Ferdinand Falkson (1820-1900) - Liebesgedichte

 

 


Ferdinand Falkson
(1820-1900)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Stille Liebe
1837

Die Eine, die ich treulich minne,
Weiß nichts von mir in ihrem Sinne:
Sie schaut mir fremd in's Angesicht,
Und kennet meine Liebe nicht.

Und doch kann ich von ihr nicht lassen,
Und kann nicht den Gedanken fassen:
Es werde immerdar so sein,
Nie dürft' ich ihrer mich erfreu'n.

Ich sehe sie bei Festen prangen,
Doch kann ich nicht zu ihr gelangen;
Ich blicke still zu ihr hinüber;
Sie blicket still zu mir herüber.

Und soll ihr Blick mir auch nichts deuten,
Doch denk' ich sein auf lange Zeiten;
Ich denke sein bei Tag und Nacht;
Ein Blick hat glücklich mich gemacht.

O kennte sie nur mein Entzücken,
Sie würde öfter an mich blicken.
Doch sieht sie still mir in's Gesicht,
Und kennet meine Liebe nicht.

Und darf in diesem Wintergrauen
Ich nicht so oft die Hohe schauen,
Ich denk' an sie zu jeder Zeit:
Dies Denken ist mir Seeligkeit.

Und darf ich durch des Frühlings Hallen
In deinen lieben Spuren wallen,
So will ich nicht beglückter werden,
Mir lacht der Himmel auf der Erden.

Und wenn ich liege tief begraben,
Soll noch ein Traum von dir mich laben,
Wenn auch mein Herze zu mir spricht:
Sie weiß von deiner Liebe nicht!

Und wenn sie spät es wird erfahren,
Wie ich im Sinn' sie thät bewahren,
So wird sie stiller Liebe Trachten
Beweinen, aber nicht verachten.

Daß ich so früh vollendet habe,
Deß weinet sie an meinem Grabe;
Das Grab wird sie mit Blumen zieren,
Und ich werd' es tief unten spüren!
(S. 9-10)
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An die Einzige
1837

Du bist die Linde, die mir Schatten weihet,
Du Blume Du, mit der mich Liebe kränzet,
Du bist der Wein, den Hoffnung mir kredenzet,
Du bist der Mond, der mir sich stets erneuet.

Du bist der Engel, der die Schuld verzeihet,
Du bist der Traum, der meine Nacht durchglänzet,
Das Licht, das meines Herzens Raum begränzet,
Das Wort, das mich von Wankelmuth befreiet.

Du bist der Stern, der meinem Abend leuchtet,
Mein Abendlied, das gen die Wolken steiget,
Der Thau, der meinen Morgen sanft befeuchtet.

Mein Alles bist du hier auf dieser Erden:
Drob hätt' ich gerne dankbar mich bezeiget!
Sprich, Holde, soll ich dir denn gar nichts werden?
(S. 11)
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Der Liebsten Name
1838

Auf's Neu' hab' ich den Baum gesehen,
In den ich Deinen Namen schnitt.
O hohe Lust, ihr süßen Wehen,
Die mit dem Anblick ich durchschritt.

Doch ach, verwachsen war die Rinde,
Dein lieber Name d'rauf verschwand;
Was ich auch Altbekanntes finde,
Den alten Namen ich nicht fand!

Jetzt lebt Dein Nam' als Geist im Baume,
Der sich durch alle Zweige schlingt,
Und in dem blätterreichen Raume
Aus jedem Rauschen wiederklingt.

Und schlaf' ich unter diesem Baume,
Rauscht's leis durch meinen Schlummer mir:
O was erschiene mir im Traume,
Wenn nicht ein liebes Bild von Dir!
(S. 14)
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Der todte Dichter
1838

Als man den todten Dichter nun begrub,
Scholl durch das Land von seinem Ruhm die Kunde;
Und wer ihn früher schon bered't erhub,
Erhub ihn zwiefach jetzt mit lautem Munde.

Die Dame auch, die er geliebt so still,
Die niemals ahnte, was sein Herz empfunden,
Las jetzt sein junges, herzliches Gefühl,
Wie er's gedichtet in beseelten Stunden.

Und seine schönsten Lieder, ihr geweiht,
Die lagen glänzend vor ihr aufgeschlagen:
Mit nassen Augen las sie manches Leid,
Das er so stumm in seiner Brust getragen.

Nun erst verstand sie manchen glüh'nden Blick,
Der oft aus seinem Auge sie getroffen;
So manches Wort rief sie sich jetzt zurück,
Worin sich spiegelte sein junges Hoffen.

Erst war ihr Herz von einem wilden Leid,
Von namenloser Bitterkeit zerrissen:
Dein ganzes Denken war nur mir geweiht,
Und ach! ich Arme, darf es nun erst wissen!

Die früh're Ruhe war ihr ganz geraubt,
Sie war nicht schuldig, und doch wollt' sie büßen!
Ein schwarzer Schleier wallte um ihr Haupt,
Es floß ein schwarzes Kleid ihr zu den Füßen.

Bald quoll ihr süße Wehmuth in die Brust,
Und Sehnsucht nach des Dichters stillem Grabe:
Zu seinem Hügel eilte sie mit Lust,
In ihren Händen seine Liedergabe.

Und wenn der Wind durch Grabesblumen strich,
Dann las sie seine Lieder laut im Grünen:
Ihr Antlitz strahlte hell und feierlich,
Vom letzten Abendsonnenstrahl beschienen.

Geschmücket war sie stets, wie eine Braut
Geschmücket ist, wenn schon die Glocken läuten.
Sie hatte holderglüht sein Grab bebaut
Mit zarten Blumen, welche Liebe deuten.

Und wenn die Nacht umwob die stille Braut,
Aufsprangen ihr des Traumes goldne Pforten:
Dann waren alle Blüthen frisch bethaut,
Die in des Lebens rauhem Hauch verdorrten.

Ja! wandle seelig lange noch herab
Zu diesem Kirchhof, diesem abendrothen!
Noch lieben darfst du ja ein stilles Grab,
Noch darfst du lieben einen stillen Todten!
(S. 16-18)
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Drei Wanderlieder
1837

1. In die Ferne
Nun könnt' ich ziehen mit Wanderlust
In die herrliche Welt, mit schwellender Brust!
Doch muß ich so ernst und traurig sein - Leb' wohl!
Die Trauer, die ist von wegen Dein. - Leb' wohl!

Und winkt mir die Ferne mit lächelndem Blick,
So winkst Du mir weinend wieder zurück;
Ich folgte so gerne zugleich Euch zwei'n. - Leb' wohl!
Nun muß das Eine verlassen sein. - Leb' wohl!

Nun weinst Du die hellen Augen Dir roth;
Und schau' ich Dich an, ist's mir auch noth:
Und zieh' ich zur Heimath wieder ein, - Leb' wohl!
So werden die Thränen uns doch nicht reu'n. - Leb' wohl!

Ach! oft will ich denken und träumen Dich!
Ach! oft wirst Du denken und träumen mich!
So werden wir fern auch vereinet sein, - Leb' wohl!
Nun trockne die Thränen und geh' hinein. - Leb' wohl!

Die ganze Seel' in den letzten Kuß!
Das ganze Herz in den letzten Gruß!
Nun hinaus in den Morgensonnenschein - Leb' wohl!
Es harren die Wandergesellen mein. - Leb' wohl!


2. In der Ferne
Ich stand in alter Burgen Mitten,
Viel Schönes bot die Fern' mir an:
Den ganzen Tag bin ich geschritten,
Nun kommt die heil'ge Nacht heran.

Und hier in diesem Tannenhaine,
Von diesem Sternenkranz umblinkt,
Bist Du's, mein Leben, ganz alleine,
Um das sich meine Seele schlingt.

Mehr, als Du je es könntest wähnen,
Beseelet mich Dein Heil'genschein:
Es zieht ein unaussprechlich Sehnen
Mir in mein stilles Herz hinein.

Ja! diese sind so heil'ge Stunden,
Wie nur die hehre Nacht sie beut:
Wenn alles Irdische verschwunden,
Wenn jeder Nebel ist zerstreut.

Ich fühle recht nun, was mir fehle,
Mein Sehnen flieget hin zu Dir;
Und o! ich fühl's in tiefer Seele:
Dein Sehnen flieget her zu mir!


3. Aus der Ferne
Wer sollen nun aber die Boten sein, mein Lieb!
Dir tausend Grüße von mir zu weihn? mein Lieb!
Auf daß Du es wissest, mein süßes Kind,
Ich sei noch stets, wie früher, gesinnt.

Sprich! soll ich Dir senden ein Vögelein? mein Lieb!
Das würd' sich verzögern im grünen Hain, mein Lieb!
Das flöge auf alle Bäum' auf dem Pfad,
Und käme zu Dir dann doch zu spät.

Und soll der Wind mir ein Bote sein? mein Lieb!
Der flöge die Wälder aus und ein, mein Lieb!
Der flög' um die Wipfel hin und her,
Und dächte dann meiner Grüße nicht mehr.

Und soll ich Dir senden den Mondenschein? mein Lieb!
Daß er Grüße Dir strahle ins Kämmerlein, mein Lieb!
Doch scheinet der Mond nun in stiller Nacht,
Wenn doch mein geliebtes Leben nicht wacht.

Nun muß ich wohl selber der Bote sein - mein Lieb!
Zur Heimath zieh' ich nun wieder ein, mein Lieb!
Da will ich Dich grüßen und küssen fein!
Zwei sollen nun wieder vereinet sein.
(S. 18-21)
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Zwiegespräch
1838

Der Muthwillige
Die Ros' in ihren Tücken
Ist reich an spitzen Dornen;
Doch soll mich, sie zu pflücken,
Dies nur noch höher spornen.

Mein Lieb', mit Deinem Grollen
Soll es Dir nicht gelingen;
Nein! nach der Launenvollen
Will ich nur mehr noch ringen!


Der Schwermüthige
Mein Herz hat bis auf's Blut
Ein Rosenborn verwundet;
Ich weiß es gar zu gut,
Daß es nie mehr gesundet.

Ich wünsche nichts zurück;
Mein Herz hat ausgerungen.
Nun sind mein einz'ges Glück
Noch die Erinnerungen.
(S. 22-23)
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Herbstklage
1839

Hart scheint mir's wahrlich, daß in Regengüssen
So einsam soll mein Herz vorüberschweben,
Und daß ich Dich, mein heißgeliebtes Leben,
So fern in dieser Zeit, so fern muß wissen!

Dein liebes sanftes Lächeln soll ich missen,
Da Wolken hier nur reiche Thränen geben;
Kein Flämmchen will durch meine Dämm'rung beben
Seit Deines Anblicks Licht mir ward entrissen.

Wie hold mit Deiner Stimme ohne Gleichen
Magst Du jetzt manchen Regentag verschönen
Und Wind'sgeräusch mit Liedern übertönen!

O dürft' ich nahen Deinen Zauberreichen!
Denn ach! mit allem Sinnen, allem Denken
Kann ich nicht ganz mich in Dein Bild versenken.
(S. 23)
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Seeliger Abend
1839

Oft schwelg' ich sinnend noch in altem Glücke,
Wie meine Augen bittend an Dir hingen,
Ein altes, uns so theures Lied zu singen,
Und Du Gewährung nicktest mir zurücke.

Da mühten Töne sich, die Zauberbrücke
Von Dir zu mir geschäftig zu vollbringen,
Auf welcher helle Boten sich ergingen,
Vor Herzensfreude leuchtend, uns're Blicke.

Du hatt'st mit süßen Blicken, süßen Tönen,
Mein süßes Leben, also mich umwoben,
Daß ich entzückt war und der Erd enthoben!

Bis daß, gleichwie der Geisternacht, der schönen,
Ein Hahnenruf muß schnelles Ende machen,
Der and'ren schaal Geschwätz uns ließ erwachen.
(S. 24-25)
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Abend am Meere
1839

Dort schrieb ich Deinen Namen auf im Sande,
Den nah'nde Silberwellen in sich sogen,
Bis, ausgetauscht, die See er ganz durchflogen,
Die treu ihn hüllt in bläulich-grüne Bande.

Des Abends, da in rosigem Gewande
Mit Purpurkronen prangten alle Wogen,
Da kamen singend sie dahergezogen,
Und rauschten Deinen Namen leis zum Strande.

Wir hörten's droben auf der Bergesspitze. -
Du sprachst: wie kommt's, daß durch der Wogen Lieder
Mein Name deutlich tönt zu uns'rem Sitze?

Bin ich denn so bekannt an dieser Küste?
Ich lacht' in mich, schaut' auf die Erde nieder
Und machte so, als wenn ich es nicht wüßte.
(S. 25)
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Seefahrt
1839

Wir fuhren mitten durch die grünen Räume,
Als wir von fern den Donner hörten rollen:
Ein Schlachtruf war's, auf den die Wogen schwollen,
Und zornig ballten sich die weißen Schäume.

Blitzstrahl umzitterte die Wolkensäume;
Es sang die See in Tönen, grauenvollen.
Wie muß so schwer das Schicksal uns doch grollen,
Daß es zerknickt die Blüthen uns'rer Träume!

Du saßest, bang an meine Brust gelehnet;
Wie süß ihr's war, ein Obdach Dir zu gönnen!
Wie wundersüß, beschützen Dich zu können!

Da muß das Land, von mir noch nicht ersehnet,
Sich nah'n und hämisch schnelles End' bereiten,
Für Dich der Angst, für mich der Seeligkeiten.
(S. 26)
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Die Erinnerung
1838

Ein Greis und seine Gattin saßen
Im Zimmer einst beim Abendschein:
Ihr trübes Alter sie vergaßen
Vor der Erinn'rung Zauberei'n.

Die Briefe, die sie einst sich schrieben,
Durchlasen sie mit trunk'nem Sinn;
Ihr Glück, ihr Ahnen und ihr Lieben
Wand sich durch gold'ne Zeilen hin.

Es wölbte sich ob ihrem Haupte
Der Himmel der Erinnerung:
Was auch das Leben ihnen raubte,
Jetzt wurden sie auf's Neue jung.

Sie saßen, vor Entzücken trunken,
Sie saßen glühend, Hand in Hand:
Es war ihr ganzes Herz versunken
In das entfernte Jugendland.

Die Geister ihrer schönsten Jahre
Durchschwebten jetzt des Himmels Raum,
Es schmückte ihre Silberhaare,
Als heil'ges Diadem, der Traum.

Das erste Ahnen, erste Wissen,
Das sich um ihre Herzen wob;
Der erste Schmerz, der sie zerrissen,
Die erste Lust, die sie erhob:

Das zog vorbei im Sternenglänzen,
Von Zauberscheine ganz umhüllt,
Und schmückte noch mit Jugendkränzen
Die greisen Häupter sanft und mild.

Da fuhr ein Windzug durch das Zimmer,
Der Zauber wich von ihrem Sinn,
Und freundlich sah der Sterne Schimmer
Auf die erwachten Träumer hin.
(S. 27-28)
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Den Liebesliedern
1841

Wenn ich, ihr Lieder, eure helle Reihe
Erinn'rungstrunken, seelig überschaue,
Und dann mit altem Glanze mich auf's Neue
Anleuchtet meiner Jugend Frühlingsaue:
Steigt's warm die Brust herauf, und kaum zu stillen
Sind Thränenströme, die das Aug' erfüllen.
Und ach! wie sehr ich auch mit Vatertreue
An Euch, geliebte Kinder, möchte hangen,
Vernichtet säh' ich Euch ganz ohne Reue,
Und nie nach Euch mehr trüg' ich ein Verlangen,
Wenn die Gefühle, die hervor Euch riefen,
Mir jetzt noch ruhten in des Busens Tiefen!
(S. 28-29)
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Wilde Rosen auf Ruinen
1839

Jene Minne, die vor Alters
Auf erhab'nen Burgen wohnte,
Die auf zarten rothen Lippen
Und in blauen Augen thronte,

Nimmer mit der Burg Zerstörung
Durft' ihr Geisterleben schließen:
Unter Schutte selbst und Asche
Will die heil'ge Gluth noch fließen.

In des Frühlings goldnen Tagen
Überfällt sie nun ein Drängen,
Daß sie gern die ird'schen Fesseln
Möcht' mit Himmelskräften sprengen.

Durch die Gänge der Ruine
Nimmt sie schlängelnd ihren Lauf,
Schlägt hoch oben zum Gemäuer
Hold als wilde Ros' herauf.

Solche Rose liebt zu träumen
In der stillsten Mondennacht
Von verhallten Liebesklagen,
Von gesunk'ner Schlösser Pracht.
(S. 35-36)
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Aus: Gedichte eines Königsberger Poeten
[Ferdinand Falkson]
Königsberg 1844
Bei Theodor Theile

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Falkson

 


 

 


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