nacken
Unter Lachen, unter Tränen,
Leidenschaftlich, wild und heiß.

Ja, Du bist der Born der Liebe,
Bist der Anfang und das Ende,
Und der müde Wandrer wendet
Nach der Fahrten trübem Irrsal,
Freudig wieder heim zu Dir.
(S. 55)
_____


 

Schweigend

Wir haben in seligen Nächten
Blutsaumige Küsse getauscht,
Wir haben in stöhnenden Wonnen
Die hungernden Seelen berauscht.

Wir liebten uns bis zur Erschöpfung
Und liebten auch dann uns noch fort,
Doch niemals entglitt unsren Lippen
Ein einziges zärtliches Wort.
(S. 58)
_____



 

Alle Gedichte aus: Felix Dörmann Neurotica
München und Leipzig bei Georg Müller
1914


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Dörmann

 

 


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