Theodor Fontane (1819-1898) - Liebesgedichte

Theodor Fontane

 

Theodor Fontane
(1819-1898)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 

Winterabend

Da draußen schneit es: Schneegeflimmer
Wies heute mir den Weg zu dir;
Ein tret' ich in dein traulich Zimmer,
Und warm ans Herze fliegst du mir -
Ab schüttl' ich jetzt die Winterflocken,
Ab schüttl' ich hinterdrein die Welt,
Nur leise noch von Schlittenglocken
Ein ferner Klang herübergellt.

»Nun aber komm, nun laß uns plaudern
Vom eignen Herd, von Hof und Haus!«
Da baust du lachend, ohne Zaudern,
Bis unters Dach die Zukunft aus;
Du hängst an meines Zimmers Wände
All meine Lieblingsschilderein,
Ich seh's und streck' danach die Hände,
Als müss' es wahr und wirklich sein.

So flieht des Abends schöne Stunde,
Vom fernen Turm tönt's Mitternacht,
Die Mutter schläft, in stiller Runde
Nur noch die Wanduhr pickt und wacht.
Ade, ade! von warmen Lippen
Ein Kuß noch - dann in Nacht hinein:
Das Leben lacht, trotz Sturm und Klippen,
Nur Steurer muß die Liebe sein.
(S. 310)
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Meiner lieben Emilie
zum achten Dezember (1846)

Daß ich als meine dich umfangen,
Und dich geherzt, wie nie, so warm,
Heut ist ein Jahr seitdem vergangen,
Und liegt nun da, so reich, so arm;
So arm an allem eitlen Streben
Nach eines Namens Schellenkleid,
Doch überreich an innrem Leben,
An höchstem Glück und tiefsten Leid.

Denk ich, wie wechselnd, bald die Freude,
Bald mich der Schmerz in Händen hielt,
So ist mir's fast als hätten beide
Mit meinem Herzen Ball gespielt,
Dies Werfen mich und Wieder-Fassen
Nahm oft der Freude selbst den Wert,
Und »möchten sie mich fallen lassen!«
Hab' ich manch liebes Mal begehrt.

Erkennen an dem eignen Lose
Mußt' ich, wie wahr der Dichter klagt:
»Ein liebend Herz ist eine Rose,
Daran die Sorgen-Raupe nagt.«

Ob nimmer auch, wie scheu-getroffen,
Ihr Zahn die Blüte selbst versehrt, -
Die frischen Blätter - Mut und Hoffen -
Sah ich bis auf den Grund verheert.
Schon sprichst du: »Welche Leichenrede
Statt eines frohen Festgedichts!«
Doch meiner Klagen all und jede,
Drum lächle nur, zerfällt in nichts;
Denn sprächst du je: »Dein Weg ist offen,
Sei wieder frei um froh zu sein«;
So ständ' ich; wie vom Blitz getroffen,
Und riefe weinend: »Bleib doch mein!«

Ich liebe dich, und bin geborgen,
Wenn du mir Lieb' um Liebe gibst;
Das aber sind all meine Sorgen:
Ob du so recht mich wieder liebst?
O könnt' ich doch zu dieser Stunde
In deine lieben Augen schaun,
Ich schöpfte Wohl aus ihrem Grunde,
Wie immer Hoffnung und Vertraun.
(S. 400-401)
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Trauriges Erwachen
1838

Der Mond, der alte Lauscher,
Steht vor dem Fensterlein;
Er horcht und schaut wie neidisch
In Liebchens Kämmerlein.

Ich lag zu ihren Füßen,
- O welch ein Götterlos! -
Und wiegte wonnetrunken
Mein Haupt in ihrem Schoß.

Sie spielte mit den Händchen
In meinem dunklen Haar
Und strich es zärtlich kosend; -
Wie schön das Mädchen war!

Mit ihrem lieben Auge,
Wie Demant rein und klar.
Versprach sie ewge Treue; -
Wie schön das Mädchen war!

Aus ihren süßen Küssen
Da fühlte ich fürwahr
Schon Seligkeit entsprießen; -
Wie schön das Mädchen war!

Die purpurfarbnen Lippen,
Die sagten endlich gar,
Daß sie mich herzlich liebe; -
Wie schön das Mädchen war!

Da, all die Lust zu fassen,
Hat meine Brust nicht Raum
Und selig rufend: Vanda!
Erwach' ich aus dem Traum.

Da war die Lust entflohen
Und bitterböser Schmerz,
Der Gram um ewge Trennung
Erfüllte nun mein Herz.

Zwar stand der Mond, der Lauscher,
Vor meinem Fensterlein;
Doch war er bald verschwunden,
Denn ich - war ganz allein.
(S. 602-603)
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Im Garten

Die hohen Himbeerwände
Trennten dich und mich,
Doch im Laubwerk unsre Hände
Fanden von selber sich.

Die Hecke konnt' es nicht wehren,
Wie hoch sie immer stund:
Ich reichte dir die Beeren,
Und du reichtest mir deinen Mund.

Ach, schrittest du durch den Garten
Noch einmal im raschen Gang,
Wie gerne wollt' ich warten,
Warten stundenlang.
(S. 305-306)
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Der Kastanienbaum

Dort unter dem Kastanienbaum
War's einst so wonnig mir,
Der ersten Liebe schönsten Traum
Verträumt' ich dort mit ihr.

Dort unter dem Kastanienbaum
Ist's jetzt so traurig mir,
Dort gab ich meinen Schmerzen Raum,
Seit Vanda schied von hier.

Und doch ist's gar ein lieber Ort,
Erinnrung heiligt ihn,
Es ist kein Zweig, kein Blättchen dort,
Dem sie nicht Reiz verliehn.

Das Windesspiel in dunkler Krone,
Ihr melancholisch Rauschen
Gleicht ihrem bangen Abschieds-Tone
Und zwingt mich, ihm zu lauschen.

Die weiße Blume? war sie nicht
Selbst eine weiße Blüte?
Strahlt Unschuld nicht ihr Angesicht,
Nicht Reinheit, Seelengüte?

Mit zartem Purpurnetz durchstickt
Seh' ich die Blume prangen
Und denke wenigstens, entzückt,
An ihre Rosenwangen.

Bald werd' ich eine Frucht erschaun
Und habe dann fürwahr,
Es war ja auch kastanienbraun,
Ihr schöngelocktes Haar.

Nur eines fehlt, des Auges Blau,
Des Liebchens größte Zier,
Das trägt der Baum mir nicht zur Schau,
Das zeigt er niemals mir.

Doch wenn der Frühling wiederkehrt,
Belebt die weite Au,
Da, hoff' ich, ist der Baum bekehrt
Und blüht halb weiß, halb - blau.
(S. 596-597)
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Du siehst, es bleibt mit mir beim alten

Du siehst, es bleibt mit mir beim alten,
Trotz mancher bittern Neckerei;
Versprechen - und Versprochnes halten -
Ist mir noch immer zweierlei.

Und daß dir alle Zweifel schwinden
An meinem Unverändertsein,
Stell' ich mich mit Entschuld'gungsgründen
Ob meines Schweigens bei dir ein.

Ich habe sechsmal Platz genommen,
Sechsmal die Feder zugestutzt,
Doch was mir in den Sinn gekommen,
War immer dumm und abgenutzt.

Von deutsch-katholischen Vereinen,
Draus mancher Stoff in Masse fischt,
Sag selber - wär' es nicht zum Weinen,
Hätt' ich dir davon aufgetischt!

Schon höhnt' ich mich und all solch Wissen,
Als mir ein Kraftgedanke kam
Und ich die »Sehnsucht, dich zu küssen«,
Zum Stoffe meines Briefes nahm.

Kaum aber hatt' ich angefangen,
Packt' ich schon lächelnd wieder ein; -
Ein Kuß - dies mündlichste Verlangen -
Muß mündlich vorgetragen sein!
(S. 399)
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Der Bach und der Mond
(An Minna)

Es floß ein Bach durch Waldesgrün,
War lauter, klar und rein,
Viel Blümchen an dem Bache blühn,
Und alle nett und fein.

Doch tut er stets, als säh' er nicht
Die Blümchen um ihn her,
Des lieben Mondes Angesicht
Gefiel dem Bache mehr.

Er hat es gleich ans Herz gedrückt
Und zärtlich es geküßt,
Wenn's nur auf ihn herabgeblickt
Und freundlich ihn gegrüßt.

Doch plötzlich raubt ein Wolkenschwarm
Dem Bach des Mondes Bild,
Da tobt er voller Schmerz und Harm
Durchs nächtige Gefild.

Das Leben dünkt ihn kein Genuß,
Nur einzig Qual und Not,
Und voller Lebensüberdruß
Erfleht er schon den Tod; -

Da, dank dem Ewgen, bricht hervor
Der Mond gar hell und klar; -
Was alles, auch der Bach verlor,
Jetzt droht ihm nicht Gefahr.

Jetzt, wo des Mondes Silberglanz
Sich spiegelt in der Flut,
Ist er der alte wieder ganz,
Dem Leben wieder gut.
(S. 595-596)
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Veränderungshalber!

»Es geht nicht mehr im fremden Lande,
Die Welt birgt nur ein Paradies,
Das liegt daheim am Meeresstrande,
Wo ich mein trautes Liebchen ließ.

Ich kann das Herz nicht länger zügeln
Und nicht regieren meinen Sinn,
So eil' ich denn auf Liebesflügeln
Zu ihr, der Heißgeliebten, hin.«

Bald zog ich jubelnd auch von dannen,
Durch Fluren und durch Wälder hin,
Mein Herz verhöhnte selbst die Tannen
In ihrem ewgen Hoffnungsgrün.

Und endlich kehrt' ich heim ins Städtchen
Erblickte meines Liebchens Haus;
»Bald bin ich dein, mein herzig Mädchen,
Und ruh' in deinen Armen aus!« -

Da stand ich nun in ihrem Stübchen
Nach einem langen, langen Jahr,
Da sah ich nun das schöne Liebchen
So wunderschön, wie sonst sie war.

Es glühte noch der Augen Feuer,
Es glänzte noch das schwarze Haar,
Noch schien ich ihrem Herzen teuer
Und alles so, wie's früher war.

Das Liebchen vor und nach der Reise,
Sie glichen sich bis auf ein Haar,
Nur daß sie jetzt zufäll'gerweise
Die Braut von einem andern war.

Sonst wär' auch alles mir geblieben,
Drum ward, woran mein Herz geglaubt,
Und all sein Hoffen, all sein Lieben
Verändrungshalber mir geraubt.
(S. 623-624)
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Minna
1853

Ich hab' darüber nachgedacht
(Nachdenken immer nützt und frommt!)
Und hab' gefunden über Nacht,
Woher der Name »Minna« kommt;
Feststeht es meinem Sinne,
Daß Minna kommt von Minne,
Und legst Protest du gegen ein,
Mußt du nicht fest im Deutschen sein.

Vielleicht auch (denn, schier launenhaft
Springt oft die Sprache kreuz und quer
Und legt nicht Rechnung, wie sie schafft)
Kommt Minna auch von »meine« her.
Doch dieses zu entscheiden,
Das macht mir eben Leiden,
Und besser als Heyse und Heinsius
Entschiede das ein süßer Kuß!
(S. 783)
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Gewonnen

Ich schaute einst im Traume
Zwei Äuglein, klar und schön,
Die waren wie die Sterne
So lieblich anzusehn.

Ich küßte auch zwei Lippen,
In Morgenrot getaucht,
Die waren wie die Rosen,
Von Anmut überhaucht.

Ich hörte eine Stimme,
Von silberhellem Klang,
Die zitternd mir zum Ohre
Und wohl noch tiefer drang.

Was schon in luftgen Träumen
Mein trunknes Herz erschaut,
Sie, die im Traum ich liebte -
Ward heute meine Braut! -

Die Augen wie die Sterne,
Die seien nun begrüßt,
Die Lippen wie die Rosen,
Die seien nun geküßt;

Und Worte wie die Lieder
Erlausche Herz und Sinn,
In Worten kling' es wieder
Wie glücklich heut ich bin.
(S. 612)
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Trost

Ich stehe auf des Turmes Zinne
Und träume von verlorenem Glück
Und schau' mit wehmutsvollem Sinne
Auf die Vergangenheit zurück.
Es sucht mein trübes Auge wieder
Die Teure, der mein Herz vertraut,
Und böse, schmerzerfüllte Lieder,
Sie werden in der Seele laut.

Ich will, ich kann es nimmer fassen,
Daß Vanda treulos von mir schied;
Wie durfte sie mich nur verlassen,
Entpressen mir dies Schmerzenslied!
O weh, die Lippe hat gelogen,
Wenn ihre Worte mich beglückt,
Die Augen haben mich betrogen,
Wenn sie mich liebend angeblickt.

Sie weilt nicht mehr in meiner Nähe,
Sie schied und mit ihr meine Lust,
Und bittres, namenloses Wehe
Erfüllt statt ihrer meine Brust.
Sie schied mit tränenlosem Blicke,
Mir brach die Trennung fast das Herz,
Sie träumte schon von künftgem Glücke,
Ich ahnte meinen künftgen Schmerz.

Die schönen Träume sind zerronnen,
Die einst die Brust mit Stolz geschwellt,
Ein dunkles Leben hat begonnen,
Durch ihre Blicke nie erhellt.
Sie, der ich ganz mich hingegeben,
An deren Liebe ich geglaubt,
Sie nahm mir - weh - das halbe Leben,
Sie hat den Glauben mir geraubt.

Doch ist der Glaube mir geschwunden,
Erloschen auch dies Himmelslicht; -
Sie mußte tiefer noch verwunden,
Denn meine Hoffnung nahm sie nicht.
Ich hoffe, noch geliebt zu werden,
Drum, Herz, mein Herz, sei nicht betrübt,
Es hat ja niemand hier auf Erden
So innig sie wie du geliebt.

Sie wird die Liebe einst erkennen,
Die ich im Herzen stets genährt,
Wird wieder mich mit Namen nennen,
Die einstens ich so oft gehört;
Wird reuig meine Hand erfassen
Und flüstern leise in mein Ohr:
»Wie konnte ich nur dich verlassen,
Ich lieb' dich wieder, Theodor!«

Doch war umsonst der Seele Hoffen,
Bleibt ewig mir ihr Herz geraubt,
Seh' ich den Himmel nimmer offen
Dem ich mich einst so nah geglaubt; -
Dann ist mir noch ein Trost geblieben,
Der meinem Herzen Frieden gibt:
Ich darf die Treue ewig lieben,
Wenn sie auch nie mich wieder liebt.
(S. 604-606)
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Auf dem See

Ich treibe auf den Fluten,
Erfüllt von heitrer Ruh,
Und schau' dem Spiel der Lüfte,
Dem Tanz der Wellen zu.

Die Sonne strahlt vergoldend
Rings auf der Fluten Blau,
Sie strahlet segenspendend
Auf die begrünte Au.

Ich drücke wonnetrunken
Das Bild an meine Brust; -
Doch plötzlich - ein Gedanke -
Zerstört der Seele Lust.

Wie, sind es nicht die Wellen,
Die einst mein Lieb begrüßt?
Wie, sind es nicht die Lüfte,
Die zärtlich es geküßt?

Wie, ist es nicht die Sonne,
Die meine Lust erblickt,
Wenn Vandas Sonnenstrahlen
Mein kaltes Herz erquickt?

O sagt mir doch, ihr Wellen,
Habt ihr sie nicht umrauscht?
Ihr wißbegiergen Lüfte,
Habt ihr sie nicht belauscht?

O sag mir, liebe Sonne,
Siehst du nicht meine Braut?
Hat denn dein Flammenauge
Mein Liebchen nicht erschaut?

Da mußte wohl sie weinen,
Denn trübe ward ihr Blick;
Sie gab nur Tränenströme
Als Antwort mir zurück.

Die Lüfte und die Wellen,
Die sangen dann ein Lied,
Wie Liebe und wie Treue
Aus ihrem Herzen schied. -

Ich treibe auf den Fluten
Und schau' in sie hinab;
Gedenke der Geliebten
Und denke an das Grab.
(S. 608-609)
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Zum 14. November 1868

Ja, ja, Geliebte, man wird alt,
Trotz Filz und Wolle hat man kalt
An Sohlen und an Füßen,
Und ißt am Schlusse des Soupers
Man gar noch etwas Schweizerkäs',
So muß man dafür büßen.

Die Nerven - ach du lieber Gott!
Die Leber wird zum Kinderspott,
Die Leber und der Magen;
Doch würd' auch alles weh und wund,
Eh bien, bleibt nur das Herz gesund,
So wollen wir's ertragen.
(S. 416)
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Liebchen komm, vor dieser Zeit, der schweren
(1848)

Liebchen, komm, vor dieser Zeit, der schweren,
Schutz zu suchen in den Cordilleren,
Aus der Anden ew'gem Felsentor
Tritt vielleicht noch kein Constabler vor.

Statt der Savignys und statt der Uhden
Üben dort Justiz die Botokuden,
Und durchs Nasenbein der goldne Ring
Trägt sich leichter als von Bodelschwingh.

Ohne Wühler dort und Agitator
Frißt uns höchstens mal ein Alligator,
Schlöffel Vater und selbst Schlöffel Sohn
Respektieren noch den Maranon.

Dort kein Pieper, dort kein Kiolbassa,
Statt der Darlehnsscheine Gold in Kassa,
Und in Quito oder Santa Fe
Nichts von volksbeglückender Idee.

Laß die Klänge Don Juans und Zampas,
Hufgestampfe lockt uns in die Pampas,
Und die Rosse dort, des Reiters wert,
Sichern dich vor Rellstabs Musenpferd.

Komm, o komm; den heimatlichen Bettel
Werfen wir vom Popokatepettel,
Und dem Kreischen nur des Kakadu
Hören wir am Titicaca zu.
(S. 402)
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Wie kann's auch anders sein!

Mein Liebchen ist geschieden,
Nun zieht der Winter ein,
Nun ist mein Herz erstorben; -
Wie kann's auch anders sein!

Ich steh' an ihrem Fenster
Und schaue oft hinein
Und weine manche Träne; -
Wie kann's auch anders sein!

Das Licht in ihrem Zimmer,
Es glimmt so matt und klein,
Fehlt doch ihr leuchtend Auge; -
Wie kann's drum anders sein!

Der Baum, an dem ich stehe,
Fühlt auch der Trennung Pein,
Klagt rauschend auch sein Wehe; -
Wie kann's auch anders sein!

Die Nacht ist trüb und dunkel,
Umflort der Sterne Schein,
Es trauert Erd' und Himmel; -
Wie kann's auch anders sein!
(S. 604)
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Frühling

Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
»Er kam, er kam ja immer noch«,
Die Bäume nicken sich's zu.

Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuß auf Schuß;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muß.

Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt: »Es ist erst März
Und März ist noch nicht Mai.«

O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh:
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag's auch du.
(S. 303-304)
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Ging auch alles um und um
(21. Oktober 1868)

Und ging auch alles um und um,
In dir, in mir, ich lieb' dich drum,
Ich lieb' dich drum, weil du mir bliebst
Ich lieb' dich drum, weil du vergibst,
Ich lieb' dich, - ach warum »Warum«? -
Und blieb' auch meine Lippe stumm,
Ich lieb' dich drum, weil du mich liebst.
(S. 416)
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Meine Braut

Wenn der Tag zur Ruh' gegangen,
Und des Abends Dämmrung graut,
Naht, mich liebend zu umfangen,
Meine heißersehnte Braut.

Aus der Hülle schwarzer Schleier
Mir allein ihr Antlitz lacht,
Himmlischer als sich ein Freier
Die Geliebte je gedacht.

Rein das Herz -gleich Glockentönen -
Trägt ihr Haupt den keuschen Mond
Würdger, als er auf der schönen
Stirne der Diana thront.

Millionen Diamanten
Schmücken ihr das Rabenhaar,
Unermüdliche Trabanten
Bilden ihre Dienerschar;

Und an ihrem Busen hauch' ich
Aus mein Weh und Herzeleid,
Denn aus ihren Küssen saug' ich
Mir der Dichtung Seligkeit.
(S. 656)
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Vision

1.
Wir wachten noch. Mit glühendem Verlangen
Zog ich das schönste Weib an meine Brust,
Das jemals eines Mannes Arm umfangen,
Durchzuckt von ihres Kusses süßer Lust
Fühlt' ich das Blut in meinen Pulsen stocken
Und war mir doch der Seligkeit bewußt.
Sie war ja mein; das Haupt voll dunkler Locken,
Der schlanke Leib, des Auges Liebesglut,
Des Busens schneeig weiße Lilienglocken,
Ihr liebend Herz und all sein heißes Blut.
Mein war es; und das geistige Genießen
Versank fast in der Leidenschaften Flut.
Sie hob das Haupt von ihrem Lagerkissen,
Belebte mich durch einen langen Kuß
Und sprach dann schmerzlich lächelnd: »Würd' ich wissen,
Dein Leichtsinn könnte diesen Hochgenuß
Der seligsten Vereinigung verderben,
Mir rauben, was ich hoch erkaufen muß -
O dann, Geliebter, wünscht' ich jetzt zu sterben,
Eh' mich der Hoffnung Himmelsfreuden fliehn
Und ihre Blätter herbstlich gelb sich färben.«
»Mein heißes Lieb, du sprichst in Phantasien,
Dein Blut ist heiß, sei ruhig, schlafe ein,
Schlaf ein, denn meines treuen Herzens Glühn
Und diese Küsse schwören: ewig dein!«
Sie sank zurück, sie schlief. - Noch war es Nacht,
Da blendet plötzlich mich ein heller Schein,
Auf mich herab sinkt die azurne Pracht
Des Himmels, der in goldnen Sonnenstrahlen
Hervor aus schneeig weißen Wolken lacht.
Doch könnt' ich jetzt auch mein Entsetzen malen,
Vor mir erhebt sich ein vergeßnes Bild
Und weckt in mir der alten Liebe Qualen.
Ich schaute nicht den Himmel blau und mild,
Ihr Auge ist's, ich hab es jetzt erkannt,
Die Wolke, die den Horizont umhüllt,
Es ist ihr weißes flatterndes Gewand,
Seht, wie sie flehend ihre Hand ausstreckt!
Wie, hört' ich recht! mein Name ward genannt!
So ist's kein Spiel der Hölle, das mich neckt -
Sie ist es selbst! - Doch ach, zu spät - die Reue
Hat nimmermehr die Toten auferweckt.
Und doch - weh mir - ich zittre! - meine Treue,
Die ich im Schwur gelobt, - sie wankt -
Die alte Liebe reget sich aufs neue -
Weib, rette mich, des Kampfes Ausgang schwankt! -
Und sie erwacht, sie richtet sich empor -
Ein einzger Kuß, und wie mich's auch gebangt,
Ich ging als Sieger aus dem Kampf hervor.
Und als sie fragte: was mich aufgeschreckt!
Da flüsterte ich leise ihr ins Ohr:
»Nichts, nichts, mein Kind, ein Traum, der mich geneckt!«


2.
Es war so traulich still in ihrem Zimmer; -
Sie selbst vom goldnen Abendrot umflossen,
Und an der Wand des Mondes Silberschimmer,
Das waren meiner Seligkeit Genossen,
Als mir sich, in des schönsten Weibes Zügen,
Ein süß Geheimnis endlich aufgeschlossen.
Sie liebte mich! - und könnten Engel lügen,
Und glaubt' ich selbst an eines Gottes Fehle
Unmöglich konnte mich ihr Auge trügen,
Der himmelsklare Spiegel ihrer Seele,
Unmöglich war's, daß in des Herzens Tiefen
Sie Kälte, Furcht und Zweifel mir verhehle.
Gefühle, die wie tot im Busen schliefen,
Belebten sich an meines Herzens Glut,
Mir war es, als ob tausend Stimmen riefen:
»Jetzt oder - nie! Der Sieg belohnt den Mut!«

Fort trieb's mich, eine Rose ihr zu pflücken,
Um alles, was im Herzen mir geruht,
Ihr mit dem Bild der Liebe auszudrücken,
Um sie, die blüh'nde Königin der Frauen
Auch mit der Blumenkönigin zu schmücken.
Und welch ein Sieg! ich sah aus ihrem blauen,
Dem klaren Auge, - Freudestrahlen sprühend,
Auch Freudentränen jetzt herniedertauen;
Sah an den Busen, wie die Rose blühend,
Der Liebe Bild gepreßt von ihren Händen,
Sah ihre Lippen, wie die Rose glühend,
Der Küsse heilges Feuer fast verschwenden;
Das schaut' ich alles, ach - und immer wieder
Wollt' ich zurück die trunknen Blicke wenden.
Sie steckte jetzt die Rose an das Mieder,
Sie wollte sprechen, doch die Lippe bebte,
Sie schlug die Augen auf, sie schlug sie nieder, -
Wie glühend auch ihr Herz der Liebe bebte,
Des Weibes Scham war ihr so ganz geblieben,
Daß sie den eignen Wünschen widerstrebte.

Da hat es mich zu rascher Tat getrieben;
Ein Kuß - und ach, im Gegenkusse brennen
Fühlt' ich die Lippen, hörte mich bei lieben,
Bei tausend längst erwünschten Namen nennen,
Und wie wir innig uns umschlungen hatten,
Da schwört' ich laut: »Es kann kein Gott uns trennen!«
Doch plötzlich sah ich vor mir einen Schatten,
Und zitternd, leise sprach mein Weib die Worte:
»Entflieh, Geliebter, meinem toten Gatten;
Sieh, wie die Hand mir drohet, die verdorrte,
Ach, meine Schwüre hab' ich kaum gebrochen,
So öffnet schon sich seines Grabes Pforte.«
Ich hörte ihres Herzens lautes Pochen,
Sah sich den Schatten riesig weiter dehnen,
Doch meines Blutes leidenschaftlich Kochen
Mein ganzes Sein, mein Trachten und mein Sehnen
Verlangte eins, verlangte zu genießen,
Wild rief ich: »Du bist mein!« Da sah ich Tränen
Aus ihren lieben, blauen Augen fließen,
Und ach, wie wenn sie meine Glut vernichtet,
Vermocht' ich's nicht, sie länger zu umschließen,
Und ob der Mond den Schatten auch gelichtet,
Es schwieg in mir Begierde und Genuß,
Der letzte Kuß, bevor ich ganz verzichtet,
Es war der erste, schöne Freundeskuß. -
(S. 638-641)
_____

 

 

Alle Gedichte aus: Theodor Fontane, Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte; Nachgelassenes; Sechster Band;
Herausgegeben von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger;
Carl Hanser Verlag, München, 1978


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Fontane

 

 


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