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Ida von Düringsfeld
(1815-1876)
Inhaltsverzeichnis der
Gedichte:
Das weiße Veilchen
Unter dunkeln Myrthenbäumen,
Zwischen jungen Blüthensprossen,
Angehaucht vom Abendgold,
Eingewiegt von süßen Träumen,
Auf den Rasen hingegossen,
Liegt ein Mädchen wunderhold.
Und sie flüstert leis' und zärtlich:
"Wäre unser Freund doch da!"
Er, den sehnend sie erwartet,
Adhel ists, aus Granada.
Von den Grenzen zu verjagen
Eingedrung'ne Christenschaaren,
Sandte ihn der König her.
Längst schon ist der Feind geschlagen,
Längst vorbei sind die Gefahren
Und zurückgekehrt das Heer:
Aber Adhel weilt noch immer
Ferne von der Königsstadt,
Weil der lieblichen Alima
Zauber ihn gefesselt hat.
Als ihn einst der Lüfte Wehen
In des Myrthenwaldes Schatten
Bei des Mittags Gluth geführt,
Hatt' er sie zuerst gesehen
Und Alimas Reize hatten
Schnell sein stolzes Herz gerührt.
Zu der Hütte, wo die Jungfrau
Einsam mit der Mutter lebt,
Trug ihn täglich sein Araber
Wenn der Abend niederschwebt.
Und er nahte ihr mit Demuth,
Und mit milden Himmelsblicken
Grüßte dann Alima ihn;
Täglich sah im Thau der Wehmuth
Er, mit innigem Entzücken,
Zärtlicher ihr Auge glüh'n.
Was sie fühlten, hatten Beide
Nie dem kühnen Wort vertraut,
Aber ihrer Blick Feuer
Sagte mehr als Worteslaut.
Und auch heute kommt er wieder,
Und sie lächelt ihm entgegen
Liebevoll und inniglich.
Und er läßt sich bei ihr nieder,
Seine heißen Arme legen
Um die Schwanenschultern sich.
"Zürne nicht, und ruhe muthig,
Liebliche! an dieser Brust;
Eh' ich scheide, sollst du hören
Was du ja schon längst gewußt.
Für die Schlacht, die ich geschlagen,
Mir den Siegespreis zu spenden,
Ruft der König mich zurück,
Aber sehnend werd' ich klagen
Und hierher die Blicke senden
Nach dem fernen, schönen Glück.
Du allein mein ganzes Streben,
Du allein des Kampfes Lohn,
Ohne dich wär' arm und öde
Mir der reichste Königsthron.
Du mein lieblichstes auf Erden,
Meines Lebens schönste Blüthe
Die ich im Verborg'nen fand,
Willst du meine Gattin werden,
O so reich' mit milder Güte
Mir zum ew'gen Bund die Hand."
Und Alima windet bebend
Sich aus Adhels Armen los,
Leise aus den dunklen Augen
Perlen Thränen in das Moos.
'Liebend wollt' ich dich umschmiegen
Und mein ganzes künft'ges Leben
Leben nur für dich allein.
Doch ich kann dir nicht genügen,
Bald wirst du nach Höherm streben,
Denn ich bin für dich zu klein.
Bei dem Lorbeer, dessen Krone
Mächtig aufwärts strebt zum Licht,
Darf nur eine Rose blühen,
Denn ein Veilchen sieht man nicht.
Schönre Frauen wirst du sehen,
Deren Herzen kühner schlagen
Wenn das blut'ge Eisen blinkt,
Welche deine Kraft verstehen,
Nicht wie ich, nach Blumen fragen,
Wenn der Kranz des Sieges winkt.
Fürchterlich ist das Verletzen
Eines Schwurs, drum schwöre nicht;
Geh', wo Schönheit dich erwartet
Und der Ruhm dir Krone flicht.
Geh', durch keinen Schwur gebunden,
Und bist dann du treu geblieben,
Dann bin ich auf ewig dein.
Doch entführten dir die Stunden
Meinen Namen und mein Lieben - -
Wohl! - so magst du glücklich sein.
Sterben werd' ich, aber hassen
Kann ich dich, auch treulos, nicht,
Für dein Leben werd' ich beten
Bis mein Herz im Tode bricht.'
Stumm und heftig preßt der Ritter
An die Brust die süße Holde,
Stürmt dann fort in dunkler Nacht.
Bald durch grüner Bäume Gitter
Zeigt sich ihm im Abendgolde
Granada in stolzer Pracht.
Und er eilt zur Burg des Königs
Und der Fürst grüßt ihn mit Huld:
"Längst schon wünscht' ich zu bezahlen
Granadas und meine Schuld.
Mit dem Herrlichsten auf Erden
Will ich lohnen deine Thaten,
Mit der Liebe schönstem Glück;
Meine Schwester soll dir werden,
Welche aus Marokkos Staaten
Erst vor kurzem kam zurück."
Und er rufet: "Zoraide!"
Und umwallt von Kerzenschein,
Tritt, mit majestät'schen Schritten,
Stolz die schöne Fürstin ein.
Ein Gewand von blauer Seide
Wogt in tausend reichen Falten
Um die herrliche Gestalt.
Und von funkelndem Geschmeide
Wird der Schleier festgehalten,
Welcher schneeig niederwallt.
Volle Locken schatten glänzend
Um das blendende Gesicht,
Aus dem königlich das große,
Dunkelbraue Auge spricht.
Wie von Zaubermacht umfangen,
Stehet Adhel starrend, schweigend,
Als er diesen Reiz erschaut,
Und mit hocherglühten Wangen
Sanft sich ihm entgegenneigend,
Flüstert sie mit leisem Laut:
"Sei willkommen Zoraiden,
Edler, junger Mohrenheld!"
Und im Klange dieser Stimme
Schwindet ihm die ganze Welt.
Schnell vor seinem Blick versunken
Ist das Bild der ersten Liebe,
Und er sieht und hört nur sie.
Selbstvergessen, wonnetrunken,
Folgend dem allmächt'gen Triebe,
Beugt der stolze Held das Kniee:
"Jetzt versteh' ich erst der Liebe
Tiefe, nie gekannte Macht;
Nimm dahin das neue Leben,
Das an deinem Strahl erwacht."
Und sie beugt sich zu ihm nieder,
Mit dem süßen Wort: "auf immer!"
Reicht sie ihm die schöne Hand,
Und beim Schall der Jubellieder
Mit des dritten Tages Schimmer,
Einet sie ein ew'ges Band.
"Adhel Heil! - schallts tausendfältig -
Den der schönste Lorbeer kränzt;
Heil der hohen Fürstin! welche
Herrlich wie die Sonne glänzt."
Und Alima hört die Kunde
Still und stumm mit tiefem Bangen,
Preßt die Hände auf die Brust,
Und es tönt vom bleichen Munde:
"Als er fort von mir gegangen,
Hab' ich das ja schon gewußt!
Weine nicht, du gute Mutter,
Zürne über Adhel nicht,
Ach, es ist nicht sein Verschulden,
Daß so früh mein Leben bricht.
Konnt' ich zu des Ruhmes Höhen
Folgen seinem Adlerfluge,
Fühlen das, was ihn durchglüht?
Kann der Kraft er widerstehen,
Die ihn mit allmächt'gem Zuge
Zu der gleichen Größe zieht?
Darum will ich freudig dulden,
Innig flehen für sein Glück.
Ihm des Herzens Liebe weihen,
Bis zum letzten Augenblick."
Und zu ihrer Lieblingsstelle,
Wo im weiten Kreis die schlanken,
Dunkeln Myrthenbäume steh'n,
Und in sanftgebroch'ner Helle
Mannigfache Blumen schwanken,
Sieht die Mutter sie jetzt geh'n.
Und sie schauet auf ein Veilchen,
Das zu ihren Füßen sprießt,
Und ein wehmuthsvolles Lächeln
Um die blassen Lippen fließt.
"Holdes Veilchen! - spricht sie innig -
Meine süße Lieblingsblume,
Blühest hier so zart und schlicht.
Ach! auch ich blüht' still und sinnig
In der Kindheit Heiligthume,
Kannte noch die Stürme nicht.
Freundlich träumt' ich mir das Leben
Wie ein blühendes Gefild;
Du, in deiner heitern Stille,
Warst mir stets mein eignes Bild.
Doch von all' dem süßen Hoffen
Ist mir nichts zurückgeblieben
Als ein bittersüßer Schmerz;
Denn vom rauhen Sturm getroffen,
Sank dahin mein zartes Lieben
Und gebrochen ist mein Herz.
Nicht mehr bist du jetzt mein Sinnbild,
Denn du blühst im Farbenschein,
Dann erst glichest du mir wieder,
Glänztest du wie Schnee so rein."
Schatten kommen angezogen
Und es wogen im Gefilde
Ros'ge Nebel auf und ab.
Und auf lauen Dämmerwogen
Senkt sich mit des Abends Milde
Die Erinnerung herab;
Träufelt ihren linden Balsam
In Alimas wundes Herz,
Und in heißen Wehmuthsthränen
Löset sich der starre Schmerz.
Und umspielt von Purpurwellen,
Grüßt bei frischer Lüfte Kosen
Wiederum der Tag die Flur,
Aber seine Strahlen hellen
Lilien statt warmer Rosen
Auf Alimas Wangen nur.
Und ihr mattgeweintes Auge,
Schimmernd durch der Zähren Thau,
Sucht im dunkeln Moose ihres
Lieben Veilchens feuchtes Blau.
Und noch steht's zu ihren Füßen,
Doch entschwunden ist die Bläue
Und es glänzt wie Schnee so rein.
Und sie kniet, um es zu küssen,
Flüsternd leise: "Jetzt auf's Neue
Sollst du auch mein Sinnbild sein.
Meine heißen Thränen haben
Dich so todtenweiß geküßt,
Bist mir lieber worden, seit auch
Du, gleich mir, erblichen bist."
Und zur Mutter, welche weinend
Nahet, wendet sie sich freundlich:
"Gute Mutter! wenn der Tod,
Mir mit Friedensgruß erscheinend,
Alles löset, was mir feindlich
Hier das rauhe Leben bot,
Möcht' ich ruh'n an dieser Stelle,
Unter meiner Myrthen Grün,
Und es soll an meinem Grabe
Dieses weiße Veilchen blüh'n."
Und mit hellverklärten Blicken
Schaut der Sonne sie entgegen:
"Bald werd' ich hinüberzieh'n!
Alles möge ihn beglücken;
Meines Herzens letzes Regen
Sei noch ein Gebet für ihn."
In der Mutter treue Arme
Sinkt sie zu der letzten Ruh'!
Seufzt noch einmal leise "Adhel!"
Und schließt dann die Augen zu.
Tief, in ungestörter Stille,
Schläft Alima, wo die schlanken,
Myrthen stehen, immergrün,
Und verstreut in reicher Fülle
Schimmernd zwischen Epheuranken,
Ringsum weiße Veilchen blüh'n.
Blaues Veilchen deutet Hoffnung
In dem frühlingsgrünen Hain,
Doch an stilles Dulden mahnet
Uns des weißen Veilchens Schein.
Gedicht aus:
Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart
ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 15-17)
_____
Ein
traurig Mädchen
Wenn der Wind geht,
Wenn das Laub weht,
Wenn der Thau steht
Auf dem Grase,
Wein' ich laut.
Wenn es Nacht wird,
Wenn mein Fuß irrt,
Wenn mir bang' wird,
Wen ich rufe,
Weiß ich wohl.
Mußt du fern sein,
Lieber Stern mein?
Möchte gern sein
Krank und trostlos,
Nur bei dir.
Aus: Deutschlands
Dichterinnen
von H[ermann] Kletke
Zweite vermehrte Auflage
Berlin o.J. [1882] (S. 276)
_____
Sehnsucht des
Mädchens
Die Wolken treibt vorbei der rauhe Wind,
Mein Athem macht die Fensterscheiben blind,
Und meine Augen, wie sie müde sind!
Weit über braunes Feld und grüne Saat
Späh' ich hinüber, ob ein Reiter naht -
Er kommt nicht und ich weiß mir keinen Rath.
Wie soll mir nun die lange Nacht vergehn,
Bis ich kann wiederum am Fenster stehn,
Und auf den Weg, den ewig öden, sehn!
Ach, beten, beten will ich still für dich,
Dann in die Träume leise weinen mich,
Bis meine Augen wieder öffnen sich.
Aus: Deutschlands
Dichterinnen
von H[ermann] Kletke
Zweite vermehrte Auflage
Berlin o.J. [1882] (S. 276-277)
_____
Unterweisung
Liebster, ich will nicht sprechen,
Was du nicht hören willst -
Ich will nicht singen, nicht scherzen,
Nicht lächeln, wenn du's nicht willst.
In deine Liebe schließe
Dein armes Vöglein ein -
Da soll mein flatternd Leben
In Gold gefangen sein.
Ich bin dein einzig eigen -
Umgieb mich, wie die Luft,
Daß du allein nur trinkest
Von meiner Seele Duft.
Aus: Deutschlands
Dichterinnen
von H[ermann] Kletke
Zweite vermehrte Auflage
Berlin o.J. [1882] (S. 277)
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Der
Liebe Preis
Das ist der Preis, den zahlen
Du für die Liebe mußt,
Daß oft so bange Qualen
Beklemmen deine Brust.
Daß du nicht hast zu rasten,
Daß keine Luft dir kühl,
Und daß die Stunden lasten
Auf dir gewitterschwül.
Und daß du dich mußt mühen,
Zu reden und zu sehn,
Und daß du schon im Frühen
Dich sehnst nach Untergehn.
Ich hab' es wohl erfahren,
Ich bin davon so bleich -
Schon viele Tage waren
An Grauen Nächten gleich.
Und lebe jetzt noch immer
In einer schweren Zeit,
Und dennoch geb' ich nimmer
Die Liebe und das Leid.
Will nicht vom Leid mich scheiden,
Das aus der Liebe ist,
Will lieben und will leiden,
Bis es am Ende ist.
Aus: Deutschlands
Dichterinnen
von H[ermann] Kletke
Zweite vermehrte Auflage
Berlin o.J. [1882] (S. 278-279)
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Thränen im Glücke
Du mußt dich nicht bekümmern,
Wenn einmal auch geschwind
Beschattet meine Stirn ist,
Die Augen voll Thränen sind.
Am hellsten Sonnentage,
Schwebt da ein Wölkchen nicht
Manchmal zwischen die Gegend
Und das gewaltige Licht?
Auf Augenblicke ruht dann
Alles in Schatten gehüllt,
Und doch ist's von des Lichtes
Herrlicher Macht erfüllt.
Also kann in der Liebe
Leben athmen die Frau,
Und dennoch an ihren Wimpern
Zittern der Thräne Thau.
Aus: Deutschlands
Dichterinnen
von H[ermann] Kletke
Zweite vermehrte Auflage
Berlin o.J. [1882] (S. 279-280)
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Weil ich nicht vergessen kann
Wenn ein Blick sich von uns wendet,
Welcher einst von Liebe sprach,
Und der süße Traum geendet,
Und der Hoffnung Anker brach,
Alle Blüthen sich entfärben -
Ach, was bleibt dem Armen dann,
Als vergessen, oder sterben,
Wenn er nicht vergessen kann.
Du auch hast mir einst gesendet
Deiner Blicke süßen Glanz,
Und dich von mir dann gewendet,
Und zerrissen meinen Kranz,
Hold gelockt mich in's Verderben,
Treulos mich verlassen dann,
Und ich sehne mich zu sterben,
Weil ich nicht vergessen kann.
Was dein Mitleid mir auch spendet,
Was dein Blick mir auch verspricht -
Zwischen uns ist's nun geendet,
Deine Freundschaft will ich nicht -
Eins nur wollt' ich mir erwerben,
Doch ich konnt' es nicht - wohlan,
Laß es sein denn und mich sterben,
Da ich nicht vergessen kann.
Aus: Deutschlands
Dichterinnen
von H[ermann] Kletke
Zweite vermehrte Auflage
Berlin o.J. [1882] (S. 281-282)
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Der schwarze Ring
Ich bin fern von meinem Hause,
Ich bin fern von meinem Land,
Ich bin einsam und verlassen,
Ungeliebt und unbekannt.
Aus den Stunden unsers Glückes
Blieb mir nur ein einzig Pfand:
Dieser Zeuge meiner Freuden
Ist der Ring an meiner Hand.
Fremde öffnen mir die Pforten,
Fremde schenken mir den Wein,
Wenn ich traure, trauert Niemand,
Wenn ich weine, ist's allein.
Einen Freund nur hab' ich mit mir,
Einen Freund aus unserm Land:
Dieser Zeuge meiner Thränen
Ist der Ring an meiner Hand.
Ich bin krank und werde sterben,
Aber dich vergess' ich nicht,
Bis die müden Augen brechen,
Bist du meiner Seele Licht.
Deine letzte Gabe nehm' ich
Mit mir in das Bett von Sand:
Denn der Zeuge unsers Liebens
Ist der Ring an meiner Hand.
Aus: Deutschlands
Dichterinnen
von H[ermann] Kletke
Zweite vermehrte Auflage
Berlin o.J. [1882] (S. 282-283)
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Die Nordbraut im Süden
Südliche Nacht, du küssest mich heiß,
Schwimmende Luft, du schmeichelst mir leis',
Köstliche Sterne im ruhigen Meer,
Nordbraut zieht fort - das Scheiden ist schwer!
Aber so schön, o Süden, du bist,
Drüben im Norden der Liebste doch ist.
Fahret denn wohl, durchleuchtete See'n,
Berge voll Glanz, Paläste der Fee'n,
Früchte von Golde und Rosen voll Glühn -
Nordbraut schaut bald nur einfaches Grün.
Aber so schön, o Süden, du bist,
Drüben im Norden der Liebste doch ist.
Aus: Deutschlands
Dichterinnen
von H[ermann] Kletke
Zweite vermehrte Auflage
Berlin o.J. [1882] (S. 283-284)
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Die stille Rose
Wenn auf der Erde Schweigen,
Am Himmel Sternenschein,
Dann will ich an Deinem Herzen
Deine stille Rose sein.
Mein Innigstes, mein Stummstes,
Ich geb' es Dir im KUß -
Es weiß es meine Seele,
Daß Dir sie duften muß.
Ich will nicht weiter fragen:
Was ist und was kann sein?
Ich will an Deinem Herzen
Deine stille Rose sein.
aus: Deutsche Lyriker
seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage
Leipzig 1887 (S. 147)
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Die Liebe
Die Liebe war mir wie die Fremde
Und schien mir alles wunderbar -
Jetzt bin daheim ich in der Liebe,
Und alles ward mir lieblich klar.
Ein tiefes Wunder ist das Leben,
Auf dessen Grund kein Auge schaut:
Doch weil Alltäglichkeit wir's nennen,
Bedünkt's uns einfach und vertraut.
So kommst auch du, o heil'ge Liebe,
Aus deinen Himmeln schlicht herab
Und trinkst mit uns aus unserm Becher
Und brichst von unserm Brote ab.
Und also kommt es, daß ein Mädchen
Ganz deiner Göttlichkeit vergißt
Und daß dein Blick voll Ewigkeiten
Ihm der von einer Schwester ist.
aus: Deutsche Lyriker
seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage
Leipzig 1887 (S. 148-149)
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Thränen im Glücke
Du mußt Dich nicht bekümmern,
Wenn einmal auch geschwind
Beschattet meine Stirn ist,
Die Augen voll Thränen sind.
Am hellsten Sonnentage,
Schwebt da ein Wölkchen nicht
Manchmal zwischen die Gegend
Und das gewaltige Licht?
Auf Augenblicke ruht dann
Alles in Schatten gehüllt
Und doch ist's von des Lichtes
Herrlicher Macht erfüllt.
Also kann in der Liebe
Leben atmen die Frau
Und dennoch an ihren Wimpern
Zittern der Thräne Tau.
aus: Deutsche Lyriker
seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage
Leipzig 1887 (S. 149)
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Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ida_von_Reinsberg-Düringsfeld
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