Johann Peter Eckermann (1792-1854) - Liebesgedichte




Johann Peter Eckermann
(1792-1854)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 






Liebes-Gedichte
Erste Epoche


Der Liebe Element

Holde Liebe scheut das Licht;
Das Verbot'ne gleichermaßen.
Wie wohl die zusammen passen?
Sind sie doch Verwandte nicht!

Wenn zur Winterabendzeit
Im Kamin die Kohlen funkeln,
Flüstert gerne sie im Dunkeln,
Wünschet Licht und Lampe weit.

Und am hellen Sommertag
Sucht sie sich geheime Lauben,
Neid'schem Lichte so zu rauben
Was man nicht entdecken mag.

Ob dabey Verbot'nes auch,
Daß sie so das Helle fliehet,
Gern ins traute Dunkel ziehet,
Oder ob's nur so der Brauch?

Holde Liebe scheut das Licht;
Das Verbot'ne gleichermaßen.
Wie wohl die zusammen passen?
Fragt danach die Liebe nicht. -
(S. 3-4)
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Wahl

Seit ich liebe
Muß ich leiden.
Eh ich liebte
Hatt' ich tausend Freuden,
Hatte Ruh!
O du mein altes Glück,
Komm, ach komm zurück!

Und doch lass' ich
Alle Freuden,
Mag am süßen
Leid mich lieber weiden,
Immer zu!
Was sollt' alle das Glück!
Alle die Ruh! -
(S. 5)
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Heimliches Leid

"Du leidest an Liebesschmerzen,
Und bleibest doch roth und schön?
Stände  so es in meinem Herzen,
Ich könnte so nicht bestehn."

Mein Leiden im tiefen Herzen
Ist wohl mir nicht anzusehn;
Allein doch duld' ich Schmerzen,
Ach, um wohl dran zu vergehn!

Wie des Vulkanes Schmerzen,
Der außen doch grün und schön,
So leid' ich verborgen im Herzen,
Daß mir es nicht anzusehn.
(S. 6)
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Geständniß

Blicktest du ins Herze mir,
Wenn ich dir vorübergehe,
Hin und her zur Seite sehe,
Gleich als früg' ich nicht nach dir.
Blicktest du ins Herze mir!

Blicktest du ins Herze mir,
Wenn ich schüchtern bei dir stehe,
Hin und her und nieder sehe,
Und so wenig auf zu dir.
Blicktest du ins Herze mir!

Blicktest du ins Herze mir,
Wenn ich dich, Geliebte, meyne,
Und mit Andern freundlich scheine,
Es so wenig bin mit dir.
Blicktest du ins Herze mir!

Blicktest du ins Herze mir,
Wenn ich still, bey Mondenscheine,
Wandle weit von dir alleine,
Und so ganz doch bin bey dir!
Blicktest du ins Herze mir! -
(S. 7-8)
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Getäuschtes Erwarten

Wenn von Sonnengluth, zur Zeit der Dürre,
Alles leidet, welk die Fluren stehen,
Da den Landmann, Abends, vor der Thüre
Sieht man aus nach Regenwolken spähen.
Wenn er's westlich dann sich thürmen siehet,
Sich mit Wolken sieht den Himmel schwärzen,
O, wie da zum sorgumfangnen Herzen
Schnell die Hoffnung guter Ernte ziehet!

Aber wenn er nun am andern Morgen
Findet, daß der Himmel ihm gelogen,
Daß die Wolken wieder fortgezogen
Ohn' ein landerquickend Naß zu spenden,
O, da fassen ihn die alten Sorgen
Doppelt stärker, und der Sonne Strahlen
Scheinen nun so heiße Gluth zu senden,
Daß er selbst erliegen möcht' den Qualen!

So, wenn Sonnengluthen ihrer Wangen
Meines Lebens Blüthen welkend zehren,
Blick' ich zu ihr, glühend in Verlangen,
Ob sie nicht mir Lind'rung will gewähren.
Wenn ihr schöner Mund dann scheint zu sagen:
"Morgen! morgen will ich dich erquicken!"
O, zu welchem Vorschmack von Entzücken
Werd' ich Hoffnungsvoller da getragen!

Will ich nun am andern Tag genießen
Was sie mir verhieß mit Blick und Winken,
Und ich werde kalt zurückgewiesen,
Soll nicht Heilung ihres Mundes trinken;
Da von ihrem Winken, dem erlognen,
Zum Ersterben meine Blüthen hängen,
Und es treffen mich, den hart Betrognen,
Ihrer Sonne Gluthen zum Versengen.
(S. 9-10)
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Immer mehr

"Ich möchte sie wohl sehen,
Ach, nur ein einzig Mal!"
Da ich sie nun gesehen,
Möcht' ich sie wieder sehen
Noch viele tausend Mal.

"Ihr Händchen möcht' ich drücken,
Ach, nur ein einzig Mal!"
Da ich es nun gedrücket,
Möcht' ich es wieder drücken
Noch hunderttausend Mal.

"O könnt' ich sie doch küssen,
Ach, nur ein einzig Mal!"
Da ich sie nun geküsset,
Möcht' ich sie wieder küssen
Noch millionen Mal.
(S. 11)
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Schönstes Roth

Augenlabe, wenn der Aepfel Röthe
Dir aus grünem Laub entgegen lacht;
Augenlabe, wenn sich Blumenbeete
Zieren mit der Tulpe frischer Pracht.
Auch ein schönes Roth ist zu ersehen,
Steht des Zephyrs zarte Braut geschmückt:
Wer die Rose sieht, er muß gestehen,
Daß er schön're Röthe nicht erblickt.

Aber wenn ein süßes Roth die Wangen
Des geliebten Mädchens überfliegt,
Wenn sie, überwältigt von Verlangen,
Sich zuerst in deine Arme schmiegt,
Das ist Farbengluth des Paradieses
Jener Welt, wo Sel'ge sich ergehn. -
O, zu Zeiten nur ein Roth wie dieses,
Ewigkeit, wie wirst du da vergehn!
(S. 12)
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Höchste Süße

Hochgepriesen ist des Honigs Süße,
Köstlich labt der vollen Kirsche Saft;
Traubenkühlung, wenn ich dich genieße,
Füllt sich Geist und Herz mit neuer Kraft.
Wer von Lebensängsten will gesunden,
Spüle sie hinweg mit kühlem Wein!
Bessre Labe will noch erst erfunden,
Süßere noch erst ersonnen seyn.

Aber süßre Labe wird erfunden,
Als dir Honig, Kirsch' und Traube nennt,
Wenn die Vielgeliebte du umwunden
Und ihr holder Mund an deinem brennt.
O des überseligen Genusses,
Der sich da von Seel' in Seele gießt!
O du Wundersüß des ersten Kusses,
Wenn der Liebe heil'ger Bund sich schließt!
(S. 13)
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Die schönsten Töne

Wer bey sommernächt'gem Laubgesäusel
An dem Ufer eines Baches liegt,
Wo zur Welle schwätzendem Gekräusel
Schilfgeflüster sich melodisch fügt,
Auch die Nachtigall mit süßem Dehnen
Tiefe Seufzer diesem zugesellt,
Da der Allgewalt von solchen Tönen
Rings versinken muß die ganze Welt!

Aber säßest an so schöner Stelle
Mit der Heißgeliebten du zuerst,
Sicher bin ich, daß du Laub und Welle,
Töne und Gesäusel überhörst.
Ach, das erste Flüstern junger Liebe,
Mit der Küsse Säuseln untermengt,
Wo die Welt, die solchen Tönen bliebe!
Töne wo, von solchen unverdrängt!
(S. 14)
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Unbeschreiblich

Wenn ich einst den Drang der Lieder,
In gewählten schönen Bildern,
War bemühet, hin und wieder
Süßer Liebe Glück zu schildern,
Fand ich's leidlich wohl zu loben;
Doch ich dacht', es würde glücken
Einstens, wenn ich würd' erproben
Inn'ger Liebe süß Entzücken.

Doch da nun die Zeit gekommen
Daß ich am geliebten Munde,
Aller Erdennoth entnommen,
Inn'ger Liebe Glück erkunde;
Ist der Drang wohl nicht verschwunden
Zu beschreiben solch Entzücken,
Doch der Wahn, der mich umwunden,
Unnennbares auszudrücken.
(S. 15)
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An die Winter-Winde

Nord und Ost, ihr eis'gen Winde!
Und die ihr nordöstlich weht!
O, ich bitt' euch, leise! linde!
Wenn mein zartes Mädchen geht.
Daß ihr meine Seelenweide,
Wang' und Augen, nicht betrübt!
Daß ihr schöner Mund nicht leide,
Der so willig Küsse giebt!
(S. 16)
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An die Sommer-Winde

Süd und West, ihr linden, kühlen!
Und die ihr südwestlich weht!
Fächelt! säuselt! wenn im Schwülen
Mein geliebtes Mädchen geht.
Lüften könnt ihr, ja verschieben
Ihres Busens leichtes Tuch;
Aber müßt euch nicht verlieben,
Kühlen nur, das ist genug!
(S. 17)
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Im Thale

O, wie ward ich so ein Andrer
Durch der Liebe Zaubermacht!
Wie den einst unstäten Wandrer
Hat sie so zu Ruh gebracht!

Sonst nach ungemessnen Weiten
Trieb's mich Ungestümen aus,
Mußte wandern, wollte schreiten
Über Berg und Thal hinaus.

Aber nun, da mir seit lange
Lächelt freundlicher Geschick,
Blieb von solch heillosem Drange
Keine Spur in mir zurück.

Und mit wonnerfüllten Blicken
Geh' ich jetzt und lächle still:
O, ihr hohen Berges-Rücken,
Geh' hinüber wer da will!
(S. 18)
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Wort und That

Die ihr mehr auf Wort' als Thaten
Haltet, ihr seyd schlecht berathen;
Wir darum an unserm Orte
Sehn auf Thaten mehr als Worte.

Gestern, als ich voll Behagen
In der Liebsten Armen ruhte,
Trieb es mich, im Übermuthe,
Ob ich lieb ihr, sie zu fragen.

Und darauf die Holde, Süße,
Mein Gesicht zum Busen drückend,
Und mit Küssen mich entzückend,
Sagte: nein, daß sie nicht wisse!

Und es machte mich nicht stutzig,
Solchen Widerspruch zu hören,
Und mit Lust den Anlaß nutz' ich,
Euch vom Worte zu bekehren.

Denn, die wir auf Thaten schauen,
Kommen nicht in Noth, zu wissen,
Wem von beyden mehr zu trauen,
Worten oder holden Küssen.
(S. 19-20)
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Die Begünstigte

Von ihrer Augen Glanz ist der entzücket;
Ich lächle still: dein Lob es geht wohl hin!
Doch hätten sie dich liebend angeblicket,
Wie wär' dir darum, wie wär' dir da zu Sinn!

Ein Andrer macht von ihrem Haar ein Wesen;
Ich lächle still: dein Lob es geht wohl hin!
Doch dürstest du beglückt, wie ich, es lösen,
Wie wär' dir dann, wie wär' dir da zu Sinn!

Ein Dritter rühmt von ihrem schönen Munde;
Ich lächle still: dein Lob es geht wohl hin!
Doch hättest du von seiner Süße Kunde,
Wie wär' dir dann, wie wär' dir da zu Sinn!

Der will vom Lob des Wuchses überfließen;
Ich lächle still: dein Lob es geht wohl hin!
Doch könntest du den schönen Leib umschließen,
Wie wär' dir dann, wie wär' dir da zu Sinn!

So weiß ein Jeder nicht genug zu preisen;
Ich lächle still: eu'r Lob es geht wohl hin!
Doch würde sie, wie mir, sich euch erweisen,
Wie wär' euch dann, wie wär' euch da zu Sinn! -
(S. 21-22)
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Beherzige!

Wenn der Jäger kommt zurück vom Jagen,
Wo er nichts gesehen, nichts geschossen,
Nicht verdenk' es ihm, wenn er, verdrossen,
Wenig mag erwiedern deinen Fragen.

Fischer, der den ganzen Tag geangelt,
Wo ihm kaum ein Fischlein angebissen,
Nicht verdenk' es ihm, wenn er ermangelt
Freundlich, wie er pflegte, dich zu grüßen.

Darum du, wenn ich von der Geliebten
Komme, unbefriedigt, unbeglücket,
Kaum daß sie einmal mich angeblicket,
Habe Nachsicht du mit dem Betrübten.
(S. 23)
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Bande

Zu lange schon bin ich an diesem Ort;
Das macht mir Qual,
Das macht mir Leiden.
Und unaufhaltsam treibt mich's fort,
Zu scheiden!
Weit weg! weit weg! über Berg und Thal,
Aus diesem Leiden!
Weit weg aus dieser Qual! -

Mag träge Waldung festgewurzelt stehn,
Erwartend still vom Wechsel Weh und Wonne;
Ob Regen heut sie treff' bey Sturmeswehn,
Sie morgen sich, bey stillen Lüften, sonne;
Im engen Bett das Bächlein rinnen fort,
Genügsam mit dem Uferhalm zu kosen;
Der todte Stein, am lang gedrückten Ort,
In ew'ger Ruh, umwachsen und bemoosen.

Mir frommt es, gleich den Wolken, über Feld
Und Berg und Thal durch Länder mich zu treiben,
Bald hier, bald dort, wie's eben mir gefällt,
Nach Herzenslust, so lang' ich will, zu bleiben;
Dann wieder fort zu neuen Dingen hin,
Durch Stadt und Land in alle Welt zu schweifen;
Und so, mit stets veränderlichem Sinn,
Dieß lassen bald und Jenes bald ergreifen.

Doch ach! nun fällt mir's schwer aufs Herz zurück;
Wie konnt' ich doch so nur zu denken wagen!
Werd' ich des treuen Liebchens Scheideblick
Ertragen? -
Den matten Druck der oft gepries'nen Hand?
Das Weh im süßen, oft geküßten Munde,
Wenn sie bewegt mit leisem Scheidewort
Sich von mir wendet in der letzten Stunde?
Werd' ich da können wohl vom Ort?
Wohl ziehen über Land? -
(S. 24-25)
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Keine Trennung

An meiner Treue willst du zweifeln, Süße?
Bedenkst du auch, ob Trennung möglich ist?
O, glaube mir! und wenn ich dich verließe,
Ich wäre doch nur immer, wo du bist.

Zwey Bächen Liebende sich gleichen lassen,
Die, wenn ihr Pfad zusammen sie geführt,
Alsbald mit solcher Neigung sich erfassen,
Daß einer sich im andern ganz verliert.

Da bleibt kein Ich, kein Du, kein Unterscheiden,
Ihr Wasser liebend durcheinander spült;
Hinfort für Beyde nur ein Glück, ein Leiden,
Eins in dem Andern nur sein Daseyn fühlt.

So wallen sie, im seligen Verfließen,
In treuer Einung, lange Strecken fort,
Von Bruch zu Brüchen und von Wies' zu Wiesen,
Von Mühl' zu Mühle, so von Ort zu Ort.

Wenn die sich einst nun wieder wollten trennen,
Daß jeder flösse, einzeln, wie zuvor,
Wie würde da sich jeder finden können,
Da einer so im andern sich verlor?

Der eine würd' mit andrer Hälfte scheiden,
Die eigne ließ dem andern er zurück;
Da blieben bey einander doch die beyden,
Doch jeder halb, und wäre das ein Glück?

Da würd' in Wehmuth jeder seitwärts rinnen,
Einsam durch Wiesen, dunklen Büschen zu;
Abwärts zum andern schweifte Jedes Sinnen,
Bis sie sich wieder hätten, ohne Ruh.

So auch mit uns. - Drum Liebchen, ohne Sorgen!
Befürchte nichts für unsrer Treue Glück;
Und glaube mir: verließ' ich dich auch morgen,
Schon übermorgen käm' ich dir zurück.
(S. 26-27)
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Liebesdrang

Der Abend feyert, das Wasser rauscht,
Ich wandle im Garten allein.
Den fernen Tönen der Liebende lauscht,
Bey stillem Abendschein.

Die Fenster leuchten vom Gartensaal,
Da trank ich schäumenden Wein.
Das Brautpaar lebte beym Gläserschall,
Ich aber dachte dein!

Im Herzen braus't es so stark, so voll,
Ach, drückt' ich dich, Mädchen, ans Herz!
Ich weiß nicht wie ich mich lassen soll,
Was gleicht der Liebe Schmerz!

Es schraubt und treibet mich immerzu,
Ich wäre und träumte so gern
An deinem Busen, da hätt' ich Ruh!
Doch ach, du bist so fern!

Die Hunde bellen, das Wasser rauscht;
Wie woget, wie stürmet mein Herz!
Den Abendtönen manch Glücklicher lauscht,
Mich quält der Sehnsucht Schmerz.
(S. 28-29)
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An die Entfernte

Wenn Winters man in grünen Tannen gehet,
Vorm Nord geschützt, der über Felder wehet,
Beschienen von des Mittags warmer Sonne,
Da glaubt man sich versetzt in Frühlingswonne.
Doch säuselt erst der May im Laub der Birke,
Stehn winterlich die Nadelholz-Bezirke.

So in der Ferne von dem lieben Munde,
Der mich mit Kuß und treuem Wort erquickte,
Und im Entbehren jeder schönen Stunde,
Die mich zu Himmelsvorgefühl entzückte,
Wähn' ich bey Mädchen hier in dieser Weite
Mich oft so glücklich wie an Deiner Seite.

Doch dieser Wahn, worin mein Herz befangen,
Mein glückentwöhntes Herz, wie wird er schwinden,
Wenn dieß durch Trennung glühende Verlangen
Einst Heilung wird in Deinen Armen finden! -
Da in den Reizen, die mich hold umstricken,
Wie werd' ich da auf diese Täuschung blicken! -
(S. 30)
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Trennung

Das Mädchen frage, die im fremden Lande
Der Muttersprache theuren Laut entbehret,
In Sehnsucht nach den Ihr'gen sich verzehret,
Und hingezogen, wie durch Liebesbande,
Zu dem wird - wär's der ärmste Vagabunde -
Aus dessen Mund der Heimath Sprache klinget,
Die sie mit freudiger Begier verschlinget,
Was Trennung sey, sie giebt davon dir Kunde.

Den Jüngling frage, der von seiner süßen
Geliebten fern, verweinet halbe Nächte;
Bey Tage, träumend oft, mit Wolken, Flüssen
Und Winden spricht, ob keiner Kunde brächte;
Der halbe Meilen weit auf breiter Straßen,
Die hin zur fernen Stadt der Theuren führet,
Gedanken seiner Liebe überlassen,
Nicht wissend wie, vom Hause sich verlieret;

Der, wenn es sein Geschick ihm wollte gönnen,
Wie gern auf solcher Straße weiter eilte,
Gebirg' und Strecken, die von ihr ihn trennen,
Rasch überflöge, nie zu ruhen weilte;
Der, wenn sich Räuber, Stürme, Wasserfluthen
Verschworen, ihm die Wege zu vertreten,
Hindurch sich schlüg' und lieber möchte bluten,
Als einen Tag das Wiedersehn verspäten.

Den Jüngling frage, der so treulich liebet,
Der alles dieß und mehr dergleichen übet,
Was Trennung heißt, davon er Kunde giebet.
(S. 31-32)
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Der Liebe Leiden

Was zu allem Thun
Mir die Lust verleidet,
Was voll Unmuth mich
Hin und wieder treibet,
Ach, ich weiß es nicht!

Was in Nächten mir
Allen Schlummer scheuchet,
Was die Röthe mir
Von den Wangen bleichet,
Ach, ich weiß es nicht!

Ob es anders wär'
Könnt' ich sie noch sehen,
Ob es anders wär'
Könnt' ich bey ihr stehen,
Ach, ich weiß es nicht!

Ob die Ruhe je
Sich im Busen mehret,
Und die Röthe mir
Zu den Wangen kehret,
Ach, ich weiß es nicht!
(S. 33-34)
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Verlornes Glück

Von des Abendwindes feuchtem Flügel
Schauerlich umweht,
Stand so einsam ich auf jenem Hügel
Wo die Mühle steht.

Meine Blicke schweiften in die Ferne
Ach, so weit hinaus!
Dann zur Seite nach dem hellen Sterne
Über Liebchens Haus.

Lieber Stern, du bist mir treu geblieben,
Blickst noch immer hell;
Schönes Mädchen, dein versprochnes Lieben
Ach, entfloh so schnell!

Lieber Stern, sonst blinktest du zur Freude
Über Liebchens Haus,
Meine Blicke schweifen nun zum Leide
Ach, so weit hinaus! -
(S. 35)
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Dem Andenken der Unvergeßlichen

Nun, nach Tagen heißverworr'ner Schmerzen,
Sey dem Leben höh'rer Trost erkoren:
Ewig bleibt sie meinem Geist und Herzen,
Und so hab' ich sie auch nicht verloren.

Ganz wie sonst will ich sie täglich fragen,
Was ich unterlasse, was ich handle;
Und es wird ihr geist'ger Wink mir sagen,
Ob ich treu in ihrem Sinne wandle.

Dann in Nächten wird sie mir erscheinen,
Hold ihr Bild in meinen Traum zu weben,
Und in süßer Täuschung werd' ich meynen,
Daß auf's neu' sie mir zurückgegeben.

Doch am Morgen werd' ich sie vermissen,
Suchen werd' ich sie im Haus und Garten;
Aber, mich besinnend, werd' ich wissen,
Wo ich ihr Erscheinen zu erwarten.

Sie zu denken gießet stillen Frieden
In die abendlich durchweinten Stunden;
Und ich fühle sie, wie nicht geschieden,
Ewig treu mit meinem Geist verbunden.
(S. 36-37)
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Tröstlicher Zuruf

Wenn Liebenden, beglückt an einem Ort,
Die Tage fliehn, Eins an des Andern Seite,
Bedenken sie nicht leicht das Hier und Dort,
Gleichgültig da ist ihnen Näh' und Weite,
Beysammen glauben sie die ganze Welt,
Wenn eins das Andre nur am Herzen hält.

Nun aber schlägt die Stunde; Eins wird fort
Ach, fortgerissen von des Andern Seite! -
Da fühlen sie mit eins das Hier und Dort,
Da denken sie mit einmal Näh' und Weite.
So wie sich Arme lösen von einander,
Tritt auch die Welt in Räumen auseinander.

Da nenn' ich fast den Scheidenden beglückt,
Den neue Lust im neuen Land umfächelt;
Von andern Augen wird er angeblickt,
Von andern Lippen freundlich angelächelt;
Und so macht neues Glück ihn leicht vergessen,
Was er, mit Thränen lassend, einst besessen.

Wer aber bleibt, dem ward ein schwerer Loos:
Er sieht auf ausgestorbne Räume nur; -
Sein Glück ist hin; - die Welt ist leer und groß; -
Verödet ist ihm Zimmer und Natur! -
Die liebsten Stellen sind ihm kein Gewinn;
Es blieb der Ort, doch ach, sein Glück ist hin! -

Doch wie ein Baum im Herbst entblättert steht,
Von Regenschauern naß und kalt durchweht;
Sodann, von Schnee bedeckt, von Frost umstarrt,
Den langen Winter mit Geduld durchharrt,
Bis ihn der Lenz mit Wärme neu durchdringet
Und ihm zurück so Laub als Blüthen bringet;

So soll ein Liebender auch nicht verzagen,
Wenngleich er auch sein liebstes Glück verlor;
Er wird sich wieder sehn in schönen Tagen,
Vielleicht in schönern Tagen als zuvor;
Denn Liebe, wie der Jahreszeiten Glück,
Ist wechselnd stets und kehret stets zurück.
(S. 38-39)
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Letzter Trost

Wenn mich düstre Wetternacht umkreiset,
Wenn ich ganz verlassen und verwaiset
Wandre meinen öden Pilgerpfad,
Wenn ich trostlos irrend geh' und bange
Und von meiner kummerblassen Wange
Manche heiße Thräne rollt herab;

Wenn ich Alles auf der Welt verloren,
Wenn das Schicksal mich zum Spiel erkoren,
Jedes Glück mir schnöd' den Rücken zeigt;
Wenn mich nichts mehr fesselt auf der Erde,
Und ermüdet von des Tags Beschwerde
Sich der Abend meiner Tage neigt;

Dann erfüllt ein mächtig heißes Sehnen
Meinen Busen, und, im Auge Thränen,
Blick' ich bange fragend himmelauf;
Harre staunend und vertieft im Schauen, -
Mich umfängt ein wunderheilig Grauen
Und es dämmert mir ein Lichtstrahl auf:

Und es hebet mich ein großer Glaube
Aus des Pilgerlebens Erdenstaube
Hoch empor zum ew'gen Sternenzelt,
Und es winkt vom lichten Himmelsbogen
Freundlich mir, - ich fühl' mich hingezogen,
Mächtig hin zu einer bessern Welt.
(S. 40-41)
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Liebes-Gedichte
Zweyte Epoche


Interregnum

Den alten Herrscher hat man hingetragen,
Dem neu'n, dem fernen, ward noch nicht gehuldigt;
Man lebt in ungewissen Trauertagen,
Und ungeduldig man sich schlecht geduldigt.
Es stockt und starrt das ganze Staatsgetriebe,
Fast keinem ist es wohl in seinem Haus,
So schwankend in der Ungewißheit Joche.
Da wählte doch mein Stern mir Schön'res aus!
Was Allen fehlt: mein Leben hat Epoche! -
Das Interregnum füll' ich aus mit Liebe. -
(S. 103)
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Erster Besuch

In deinem Zimmer hast du mich gelitten?
Wie reizend war, wie traulich der Besuch! -
Ich bin zu alt um Liebe dich zu bitten,
Doch dich zu lieben bin ich jung genug.
(S. 104)
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Selbstentäußerung

Nach Weisheit ging bisher mein eifrig Streben,
Und nicht unwillig zog sie bey mir ein.
Doch aller Weisheit könnt' ich mich begeben,
Um lebenslang mit Dir ein Narr zu seyn.
(S. 104)
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Liebe als Ausgleichung

Mir fehlet viel - durch Rang und Gold zu siegen;
Die Jugend - Deiner Jugend zu genügen;
Der Geist - und wär' ein wenig auch vorhanden,
Vor Deinem Geiste läg' er doch in Banden.
Auch nicht mit Schönheit wäre Dir zu zahlen,
Die überstrahlt der hellsten Sterne Strahlen.
Doch wenn, mit Dir vergleichbar, nichts auch bliebe,
Gleich hätt' ich alles - durch ein wenig Liebe.
(S. 105)
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Nach Voltaire

Mit soviel Schönheit, soviel Reiz geschmücket,
Warum auch die Talente nennst du dein?
Mit Zauberkünsten, wie du uns entzücket,
Was hast du nöthig auch so schön zu seyn!
(S. 105)
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Zehnmal bin ich seit gestern ausgegangen,
Und bin dir nicht ein einzigmal begegnet;
An deinem Fenster hat mein Blick gehangen,
Durch keinen Gegenblick von dir gesegnet.
Doch ging' ich auch noch zwanzigmal vergebens
Vorüber deinem Fenster, deinem Haus,
Ich wär' entschädigt, Freude meines Lebens!
Sähst du beym einundzwanzigsten heraus.
(S. 106)
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Viel Kunst, ein groß Talent, besitz' ich nicht;
Besäß' ich es, Dir legt' ich es zu Füßen;
Doch daß es an Geschmack mir nicht gebricht,
Hab' ich noch jüngst mit Dir bewiesen.
(S. 107)
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Besäß' ich Schätze, Gold zu ganzen Haufen,
Was hülf's, da Deine Liebe nicht zu kaufen?
Arm bin ich, doch seitdem ich Dich besessen,
Hab' ich es gänzlich, daß ich's bin, vergessen.
(S. 107)
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Deine Augen

Der schönen Pallas Augen waren grau,
Zu klug, wie Byron sagt, blau oder braun zu blicken.
Maria Stuart, sie, die schönste Frau,
Verstand durch solche Augen zu berücken.
Grau blitzten Sterne von Napoleon,
Von ihrer Allgewalt weiß man zu sagen.
Daß auch die Deinen solchen Zauber tragen,
Davon empfand ich volle Wirkung schon.
(S. 108)
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Huldigung

Der neue Herrscher sitzt nun auf dem Thron,
Umgeben von des Hofes Glanz und Pracht.
In Treue kniet der Bürger, der Baron,
Und huldigt so der angestammten Macht.

Mein Weg zu einer andren Huld'gung geht;
Des Hofes Glanz will ich mich gern entziehen:
Ich huldige der Schönheit Majestät,
Und kniee dort, wo auch die Herrscher knieen.
(S. 109)
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Der Beichtiger
Nach Voltaire

Dein Beichtiger, wenn er dich erblickt,
Verliert des Geistes heil'ge Ruh.
Verrath' ihm nicht, wie sehr du mich beglückt,
Und mach' ihn nicht noch obendrein jaloux.
(S. 110)
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Befriedigung

Ein Würd'ges sucht der Geist, das er verehre,
Das Herz ein Liebes, das ihm angehöre.
In Dir vereint ist Beydes mir gefunden,
Für Geist und Herz ein Glück zu allen Stunden.
(S. 110)
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Gewalt des Blicks
Nach Voltaire

Hör' ich dich am Claviere phantasirend,
Entzückt, bewundernd bin ich da gesessen.
Erhebst du deine Stimme sanft und rührend,
Ist schnell der Finger zarte Kunst vergessen.
Du sprichst zu mir - und mein dir eignes Herz
Nicht weiß es mehr wie dein Gesang entzücke.
Doch Spiel, Gesang und Reden ist nur Scherz
Verglichen einem einz'gen deiner Blicke.
(S. 111)
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Der Pfeil

Du zielst nach Sperlingen, den offenbaren,
Der Bogen schwirrt, doch nie hast du getroffen.
Wie schwebt mein Herz in größeren Gefahren,
Verborgen zwar, doch deinen Pfeilen offen.

Stets treffend deinen Augen sie entfliegen,
Die Tages glänzen, Abends nächtlich glühen;
Stets deines schönen Munds gewissen Zügen,
Mit Widerspitzen, nicht heraus zu ziehen.

Zu zählen sie die tausend Pfeilgefahren,
Müßt' ich das Reich der Reize ganz durchwandern.
Es droht von Stahl ein Pfeil in deinen Haaren,
Ein körperlich Symbol von allen andern.
(S. 112)
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Überwunden
Nach Voltaire

Der Fürst mit allen Herrlichkeiten
Beschränkt mich nicht zu Dienst und Pflicht.
Zwey hübsche Augen wollen mehr bedeuten,
Allein auch sie vermögen's nicht.

Die Großen fürcht' ich wie die Schönen,
Und Beyde wohl mit vollem Recht:
Den Übermächten soll man fröhnen,
Und das gefällt dem Freyen schlecht.

Doch siehst du mich als Unterjochten,
Und wunderst drob dich allermeist;
Was Rang und Schönheit nicht vermochten,
That dein Charakter und dein Geist.
(S. 113)
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Portrait

Ein Mädchen, und ohne Jalousie;
Schön, und ganz ohne Coquetterie;
Scharf denkend, ohne viel zu wissen;
Gut redend, gänzlich unbeflissen;
Auf deinem Sinne stark und stät;
Als Freundin wahr und ungeheuchelt;
Das ist, Auguste, dein Portrait,
Nicht ganz getroffen, und auch nicht geschmeichelt.
(S. 114)
_____



Keine Maske!

Heut schmucker Fähnrich, an der Binde zupfend,
Landmädchen gestern, fette Gänse rupfend,
Morgen im Hofesglanz der Aschenbrödel,
Und nächsten Tags, Gott weiß! in welchem Trödel.
Stets fremde Maske, stets geschminkt Gesichte,
Dein eignes Bildniß geht mir ganz zunichte,
In jeder Maske reizend zwar und schön.

Laß mich dich wieder als Auguste sehn! -
Denn wie du auch geputzt, geschmückt, bemalt,
Dein reines Selbst doch alles überstrahlt.
(S. 115)
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Unbegreiflich

Lese Voltair' ich und ältere Poeten:
Wie sie von Schönheit, Geist und Anmuth reden,
Von liebenswürd'gem Adel der Natur,
Von Herrschaft, die von Wollen keine Spur,
Und so von tausend andern Himmelsgaben,
Die zu des Weibes Reiz ein Gott verschlungen;
So wundert's mich nicht, daß sie so gesungen,
Doch daß sie's, ohne Dich gekannt zu haben.
(S. 116)
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Die Stellen

Ein neuer Herrscher neue Stellen bringt.
Nach Hofe nun wie strömt's zu Fuß und Wagen!
Barone, Pfaffen, Schreiber, jeder ringt
So gut er kann sich etwas zu erjagen.

Der wäre gern dem Thron ein Stufchen näher,
Der für sein Leben gar zu gern Minister,
Auf Stuhl und Kanzel trachten Jene höher,
Und alle bleiben was sie sind - Philister.

Ich selber arm, ein pfründenloser Wicht,
Und doch beglückt mit meiner Noth zu scherzen.
Ja! eure reichsten Plätze neid' ich nicht,
Verbleibt mir nur ein Platz an ihrem Herzen.
(S. 117)
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Ein Gleichniß

Wenn der Soldat, ermüdet von der Schlacht,
Gleichviel ob Überwinder ob besiegt,
Auf freyem Feld, in kalter Regennacht,
In schlechtem Bivouac am Boden liegt,
Wo alle Schauder ihn des Krieges plagen,
Da weiß er von des Krieges Noth zu sagen.

In offner Luft, entfernt von Dach und Haus,
Kein Feuer brennt, der Regen löscht es aus;
Ein kalter Wind pfeift hohl durch Busch und Hecken,
Der Boden naß, naß Kleider die ihn decken;
Von Kälte schlotternd schmerzen leichte Wunden,
Der Hunger plagt den innerlich Gesunden.

Er flucht, wenn er noch Kraft zum Fluchen hat,
Und, so wie er, so flucht der Kamerad:
Sich selber, daß er je von Hause zog,
Dem Feldherrn, daß er sie hieher betrog;
So, Bonaparte, ist's oft Dir ergangen,
Und doch hat man Dir immer angehangen.

Mir geht's mit Amor so dem großen Sieger,
Der, jenem gleich, ein Gott und ein Betrüger;
Man traut ihm und beweint es oft mit Reue,
Doch glaubt man seinem Schmeichelwort aufs neue,
Und lässet zu Gewinnen und Verlieren
Von ihm sich täglich bey der Nase führen.
(S. 118-119)
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Gute Miene zu bösem Spiel

Shakspearen hör' ich auf Untreue schelten;
Goethe, Lord Byron, sind gleiche Bekenner;
Und alle drey mit Recht doch gelten
Für stattliche, für schöne Männer.

Hätt' ich ein Gleiches zu beklagen,
Mir wäre nicht zu viel geschehn,
Der keineswegs von sich kann sagen,
Daß stattlich er und daß er schön.

Doch alle finstren Liebesschauer
Verdüstern meine Verse nicht;
Trägt auch mein Antlitz flücht'ge Trauer,
Stets heiter lächle mein Gedicht.
(S. 120)
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Wunderlich, aber wahr

Dein Vater, der dich nährend aufgepflegt,
Muß deine Schönheit einem Andern gönnen;
Dein Bruder, nie im Spiel von dir zu trennen,
Muß sehn wie dich ein Andrer liebend hegt.
Und ich, aus fremdem Land, ein fremder Mann,
Verzweifle, blickst du einen Dritten an!
(S. 121)
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Empfindungen auf einem Balle

Ein Heer von Stutzern, wie sie dich umschwärmen,
Und ihre Gluth an deinen Blicken wärmen!
Ein Heer von Gecken, wie sie dich umschranzen,
Erst mit dir lachen, und nun mit dir tanzen! -
Und all die Narren nichts als Sinnestriebe!
Und ich mit reiner, tief empfundner Liebe, -
Und unbeachtet, einsam, fern zu stehn,
Und meine Schmach mit eignen Augen sehn!
Viel dulden muß der Mensch auf alle Fälle,
Doch so zu dulden ist die Qual der Hölle.
(S. 122)
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Gefühl deines Werthes

Ich hielt genügsam stets mich in der Ferne,
Bescheidnen Sinns blickt' ich zu dir hinan;
So wie man aufblickt Nachts zu schönem Sterne,
Er scheint und glänzt und wandelt seine Bahn.
(S. 123)
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Das Dachstübchen

Du wohnst erhaben in des Himmels Nähe,
Und zwar mit mehr als bloßem Schein:
Glaubt' ich doch oft bey dir in solcher Höhe
An reiner Seligkeit ein Gott zu seyn! -
(S. 123)
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Geist und Herz

Ein Haus, vom ersten Herrn mit Fleiß erbauet,
Wird treulos den Besitzer oft verändern;
Ein Gleiches sieht man, wie man um sich schauet,
An neubeherrschten Städten, Reichen, Ländern.
Gold, Diamanten, die den Hals geschmücket
Von dieser Schönen, schmücken nun die andre;
So wie denn nichts im Leben uns beglücket,
Daß es nicht treulos uns verlassend wandre.
An eignen liebsten Zähnen, schönsten Haaren
Wird's jeder, der's nicht glauben mag, erfahren.

Da denn in Welt und Leben nichts beständig,
Des eignen Leibes Schönheit treulos endet,
Was grämst du dich, daß Sie auch wetterwendig
Dich lassend, sich zu Andrem hat gewendet!
Ja könnte sie Drittem, Viertem sich ergeben,
Dann Weitre zu beglücken, die auch lassen,
Sie wäre ganz so gut wie Welt und Leben,
Und keineswegs zu schelten und zu hassen.
Nur du bist toll, dich nenn' ich einen Narren,
Der halten will, was keinem wird beharren. -

So raisonnirt der freye Geist zum Herzen,
Das zum Gefährten sich den Gram erkoren;
Doch dieß nicht wen'ger fühlet seine Schmerzen,
Entbehrt nicht wen'ger tief was es verloren.
Ihr theures Bild, so wie es ist und lebet,
Gefühl des süßen Glücks das ich besessen,
Im Wachen wie in Träumen mich umschwebet,
Und wo ich sey, ich kann es nicht vergessen! -
So lebt das Herz in ew'ger Treue Schranken,
Und läßt dem Geist die schweifenden Gedanken.
(S. 124-125)
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Glück der Erinnerung

Getrennt von dir bist du mir nicht verloren,
Wenn auch entfernt genieß' ich reines Glück.
Die schönsten Stunden, immer neu geboren,
Ruft mein lebend'ger Geist in sich zurück.

Schon sitz' ich wieder nah an deiner Seite,
Wir lesen wieder, wie wir sonst gethan.
Vereint ins Buch zu sehn ist große Freude,
Doch größre, sieht man sich einander an.

Nun kommt ein Wort, das du nicht recht verstanden,
Und ich erkläre dir's wie ich's vermag.
Du fassest leicht und schnell, so schnell verschwanden
Am Buch die Stunden, Abends wie am Tag.

Bleibt mir doch stets ein freudiges Erinnern,
Wie oft mich dein gewandter Geist entzückt! -
So gegenwärtig bleibt der Kuß dem Innern,
Dem vielgeliebten Nacken aufgedrückt.

Dich übermannt der Schlaf am späten Abend,
Getrost an meiner Seite schläfst du ein.
Wie ist mir nun dein stiller Anblick labend,
Der Züge, die auch schlafend schön und rein! -

Ein Rauschen hör' ich in dem nächsten Zimmer;
Ich flüstre deinen Namen, - schnell erwacht,
Ermuntert bist du, Leben ganz wie immer,
Und freundlich, wie du je mich angelacht.

Nun wird es spät, du wickelst deine Locken,
Ich bin dir nah und seh' beglückt dich an;
Und du erzählst, behend und ohne Stocken,
Ein Märchen mir, wie du es oft gethan.

Ist Nacht es nun und muß ich endlich gehen,
Reichst liebend du den Mantel von der Wand,
Umhüllest mich - ich laß es gern geschehen -
Und drückst mir noch zum Lebewohl die Hand.

Dann auf der Straße wieder und im Dunkeln,
Seh' ich hinauf zu deinem Licht zurück.
Und wie am Himmel ew'ge Sterne funkeln,
So trag' ich mit mir mein genoßnes Glück.
(S. 126-128)
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Der Ball

An schönem Tag, im Garten der Mühle,
Ersannest du manche Spiele.
Dein weißes Tuch, künstlich verschlungen,
War dir zum rundesten Ball gelungen;
Du warfst ihn mir zu, ich ihn zurück,
Wir waren Beyde behend im Fangen,
Wir genossen das reinste Glück.
Der Ball flog wechselnd, wie mit Verlangen,
Und immer flog er zu dir zurück.

Die Sonne schien unserm Spiele mild,
Wir trieben's heiter und ungestört.
Der Ball war meiner Neigung Bild,
Die stets zu dir zurücke kehrt.
(S. 129)
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Das Heilmittel

Hat einer sich verbrannt, wird glühend Eisen
Als gutes Mittel sich probat erweisen;
In kaltem Winter, wenn ein Mann erfroren,
Durch Schnee und Eis wird er wie neu geboren;
Das Gleiche wird mit Gleichem stets vertrieben,
So alter Liebe Schmerz durch neues Lieben.

Tief eingedenk der Wahrheit solcher Lehre,
Durchforsch' ich schon seit Monden Stadt und Städtchen,
Ob denn nicht unter so viel hundert Mädchen
Ein Einziges von solcher Schönheit wäre,
Durch sie von meinen Schmerzen zu gesunden.

Doch da sie Deinem Zauber müßte gleichen,
So wird wohl nie mein Leiden von mir weichen,
Denn so wie Du wird keine mehr gefunden.
(S. 130)
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Beruhigung

Des Tages Mittag gleichet nicht dem Morgen,
Wir pflücken nicht im Sommer Frühlingsblüthen.
Drum fasse Muth! verbanne deine Sorgen,
Genieße froh was noch die Tage bieten.
Da ist nun einmal weiter nichts zu halten!
Des Lebens Nachen eilet, ohne Gnade,
Von blühn'der Flur zu ödem Felsgestade;
Die Jugend flieht, es kommt die Zeit der Falten.
Doch das ist Menschenloos, das wir ertragen! -
Drum denke nicht des Lebens ew'ger Tücke,
Versenke dich in früh genoßnes Glücke,
Und finde Trost und Frieden im Entsagen.
Ob Jahre fliehen! Ewig bist du jung
Durch Glück und Jugend der Erinnerung.
(S. 131)
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Ermuthigender Zuruf

Liegt deine Zukunft dunkel dir versiegelt,
Gleich einem Thal von Bergen rings verriegelt,
Sey nur getrost! - Es öffnet sich dem Blick
Ein neuer Weg zu neuem Lebensglück.
(S. 132)
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Aus: Gedichte von J. P. Eckermann
Leipzig F. A. Brockhaus 1838
 

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Peter_Eckermann




 

 


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