Eugenie Engelhardt (1852-1927) - Liebesgedichte

Eugenie Engelhardt



Eugenie Engelhardt
(1852-1927)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:


 




Der Wald

Gesehen hat's der ganze Wald,
Wie Du geküßt mich hast,
Die grünen Bäume jung und alt,
Die haben aufgepaßt.

Die frommen Blumen, tief erschreckt -
Das Ärgernis war groß -
Sie haben schnell ihr Haupt versteckt
Ins duftig kühle Moos.

Gesehn hat's der geschwätz'ge Wind,
Hat's weiter auch gerauscht,
Und hinterm Busch hat, auch nicht blind,
Ein junges Reh gelauscht.

Und über uns der Eschenbaum
Nickt' ernst dem Nachbar zu,
Wie wenn an längst verträumten Traum
Ihn mahnten ich und Du!

Gar tief errötend denk' ich dran,
Wenn ich zum Walde komm';
Sie sehn ja alle mich drum an,
Das Reh, die Vöglein fromm!

Was aber - ach, ich weiß es nicht -
Soll meine Antwort sein,
Wenn leis der Wald nun zu mir spricht:
Warum kommst Du allein?
(S. 391)
_____



Warum?

Weil meine stolze Seele sich
Nicht mit der Deinen messen kann,
Weil ich befunden innerlich
Allmächtig Deines Wesens Bann,
Und weil Du es nicht wehren kannst,
Wie sehr Du auch auf Qualen sannst!
Darum, Herzliebster, lieb' ich Dich!

Weil, wenn ich so nicht liebte Dich
Ich mit der ganzen Seele Kraft
Dich müßte hassen ewiglich
Mit tiefsten Hasses Leidenschaft,
Und doch nicht fände Fried' und Ruh,
Bis Eines wären ich und Du:
Darum, Herzliebster, lieb' ich Dich!

Und wenn sie alle Dich verkennen,
Viel Böses über Dich mir sagen -
Ich brauch', um besser Dich zu kennen,
Mein eigen Herz nur zu befragen
Denn so beglückt nur der Bewährte,
Wie Du einst überreich mich machtest:
Das rechte Maß zu Deinem Werte
Ist mir der Segen, den Du brachtest!
(S. 392)
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Verzage nicht

Verzage nicht,
Kleinmütig Herz!
Ein bißchen Licht
Strahlt allerwärts,
Ein Blümchen schmückt
Den Felsengrat,
Den, weltentrückt,
Kein Fuß betrat;
Ein Sonnenblick
Trifft jedes Herz,
Und kein Geschick
Ist lauter Schmerz.
(S. 392)
_____



Dreimaliges Glück

Da mein erstes Lied begonnen
Seinen Streifzug durch die Welt
Und sich Freunde rasch gewonnen
Auf der Ehre weitem Feld,
Da ich Freude, stolz empfunden,
In des Vaters Blicken sah -
O, in jenen sel'gen Stunden,
Götter, was empfand ich da!

Und doch kam noch eine Stunde
Voll verschwiegner, süßrer Lust -
Abends war's, aus Waldesgrunde
Gieng ich heimwärts, unbewußt.
Hinter'm Hügel sank die Sonne,
Ich verfolgt' der Lerchen Zug,
In der Brust ich lauter Wonne,
Auf der Stirn den Brautkuß trug.

Wie viel Leid mußt ich erfahren,
Wie viel Trübes schlich sich ein -
Aber als ich dann nach Jahren
Bei des Lämpchens Dämmerschein
Weich gebettet auf den Knieen
Hüllt ein rosig Kindlein ein,
Sah das erste Lächeln ziehen
Um die Kinderlippen fein -

O, zum Eden glanzumflossen
Ward mein Stübchen eng und schmal,
Und ich fühlt, daß sich erschlossen
Meine Jugend noch einmal.
Lieblich wie verklungne Sagen,
Schmeichelnd wie der Sonnenschein
Aus der Liebe Lenzestagen,
Zog das Glück noch einmal ein.
(S. 392)
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Penelope

Und wieder senkt auf Ithakas Gestade
Sich leise Hypnos dunkeläugig nieder;
Der Vogel schweigt, und nur noch die Cikade
Eintönig singt die letzten Abendlieder.
Bei meiner Fackeln trügerischem Scheine,
Derweil die Hände sich geschäftig regen,
Wenn's still geworden und ich rings alleine -
Des Herrlichen zu denken, welch ein Segen!

Odysseus! Wie bei diesem Klang erbebet
Und jauchzt das Herz, im Innersten getroffen,
Frohlockend jeder Puls sich rascher hebet,
Und neu beginnt ein jugendkräftig Hoffen!
Der Name ist's, der Iliums Helden schrecket,
Dem der Achäer sich mit Ehrfurcht neiget,
In dieser Brust er einen Frieden wecket,
Vor dem der Schmerz und selbst die Sehnsucht schweiget.

Denn nicht dem Weib gehört des Helden Streben,
Ihn nennt das große Hellas stolz den seinen:
Doch leb ich ihm mit jedem Atemheben,
Mit jeder Regung wechselndem Erscheinen.
Doch leb ich ihm seit meiner Jugend Tagen,
Da erst mein trunkner Blick an ihm gehangen;
Und all mein Denken, all mein Singen, Sagen,
Ist nur nach ihm ein mächtiges Verlangen!

Es will die stolze Seele nicht verzagen
Und mutig hebt der Hoffnung starke Schwingen:
Ich weiß, es wird einmal der Morgen tagen,
Der wird auch ihrer Opfer Ende bringen.
Er kehrt zurück! Es müßten Sterne lügen,
Und Wahres würd es nicht im Weltall geben,
Des Herzens Stimme - alles müßte trügen,
Und steuerlos der Geist im Dunkel schweben!

Er kehrt zurück! Mag ihm die Fremde schenken,
Was sich das ehrbegier'ge Herz ersehnet,
In diese Brust wird sich kein Friede senken,
Bis sich vor seinem Aug dies Eiland dehnet.
Er kehrt zurück! Hielt ihn in Zauberketten
Die Liebesgöttin sieghaft selbst gefangen:
Es wird ihn seines Weibes Liebe retten,
Und heim nach Ithaka wird er verlangen!

O selig Weib! Hast Jahre hingegeben
Und schlummerlose Nächte still getragen,
Um dieser Stunde Wonne zu erleben,
Um rein zu ihm das Auge aufzuschlagen!
Wird er um Dich die starken Arme schlingen,
An Deiner Brust vergessend Kampf und Sorgen,
Wie magst Du segnen all Dein tapfres Ringen,
Denn süßer ruht kein irdisch Weib geborgen.
(S. 393)
_____

 

Gedichte aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
III. Band Berlin 1885


Biographie:

Engelhardt, Frau Eugenie, Ps. E. Heiden, wurde am 15. Dezember 1852 in Fürth, als die Tochter eines Arztes im bayrischen Ries geboren, vermählt mit dem Fabrikbesitzer Engelhardt in Fürth, schreibt Gedichte, historische Erzählungen und Lustspiele.

- Anna Boleyn. Hist. Trauerspiel Fürth 1887
- u. Fr. Stahl Der Herr Major auf Urlaub Lustsp. Leipzig 1889
- Gedichte Leipzig 1883
- u. G. v. Moser Köpnikerstrasse 120. Schwank Leipzig 1884

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
 

 

 


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