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Ernst von
Feuchtersleben
(1806-1849)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Herz
Das seltsame, thörichte, fragende Herz,
Im Glücke so bang, so glückselig im Schmerz -
Was mag es nur ewig so klopfen?
Es klopft, ach! nicht ewig; es bebet, es harrt,
Bis das Blut in den Gängen des Lebens erstarrt,
Allmählich, von Tropfen zu Tropfen.
Dann schweigt es; dann ruht es; Dämonen der Welt
Sie tragen's ins Haus, das nicht Helios hellt,
Das die Schatten Persephone's schwärzen;
Doch die darin pochte, die selige Kraft,
(Die Hülse zerstiebte) - sie hat sich entrafft,
Und fliegt an das Herz aller Herzen.
(S. 21)
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Wein und Liebe
Ein Gläschen Wein ist gar so gut;
Und wie's dem Herzen wonnig thut!
Durch den charmanten Rosenflor
Kommt Einem alles rosig vor.
Dazu ein Pfeifchen, das gut brennt;
Das wäre so dein Element!
Warum denn nicht? Es schäme sich
Der Gleißner deß, und gräme sich!
Doch hat das alles keinen Sinn,
Wenn ich allein am Tischchen bin;
Ich bin nur ich; ich brauch' als du
Ein liebes Kind doch auch dazu;
Ein herzig's, das mit trinkt und lacht,
Und mir geheime Zeichen macht;
Allein hat's Trinken kein Gewicht;
Wozu denn das? Das mag ich nicht!
(S. 25)
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Liebe
Verweile hier, und wiederhole dir's!
Ist's doch des ewigen Verweilens werth -
O könnte man's lebendig wiederholen!
Da wardst du Mensch, als Liebe dich berührte.
Als noch die Welt, ein graues Räthselknäuel,
In deiner Hand lag, ekel zu entwirren,
Die Zukunft, kalt und wüst und farbenlos,
Ein Nebelmeer, um deine Brust sich legte:
Wie war dir da! wie zog die Seele damals,
Mit ihren Wünschen, ihren Kräften allen,
Sich in ein selbstgenügsam Nichts zusammen!
Du dachtest dir das Leben so. Da traf
Der schöpferische Strahl auch deine Mitte:
Du wardst gelös't, und deine Zweige blühten,
Und deine Frucht reift Ewigkeiten zu.
(S. 48)
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Aus dem Osten
1. Dschelal-eddin Rumi:
Was schlägt aus träumerischen Fernen
Wie Aeols-Klänge an dieß Ohr?
Was trägt zu wundervollen Sternen
Ein längst vereinsamt Herz empor?
Der Himmel glänzt, Planeten rauschen,
Man spürt die Pulse der Natur;
Die Geister meines Lebens lauschen,
Sie merken ihres Ursprungs Spur.
Es ist kein Träumen, ist kein Denken,
Ist kein Gefühl, das steigt und fällt -
Nennt es ein mystisches Versenken
Ins liebevolle Herz der Welt.
Es birgt sich nicht den Schmerz, zu schwinden,
Der höchsten Liebe tief gewiß -
Gewiß, sie dann auch noch zu finden,
Wann schon des Daseyns Kleid zerriß.
(S. 61)
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4. Hafis:
Daß ich deine Schönheit liebe,
Irrthum hat man das genannt,
Und der zarteste der Triebe
Ward zum Laster hingebannt;
Irrthum! was ist Irrthum? Nennen
Will ich euch die rechte Spur:
Irrthum ist es, zu verkennen
Das Begehren der Natur.
Laster! was ist Laster? Richtet
Auch hierüber die Natur?
Ja, sie richtet; und sie schlichtet:
Mangel ist's an Liebe nur.
Fragt das Alter, fragt die Jugend,
Was denn Irrthum, Wahrheit sey?
Seine Laster, ihre Tugend,
Sind so ziemlich einerlei.
(S. 64)
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5. Dschaim:
Jedem darfst du nicht, Dschaim,
Schmerzen klagen:
Klag' sie Jenen, die sie im
Herzen tragen.
Denn die Liebe nur versteht
Liebesgleichen:
Mein Ziel wird, wer mit mir geht,
Mit erreichen. (S.
65)
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6. Ferhad:
Will den Stein zum Bildniß hauen,
Nimmer müde, für und für;
Einmal werd' ich sie doch schauen,
Einmal komm' ich doch zu ihr!
Weh! ich fühl's; ich fühl's mit Grauen -
Einmal werd' ich müssen ruhn:
Meinen Leichnam wird sie schauen
In dem Berge Bisutun.
Mag sie dann mit Thränen schauen,
Wie ich liebte! es genügt;
Und so laßt mich rastlos hauen,
Bis der Stein ihr Bildniß lügt.
(S. 65)
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7. Medschnun:
Laß mich nicht der Flamme wehren,
Wenn sie ewig mich umfließt,
Laß mich hastig, hastig zehren,
Wenn die Kost vergänglich ist!
Laß mich hüten, mich verehren,
Was ich nicht besiegen kann;
Ich verschwende im Entbehren,
Was mich tödtet, bet' ich an.
Kenntet ihr der Wüste Schwüle -
Selig prieset ihr Medschnun!
In des Wahnsinns Schatten-Kühle,
Die ihn deckt, ist's gut zu ruhn!
(S. 66)
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8. Jussuf:
Neigung läßt sich nicht erzwingen,
Nicht gebieten läßt sie sich;
Als du zuzogst deine Schlingen,
Arme! da verlorst du mich.
Doch was höh're Mächte wollten,
Es geschah; was sorgtest du?
Jahr auf Jahre, sie verrollten -
Dieses Herz, es fiel dir zu.
Floß bis jetzt in Liebestrauer
Dein verweintes Leben hin -
Nun, so fühl's mit Wonneschauer:
Daß ich dein - auf ewig bin.
(S. 68)
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Liebe
1.
Sonette müssen, seit Petrarca sang,
Vom holden Mithrasdienst der Liebe klingen;
Und könnte Jeder wie Petrarca singen,
Nie endete der wonnevollste Klang.
Allein, wie manches Herz, im schönen Drang,
Regt, ach, vergebens allzuzarte Schwingen;
Darf auch das Wort in jene Räume dringen,
In die ein liebendes Gemüth sich schwang?
So weih' ich denn, statt vieler, dieß Gedicht,
Mit frommer Scheu den Liebenden im Stillen,
Daß sich die laute Welt an sie erinnre;
Und doch! ich irre! sie bedürfen's nicht,
Und ich vermag's nicht bei dem reinsten Willen, -
Denn nie zum Aeußern wird das wahrhaft Innre.
2.
Mich hat ein schreckenvoller Traum gepeinigt:
Ich sah dich zwischen eines Sarges Wänden,
Mit kreuzweis auf die Brust gelegten Händen,
Den schönen Leib, zu früh! dem Staub vereinigt.
Doch dieß Gesicht hat mein Erblühn beschleunigt;
Was keine Macht der Welt vermag zu wenden,
Ward mir zum Bild, mein Innres zu vollenden;
Ich fühle mich erschüttert und gereinigt.
Im Sturm der Nächte, in des Mittags Scheine, -
Hab' ich's vor mir, das Trauerbild im Schreine, -
Es hat mich eingeweiht zum Sohn der Schmerzen.
Mich dünkt, als ob mich nichts mehr rühren würde,
Denn jenen fürchterlichen Traum im Herzen,
Trag' ich, wie leicht! des Lebens schwerste Bürde.
(S. 182-183)
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Aus: Gedichte von
Ernst Freiherrn von Feuchtersleben
Stuttgart und Tübingen
in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1836
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_von_Feuchtersleben
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