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Karl August Förster
(1784-1884)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Sonettenkranz
1.
Wenn rings im Lenz sich Blumenpracht erschlossen,
Und Farbenschimmer spielt an jeder Stelle,
Und ringsum sprüht der Düfte süße Quelle,
Da freuen Alle sich der bunten Sprossen;
Doch mehr noch, wenn die farbigen Genossen
Uns aus dem Spiegel einer klaren Welle
Entgegenleuchten, hat in milder Helle
Der Schönheit Glanz sich über sie ergossen.
So mag ein schönes, göttliches Gemüthe
Den guten Menschen immerdar gefallen,
Daß es die Menschen hin zum Guten treibe;
Doch herrlicher fürwahr gefällt sie Allen,
Des schönen Herzens ewig frische Blüthe,
Strahlt sie hervor aus einem schönem Leibe.
(Band 1, S. 64)
2.
Die Augen der
Geliebten
Mag immerhin das Schicksal mir's versagen,
Auf deiner Spur mit zweifelhaften Tritten
Durch Strom und Meer, durch starrer Felsen Mitten
Dir in die Ferne eilend nachzujagen,
So muth'ger wird der Geist die Flügel schlagen,
Der sich empor schwingt ob der Menschen Hütten
Zu Höhen, die kein ird'scher Fuß beschritten,
Mich durch die Luft, den Sehnenden, zu tragen.
Doch trüg' er mich empor zu Sonnenfernen,
Wo an des großen Lichtes Flammenbronnen
Die Sternlein sich, die leuchtenden, entzünden,
Nicht Eines dennoch würd' er dorten finden,
Dem gleicher Schimmer ward, als den zwei Sternen,
Die niedern überglänzen alle Sonnen.
(Band 1, S. 65)
3.
Fromm blickt' ich auf zu der Gebenedeiten;
Da lösten plötzlich sich der Sehnsucht Schmerzen,
Und Hoffnungsstrahlen drangen mir zum Herzen.
Wie Silberwölkchen sah ich's niedergleiten,
Und hüllend ihr sich um die Schultern breiten,
Und Engelknaben sah im Strahl der Kerzen
Ich lieblich um die Gottesmutter scherzen,
Und tief erklangen meines Herzens Saiten.
Als ich nun aus der Andacht Traum erwachte,
Und nach dem Bilde wieder aufwärts blickte,
Da war's ein Anders. - Wie ich' still betrachte,
Erkenn' ich dich, L..., zum Beweise,
Daß, wenn das Herz an Einem sich entzückte,
Es ewig um die Eine liebend kreise.
(Band 1, S. 66)
4.
Oft fühl' ich einer höhern Liebe heil'ge Gluthen,
Und klein nur dünkt, was ich zum Opfer brächte;
Dann trüg' ich gern ein großes Leid und möchte
Mein Herzblut froh für alle Welt verbluten;
Doch will es dann auch wieder mir gemuthen,
Als habe noch das Leben seine Rechte,
Und Leben auch sei dienen dem Geschlechte;
Drum schwimm' ich fort, ein Tröpflein, durch die Fluthen.
Das Ganze will im Theil sich offenbaren,
Und wer den Theil recht liebt, der liebt das Ganze;
Im tiefsten Herzen hab' ich's oft erfahren.
Drum ring' ich nicht nach lichtem Martyrkranze;
Der schönste Kranz strahlt mir in ihren Haaren,
Das reinste Licht in zweier Augen Glanze.
(Band 1,S. 67)
5.
Ein Fahrzeug sah ich jüngst durch Wellen gleiten
Von Rosenwölkchen, Tau und Mast umglommen,
Auf welchen Englein ihren Sitz genommen,
Es durch die Fluthen sicher zu geleiten.
Als wollt' ein schönes Fest sich drin bereiten,
Kam es mit Sang und Klang herangeschwommen,
Daß, aus des Wassers Grund emporgekommen,
Delphine jubelnd sich zum Tanze reihten.
Und viel der frohen Kinder sah' ich drinnen,
Und lehrend eine Jungfrau unter ihnen;
Drauf sah ich reichen Port das Schiff gewinnen. -
Du willst hinaus dich in die Fluthen wagen?
Und zagst? - O zage nicht! Was mir erschienen,
Ein Vorbild war's von deinen künft'gen Tagen.
(Band 1, S. 68)
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Serenade
Liebliches Mädchen, ach!
Oeffne das Fensterlein!
Siehe, durch's Blüthendach
Schimmert der Sterne Schein,
Flimmert der Mond herein;
Steige herab!
Wisse, der hellste Stern
Dämmert in bleichem Licht,
Bist du, Geliebte, fern.
Liebchen, drum säume nicht;
Ehe das Herz mir bricht,
Eile herab!
Flehet, ihr Saiten auch!
Klaget mit leisem Klang!
Trage mit sanftem Hauch,
Nächtlicher Minnesang,
Sehnenden Herzens Drang
Zu ihr hinan!
Was oft am lichten Tag,
Liebchen dir unbewußt,
Zagend mein Auge sprach,
Steigt nun mit Liebeslust
Aus der befreiten Brust
Muthig empor.
Willst du mich nicht verstehn,
Freust du der Thränen dich,
Soll ich dich nimmer sehn, -
Tönende Laute, brich!
Sterbendes Auge, sprich:
Liebchen, fahr wohl!
(Band 1, S. 69-70)
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Sehnsucht
1814
Wenn Flammen nährend durch die Tiefen schlagen,
Daß droben Duft und Leben sich entzündet,
Und tausendfarbig in des Maien Tagen
Sich Blatt an Blatt der Erde Schoos' entwindet;
Wenn von des Westes Arm' emporgetragen,
In summend Leben freudig sich verkündet, -
Dann möcht' ich mich in Blüthenkelchen wiegen,
Wie Bienen, und in Düften still versiechen.
Wenn ich, des Mittags bange Gluth zu kühlen,
Mich liebend senk' in Stromes klare Wellen;
Wenn Silberfunken scherzend mich umspielen,
Als wollten sie die Tiefen mir erhellen,
Und Lebensströme, wonniglich zu fühlen,
Aus zweitem Himmel mir entgegenquellen, -
Dann möcht' ich offnen Arms hinab mich tauchen,
Mein Leben drunten selig zu verhauchen.
Wenn kühlend mich mein Blätterdach umdüstert,
Des Baches Wellen plätschernd mich umkreisen;
Wenn lind' ein West durch schwanke Zweige flüstert
Und Waldessang sich regt in muntern Weisen,
Die Wesen all', in Andacht fromm verschwistert,
Mit Liebeslauten ihren Vater preisen, -
Dann möcht' ich auf des Tones leichten Schwingen
Anbetend, preisend in das All verklingen.
Wenn Mondesstrahlen flimmernd niederthauen,
Durch Thal und Büsche Silberfaden weben,
Und Funken über Berg' und Blumenauen,
Wie sel'ge Kinder, liebeleuchtend schweben, -
Dann fühl' im Herzen ich ein freudig Grauen,
Es will hinauf mich von der Erde heben;
Als könnt' ich so nur Fried' und Lust gewinnen,
Möcht' ich ein Strahl im Strahlenmeer verrinnen.
Wenn purpurn sich des Abends Wolken säumen, -
Auf ihnen möcht' ich dann zur Tiefe klimmen,
Und blick' ich auf zu jenen lichten Räumen,
Wo Welten schwesterlich bei Welten schwimmen,
Und heiter wachend über unsern Träumen
Herein zu uns aus blauen Nächten flimmen,
Dann möcht' ich wieder ach! so gern, so gerne
Zu euch hinan, ihr ewig sel'gen Sterne!
Wer soll die Wünsche mir, die wirren einen,
Daß sie nicht ferner mich in Zwiespalt trennen?
Soll ewig nur berauscht von leerem Scheinen
Mein Herz sich blinder Würfel Spiel bekennen,
An Stromes Rand, am Quell, in Schattenhainen
In neuer Sehnsucht ewig es entbrennen?
Kann aus des Lebens maaßlos irrem Ringen
Auf Erden Nichts, mir Nichts Errettung bringen?
O kehrte, was im Traum' ich jüngst gesehen! -
Ein Mägdlein war's; mit engelmildem Neigen
Sah ich's zu mir aus Paradieseshöhen
Auf Rosenwölkchen lieblich niedersteigen;
Wohl meint' ich in Entzücken zu vergehen,
So freundlich war, so huldreich ihr Bezeigen.
Mit süßem Gruß, im Auge Fried' und Segen,
Trat himmlisch sie dem Bebenden entgegen.
Ach - und verschwand! Auf flatterndem Gefieder
Trug grausam sie des Traumes Gott von hinnen! -
Drum klag' ich so. Doch kehrte je sie wieder
Und zeigte sich, wie damals, meinen Sinnen,
Und blickte hold, wie damals, auf mich nieder,
Nicht sollten länger meine Thränen rinnen;
Ich hätte Trost und Einigung gefunden,
Des langen Zwistes wollt' ich bald gesunden.
O, daß sie mir erschien'! Auf ihren Wangen,
Wo Lilien bei Rosen traulich liegen,
Wär' eine Blumenwelt mir aufgegangen,
Ich schlürfte Duft und Farb' in vollen Zügen.
Den ganzen Himmel säh' ich näher prangen,
Ich dürft ihn fassen, traut mich an ihn schmiegen!
Nicht blickt' ich mehr in weite Nebelferne;
In ihren Augen hätt' ich meine Sterne.
Entströmten ihr in hochbeglückter Stunde
Des heiligsten Entzückens süße Thränen,
Und tönte leise mir von ihrem Munde
Mit bangem, sittig zagendem Ertönen,
Mit Engellaut, der treuen Liebe Kunde,
Mit der Erfüllung Rosen mich zu krönen,
Nicht möcht' ich dann zu anderm Quell mich beugen,
Noch lüstern mich nach andern Tönen neigen.
O könnt' ich lange solchen Tönen lauschen,
An solcher Sterne Glanz mein Auge letzen,
In solchen Düften selig mich berauschen,
In solchen Strömen meinen Busen netzen,
Nicht wollt' ich's um der Erde Gold vertauschen,
Den Himmel neiden nicht mit seinen Schätzen,
Ja, freudig wollt' ich mich darein ergeben,
Erblühte mir der Tod in solchem Leben!
(Band 1, S. 74-77)
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Am 3. April 1815
Eine dumpfe Oede war mein Leben,
Einsam wandelt' ich durch Berg und Thal,
Meine Tage sah ich allzumal
Sonder Lieb' und Lust vorüberschweben;
Freuden, die den Menschen höher heben,
Ließen kalt mich, wurden mir zur Qual,
Thränen weint' ich, Thränen ohne Zahl,
Immer düstrer sah ich's um mich weben.
Sieh! da riß der Schleier! und ich lag
Huldigend vor einer Jungfrau Bilde.
Und sie blickt' auf mich mit Engelmilde;
Lieblich tönt' es, was sie zu mir sprach.
Da ward mir die Welt zum Lustgefilde,
Ward das Leben mir ein Frühlingstag.
(Band 1, S. 78)
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An Luise den 7. April 1815
Freundlich leuchtet Sterngefunkel
Nieder durch die stille Nacht;
Unten ist es ernst und dunkel,
Droben flimmert Glanz und Pracht.
Traulich reiht sich Stern zu Sterne
Ueber mir im dunkeln Blau,
Und aus weiter, weiter Ferne
Schimmern Welten nebelgrau.
Aus dem glanzdurchwirkten Rahmen
Blinkt der Lyra lichtes Gold;
Doch sie tönt nur Deinen Namen,
Deinen Namen süß und hold.
Krone, Schwan und Wagen brennen
Ueber mir in reinem Licht;
Aber, wie sie sich auch nennen,
Schwan und Wagen find ich nicht.
Vielfach, wundersam verzogen
Seh' ich deinen Namen nur;
Ueberall am Sternenbogen
Find' ich meiner Liebe Spur.
Welten seh' ich dort erblühen.
Sieh, wie strahlt ihr heitres Licht!
Welten seh' ich niederziehen,
Und ihr sterbend Auge bricht.
Doch der Stern, der mir im Herzen,
Seit ich dich gesehen, flammt, -
Ewig leuchten seine Kerzen,
Deren Gluth vom Himmel stammt!
(Band 1, S. 79-80)
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Trost im Sturm
1815
Wie es draußen stürmt und saust,
Tropfen an die Fenster schlagen!
Hat es doch in Winters Tagen
Nimmer, nimmer so gehaust! -
"Warum birgst du dein Gesicht?
Hinter Wolken Sterne blinken,
Und die Wolken werden sinken;
Fasse Muth und zittre nicht!"
Immer lauter pfeift der Sturm,
Immer wilder schlägt der Regen,
Und mit dumpfverwehten Schlägen
Heult's vom fernen Glockenthurm. -
"Mag der Sturm mit wilder Hast
Durch des Forstes Dunkel eilen,
Durch empörte Lüfte heulen,
Halt' ich Liebchen doch umfaßt!
Süßes Liebchen, fasse Muth!
Laß es stürmen, laß es toben!
Wollen guten Meister loben;
Meister meint es treu und gut.
Kennst den Meister holdes Kind?
Kam mit Köcher und mit Bogen
Jüngst die Straße hergezogen,
War auf beiden Augen blind.
Hat den wilden Sturm bewegt,
Läßt die Elemente brausen;
Wenn es stürmt im Forste draußen,
Drinnen Lieb' und Lust sich regt.
Komm an mein beglücktes Herz!
Schließ den Sel'gen in die Arme!
Auf daß Lipp' an Lipp' erwarme
Unter Kuß und frohem Scherz!
Auch da drinnen hat's getobt;
Ist nun Ruhe eingestiegen,
Und die Wolken heimwärts fliegen! -
Guter Meister, sei gelobt!"
(Band 1, S. 82-83)
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Liebesglück
Was brauch' ich des Mondes, was brauch' ich der Sterne?
Verbergt euch, ihr Lichter der einsamen Nacht!
Erblick' ich am Baume mein Mädchen von ferne,
Begrüßt mich ein Himmel in nahender Pracht;
Und beut sie Willkommen mit freundlichem Laute,
So dünkt's mich, es sprächen die Engel zu mir,
Und was ich in seligen Träumen erschaute,
Ich hab' es gefunden, gefunden in ihr.
Und ladet sie grüßend zu duftigem Flieder,
Zu Mondscheingeflüster mich Glücklichen ein,
In Lenzesentzücken gleich ist es mir wieder,
Als müßte sie selber der Frühling sein.
Es haucht mir ihr Athem, wie Wehen des Lenzen,
Es tönet ihr Wort mir, wie Nachtigalllaut,
Und weint sie vor Freude, wie Blumen dann glänzen
Die Wangen, von Perlen der Liebe bethaut.
Doch streck't sie die Arme mit sehnenden Blicken
Und drückt mich still an die schwellende Brust,
Dann schwindet, was Erd' ist, und Engel entrücken
Zum Himmel empor mich in steigender Lust.
So wirket sie Zauber in heimlichen Stunden
Und weiß es doch nimmer, wie selig sie macht.
Doch Einer, der weiß es und hat es empfunden;
Drum denkt er des Mägdleins bei Tag und bei Nacht.
(Band 1, S. 163-164)
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Sei nicht blöde
Wie kannst du doch so blöde sein?
Sieh', wie umher auf Wies' und Rain
Die Blumenäuglein winken!
Sie laden uns, sie laden dich
Mit stillen Neigen brünstiglich,
Von ihrem Thau zu trinken. -
O du, herzliebes Mädchen mein,
Wie kannst du doch so blöde sein?
Wie kannst du doch so blöde sein?
Hörst du das Schmettern in dem Hain,
Der Liebe süßes Girren?
Hörst du, wie Stimmen, leis' und lind,
Getragen von dem Abendwind,
Durch Wald und Fluren schwirren?
O du, herzliebes Mädchen mein,
Wie kannst du doch so blöde sein?
Wie kannst du doch so blöde sein,
Im lichten, luft'gen Sonnenschein,
Am Felsquell unter Rosen?
Der Fels erwarmt im goldnen Strahl,
Und munter rinnt der Quell zu Thal,
Mit Blüth' und Blatt zu kosen. -
O du, herzliebes Mädchen mein,
Wie kannst du doch so blöde sein?
Wie kannst du doch so blöde sein,
Wo Alles rings sich, Groß und Klein,
Zu Lieb' und Lust verbindet?
Du weißt ja, was die Mutter spricht:
"Das Freien, Liebchen, schadet nicht,
Wenn Brav und Brav sich findet!" -
O du, herzliebes Mädchen mein,
Wie kannst du doch so blöde sein?
(Band 1, S. 165-166)
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Trennung am Morgen
Nach dem
Provenzalischen des Bertrand d'Alamanon
Bei der Liebsten im Kämmerlein
Saß der Ritter ganz allein,
Küßte sie und sprach darein:
Süßes Lieb, was fang ich an?
Nacht will gehn und Tag bricht an!
Weh!
Wächter ruft: "frisch auf, frisch auf!
Tagesschein beginnt den Lauf,
Morgenroth vorauf."
Süßes Lieb, daß nimmermehr
In der weiten Welt umher
Tag nach Morgenröthe wär'!
Mindest, wo stillangeschmiegt
Liebster bei Feinliebchen liegt!
Weh!
Wächter ruft: "frisch auf, frisch auf!
Tagesschein beginnt den Lauf,
Morgenroth vorauf."
Süßes Lieb, was man auch spricht,
Größer Wehe gibt es nicht,
Als wenn Scheiden Herzen bricht.
Hab' es nimmer zuvor gedacht;
Ach wie kurz, wie kurz die Nacht!
Weh!
Wächter ruft: "frisch auf, frisch auf!
Tagesschein beginnt den Lauf,
Morgenroth vorauf."
Süßes Lieb, ich zieh' allein;
Wo ich bin, ich bleibe dein;
Du, um Gott, gedenke mein!
Herz, mein Herz bleibt für -
Fern und nah - es bleibt bei dir.
Weh!
Wächter ruft: "frisch auf, frisch auf!
Tagesschein beginnt den Lauf,
Morgenroth vorauf."
Süßes Lieb, und wenn's geschäh' -
Daß ich nicht so bald dich säh',
Glaub' es mir, ich stünd' in Weh.
Komm schon wieder in kleiner Frist;
Kann ja nicht leben, wo du nicht bist.
Weh!
Wächter ruft: "frisch auf, frisch auf!
Tagesschein beginnt den Lauf,
Morgenroth vorauf!"
(Band 1, S. 361-363)
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Das Schwanenmädchen
Nach dem
Weißrussischen
"Nie lieb' ich je dich heißer,"
Sprach ich zur Liebsten mein;
"Wirst du doch nimmer weißer,
Als jetzt, mein Mägdlein, sein."
Und ach! am nächsten Morgen
Lag sie im weißen Kleid
In kleinem Sarg geborgen,
Die wundersüße Maid.
"Nun bist du dennoch weißer,
Viel weißer denn dein Schwan;
Nun lieb' ich doch dich heißer,
Als ich es je gethan."
(Band 1, S. 364)
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Der Bube und sein ungetreues Mädchen
"Du bist nicht heiter, liebes Kind!
O sage mir, o sag' geschwind,
Was hat dein Herz betroffen?
Und ist es dir verboten nicht,
So sprich, bevor mein Herz mir bricht,
Läßt mich das deine hoffen?"
Das Mädchen wandte sich von ihm
Und lacht' und schlug mit Ungestüm
In's Schloß das Gartenpförtchen. -
"Wer hat's dem Dirnlein angethan?
Sie sieht dich kaum von weitem an,
Und hat für dich kein Wörtchen." -
Und früh am andern Morgen eilt
Zum Haus er, wo sein Liebchen weilt;
Da sieht er - Gott Erbarmen! -
Ein Roß vor wohlbekannter Thür;
Ein blanker Ritter tritt herfür
Und hält die Maid in Armen,
Drückt auf den Mund ihr einen Kuß
Und schwingt mit feur'gem Liebesgruß
Sich auf sein Roß behende.
Der arme Bube steht und schaut.
"Weh, weh du ungetreue Braut!"
Und faltet still die Hände.
Drauf schleicht er durch das Thor und sprach:
"Das hatte gestern Abend ach!
Ihr Lachen zu bedeuten.
Ein Reitersmann, der hat ihr Herz;
Geh, trag' zu Fuß du deinen Schmerz
Weithin zu andern Leuten!"
(Band 1, S. 365-366)
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Der Schäfer und die Schäferin
Der Schäfer saß an einem Bach
Und sah und sang hinein,
Sang fort und fort sein Weh und Ach
Und seufzte leis' darein:
"Du Bächlein lieb, du Bächlein hell,
Nimm freundlich, was ich gab,
Und trag' mein Lied, o trag' es schnell
Zu ihr, zu ihr hinab!
Und kannst du's, nimm mein Bild mit fort
Und schenk' es freundlich ihr;
Doch sprich dazu ein süßes Wort
Von ihrem Schäfer hier." -
Weit unten saß die Schäferin
Und sah in's Bächlein licht;
Doch sah kein Bildniß sie darin
Und hört nicht, was es spricht.
Und wieder kam zum Bach daher,
Der Schäfer treu und gut,
Nicht Bächlein jetzt, ein wildes Meer,
Hochschwellend, Fluth an Fluth.
"So recht, mein Bach, mein trauter Freund!
Weißt du, was Herzleid ist,
Daß du, weil jetzt mein Auge weint,
Zum Strom geworden bist?
Und meinst du's wahr, so nimm mich auf
In deinen weichen Schoos,
Und geht zu ihr dein schneller Lauf,
Leg' mich bei ihr in's Moos!" -
So haucht er aus mit Ungestüm
Zum letzten Mal sein Weh,
Und merket nicht, daß hinter ihm
Sein lauschend Mägdlein steh'.
Das hört nun besser, was er spricht,
Und sieht sein Bild nun auch,
Und ruft mit Huld im Angesicht:
"Ei, wär' das Schäferbrauch?
Gingst du hinab, müßt' ich ja auch,
Und lebt' ach! gerne doch!
O sieh mich an, die nichts verbrach,
Und sage, willst du noch?"
"Dich", ruft er, "will ich, Mägdlein traut,
Nur dich!" und springt empor,
Und sieh! ein Doppelbildniß schaut
Nun aus der Fluth hervor. -
Und wieder kam zum Bach und saß
Am Rand ein liebend Paar -
Ei! wie da rann durch lichtes Gras
Das Bächlein still und klar!
(Band 1, S. 367-369)
_____
Vertröstung
Er
Du treibst in
frevelndem Behagen
Mit meiner Liebe deinen Spott.
Wie soll's das arme Herz ertragen?
Ich liebe dich und bin kein Gott,
Wär' ich ein Gott, mit Flammenpfeilen
Bohrt' ich mich in dein Herzchen ein;
Die Liebe ging zu gleichen Theilen.
O süßes Glück! du mein, ich dein!
Sie
Und kämest du mit
Amors Schwingen
Und seinem Köcher, - einerlei!
Ein Mädchenherz läßt sich nicht zwingen,
Ob Gott, ob Mensch der Gegner sei.
Doch willst du, ungeberd'ger Knabe,
Versuchen, was die Bitte frommt, -
Versuch's! du weißt, daß gute Gabe
Dem rechtem Flehn entgegen kommt.
Er
So fleh' ich denn und
flehe wieder:
"O laß mich unerhört nicht gehn!"
Du aber schlägst die Augen nieder,
Um den Verhaßten nicht zu sehn.
Sie
Ein gutes Wort, es
findet immer
In gutem Herzen gute Statt;
Doch sagt die Welt, daß Eilen nimmer
Ein festes Haus gezimmert hat.
Er
Nicht frag' ich, was
die Leute sagen;
Dich frag' ich, die du meine Welt!
Sie
So komm' nach zweimal
sieben Tagen
Und frage, wie es sei bestellt.
Er
Und wenn dann nach
zwei langen Wochen
Dein Liebster, Liebchen, kommt und frägt? -
Sie
Dann, wenn sein Herz
ihm nicht gebrochen,
Sag' ich vielleicht - ob mein's noch schlägt.
(Band 1, S. 370-371)
_____
Der Knabe und das Mädchen
Knabe
Laß! Umsonst in ferne
Weiten
Schweift dein Blick, du armes Kind!
Willst du folgsam mich begleiten,
Soll dich meine Hand geleiten,
Wo die schönsten Blumen sind! -
Willst du, Mägdlein, mit mir gehn,
Wo die bunten Blumen stehn?
Mädchen
Kränze ging ich mir
zu winden;
Aber Keiner sagte, wo?
Sucht' auf Bergen, sucht' in Gründen,
Keine Blumen konnt' ich finden,
Und ich wurde nimmer froh! -
Wohl denn, Knabe, laß uns gehn,
Wo du bunten Blumen stehn! -
Knabe
Macht der weite Weg
dir bangen,
Und der Sonne heißer Brand?
Hoch erglühen deine Wangen,
Und, von meiner fest umfangen,
Zittert deine weiche Hand! -
Mägdlein, laß uns weiter gehn,
Wo die milden Lüfte wehn! -
Mädchen
Blumen seh' ich
nirgend blühen,
Und die Reise geht so fern!
Stürme sausen, Wolken ziehen,
Und die heißen Strahlen glühen;
Dennoch, Knabe, folg' ich gern!
Laß uns, laß uns weiter gehn,
Wo die wärmern Lüfte wehn! -
Knabe
Leise Seufzer hör'
ich steigen,
Aengstlich klopft dein armes Herz!
Weckt das Flüstern in den Zweigen,
Die sich in einander neigen,
In der Brust dir alten Schmerz?
Willst du, Mägdlein, mit mir gehn
Zu den goldumsäumten Höhn?
Mädchen
Durch die Wipfel seh'
ich's blinken,
Süße Klänge hör' ich nahn,
Ahnungsschauer niedersinken,
Ferne Geister freundlich winken,
Und es zieht mich himmelan!
Laß, mein Knabe, laß uns gehn
Zu den goldumsäumten Höhn! -
Knabe
Fühlst du, Kind, die
reinen Lüfte?
Wie es süß von oben thaut?
Unter uns der Erde Grüfte,
Um uns her wie Rosendüfte,
Nah' der Himmel, Himmelsbraut!
Willst du, Traute, mit mir gehn,
Wo die ew'gen Blumen stehn? -
Mädchen
Wie von Morgengold
umwoben,
Strahlt dein Engelangesicht,
Und ich fühle mich erhoben
Von der Erde finstrem Globen,
Fühl' es, ach! und weine nicht! -
Laß uns, Engelknabe, gehn,
Wo die ew'gen Blumen stehn!
(Band 1, S. 372-374)
_____
Das eine Blatt
Hätt' ich auch den vollsten Kranz,
Wollt' ich ihn zerpflücken;
Schwänden Sonn'- und Mondenglanz,
Wollt' ich drein mich schicken;
Hätt' ich von dem besten Wein,
Wollt' ich ihn verschenken;
Sagte mir die Muse "nein,"
Sollt' es mich nicht kränken;
Wollte meiner Freunde Bruch
Selbst willkommen heißen, -
Könnt' ich aus des Lebens Buch
Nur ein Blättlein reißen.
Nur ein Blättlein! darauf steht
Ach! seit vielen Jahren:
"Liebe kommt und Liebe geht;
Hab' es wohl erfahren!"
(Band 2, S. 23)
_____
Die Braut
Was leuchtet, wie Ros' auf strahlendem Beet,
Liebkosend von schmeichelnden Lüftchen umweht?
Was blicket, wie Glöcklein auf schimmernder Au',
Draus Bienlein schlürfen süßquellenden Thau?
Was bückt sich so schmachtend, so sinnend zuthal,
Wie schwellende Blüth' im sonnigen Strahl?
Was blicket so fröhlich in's Leben hinein,
Wie lustiger, duftiger Morgenschein?
Was lächelt so freundlich ob nah und ob fern,
Wie goldener Himmel, wie flimmernder Stern?
Was flüstert so selig, was schauet so hell,
Wie rieselnd durch Blumen ein Silberquell?
Was leuchtet und blinket und schmachtet und sinnt,
Und freundlich, wie Morgenroth, strahlet und minnt,
Was lächelt und süßhin flüstert und schaut,
Die Braut ist's, die liebende, selige Braut.
Rinnt, Bächlein, nur näher; rinnt Quellen herbei,
Und strahlender Himmel noch strahlender sei.
Und funkelnd umschlinge mit himmlischerm Glanz
Sich Sternlein mit Sternlein zu bräutlichem Kranz!
Und duftiger leuchte der Morgen in's Land;
Und blumiger glänze des Maien Gewand!
Ihr Blüthen, umschlingt euch zu schattigem Haus!
Ihr Blümlein, verwebt euch zu duftigem Strauß!
Ihr Bienchen, schwebt lustig heraus und herein!
Ihr Lüftchen, webt kühlend durch Feld und durch Hain!
Und Vöglein auch singe mit süßestem Laut
Der minnig, sinnig, seligen Braut!
(Band 2, S. 30-31)
_____
Mai im Jenner
Am 16. Jan. 1837
An Elise Crusius, geborene W.
Außen Leben, Leben drinnen! -
Will in wolkentrüben Tagen
Uns das Außen nicht behagen,
Flüchten wir uns schnell nach Innen.
Mag dann Frost auch außen starren,
Oedes Schweigen trübe Nacht;
Innen ist ein Mai erwacht
Und wir können ruhig harren.
Tage gibt es noch auf Erden,
Die aus innerm heil'gen Triebe,
Angeweht vom Hauch der Liebe,
Warme Lenzestage werden.
Wenn an einem solchen Tage
Jubel aus der Tiefe schallt,
Ist es mehr, als ob im Wald
Nachtigall und Finke schlage.
Blumen keimen, werden Kränze,
Strahlen, die aus innen stammen,
Werden Sterne, werden Flammen,
Und der Winter wird zum Lenze!
Süße Wandlung! heute wieder,
Schönstem Maientage gleich,
Senkte, hell und blüthenreich,
Solch ein Jennertag sich nieder.
Heil dir, lieber Tag! O grüße,
Grüße sie mit unserm Segen,
Mit der Freude Maienregen
Ueber ihre Paradiese,
Mit der Liebe Blüthensternen,
Mit der Freundschaft Bundeskuß,
Mit der Nahen Herzensgruß,
Mit dem Herzensgruß der Fernen!
(Band 2, S. 32-33)
_____
Guten Morgen Vielliebchen!
An Dieselbe
Es steigt ein Quell aus tiefem Schacht
Und spiegelt sich im Licht,
Und Niemand weiß, was von der Nacht,
Die Wieg' ihm war, er spricht.
Mir aber ach! - wenn Jemand fragt -
Ward's kund zur Osterzeit;
Da hat es mir ein Nu gesagt,
Ein Nu voll Glück und Leid. -
Da unten in der Tiefe Grund,
Da schließen, fern dem Blick,
Geheime Mächte ihren Bund
Und weben Weh und Glück.
Da steht die Goldfee am Gestein
Und klopft an's Felsenhaus
Und mit dem trügerischen Schein
Zieht Lust und Leid hinaus.
Da kniet am Herd der Gnom' und schürt
Die Kohlen auf zum Dampf,
Und mit den Elementen führt
Der Mensch nun seinen Kampf.
Da sitzt und spinnt für nächt'ge That
Ihr Netz zu aller Frist,
Behend und rührig zum Verrath
Die wahre Frauenlist.
O Männer, Männer, seht euch für!
Verderben ist zur Hand;
Da lauscht Verrath an jeder Thür;
Rings ist das Netz gespannt.
Traut nicht dem Knöspchen, das noch scheu,
Kaum auf sein Aeuglein schlägt;
Traut nicht dem Quell, den jung und neu
Die Luft nach oben trägt!
Ein Knöspchen sucht' ich da und dort,
Ob Lenz nicht wolle nahn;
Ich späht' und ging von Ort zu Ort -
Ach! hätt' ich's nicht gethan!
Denn unfern sprang so klar und hell
Und wie die Unschuld, rein,
In trunkner Lust ein Zauberquell,
Und mich ach! lockt der Schein!
Und kaum war ich dem Quell genaht
Mit arglos keckem Fuß,
Da warf sein Goldnetz der Verrath -
Mich fing ein holder Gruß.
Ein holder Gruß - so klang's fürwahr -
Und doch voll Bitterkeit!
Drum theilte gleich sich wunderbar
Mein Herz in Lust und Leid.
Ich pries den steigenden Krystall
Und zürnt ihm wieder drauf;
Denn ach! wie er, kam ich zu Fall!
Und war erst obenauf.
Doch weiß ich einen andern Quell,
Der sanft durch Blumen rinnt,
Der immer klar und immer hell,
Auch wenn er Listen sinnt.
Er trägt, wie ein krystall'ner Schrein,
In sich nur Süßigkeit.
Die Götter mögen mit ihm sein,
Mit ihm zu aller Zeit.
(Band 2, S. 34-36)
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Aus: Gedichte von Karl Förster
Herausgegeben von Ludwig Tieck
Erster und zweiter Theil
Leipzig F. A. Brockhaus 1843
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_August_Förster
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