Ludwig Eichrodt (1827-1892) - Liebesgedichte

Ludwig Eichrodt

 

Ludwig Eichrodt
(1827-1892)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 

Entscheidung

Als ich in dein Herz voll heißer Liebesfreud
Warf einmal ein Wörtlein kühler Nüchternheit,
Da zerging die Rose deiner Wangen,
Laut zu weinen hast du angefangen.

Sprangest auf und wieder sankest du zurück,
Wie Verzeihung flehend drang in mich dein Blick,
Hast dich wild an meine Brust geschwungen,
Mich geküßt, umklammert und umschlungen.

Aber ich - erbebte. Solche Schmerzenskraft
Wandelte die Liebe mir in Leidenschaft -
Auf die schönen Augen schaut ich nieder,
Auf die Fülle wonnereicher Glieder.

Nur ein Wort von mir, und heitrer Himmel bricht
Aus dem theuren Antlitz, o so lieb und licht.
Ewigen Gruß dir, wundervolle Stunde,
Ich frohlocke dir mit Herz und Munde!
(S. 188)
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Einst

An dich allein denk ich so gerne,
Zu dir flieht mein Gedanke hin!
Die süßen braunen Augensterne
Sie gehn mir nimmer aus dem Sinn.

Ich muß mit ihren Feuerblicken
Sie überall und immer sehn,
Sie kommen meinen Traum zu schmücken,
Ich seh sie Nachts am Himmel stehn.

Denk ich der Stunden jener trauten,
Da wir wie Kinder fort und fort
Uns lächelnd in die Augen schauten,
Beseligt ohne Kuß und Wort.

Da wir erquickten Geist und Sinne
An allem Trefflichen der Welt,
Da wir allmälig wurden inne,
Was uns beflügelt und beseelt. -

Und denk ich jenes Augenblickes,
Da ich den ersten Kuß gewagt,
Und denk ich des verrauschten Glückes,
Da du mir keinen Kuß versagt -

Und denk ich, wie die Monden flossen,
Wo dann wir, Brust an Brust gepreßt,
Uns in die Arme liebend schlossen,
So innig lang, so heiß, so fest -

Ach! Wenn ich jener Zeit gedenke,
Die wie ein goldner Traum verblich,
Und in den alten Traum mich senke,
So weiß ich nur: ich liebte dich!
(S. 60-61)
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Gefaßt

Der ersten Liebe Feiertage
Unsterblich, maienvolle Zeit,
So lebt ihr noch in meiner Klage,
Seit ihr so schnell entschwunden seid?

Ein Schicksal hat mich fortgetrieben,
Ich ging, ich weinte bitterlich,
Verlernen sollt ich dich zu lieben,
Und ach! vergessen sollt ich dich.

Vergessen nicht, nein, nicht vergessen!
Da ich dich nur verlassen mußt;
Wohl konnt es mir die Wange nässen,
Doch nicht besiegen diese Brust.

Und durft ich keine Hütten bauen,
Drein Gottes Segen strahlend bricht,
So blieb mir manch ein kühn Vertrauen
Und manche stolze Zuversicht!
(S. 175-176)
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Pfingsten

Der kühle Morgen ist erwacht,
Die Sonne kämpft die Nebenschlacht,
Und siegend als ein freudger Held
Tritt sie ins alte Himmelszelt.

Vor Liebchens Fenster steh ich schon,
Sie ist wohlauf und kennt den Ton,
Ich singe, was ihr klinget süß -
Da hast du tausend Morgengrüß!

Wir wollen über die Berge gehn,
Wir wollen zusammen den Frühling sehn!
Horch, wie es froh vom Hügel schallt,
Es weht so frisch vom dunklen Wald.

Wohl ist er warm, dein würzger Mund,
O komm herab, ich küß ihn wund!
Hier unten ist so kühl und kalt,
Es weht so frisch vom dunklen Wald.

Du schaust umher so klar und schön -
Wie dir die Locken zu Antlitz stehn!
Du Augentrost, du Rosenblut,
Du treue Seele so lieb so gut!

Jetzt fliegest du mir in den Arm,
O Mädchen, du bist so süß und warm!
Und küßt die Sonne mit jedem Strahl,
O laß dich küssen millionenmal!

O blicke mich an, so innig froh,
Und küsse mich wieder, und wieder so!
O sage, was ist die schöne Welt,
Wenn sie nicht Liebe zusammenhält.
(S. 16-17)
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Liebekrank

Die Berge stehn in Waldespracht
Die Wiesen leuchten grün,
Die Sonn am blausten Himmel lacht,
Mir wird das Herz so kühn.

Es ist der Frühling auf der Flur,
Es ist die Freude da,
Die Menschenbrust und die Natur
Sie fühlen sich so nah.

Und aus dem wunderschönen Bund
Entspringen möcht das Glück,
Blieb in dem tiefen Herzensgrund
Die Liebe nicht zurück.

Die Liebe hat nur Eifersucht,
Sie hat nur ewge Pein.
Sie ist es, die am Ende flucht
Dem guten Sonnenschein.
(S. 29-30)
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In der Früh

Die Sonn ist aufgegangen,
Ich steh im Thau der Flur,
Die Glockenblumen prangen
Und schillern im Azur.

Die süßen Strahlen scheuchten
Die lange schwarze Nacht,
Und Wald und Wiesen leuchten
Wie funkelnder Smaragd.

Die Frühlingsnelken blühen
Wie glühender Rubin
Wie Diamanten sprühen
Die Tropfen im Jasmin.

Und von den Wasserfällen
Die Perle glänzend rollt,
Es blitzet aus den Quellen
Wie Silber und wie Gold.

O Liebste, wie beschenk ich
Mit all dem Schmuck dich gleich?
Durch dieses Liedchen denk ich
Mach ich mein Liebchen reich!
(S. 42)
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Liebeslied

Es ist so gut und leicht gesagt,
Ich liebe, liebe dich,
Man hat so schnell sich eingeliebt,
So ganz herzinniglich.
Man fällt sich um den Hals und küßt,
Bis man vor Liebe trunken ist;
Und kann sein Glück nicht fassen,
Und will sein Glück nicht lassen.

Und wenn man einmal Abschied nimmt,
Ist man zum Tod betrübt;
Da fühlt man erst, da weiß man erst,
Wie sehr man sich geliebt.
Man küßt sich fort und bleibt allein,
Man weint sich aus und schickt sich drein,
Und träumet unterdessen,
Und kann sich nicht vergessen.

Und süß ist auch, wenn aus der Fern
Die Grüße kommen, gehn -
Was aber drum am schönsten bleibt,
Das ist das Wiedersehn.
Da wird man stumm vor Schreck und Freud,
Und möcht in alle Ewigkeit
Sich aneinander weiden,
Und nun und nimmer scheiden.
(S. 7-8)
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Liebe

Geliebt zu sein, du schöne Kunde,
Schön wie die Hand, die das Geständniß schrieb!
Nur schöner ist, wenn vom beseelten Munde
Entschwebet erst die süße, frohste Kunde -
Mit stummen Zeichen nehm ich nicht vorlieb.

Die Freundschaft ist in wirren Tagen
Ein heilig Gut und will der Priester viel;
Laut ist ihr Ruf, ihr stolzes Banner tragen
Die Besten hoch in unsern wirren Tagen -
Arbeit vereint und Kämpfer schafft das Ziel.

Doch kaum ist uns der Freund verbunden,
Ist auch der Trennung sichre Stunde da,
Die Liebe nur kennt nicht so bittre Stunden,
Es bleibt das Weib, das ewig uns verbunden,
Die Liebe dauert aus, die Lieb ist nah.

Geliebt zu sein vom schönen Weibe,
Ist mehr als Glück, ist volle Seligkeit.
Auf daß sie rein, und stets erfüllet bleibe,
Gab hin Natur die Gegenwart dem Weibe
Und ließ uns Zukunft und Vergangenheit.
(S. 184-185)
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Zu Dir

Ich habe keine Ruhe mehr,
Es treibt mich hin zu dir,
O daß ich Liebste bei dir wär,
O daß du wärst bei mir!

Nun hab ich lange ausgeharrt
In widrigem Geschick,
Und länger bleib und länger wart
Ich keinen Augenblick.

Ich komme schneller als der Wind,
Rastloser Qual bewußt,
Und bis ich wieder Ruhe find,
Lieg ich an deiner Brust.
(S. 46)
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Beglaubigung

Ich liebe dich, das weißt du;
Ob du mich wieder liebst?
Mit klopfendem Herzen las ichs
Im Briefe, den du schriebst.

Doch erst wenn in die Arme
Ich bald dich schließen kann,
Dich küssen und dich herzen,
Hab ich den Glauben dran.
(S. 31)
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Holde Nacht

Ich weiß in grünem Garten
Den allerschönsten Ort,
Die stillen Sterne warten
Auf liebende Herzen dort.

Es spielen durch die Lauben
Die Lichter des Mondenscheins,
Es flüstern durch die Trauben
Die Geister süßen Weins.

Es wispern leis und linde
Die Abendwinde, die laun,
Und durch die schlanken Gewinde
Verliebte Blumen schaun.

Vom Hügel rauschet nieder
Der dunkle Kastanienwald,
Du hörset Schlummerlieder
Voll zaubrischer Gewalt.

Die Sterne des Himmels erwarten
Zwei liebende Herzen dort,
Ich weiß in grünem Garten
Den allerschönsten Ort.
(S. 12)
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Zur Laute

Laß uns plaudern, liebes Schätzchen,
Sitz an meiner Seite nieder!
Hier an dem gewohnten Plätzchen,
In der trauten Dämmrung wieder.

Laß dir aus dem lieben süßen
Angesicht die Locken streichen,
Lasse dir die Wange küssen
Und den schönen Mund desgleichen.

Wenn ich jemals dich betrübte,
So verzeihe mir du Gute,
Unbedachtsam ja, Geliebte,
Spricht man oft mit jungem Blute.

Schau mich an, laß dich umarmen,
An die Brust voll Inbrunst pressen,
An dem treuen lebenswarmen
Busen alle Qual vergessen!

Lächelnd schläft der Geist der Wonne
In der Wange süßen Grübchen,
Süßres unter dieser Sonne
Gibt es nicht als süß ein Liebchen.

Schönres als die heilge Treue,
Holdes Hoffen, lustge Thränen,
Kühnes Fodern, zarte Scheue,
Und ein unergründlich Sehnen.
(S. 18-19)
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Alte Geschichte

»Lieben, wies nicht Andre können,
Will ich dich, mein Kind,
Wenns die Götter nur vergönnen,
Und nicht neidisch sind.«

Sprach zu Hero einst Leander,
Als er sie gesehn,
»Lieben wollen wir einander,
Bis wir untergehn!«

Zwischen hohem Felsenufer
Rauscht das wilde Meer,
Worte tauschen helle Rufer
Nimmer hin und her.

Doch hinüber schwamm Leander,
Wenn die Sonne sank,
Und die Heißgeliebte fand er
Drüben liebekrank.

Und das Mädchen flog vom Thurme,
Wo sie lauschend stand,
Niedersah zum Wellensturme,
Nieder auf den Strand.

War genesen von dem Harme,
Als er kam gesund,
Preßt den Jüngling in die Arme,
Küßte wild den Mund.

Wie so graus die Wasser toben!
Mein Leander da?
Sei gepriesen, laß dich loben,
Amathusia!

»Dir am Busen, dir am treuen,
Heißen laß mich ruhn,
Seine Schlummerkörner streuen
Lasse Morpheus nun!« -

Wieder wachen auf die Sorgen,
Denn es bleicht der Mond;
Und es zittert schon der Morgen
Ueberm Hellespont.

Lebe wohl, du mußt hinüber -
Doch die andre Nacht
Kommst du wieder o mein Lieber?
Deine Hero wacht!

»Komme wieder, meine Süße,
Sollst mich morgen sehn!
Mich behüten deine Küsse
Vor dem Untergehn.«

Und die Meereswogen schlagen
Zischend um ihn her -
Das Lebendige zu tragen
Weigert sich das Meer.

Drunten auf dem Felsenbette
Lacht der falsche Gott,
Seine Weiber um die Wette
Ueben sich im Spott.

In der Jünglingsbrust zusammen
Bricht der kecke Sinn;
Die erstarrten Glieder schwammen
Willenlos dahin.

Stille wars - die Winde ruhten;
Ungerührt und groß,
Ueber spiegelglatten Fluthen
Glänzte Helios.

Habt ihr, jammert eine Mutter,
Hero nicht gesehn?
Jammernd sah man eine Mutter
An dem Meere stehn.
(S. 275-277)
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Gefesselt

Liebesglück und Liebesschmerz -
Die Minute macht zum Sklaven,
O des Gottes Pfeile trafen
Mein gestählt gewappnet Herz.

Trage Ketten, golden süß,
Aber immer sind es Ketten,
Goldne Ketten, süße Ketten,
Aber Ketten sinds gewiß.

In des Lebens Blüthenzeit
Tief verletzt und schwer gebunden,
Und in Fesseln und in Wunden
Dennoch diese Seligkeit?
(S. 27-28)
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Ständchen

Lieb um Liebe tauscht ich gern,
Wäre Lieb entglommen;
Aber Liebe steht so fern,
Liebe will nicht kommen.
Liebe, Liebe nur von dir,
Liebste, wäre Liebe mir!

Kannst du so zufrieden sein,
Immer ohne Sorgen,
Wie der Himmel, still und rein,
Früh am Frühlingsmorgen,
Kennst du nicht des Mittags Mühn,
Nicht das süße Abendglühn?

Lerne Liebe, Lust und Leid
Heißer Liebe lerne!
Endlich auch im Feierkleid
Zeige dich der Sterne!
Träume selig, schmücke dich,
Aber liebst du, liebe mich!
(S. 74)
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An dich

Mit der Kraft von tausend Herzen
Liebst du mich, ich weiß es wohl,
Darum auch von tausend Schmerzen
Stehet deine Seele voll.

Ist auf Erden Alles möglich,
Macht dir Eines doch nicht bang,
Nur das Eine ist unmöglich,
Unsrer Liebe Untergang!
(S. 77)
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Nec bene cum nec sine illis

"Mit ihnen ist zu leben nicht,
Und ohne sie wer hielt es aus!"
Ein weiser Mann erfand den Spruch,
Der Weise nahm sich viel heraus.
Von Weibern sprach er, und ich glaub,
Der Biedermann, er hatte Recht,
Wer wüßte Herr sich ohne sie,
Wer liebend fühlte sich kein Knecht?
Wer wünschte sich der Schmerzen Zahl,
Die Leidenschaft ohn Ende bringt,
Wer lebte dieses Leben aus,
Der Liebe fern, die einzig jüngt?
Wer jauchzte nicht zum ersten Kuß,
Wer fluchte nicht der Eifersucht -
Es ist die Lieb das tolle Meer,
Die Lieb die stille Hafenbucht.
Entsetzen und Entzücken bald,
Der Liebe Freud, der Grillen Leid
Kommt über uns, da schwindet uns -
Und das ist Höllenseligkeit.
(S. 28-29)
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Sehnsucht

Mitten in dem Spiel der Freuden,
In der Arbeit Drang und Lust,
Schleicht das Sehnen und das Leiden
In die unbewachte Brust.

Denn du weilst so fern, so ferne,
Und ich bin so ganz allein;
Und bei dir bin ich so gerne,
Und ich kann nicht bei dir sein!

Wie ein Röslein in dem Scherben,
Wenn es Niemand warten mag,
So verkümmern, so verderben
Muß auch ich am lichten Tag.

Alles Leben geht zu Grabe,
Und die Seel auch ganz zu Grund,
Wenn ich dich nicht wieder habe,
Werd ich nimmer mehr gesund.
(S. 71)
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Liedchen

Schau ich mein liebes Mädchen an,
Steht mir das Wünschen fern,
Kein Unfried kommt an mich heran,
Und Alles thu ich gern.

Sie spricht zu mir, ich liebe dich!
Was ist, was klingt so süß?
Und schwiege sie, es triebe mich
Wie aus dem Paradies.

Dann lief ich in der Welt herum
Gedankenlos und krank,
Als wie ein Fisch so stumm und dumm,
Als wie ein Rohr so schwank

Der Himmel wäre nicht mehr blau,
Ein Schreck mir Trank und Speis,
Der Sommer als ein Winter rauh,
Der Winter sommerheiß.

Die rothen Rosen abgeblaßt,
Ein Aschenrauch das Licht,
Und ganz abscheulich, ganz verhaßt
Ein Menschenangesicht.

Wie froh bin ich, wie hochbeglückt,
Sie hat mich nie gekränkt,
Sie hat mir einen Strauß gepflückt
Und einen Kuß geschenkt.

Nun bin ich stark und stolz und reich,
Ich möchte Riesen stehn,
Ich glaub, ich wollte sterben gleich,
Müßt es um sie geschehn!
(S. 10-11)
_____

 

Liebesstille

Schließe, Liebchen, schließe zu die Augenlieder,
Laß versiegen deiner Rede holden Fluß!
Deine Wange presse stürmisch an die meine,
Auf den Lippen schlummre süß ein ewger Kuß.
Laß uns träumen, theure Seele,
Hingeklungne Stunden wieder,
Schließe, Liebchen, schließe zu die Augenlieder,
Aber zittre du nicht, weil ich weinen muß.

Denk an alle, all die heißen Augenblicke,
Da die Liebe mir, du mir, ich dir gestand;
Wenn dich eine stille Wonne überwallet,
Heb die Wimper, drücke feurig mir die Hand!
Schwärme in den Seligkeiten,
Schwelg in dem verrauschten Glücke,
Denk an alle, all die heißen Augenblicke,
Da dein Herz das meine, ich das deine fand.

Ach! Erinnerung und reiches Angedenken
Ist allein, du weißt es, aller Liebe Lohn;
Sollte Eines je von uns, Geliebte, sterben -
So die Saite springet, zittert nach der Ton.
Wolle drum die theuren Perlen
In den Busen tief versenken!
Ach! Erinnerung und reiches Angedenken
Lindert, heilet heute künftge Schmerzen schon.
(S. 55-56)
_____

 

Loreleilied

Was ist dort oben? Vorbei, vorbei!
Gott helf' uns allen - die Lorelei!
Ihre Sternenaugen werben,
Wir fahren ins helle Verderben!

Vom Felsen flattert ein Dohlenschwarm,
Sie winkt mit ihrem weißen Arm;
Sie singt mit fester Stimme
Das alte Lied, das schlimme.

Ach hört ach seht, wie schön ist sie!
Wie süß fließt ihre Melodie!
Im Takte wogen die Wellen,
O rudert, rudert, Gesellen!

Sie singt und winkt, das Echo spricht,
Durch Wolken flimmert das Neumondlicht.
Sie selber wirft ein Scheinen
Von Gold und Edelsteinen.

Ach hört, ach hört! Nein höret sie nicht!
Ach seht, nein seht nicht in ihr Gesicht!
Ihr könnt das Schauen nicht lassen,
Der Strudel wird uns erfassen.

Ihr lockigen Männer, herauf, herbei!
Wer holt sich von euch die Lorelei?
Ihr feurigen Jünglingsherzen,
Ich schmachte nach euch mit Schmerzen.

Herauf, herbei! Herauf, herbei!
Wer holt mich? - singet die Lorelei.
Hört ihr die Hexe lachen?
Im Abgrund wirbelt der Nachen.
(S. 46-47)
_____
 

Ihr Anblick

Wenn so die süße dunkle Glut
Von deinen Augen weht,
O halt es, Mädchen, mir zu gut,
Daß sie mir zündet tief ins Blut,
Und auch mein Herz in Flammen steht.

Traun! deine Wangen blühn so hell,
Und Schalkheit leuchtet draus,
Sie kommt und schwindet wunderschnell,
Ein liebenswürdiger Launenquell
Springt von den fröhlichen Wangen aus.

Wenn um den Mund dein Lächeln schwebt,
Das grüßt wie Morgenlicht!
Ich weiß nicht, werd ich neu belebt?
Das Herz, das Herz – es klopft und bebt -
Nein, länger widersteh ich nicht.

Ich muß dir fliegen an die Brust,
Ich muß – es ist kein Scherz!
O Süßigkeit, o stolze Lust,
So eines theuren Mädchens Brust
Zu drücken ans heiße Herz!
(S. 71-72)
_____

 

Nachhall

Wie soll ich lernen ihn vergessen
Den heißen, einen, letzten Kuß!
O schilt ihn, Theure, nicht vermessen
So schmerzvoll süßen Abschiedsgruß!

Wer wollte weise sich bewachen,
Wenn heilig in dem Busen brennt -?
Die Welt mit ihren sieben Sachen
Verschlang der festliche Moment.

Laß. Lasse mir von einem Bilde
Die selige Erinnerung!
Des Auges Hoheit, Muth und Milde!
Und der Gestalt beseelter Schwung!

Ja führet wieder uns zusammen
Dereinst ein gütiges Geschick,
Ich glaube, jene ächten Flammen
Sie rufen den Moment zurück.

Dann Wonne! liebend hangen dürfen
An deinem Mund und hehrer Lust
Geheimnißvollen Nektar schlürfen,
Ach, aus dem Athem deiner Brust!

Was auch die Stunde von uns fodre,
Was des Gefühls beschwingte Kraft
- Als ewge Poesie verlodre
Das Feuer unsrer Leidenschaft!
(S. 54-55)
_____

 

Zu spät

Wir sind gar oft mit Schweigen
Aneinander vorübergegangen,
Wir wollten einander nicht zeigen
Des Herzens Sehnen und Bangen -
Und haben uns doch geliebt!

Wir haben zusammen gesprochen,
Uns tief in die Augen geschauet,
Das Herz ist schier gebrochen,
Wir haben uns Nichts vertrauet -
Und haben uns doch geliebt!

Es schwebt auf unseren Zungen
Das holde das süße Gestehen,
Wir waren so innig durchdrungen,
Wir ließen die Stunde verwehen -
Und haben uns doch geliebt!

Wir haben das Wort nicht gefunden,
Das Heil uns bescheeret und Frieden,
Nun bluten zeitlebens die Wunden,
Nun sind wir auf immer geschieden -
Und haben uns doch geliebt!
(S. 77-78)
_____
 

Narrheiten

Wornach steht mir der Sinn?
Zerrüttet ist mein Denken,
All meine Träume lenken
Auf einen Punkt nur hin,
Auf ihren Mund, den süßen,
Und den zu küssen!

Entweiche, Phantasie!
Du stolze, tiefbeschämte!
Ein schönes Mädchen lähmte
Die Schwinge dir, denn nie
Erschufst du Reiz, so süßen,
Ha! sie zu küssen!

Seit ich ihr Antlitz sah,
Das wonnige, das liebe,
Das unaussprechlich liebe,
Steht mir der Wahnsinn nah -
O Antlitz, mit dem süßen,
Dem Mund zu küssen.

So schwebt mir dort und hier
Der Zaubermund vor Augen,
Will Hirn und Herz mir fangen
Und alles Blut aus mir:
O Raserei, den süßen
Mund nicht zu küssen!

Treff ich nicht bald einmal
Die Lippen rasch zu kosten,
So soll mein Wille rosten
Wie ein entehrter Stahl.
Ich stürbe gern, den süßen
Den Mund zu küssen!
(S. 22-23)
_____

 

Alle Gedichte aus: Leben und Liebe Gedichte von Ludwig Eichrodt Frankfurt a. M. Verlag Heinrich Keller 1856

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Eichrodt

 

 


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