Arthur Fitger (1840-1909) - Liebesgedichte

Arthur Fitger



Arthur Fitger
(1840-1909)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Einer schönen Kranzwinderin

Die Rosen, die du mir gepflückt
In schönen Maientagen,
Wie hab' ich sie ans Herz gedrückt
Und stolz am Hut getragen!
Noch wird die Brust mir himmelweit,
Gedenkt sie an die Wonnezeit;
Danke, mein Liebchen, ich danke.

Die Reben, die du mir um's Glas
Beim Winzerfest geschlungen,
Sie würzten heiss das kühle Nass,
Dass wild mein Blut gesprungen;
Mir ward ein Glück - ich fass es kaum -
Kein schön'res sah mein schönster Traum;
Danke, mein Liebchen, ich danke.

Und willst du mir den Rosmarin
Zum Todtenkranze winden,
Wie leicht werd' ich von dannen ziehn,
Die ewige Rast zu finden.
Ein Gruss von dir fährt mit hinab,
Ein Gruss von dir weht um mein Grab;
Danke, mein Liebchen, ich danke.

Doch Lorbeerkränze gieb mir nicht;
Die sind kein Liebeszeichen;
Das unbestechlichste Gericht
Nur darf den Lorbeer reichen;
Ich bin ja dein und du bist mein;
Doch packe deinen Lorbeer ein;
Danke, mein Liebchen, ich danke.

aus: Requiem aeternam dona ei
Gedichte von A. Fitger
Leipzig A. G. Liebeskind 1894 (S. 80-81)
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[Durch alle Museen schleppten sie mich]

1.
Durch alle Museen schleppten sie mich,
Zeughäuser und Folterkammer;
Mit Angst und Grausen überschlich
Mich der längst verstummte Jammer.

O Herz, du thörichtes altes Herz,
Und willst du's noch einmal wagen,
Den ganzen wahnsinnigen Höllenschmerz
Der Liebe zu ertragen?

Vergleicht sich denn irgend ein Arsenal
Mit Amors Fackeln und Pfeilen?
In Gottes Namen: lobsinge nochmal,
Bald wirst du fluchen und heulen.


2.
Ich sah dich an und ahnte nicht,
Was mir beschieden sei;
Nacht lag auf meinem Angesicht,
Auf meinem Herzen Blei.

Von deinem Mund ein Lächeln glitt,
Ein hingehauchter Ton, -
Und meine Seele überschritt
Da ihren Rubicon.


3.
Das ist der alte, sel'ge Schmerz,
Der wieder mich durchflammt;
Das Hirn ist abgedankt, das Herz,
Das Herz nur steht im Amt.

Fort Sklavenfessel, die mich schloss,
Rath, Weisheit, Mässigung!
Das Volk steht auf, der Sturm bricht los,
Die Welt wird wieder jung.

Triumph der neuen Monarchie!
Die Lieb' ist Herr im Haus,
Und jeder Tropfen Bluts ruft sie
Zum Imperator aus.


4.
Ehe die Lampe verlöschen muss,
Nimmt sie noch einmal zusammen
All ihre Strahlen und beut dem Kuß
Des Todes die hellsten Flammen.

Ich fühl' es: meine Zeit ist aus,
Dies Glück ist mein letztes Glänzen;
Man trägt mich wie einen Jüngling hinaus,
Den tausend Rosen bekränzen.

aus: Requiem aeternam dona ei
Gedichte von A. Fitger
Leipzig A. G. Liebeskind 1894 (S. 127-129)
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[Durch Sturm und Regen]

Durch Sturm und Regen
Der Liebsten entgegen, -
Die Uhr schlägt sieben -
O Mädchen wo ist meine Ruhe geblieben?
All meine Weisheit, all meine Stärke
Verschwend'risch verpufft wie im Feuerwerke.

Kein Schimmer von Sternen,
Nur Schmutz und Laternen, -
Die Uhr schlägt acht -
Die Dämmerung versunken in schwärzeste Nacht!
Und gestern sprachst du, als ich dich liess,
So zuversichtlich: Ich komme gewiss.

Wie pfeift's durch die nassen,
Unwirthlichen Gassen! -
Die Uhr schlägt neun -
Die Warte-Teufel des Narren sich freu'n;
Von glühenden Nadeln wimmelt mein Blut
O, lösche dies Herz, du himmlische Fluth.

Die Tropfen schlagen,
Die Flocken jagen, -
Die Uhr schlägt zehn -
Nun ist's um die letzte Hoffnung geschehn.
Die Faust aufs zuckende Herz gepresst!
Und schleiche nach Haus in das frostige Nest.

In einsamer Zelle
Ein stummer Geselle -
Die Uhr schlägt elf -
O dass ihm freundlich die Muse helf,
Von heimlichen Qualen, von Schmachten und Sehnen
Sein Herz zu entladen in Liedern und Thränen.


aus: Requiem aeternam dona ei
Gedichte von A. Fitger
Leipzig A. G. Liebeskind 1894 (S. 131-132)
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[Welch' Geflatter, welch' Gewimmel!]

Welch' Geflatter, welch' Gewimmel!
Alle Engelein im Himmel
Schütten sich vor Lachen aus:
"Seht, o seht den Philosophen,
Liebestoll wird er betroffen,
Späht man nächtlich in sein Haus.

Ohne Consequenzen kniet er
Auf den kalten Estrich nieder,
Und er betet ohne Wort,
Ohn' Exaudi, ohne Amen,
Aber einen theuren Namen
Ruft er brünstig fort und fort.

Fliegen will er ohne Schwingen,
Ohne Glauben Gnad' erzwingen,
Segen heischt er ohne Gott;
Ach, ungläubiger Thor, hienieden
Sollst an Amors Fackel sieden
Wie man je im Pechpfuhl sott,"

Und sie kichern, höhnen, lachen
Wie ein Nest voll kleiner Drachen;
Selber höhnt er mit drauf los:
"Ringst den Bast dir von den Händen;
Aber kannst es doch nicht wenden,
Was die Parze dir beschloss."

Doch der Herr, der ewig grosse,
Wehrt dem kindischen Getose:
"Stummes Knien ist schon ein Glück;
Und an mitternächtigen Thränen
Und unausgesprochnem Sehnen
Ruf ich Ketzer mir zurück."

aus: Requiem aeternam dona ei
Gedichte von A. Fitger
Leipzig A. G. Liebeskind 1894 (S. 144-145)
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[Was suchst du hin, was suchst du her?]

Was suchst du hin, was suchst du her?
Die treue Liebe ist dahin,
Die liebe Treue, die ist todt,
Und du erweckst sie nimmermehr.

Das ist der Platz, das ist das Haus,
Da hat das kurze Glück gewohnt,
Da stehst du halbe Nächte lang;
Doch Niemand schaut nach dir hinaus.

Windfahne kreist voll Angst und schreit,
Weil sie der scharfe Nord umpfeift;
Der Frühling starb, der Winter stürmt,
Und unaufhaltsam flieht die Zeit.

Begreif es doch und sieh es ein:
Die Lieb ist todt, die Treu ist todt,
Was ringst du dir die Hände wund;
Ergieb dich drein, ergieb dich drein.


aus: Requiem aeternam dona ei
Gedichte von A. Fitger
Leipzig A. G. Liebeskind 1894 (S. 146-147)
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Lied

Singend über die Heide
Steigen Lerchen empor,
Goldige Knospen der Weide
Dringen am Ufer hervor,
Und der Himmel so wunderblau!
Allüberall hellsonnige Schau!
Ich und mein Lieb, wir beide
Wandeln durch sprießendes Rohr.

Kargen Worts ist der Kummer
Zehrend in tiefer Brust;
Aber noch tausend Mal stummer
Ist unsägliche Lust:
"Ich bin ja Dein und Du bist ja mein!"
Das mag ihr einziges Wörtlein sein;
Hat doch kein Weiser, kein Dummer
Jemals ein bessres gewußt.

Wolken über uns schwellen,
Kaum daß ein Windzug sie blies;
Traumhaft schwatzen die Wellen
Über dem farbigen Kies,
Ferne nur, ferne noch Lerchenlied -
Seliges Schweigen die Seele durchzieht,
Engel erschließen die hellen
Pforten zum Paradies.


aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig 1887 (S. 182-183)
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Erinnerung

In dem Nachen saßen wir und schwammen
Weit hinaus auf's purpurblaue Meer
Und die Wolken, rosenfarb'ne Flammen,
Flatterten am Himmel drüber her.

Unser Herz in süßen Liedern träumte,
Unsre Lippe schwelgte hoch im Kuß
Und aus uns'ren Bechern sprüht' und schäumte
Dionysos' gold'ner Ueberfluß.

Aber allgemach versinkt im Westen
Farbenglut und Sonnenstrahlenpracht
Und aus schwarzen, wolkigen Palästen
Weht hervor die regnerische Nacht.

Und nun seufzet ihr auf in bitt'rer Klage
Sehnsuchtsvoll nach dem getrübten Glück
Und begierig fordert ihr die Tage
Der vergang'nen Freuden euch zurück?

Heget Scham ob eurer Sehnsucht Schmerzen,
Ihr, die einmal doch ein Glück umfing,
Das an tausend durst'gen Menschenherzen
Hast'gen Schrittes karg vorüberging.


aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig 1887 (S. 183)
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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Fitger

 

 

 


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