Gerrit Engelke (1890-1918) - Liebesgedichte

Gerrit Engelke



Gerrit Engelke
(1890-1918)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 



Wenn du kämst? wenn du kämst!

So sitze ich auf dem Sofa im Dunkel
Und sinne -
Langsam verschwellen, verengen sich die Wände -
Die Decke sinkt -
Die lackierte Tür in der Ecke blinkt
Sonderbar - -

Mir ist, als wenn wer vor der Tür stände -
Als wenn scheue Hände
Klopfen wollen - -?

Der Fußboden schwankt -
Die Tür wankt - -
Die Tür! - Die Tür ist dunkel aufgequollen:

Da! Du kommst herein!
Geliebte!
Geliebte von Einst -

Ich kann nicht aufstehn!
Ich kann nicht schrei'n!
Ich kann nichts mehr sehn! -

Die Wände stürzen dunkel ein -
(S. 76)
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Euridyke

Orpheus! Orpheus! zerstrahle die Schatten,
Brich leuchtend zu mir!
Orpheus! mein Herz will ermatten -
Mein Herz schreit nach dir!
Orpheus!

Geliebter! Strahlender! die Nacht, die Nacht
Droht; finsteres Wehen!
Geliebter, ich sinke! ich sinke in Nacht,
Ich kann dich nicht sehen -
Orpheus?

Geliebter - hörst Du mich rufen?
Die Nacht wühlt mich zu -
O, ich kann nicht - mehr rufen -
Orpheus, wo - bist - du?
Wo - bist - -?
(S. 85)
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Die Frauen gehen an Don Juan vorüber

Geh! Weib!
Deinen Leib,
Dein Wort,
Was du denkst:
Kenne ich längst!
Geh! fort!

Du mit dem Glutblick,
Du Schwarze erschrick:
Ich spei dich an!
Ich lache deiner Liebe, -
Weißt ja, Triebe
Hat der Mann.

Dir hab ich frech das Herz entblößt
Und holden Wahnsinn eingeflößt;
Und dein Blut war wie Gärwein flüssig; -
Auch du warst einst für mich entbrannt,
Doch glaub, du warst mir Tand.
Ihr wart mir Alle, Alle überdrüssig!

Mehr, mehr! schneller vorbei!
Du Blonde, du Donna, du Annamarei!
Daß endlich die endlose Kette
Ein Ende nimmt -
Wieder, wieder zuckt ein Mund, glimmt
Ein Blick vorbei -

Kommt nur, ihr andern aus der Ferne:
Du, wie zittern deine Augensterne;
Du mit dem Mundrubin - hah! ich kenne euch nicht!
Doch, Weiber ihr, schön und verflucht,
Wo ist die, die ich meines Lebens Ewigkeit gesucht?
Wankt doch die Eine schon im Licht? -

Ich hebe wieder mein verwüstet Herz
Zu neuer Sehnsucht, neuem Schmerz:
Ich sehe selig den verklärten Leib
Der Einen, der sich meine Adern weiten,
Den Strahlenweg hernieder gleiten -
Komm! Du! - Komm, Weib!
(S. 89-90)
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Ein herbstlich Lied für Zweie

Auch diesem Stieglitz da im Blätterfall,
Tickt wunderbar in seinem Federball
Ein schüchtern schluchzend Herz, ein kleines,
Ein Herz wie meins und deines.

Der Vogel singt, weil ihn sein Herz bezwingt
Und große Sonnenluft ihn frisch umschwingt -
Er muß von seinem Herzen zehren.

Und jedes Flüsterbäumchen, uns vertraut,
Trägt unter seiner weichen Rindenhaut
Ein horchend Neugierherz, ein wachsend kleines,
Ein Herz wie meins und deines.

Der Baum verzweigt, und weiter zweigt er still,
Weil frei sein Herz ins Blaue schauen will -
Er muß von seinem Herzen zehren.

Wer spürt, wie bald das nächtge Schweigen naht -
Du hast mich lieb und gehst denselben Pfad;
Wir leben zueinander warm und still,
Wie unser ruhlos, wunschgroß Herz es will.

Einmal ist Schauerstille um uns her,
Das Herz klopft aus, ist tot und leer -
Wir müssen all von unserm Herzen zehren.
(S. 111)
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Frage

Nun Du!
Du neuer Blick und Atem gegenüber, -
Dir zwing ich meine Lippen, weil ich muß
Und sage:
Sieh mich an!
Gesicht laß ruhen in Gesicht,
Es geht nicht anders mehr.

Wo ist denn Schuld,
Daß Stirne nun an Stirne stößt,
Das Herz, das sonst in Einsamkeit hinfror,
In taubem Kummer sich verlor,
Im Drang die schwere Zunge löst,
Ergriffen stürzt:
Du Weib!

Schließ auf, schließ auf
Den engen Ring, der meine Brust umpreßt!
Der mich nicht atmen läßt,
Der mich zum qualgepflügten Boden niederwarf,
So oft ich meine Stirn erhob -
Du hast die Macht.

Du brauchst nur mit deinem Finger
An mein Herz zu rühren,
Damit es wieder sehend würde:
Und alle Türen, Horizonte, alle Himmel
Sprängen offen mir entgegen:
Ich schritte mächtig aus auf brausenden Wegen,
Bestürmt und durchschwellt,
Zu neuem Lebensland!
Zu deinem Herzen in der Welt!

Verbirgst du deine Hand?
(S. 113)
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Apassionata

Du hast durch Deinen Kuß
Mein stromvoll Blut geweckt
Und mein Gesicht warm aufgehoben aus dem Tag,
Daß mich nun uferlose große Nacht umspült,
Herwehend Glanz und Taumel.
Einwiegend Zittern schwillt in meiner Füße Wurzeln,
Einströmen lassend Erde und Getön,
Und springt aus meiner Kniee Schreiten in die Brust
Zu meerbewegter Melodie,
Darin mein Herz, die Orgel rauscht.
Nun sich im Takte meine Sohlen heben
Und grenzenlos beseeltes Schweben
Die Glieder übergießt:
Hab ich die Arme aufgehoben,
Und fühl, wie meiner aufgelockten Haare Schopf
Die nachtbemalten Wolken streift,
Sternblütenkranz die Stirn umgreift,
Und tanze, tanze zu Dir hin!
Denn meiner segelwilden Sehnsucht Schauer,
All meiner Einsamkeiten Trauer,
Mein hin und her durchflutet Sein,
Und nun des selgen Leibes neue Lust:
Stürmt fort und fort an Deine Brust,
Will nur in Dir geborgen sein.
(S. 115)
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Nicht mehr

Das war in jenen ungewissen Tagen,
Da meine bange Ahnung fast schon wußte,
Daß ich von dir, mein Lieb, mich trennen mußte;
Wir sahn uns kaum, und keiner mochte fragen.

Da tat in nachversunknem wachem Traum
Sich meine Tür im Dunkel auf, ganz leise -
Und sieh - Du kamst herein - wie eine Waise
In Trauerschwarz gekleidet bis zum Saum.

Und Schweigen war wie nach verlornem Streite,
Du saßest still, dein Blick hing tief und feucht;
Doch wie ich mich zu deinem Mund gebeugt,
Da senktest weinend du den Kopf zur Seite -

Und scheu erschauernd sagtest du: Nicht mehr -
Nun hat sich dieser trübe Traum erfüllt,
Und alles ist mir wie mit Grau verhüllt,
Und jeder Tag ist endlos lang und leer.
(S. 150)
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Sylvester-Abend

Er stand mit andern um die Feier-Tafel,
Der Glühwein dampfte, rings Geschwafel - -
Da schlägt die große Glocke in die Nacht
Zwölf ungeheure Töne:
Das neue Jahr ist aufgewacht!
Geschrei bricht los, Kanonenschlag-Gedröhne.
Allstimmig, über angestoßnen Gläsern Punsch,
Braust im Saal der Wunsch:
Viel Glück in neuen Jahr!

Da steht, vom Kronenlichte abgewandt,
Der Eine an dem offnen Fenster, -
Das volle Glas in schwerer Hand -
Er sieht die Lärmer draußen tanzen wie Gespenster -
Da spricht er lächelnd, mild,
Wie jemand, der sich Glück erwählt:
Ich wünsche mir, daß mich dein wehes Bild,
Verlorene Geliebte,
Im neuen Jahre weiter quält -
(S. 151)
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Die Andern

Ich habe dir keine Rosen geschenkt
Und kein Geschmeide,
So wie die andern -

Ich habe dich nicht mit Flitter behängt
Und nicht mit Seide,
So wie die andern -

Ich habe dich nicht mit Schmeicheln getränkt
Und leichtem Scherz,
So wie die andern -

Doch eins ist dir mit Freude geschenkt:
Das ist mein Herz -
Und sieh, das gaben sie dir nicht,
Die andern.
(S. 152)
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Helena

Fünf Häuser nur von mir, fünf Häuser weit,
Da lebst du noch, du Blonde aus der guten Zeit -
Da wohnst du noch!

Fünf Häuser weit,
Da lebt noch Gewisper, leben noch Schatten der Zeit
Taumelnde Liebe -

Zwischen meinem Haus und deinem Haus
Wühlt und quirlt der Straßenbraus
Eine Furche den ganzen Tag.

Zwischen meinem Haus und deinem Haus
Spannen sich Ketten, Ketten aus
Jede Nacht -

Da fängt die Straße an zu wanken,
Die Häuser schwanken -
Meine Gedanken
Stürzen sinnlos zu dir.
(S. 153)
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Doch einst seh ich dich wieder

Ich liege verwirrt in verziehenden Nachtnebeln
Und recke mich auf -
Du! -
Da bist du auf der schwimmenden Wolke,
Im strömenden Morgenhimmel
Hochoben -
Golden lächeln deine Lippen,
Deine Augen blühen wie Blumen,
Und Sonne ist auf deiner Stirn.
Meine Hände aber sind leer,
Meine Augen warten schon lange
Auf dich -
Wie fühl ich mich nun nachterlöst
Und aufgelöst in diesem neuen Drange;
Und doch, und doch geringer
Als Du,
Du Morgenblüte auf der Wolke.
Reich mir lächelnd deine weichen Finger,
Urgeliebte, Sonnenrose,
Zieh mich hoch zu dir ins atemlose
Glück!

Und dann
Treiben wir auf unsrer Wolkeninsel
Herzerhoben hin im goldnen Strom;
Und der morgenhohe Sonne-Dom
Tönt in Liebe überall,
Und im Widerhall
Schwillt aus uns Zwei-Menschen-Klang
Auf zum Taggesang.
(S. 157)
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Ich kann nicht länger ich nur sein

O immer dieser Mensch zu sein,
Nur immer dieses eine eigne Herz zu spüren -
Und immer wieder dieses grenzenlose Rühren,
Und immer dieser Drang: In Zwein
Zu einer Klarheit sich zu führen.

Ich strecke wieder meine hundert Hände aus
Nach allen Herzen, die verhüllt; -
Vielleicht entreißt sich doch daraus
Die eine schicksalreiche Wendung:
Daß sich in Einer meine Welt erfüllt:
Daß Zwei sich einen zur Vollendung!
(S. 158)
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Sie sang am Klavier

Warum hast du am offenen Fenster gesungen,
Daß ich horchen mußte im Gehn?
Ich habe dich niemals gesehn - -
Doch hat mich dein Singen bezwungen;
Warum?

Du weißt nicht, daß ich die Stadt um ein Wesen verwarf,
Und hier nur ging, um nichts zu wissen,
Daß ich nicht solche Musik fühlen, nichts vermissen,
Nicht zurückdenken darf.
Du weißt nicht -

Nun hast du am offenen Fenster gesungen,
Meinen Gleichmut unwissend zerpflückt;
Du weißt nicht, wie Singen bedrückt,
Wie es Einen in Weichheit gezwungen -
Und ich will nicht!
(S. 159)
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Als ich dich sah

Wie ein Schatten flog dein Angesicht
Über meine Augen hin,
Verblich und ließ nicht Spur in meinem Sinn.
Ich sah dich nicht.

Da bin ich fremd hinausgezogen;
Und - plötzlich ist dein Blick mir nachgeflogen -
So sehr,
Als ob er mich nur kennt -
Und brennt in mir, brennt
Tief unruhschwer
Und will nicht dunkeln mehr -
(S. 160)
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Frage über Weiten

Heut hab ich einen Brief ausgesandt,
Wie eine Möve,
Zu dir.

Die schwankenden Bäume,
Die Hupfwellen am Ufer
Und Wildrosen
Warten.

O sende eine Waldtaube!
Einen wilden Schwan,
Der mit stürmischem Flügel
Dein Blatt mir zuwirft

Wie eine brennende Rose!
(S. 161)
_____



Nur

Ich will nicht viel - nein,
Ich will nur deine Hand in meiner fühlen
Und gläubig sein.

Und aber - fühlen, wie verwandt
Dein Herz in meinen Fingern zittert -
O gib mir, gib mir deine Hand!
(S. 162)
_____



Beseligung

Hebe aus der Ferne deine Hände auf mein Haar,
So bin ich wieder gut durchglüht,
Und neue Frömmigkeit ersprüht.

Ich bin so oft zum Seligsein bereit -
Doch wieder wird mein Herz verstockt,
Und ungewisse Trübe lockt,
Und drängt mich nach dem Fall in Einsamkeit.

Mein heißes Hoffen ist in dir begründet,
Ich kann nicht länger Ich nur sein -
Ström ein! sei mein!

Ich bin nur arm, und giere so nach reiner Wendung,
Und habe mich dir so geöffnet, wie ich kann -
Schwing her! Strahl ein! und dann
Bist du mir Seele und Vollendung.
(S. 163)
_____



Wo ich gehe

Jeder Schritt sagt deinen Namen,
Jeder Blick träumt nach dem deinen;
Sehnsucht macht die Füße lahmen,
Wenn im Herbst die Wolken weinen,
Regen über Blätter tropft,
Und ein Herz sich müde klopft.

Rosen gluten noch im Garten,
Rosen, die um Frauen werben - -
Auch die Rosen müssen warten,
Wie die welken Tage sterben.
Hörst du nicht, was ich dir schrieb?
Hast du meine Rosen lieb?

Wind, der über Hänge brandet,
Rot und gelbe Blätterwildnis,
Nacht, die über Sternen landet,
Leben nur mit deinem Bildnis,
Küssen mich mit deinem Mund,
Herb und zärtlich, wild und wund.
(S. 164)
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Du wolltest nicht

Ich hätte dir eine Sonne schenken können
Und den halben Mond
Und zwei Hände voll Sternblumen -
Aber du wolltest nicht.

Nun ist die Sonne fortgeflogen,
Die Sterne sind ausgestreut,
Meine Hände sind leer -
Und dich will ich nicht.
(S. 165)
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Sehnsucht

Sanft strömt vom andern Ufer aus dem Wälderschweigen
Über lichtbeglänzte Flut der Abend.
Trunken schweift der Blick ins Weite,
Steigt geöffnet in die wolkigen Gefilde,
Taumelt in das grenzenlose Licht hinein -
Und das Herz schwingt zitternd ein:
Nur selig sein.
(S. 170)
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An den Geliebten

Du hast mit leisem Finger
An mein Herz gerührt,
Und hast mit einem Blicke
Mich ganz zu dir geführt,
Daß ich nicht mehr ich selber bin
Und nun mein Sinn
Nur lebt in dir.

Ich muß vor dir die Lider senken,
Mein Herz summt immerzu -
Ich kann jetzt nur an dich noch denken,
Ich ahne schon das Wort, das du
Mir sagen wirst, das mich Geliebte heißt - -
O Liebster, sprich! - Du weißt,
Mein Herz ist dein.
(S. 176)
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Mahnung

Laß sein, laß sein,
Ich bin nicht dein.
Mein Herz ist tot,
Doch deins glüht rot
Und weiß noch kaum von Liebe.

Ich würde kalt
(Sobald, sobald),
So ohne Grund
Von deinem Mund,
Aus deinem Glücke sinken.

Laß sein, laß sein -
Ich bin nicht dein.
Dein Wunderstern
Ist dir noch fern;
Nun warte, bis er kommt.
(S. 177)
_____



Tristan und Isolde

Sie tranken Blut aus ihrer Schale - - -

Der Feuerfunken in sie säte,
Den sie als Herrin herbefahl,
Der aufrecht sie mit Trotz verschmähte:
Dem reichte sie den Giftpokal.

Sie reichte ihm den schweren Becher,
Er blickte kühl, blieb stumm und trank.
Ihr Arm, der herrisch gab, ward schwächer,
Als sie die Neige trank - er sank.

Ein bittres Warten beide füllte -
Sie standen atmend, blickgebannt - -
Schwand nicht der Trotz, der ihn umhüllte?
War diese Glut ihr Todesbrand?

Sie tranken Blut aus ihrer Schale,
Sie tranken rotes Liebesblut -
Da quoll aus diesem Todpokale,
Sie jäh durchströmend: Liebesflut!

Sie fielen, Mund zu Mund gefunden,
So in Umarmung ohne Wehr,
Sie sanken hin, bedrückt, gebunden
Von neuem Leben überschwer.

Sie tranken Blut aus ihrer Schale.
(S. 202)
_____



An dich

Steh ich vor Dir,
Ein Mann und Geliebter,
Allen Blick in Deinen tauchend,
Zärtlich und liebend und forschend -
Fließt mir ein heimlicher Schauer
Heiß über die bebende Haut:
Das Herz schwillt breit und laut:

Da hebt sich auseinander
Menschliche Reihe!
Frau und Frau, Weib und Weib:
Lange Reihe der Mütter.
Von Dämmerung umrauscht,
Alte, Junge, Greisinnen; schweigend -
Und im Schweigen erhaben wie Schicksal
Vor die strömende Wand
Des Horizontes gebannt.

Plötzlich:
Sehe ich Dich!
Die letzte der Gestalten -
Geliebteste Du, und mein Weib!
Zierlicher Haltung,
Und im schön gegliederten Antlitz
Die Furchen des Lächelns, die Furchen der Tränen:
Die Furchen des ewigen Lebens
Um Augen und Mund.
Und aber im mystisch beglänzten Blicke
Alle Güte des Weibes!
"Nimm mich hin, nimm mich hin!
Auch ich bin Deines Leibes!
O unentrinnbarer Sinn,
Der tief aus mir beginnt:
Denn auch ich bin, auch ich bin
Dein Kind!"
(S. 203-204)
_____



Liebe

Mann:
Über Nächte, über Wege, Schroffen
Rief ich fünfzehn Jahre wirr nach dir -
Nun hat dich mein Herzgeschrei getroffen.
Einst hieß alles: Ich - nun ruf ich: Wir!

Weib:
Es war wohl vieles Locken schon um mich,
Doch fremdes wars, und nicht das deine -
Ich wußte, daß es kam und brächte dich,
Daß uns der eine Klang vereine!
Nun bist du da,
Mir körpernah.

Mann:
Glückvoll bebend heb ich deinen Leib
Hoch auf meine Schulterbreite,
Trage dich, mein liebewertes Weib,
Fort zur Horizontesweite. -
Deines Lebens reiche Last,
Drückt sie bald zur Rast
Meinen glückbeschwerten Fuß?

Nein, mein Weib, hinauf, hinauf
Lenkst du meinen leichten Schritt!
Froh geh ich, als liefest du vorauf.
Tag und Erde wandern mit,
Ferner dehnt sich hell die Ferne,
Doch ich frage nicht wohin,
Lockend trag ich dich dahin
In die helle Ferne -
Fühlst du, wie der Morgen klingt -
Fühlst du, wie die Erde singt,
Wie sich alles Leben, frohbeschwingt,
Uns in sich, und sich um uns verschlingt?

Sieh, es winkt
Strahlend uns der Mittag.
(S. 205-206)
_____


Aus: Gerrit Engelke Das Gesamtwerk
Rhythmus des neuen Europa
Herausgegeben von Dr. Hermann Blome
Paul List Verlag München 1960

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Gerrit_Engelke

 

 


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