Lied III. 2
1. Ach Gott wie wüt
mein hertz und gmüt
und ist so gar entschlagen?
All mein gedanck
sey worden kranck
wo sol ich nun hin faren
Das ich ein stund
möcht werden gsund
mein hertz zu rw möcht setzen?
von diser bschwerd
kein mensch auff erd
mich meins leits mag ergetzen.
2. Allein ein bildt
von worten mildt
von tugent wol gezirt
von weyß und berd
auff diser erdt
daß lob sie billich füret
von leib unnd gstalt
alß wer sie gmalt
nichts ist an jr vergessen
drumb hat sie mir
mit jrer zir
mein hertz und gmüt besessen.
3. Ach unglück wann
wilt lassen nach
mich auffhören zu klagen?
O Gott mein Herr
nit wunder wer
mein hertz jetz thet verzagen!
klag jamer nott
kumbt vil zu spott
hin muß ich lassen faren
die liebste mein
es muß ja sein
Gott wöls allzeyt bewaren!
(S. 114-115)
[1. Ach Gott wie wüt't
mein Herz und Gmüt,
|wüt't=wütet
und ist so gar entschlagen?
|entschlagen=in sich uneins
All mein Gedank
|Gedank=Gedanken
sein worden krank,
|sein=sind
wo soll ich nun hinfahren,
daß ich ein Stund,
möcht werden gsund,
|möcht=könnte; gsund=gesund
mein Herz zu Ruh möcht setzen
von dieser Bschwerd?
|Bschwerd=Beschwerde
Kein Mensch auf Erd
mich meins Leids mag ergetzen.
|mag=kann
2. Allein ein Bild
|=ausgenommen das Ideal
einer Frau
von Worten mild,
von Tugend wol gezieret
Von Weis und Bärd!
|=schön geschmückt durch
Tugend, Lebensart und Gebahren
Auf dieser Erd
das Lob sie billich führet:
Von Leib und Gstalt
als wär sie g'malt
nichts ist an ihr vergessen!
Drum hat sie mir
mit ihrer Zier
mein Herz und Gmüt besessen!
|besessen=in Besitz genommen
3. Ach Unglück, wann
wilt lassen nach
|willt=willst du
mich aufhören zu klagen?
|=meine Klage enden lassen
O Gott, mein Herr,
nit Wunder wär,
mein Herz jetz tät verzagen!
Klag, Jammer, Not
kummt viel zu Spott,
|=gereicht sehr zum Spott
hin muß ich lassen fahren
die Liebste mein,
es muß ja sein!
Gott wölls allzeit bewahren!]
_____
Lied III. 3
1. Der winter kalt ist vor den hauß
wo soll ich armer auß?
in disen strauß
thu ich gar nit erschrecken
es kombt ein liebe zeit
darauff ich har und peut
mit gar frölichem mut.
es ist ein hübsches freulein
des mich erfrewen thut.
2. Ein kurtze zeyt ist bald dahin
wie wol ich ellent bin
nimbt mir mein sin
wo hin ich mich thu wenden
hab ich vil langer stund
glück löß mir auff den bund!
so hab ich guten mut.
es ist ein hübsches frewlein
des mir gefallen thut.
3. Nun gib ich mich waiß wol ein end
wo ich mich nur hin wend
der unfall bhend
ist stetz nach stellen mir
und kan schlecht nit darauß
in disem grossen strauß.
noch hab ich guten mut
es ist ein hübsches frewlein
deß mich erfrewen thut.
(S. 115)
[1. Der Winter kalt ist vor dem Haus,
wo soll ich Armer aus?
In diesem Strauß
|Strauß=Kampf, Streit
tu ich gar nicht erschrecken!
Es kommt ein liebe Zeit,
darauf ich harr und peut
|peut=warte
mit gar fröhlichem Mut:
Es ist ein hübsches Fräulein
das mich erfreuen tut!
2. Ein kurze Zeit ist bald dahin:
Wiewohl ich elend bin,
nimmt mir mein Sinn!
|=denn sie raubt mir die
Besinnung
Wohin ich mich tu wenden
hab ich viel langer Stund!
|=habe Langeweile
Glück, lös mir auf den Bund,
|Bund=Fessel
so hab ich guten Mut:
Es ist ein hübsches Fräulein,
das mir gefallen tut.
3. Nun gib ich mich,
|=ergebe ich mich, gebe ich
es auf
weiß wohl ein End!
Wo ich mich nur hinwend,
der Unfall b'hend
|Unfall=Unglück; b'hend=behende
ist stets nachstellen mir
und kann schlecht nit daraus!
|schlecht=einfach
In diesem großen Strauß
|Strauß=Kampf, Streit
noch hab ich guten Mut:
|=habe ich dennoch guten Mut
Es ist ein hübsches Fräulein,
das mich erfreuen tut.]
_____
Lied III. 4
1. Ich armes keutzlein kleine
wo soll ich fliegen auß?
bey der nacht so gar alleine
bringt mir gar manchen grauß.
2. Der nast ist mir entwichen
darauff ich ruhen soll
die leublein sein all verblichen
mein hertz ist trawren vol.
3. Muß ich mich von dir scheiden
hertz lieb gantz trawrig bin
es geschah mir nie so leyde
ade ich far dohin.
(S. 115-116)
[1. Ich armes Käuzchen kleine,
wo soll ich fliegen aus?
Bei der Nacht so gar alleine,
bringt mir gar manchen Graus.
2. Der Nast ist mir entwichen,
|Nast=Ast
darauf ich ruhen soll,
die Läublein sein all verblichen,
|sein=sind
mein Herz ist Trauren voll.
3. Muß ich mich von dir scheiden,
Herzlieb, ganz traurig bin.
|=dann bin ich darüber ganz
traurig
Es geschah mir nie so leide.
Ade ich fahr dohin!
|dohin=dahin]
_____
Lied III. 6
1. "Wach auff mein hort
vernimm mein wort
merck auff wz ich dir sage!
Mein hertz dz wüt
nach deiner güt
laß mich fraw nit verzagen!
ich setz zu dir
all mein begir
das glaub du mir
laß mich deinr trew geniesen."
2. "Du junger knab
dein bitt laß ab
du bist mir vil zu wilde!
und wann ich thet
nach deiner bet
ich förcht es bleyb nicht stille.
ich danck dir vast
du werder gast
der trewen dein
die du mir gunst von hertzen."
3. "O fraw mit nicht
bin ich bericht
das ich euch wöl betriegen
wann einer käm
und das vernem
er müst uns beyden liegen
darauff da baw
und mir vertraw
du reynes weib
der schimpff soll dich nit grewen.
4. O fraw mein hort
laß dise wort!
du krenckest mir mein hertze.
Gedenck was ich
dir gan für mich
wendt mir mein grossen schmertzen.
Ja den ich trag
nacht und auch tag
hertzliebste mein.
würst du mir fraw zu willen!"
5. "O junger gsell
kein ungefell
solt du von mir nit tragen
Wann ich dir gib
mein hertze lieb
ich kan dirs nit versagen
An disem ort
mein freundlich wort
die gehn mir nach
und weychen mir mein hertze.
6. O junger knab
nun zeuch dich ab
schlaff heynt on alle sorge
Kein freundtlich bit
solt sparen nit
biß scheint der helle morgen.
In rechter gier
sprang er zu jhr
auß aller wot
thet sie freundlich umbfahen.
7. Und da er bey der liebsten lag
biß auff die dritte stunde
Da sprach das selbe frewelein
auß jhrem rotten munde
"Wach auff wach auff du junger knab!
wann es ist tag
ich hör die vöglein singen."
8. "Ach fraw wie schier
muß ich von dir!
ich wolt gern lenger bleiben
Mag nit gesein
des tages scheyn
will mich allhie vertreyben.
O frewlein zart
mein widerfart
wann die nit wer
mein hertz kem mir in leyden!"
9. Von dann ich sprang
hub an und sang
wie es mir wer ergangen
von einem weib
jr stoltzen leyb
hat mich mit lieb umbfangen
Darzu verpflicht
hub an und dicht
ein tageweyß
wunnigklich von jr singen.
(S. 116-117)
[1. "Wach auf mein Hort
vernimm mein Wort,
|Hort=Schatz
merk auf, was ich dir sage!
Mein Herz das wüt't
nach deiner Güt,
|wüt't=wütet
laß mich, Frau, nit verzagen!
Ich setz zu dir
all mein Begier,
das glaub du mir!
Laß mich deinr Treu genießen!"
|deinr=deiner
2. "Du junger Knab,
dein Bitt laß ab,
du bist mir viel zu wilde!
Und wann ich tät
nach deiner Bett,
|Bett=Bitte
ich förcht, es bleib nicht stille!
Ich dank dir fast,
du werder Gast,
|fast=sehr
der Treuen dein,
die du mir gunnst von Herzen."
|gunnst=zuwendest
3. "O Frau, mit nicht
bin ich bericht't,
|=O Frau, ohne Grund wird von mir behauptet
daß ich Euch wöll betriegen!
|betriegen=betrügen
Wann einer käm
und das vernähm,
|vernähm=festzustellen
behaupte
er müßt uns beiden liegen!
|=dich anlügen und über mich
Lügen verbreiten
Darauf du bau
und mir vertrau,
du reines Weib,
der Schimpf soll dich nit g'reuen.
|Schimpf=Liebesspiel;
g'reuen=gereuen
4. O Frau, mein Hort,
laß dieses Wort,
|Hort=Schatz
du kränkest mir mein Herze!
Gedenk, was ich
dir gann für mich,
|=mehr als mir selbst gönne
wend mir mein großen Schmerzen,
Ja den ich trag
Nacht und auch Tag,
Herzliebste mein:
Würst du mir, Frau, zu Willen!"
5. "O junger Gsell,
kein Ungefäll
|Ungefäll=Unglück
sollt du von mir nit tragen,
Wann ich dir gib
mein Herzelieb,
|=denn ich gebe dir
ich kann dirs nit versagen
An diesem Ort!
Mein freundlich Wort,
die gehn mir nach
und weichen mir mein Herze.
6. O junger Knab,
nun zeuch dich ab,
|=ziehe dich aus
schlaf heint ohn alle Sorge!
|heint=heute nacht
Kein freundlich Bitt
sollt sparen nit
|=zurückhalten
bis scheint der helle Morgen!"
In rechter Gier
sprang er zu ihr
|Gier=Verlangen
aus aller Wot,
|Wot=Kleidung
tät sie freundlich umfahen.
|umfahen=umarmen
7. Und da er bei der Liebsten lag
bis auf die dritte Stunde,
Da sprach das selbe Fräuelein
aus ihrem roten Munde:
"Wach auf, wach auf, du junger Knab,
wann es ist Tag,
ich hör die Vöglein singen!"
8. "Ach Frau, wie schier
muß ich von dir,
|schier=bald
ich wollt gern länger bleiben!
Mag nit gesein!
Des Tages Schein
|=das kann nicht sein
will mich allhie vertreiben.
O Fräulein zart,
mein Wiederfahrt,
wann die nit wär,
mein Herz käm mir in Leiden!
9. Von dann ich sprang,
hub an und sang
wie es mir wär ergangen
Von einem Weib,
ihr stolzer Leib
hat mich mit Lieb umfangen!
Darzu verpflicht't,
hub an und dicht't
|=weil ich dazu verpflichtet
war, weil ich mußte
ein Tageweis,
wunniglich von ihr singen.]
_____
Lied III. 7
1. Mein freundlichs B.
weil zu der ehe
mir geben bist
zu diser frist
so hab in acht
und wol betracht
was sey der stand
das ehelich band
und lerne wol
was man thun oder lassen soll.
2. Die Christlich Ehe
hertzliebstes B.
ist man und weib
ein sin und leyb
durch Gots geschickt
also verstrickt
das keins in not
biß in den tod
und letztes end
von andern sich scheid oder wend.
3. Heilig ist Ehe
holdseligs B.
durch Gots fürsicht
von jm auff gricht
mit allem vleyß
im Paradeyß
auß Adams leib
Hevam das weyb
gemacht hat
dem Adam zugefürt also drat.
4. Nach Adams fal
den weib befalh
"dem Manne dein
solst ghorsam sein
er ist dein Herr
volg seiner ler"
das wol bedenck
nach meim wil lenck
dein thun und lan
so hast an mir ein guten man.
5. Was ich dich heiß
mit allem fleiß
richt mir das auß
versorg im hauß
was ich drein bring
in yedem ding
halt maß und zil
thu nichts zuvil
hoffart ich haß
wann du wolst faren uber dmaß.
(S. 117-118)
[1. Mein freundlichs B.,
weil zu der Eh'
mir geben bist
zu dieser Frist,
so hab in acht,
und wohl betracht,
was sei der Stand,
|Stand=Ehestand
das ehelich Band
und lerne wohl,
was man tun oder lassen soll:
2. Die christlich Eh',
herzliebstes B.,
ist: Man und Weib,
ein Sinn und Leib,
durch Gotts Geschickt
|Geschickt=Fügung
also verstrickt,
daß keins in Not
bis in den Tod
und letztes End
vom andern sich scheid oder wend.
3. Heilig ist Eh',
holdseligs B.,
Durch Gotts Fürsicht
|Fürsicht=Fürsorge
von ihm aufg'richt't
mit allem Fleiß!
Im Paradeis
aus Adams Leib
Hevam, das Weib,
gemacht hat,
dem Adam zugeführt also drat.
|drat=ebenso rasch
4. Nach Adams Fall
dem Weib befahl:
"Dem Manne dein
sollst g'horsam sein,
er ist dein Herr,
folg seiner Lehr!"
Das wohl bedenk,
nach meim Willn lenk
dein Tun und Lan:
|Lan=Lassen, Unterlassen
So hast an mir ein guten Mann!
5. Was ich dich heiß,
mit allem Fleiß
richt mir das aus!
Versorg im Haus,
was ich drein bring!
|drein=hinein
In jedem Ding
halt Maß und Ziel,
tu nicht zuviel,
Hoffart ich haß,
wann du wollst fahren uber d'Maß!
|d'Maß=die Mäßigkeit]
_____
Lied III. 12
1. Trost über trost ich allzeyt han
von dir meinß hertzen auffenthalt.
Mut uber mut mich thut bestan
so ich feins lieb so streng mit gewalt
gen dir erzeigt
mein hertz sich neigt
zu dir mit gir
recht wie du mir
des will ich sein
allzeit mein schöne martschein.
2. Leid uber leid ich warten bin
so ich dir nit beweisen kan
klag uber klag nimbt mir mein sin
so ich nicht siehe dich werde kron.
all stund und weil
ich zu dir eyl
alß ob ich dob
solch ich dir glob
sthet bleib ich dein
allzeit mein schöne martschein.
3. Frewd uber frewd gibst du mir vil
mer dann ich vor ye hab gehabt.
hertz uber hertz sich heben wil
so lieb gen lieb in ehren strebt.
alß ich es spür
noch für und für
dein trew on rew
ab mir nit schew
wann ich bin dein
allzeit mein schöne martschein.
(S. 120)
[1. Trost über Trost ich allzeit han
|han=habe
von dir, meins Herzen Aufenthalt.
Mut über Mut mich tut bestahn,
|bestahn=fällt mich an
so ich, Feinslieb, so streng mit Gewalt
gen dir erzeigt'.
|=wie ich Mut dir bewiesen
habe
Mein Herz sich neigt
zu dir mit Gier.
|Gier=Sehnsucht
Recht wie du mir
des will ich sein
allzeit mein schöne Martschein.
|Martschein=Koseform eines
Frauennamens (Martha?)
2. Leid über Leid ich warten bin,
|ich warten bin=sehe ich
entgegen
so ich dir nit beweisen kann.
|=wenn ich nicht vor dir
erscheinen kann
Klag über Klag nimmt mir mein Sinn,
|Sinn=Besinnung
so ich nicht siehe dich werde Kron:
|=wenn ich dich, werte
Krone, nicht sehe
All Stund und Weil
ich zu dir eil
als ob ich dob! Solch ich dir g'lob:
Stet bleib ich dein
|stet=beständig
allzeit, mein schöne Martschein.
3. Freud über Freud gibst du mir viel,
mehr dann ich vor je hab gehabt.
|vor=vorher
Herz über Herz sich heben will,
so Lieb gen Lieb in Ehren strebt
Als ich es spür
|als=wie
noch für und für.
Dein Treu ohn Reu
ab mir nit scheu,
|ab mir=vor mir
wann ich bin dein
|wann=denn
allzeit, mein schönes Martschein.]
_____
Lied III. 13
1. Auß herten weh klagt sich ein held
in strenger hut verborgen
"Ich wünsch jr heyl die mir gefelt
komm schir löß mich auß sorgen.
o weiblich bild wie schleffst so lang
wilst sollich klag nit hören?
laß dich erwecken mein gesang
schick dich zu liebes anefang
dein lieb wil mich betoren."
2. Ein freyer wechter hört die mer
lag still an seiner zinnen
er fragt wer hie verborgen wer
so hart nach lieb thet ringen:
"ey komm her held! wilt mir vertrawen
dein klag hilff ich dir decken.
sehnst dich so hart nach meiner fraw
on zweyffel solstu auff mich pawn
freundlich will ichs auffwecken."
3. "Mein trawen gentzlich zu dir setz
wechter ein freyer gselle
mein kleidt laß ich dir hie zu letz
mach uns kein ungefelle.
ghe hübschlich dar nimb dir der weyl
laß dich dein gspan nicht mercken
der thurner sein ein mittel teyl
schaw das dich keiner uber eil
zu hoffnung thu mich stercken."
4. "Wach auff hertz aller liebste fraw
hört jemmerlichen schmertzen!
es singt ein helt vor grüner aw
fürwar thu ich nit scherzen
legt an ewr wad besorgt euch nit
euch sol nichts widerfaren
merckt eben zu dem sein gedicht
wie jn ein liebe aneficht
ewr lieb thut selbs bewaren."
5. Der held hub an zum dritten mal
groß frewd thet er do nemen.
er nahent zu des Herrn sal
dabey sie solt erkennen
das er jr trewer diener wer
wolt gselschafft mit jr pflegen.
"ach wechter ich hör gute mer
an deiner red spür ich kein gfer
schweig stil bhüt uns vor sorgen.
6. Wechter mein hertz hastu mir erfrewt
thuß frischlich mit mir wagen
sag meinen helt die rechten zeit
weiter wil ich nit fragen.
kumm kecklich dran mit mir hindan
ob er sich thete meyden.
mein hoffnung ich gantz zu dir hab
sthe stil bey mir wol an der gwar
du solt sein nit endgelten."
7. Die fraw den held gar schön empfieng
küst jn an seinen munde.
zu rechter lieb er mit jr gund
macht jr vil frew und wunne.
der wechter sprach "nun liget still
mit sorgen thut euch neren.
fürwar ich euch des tages zil
mit gantzen trewen nennen wil
ich wil euch nit verfüren."
8. Sie lagen lang in grossen lust
jr frewd thet sich nur mehren
er greyff jr lieblich an die brust
"thu dich zu mir her keren.
ich hör antwort der wechter schreit
das wir uns müssen scheiden
es nahet warlich nach der zeyt
das ich von dir muß in die welt
in schwartz will ich mich kleiden."
9. Der wechter sahe am firmament
das sich die nacht wol enden:
"ein scharffer wind von orient
thut unns den tag hie senden
die henlein kreen auff dem hag
die hündlein werden jagen
die Nachtigal sitzt auff dem zweyg
singt uns ein süsse melodey.
stet auff es will nun dagen."
10. Auß süssen schlaff da wart erweckt
ein frewlein minniglichen
"ach wie so ser hat mich erschreckt
ein wunder tugentlichen
der ehren gunst der lieben kunst
die stern sind abgewichen.
Nun scheid von mir mein höchster hort
red vor mit mir ein freundlich wort
der tag hat uns erschlichen."
11. "Ach unnd ach wee!" klagt sich ein held
"wie soll ichs uberwinden?"
darzu auch vast ein schönes weyb
die hört den tag verkünden.
gar ser erschrack die ausserwelt
nam urlaub von dem rainen
jr hertz het sich zu jm geselt
das frewlen thet vor jrem helt
gar heyssiglichen weynen.
12. "Gesegn dich Gott der unns beschuff!"
red es die schöne frawe
"nach dir stet mir mein teglich ruff
behüt dich gott vor leyde
unnd spar mirs zu deim widerfart
laß dich darmit nit mercken
dein schaiden krenckt mich also hart
ich fürcht es werd gestifft ein mord
die lieb lest sich nit decken."
(S. 121-122)
[1. Aus hertem Weh klagt sich ein Held,
|=aus schmerzlichem Leid
heraus klagt ...
in strenger Hut verborgen
"Ich wünsch ihr Heil, die mir gefällt,
komm schier, lös mich aus Sorgen!
|schier=bald
O weiblich Bild, wie schläfst so lang,
|weiblich Bild=Ideal einer
Frau
willst solich Klag nit hören?
|solich=solch
Laß dich erwecken mein Gesang,
schick dich zu Liebes Anefang,
|schick dich=mache dich
bereit
dein Lieb will mich betoren!"
|betoren=zum Toren machen
2. Ein freier Wächter hört' die Mär,
|freier Wächter=einer gegen
Bezahlung
lag still an seiner Zinnen.
Er fragt, wer hie verborgen wär,
so hart nach Lieb tät ringen:
|hart=sehr
"Ei komm her, Held! Wilt mir vertraun,
|wilt=willst du
kein Klag hilf ich dir decken.
|=eine Klage helfe ich dir
verbergen
Sehnst dich so hart nach meiner Frau,
ohn Zweifel sollstu auf mich paun,
|=dich auf mich verlassen
freundlich will ichs aufwecken."
3. "Mein Trauen gänzlich ich zu dir setz,
|Trauen=Vertrauen
Wächter, ein freier Gselle!
|=sorgloser Freund
Mein Kleid laß ich dir hie zu Letz,
|=als Geschenk
mach uns kein Ungefälle.
|=bereite uns kein Unglück
Geh hübschlich dar, nimm dir die Weil,
|geh hübschlich dar=geh
langsam dorthin
laß dich dein Gspann nicht merken.
|dein Gspann=dein Spähen
Der Turner sein ein mittel Teil,
|=der Türmer sind eine
ziemliche Anzahl
schau, daß dich keiner übereil,
|übereil=überrascht
zu Hoffnung tu mich stärken!"
4. "Wacht auf, herzallerliebste Frau,
hört jämmerlichen Schmerzen!
Es singt ein Held vor grüner Au,
fürwahr tu ich nit scherzen!
Legt an Eur Wat, besorgt Euch nicht,
|Wat=Kleidung
Euch soll nichts widerfahren!
Merkt eben zu dem sein Gedicht,
wie ihn ein Liebe aneficht,
Eur Lieb tut selbs bewahren!"
|bewahren=beweisen
5. Der Held hub an zum dritten Mal,
groß Freud tät er do nehmen.
Er nahent zu des Herrn Saal,
dabei sie sollt' erkennen,
Daß er ihr treuer Diener wär,
wollt' Gsellschaft mit ihr pflegen:
"Ach Wächter, ich hör gute Mär,
an deiner Red spür ich kein Gfähr,
|Gfähr=Gefahr
schweig still, b'hüt uns vor Sorgen!
|b'hüt=behüte
6. Wächter, mein Herz hastu mir erfreut,
tu's frischlich mit mir wagen!
Sag meinem Held die rechten Zeit,
weiter will ich nit fragen.
Kumm kecklich dran mit mir hindann,
|kumm=er komme; hindann=fort
ob er sich täte meiden,
Mein Hoffnung ich ganz zu dir hab,
steh still bei mir wohl an der Gwahr,
|Gwahr=auf der Hut
du sollt sein nit entgelten!"
|=es soll dein Schade nicht
sein
7. Die Frau den Held gar schön empfieng,
küßt' ihn an seinen Munde.
Zu rechter Lieb er mit ihr gund,
|=er begann mit ihr die
rechte Liebe zu treiben
macht' ihr viel Freud und Wunne.
|Wunne=Wonne
Der Wächter sprach: "Nun lieget still,
mit Sorgen tut Euch nähren
|=heilt in Sorge Euer
Liebesleid
Fürwahr ich Euch des Tages Ziel
|Tages Ziel=Tagesanbruch
mit ganzen Treuen nennen will,
ich will Euch nit verführen!"
|verführen=betrügen
8. Sie lagen lang in großem Lust,
|Lust=Wollust, Vergnügen
ihr Freud tät sich nur mehren,
Er greif ihr lieblich an die Brust:
|greif=griff;
lieblich=voller Liebe
"Tu dich zu mir her kehren!
Ich hör Antwort, der Wächter schreit,
|Antwort=Anruf
daß wir uns müssen scheiden,
es nahet wahrlich nach der Zeit,
daß ich von dir muß in die Weit' -
in Schwarz will ich mich kleiden!"
9. Der Wächter sahe am Firmament,
daß sich die Nacht woll enden:
"Ein scharfer Wind von Orient
tut uns den Tag hie senden.
Die Hähnlein krähen auf dem Hag,
die Hindlein werden jagen,
|Hindlein=Hündlein
die Nachtigall sitzt auf dem Zweig,
singt uns ein süße Melodei.
Steht auf, es will nun dagen!"
|dagen=tagen
10. Aus süßem Schlaf da ward erweckt
ein Fräulein minniglichen:
"Ach wie so sehr hat mich erschreckt
|erschreckt=(aus dem Schlaf)
aufgeschreckt
ein Wunder tugendlichen,
Der Ehren Gunst, der Liebe Kunst.
|=Umschreibungen für den
Geliebten
Die Stern sind abgewichen:
|abgewichen=verblaßt
Nun scheid von mir, mein höchster Hort,
|Hort=Schatz
red vor mit mir ein freundlich Wort,
|vor=zuvor
der Tag hat uns erschlichen!"
11. "Ach und achweh!", klagt' sich ein Held,
"Wie soll ich's überwinden?",
Darzu auch fast ein schönes Weib,
|fast=sehr
die hört' den Tag verkünden.
Gar sehr erschrak die Auserwählt',
nahm Urlaub von dem Reinen,
|Urlaub=Abschied
ihr Herz hätt' sich zu ihm gesellt,
|hätt'=hatte
das Fräulein tät vor ihrem Held
gar heißiglichen weinen.
12. "Gesegn dich Gott, der uns beschuf!",
|beschuf=erschuf
red't es die schöne Fraue,
"Nach dir steht mir mein täglich Ruf,
behüt dich Gott vor Leide
Und spar mir's zu deim Wiederfahrt!
|spar mir's zu=verschone
mich bis zu
Laß dich darmit nit merken!
|merken=bemerkt wirst
Dein Scheiden kränkt mich also hart,
|kränkt mich=macht mich
krank; hart=so sehr
ich fürcht, es werd gestift't ein Mord,
die Lieb läßt sich nit decken!"]
_____
Lied III. 14
1. Het scheydens ich nit gwont so vil
so lieb von lieb sich scheiden wil
mein trawrigs hertz
in laid und schmertz
vergangen wer
und wer mir schwer
dz ich das fein
frisch meidelein
solt faren lan
des ich erst newlich kundschafft gwan.
2. Bei meinem eyd kein weyblich gschlecht
mich ye so höchlich hat bewegt
auff diser erd
höfflichen berdt
ich all mein tag
noch nie gesach.
zwey euglein klar
lieblich fürwar
jr glantz und schein
durch drang gar offt das hertze mein.
3. Ye mer ich thu gedencken dran
dest mer ich mich meins leyds erman
dann selig zeit
zu beyder seydt
langhabter freud
inn trawrigkeit
yetz schweben thut.
het glück verhut
solch kurtz abscheid
mein tag wünscht ich keiner andern meyd.
(S. 122-123)
[1. Hätt Scheidens ich nit g'wohnt so viel,
so Lieb von Lieb sich scheiden will:
Mein traurigs Herz
in Leid und Schmerz
vergangen wär
und wär mir schwer,
daß ich das fein
frisch Maidelein,
sollt fahren lan,
|lan=lassen
des ich erst neulich Kundschaft gwann.
|gwann=kennenlernte
2. Bei meinem Eid: Kein weiblich Gschlecht
|=Ich schwöre: kein weiblich
Geschlecht
mich je so höchlich hat bewegt.
Auf dieser Erd
höflicher Bärd
|Bärd=höfisches Benehmen
ich all mein Tag
noch nie gesach.
Zwei Äuglein klar,
lieblich fürwahr,
ihr Glanz und Schein
durchdrang gar oft das Herze mein.
3. Je mehr ich tu gedenken dran,
dest mehr ich mich meins Leids ermahn,
dann selig Zeit
zu beiderseit
langhabter Freud
|=selige Zeit lange gehabter
Freude auf beiden Seiten
in Traurigkeit
jetz schweben tut.
Hätt Glück verhut
|verhut=verhindert
solch kurz Abscheid,
mein Tag wünscht' ich keiner andern Maid.]
_____
Lied III. 15
1. Ein adlich frucht
in diser zucht
erschin am abent spate
Bey einer zech
gar kein gebrech
man sach in glatter wate
Nekisch gezirt
mein gsicht verwirt
ob jren wunderschönen blick
den sie beschert
der ist gewert
und danck von hertzen seinem glück.
2. An jr nit hat
der gütig Gott
etwas das dient zur schon gespart:
euglein fast klar
goltfarb jr har
jr mündlein rot und hendlein zart
gerat von leib
womit ein weyb
zu loben ist an jr man sach.
wie hoch michs frewd
so dise meid
ein freundlich wort mir do zu sprach!
3. Holtselig vast
was diser gast
und süsser denn der honigsam.
wie möcht ein man
ein solch gmüt han
das er jr doch solt werden gram?
ich wünsch jr heyl
am narren seyl
ob sie ein füret das leyd er gern
sie ist des werd
mein hertz begert
das jm offt leucht der morgenstern.
(S. 123)
[1. Ein adlich Frucht
|=Abkömmling eines
Adelsgeschlechts
in dieser Zucht
|=in dazu passender
Wohlerzogenheit
erschien am Abend spate,
bei einer Zech
gar kein Gebrech',
|=keinen Mangel
man sach in glatter Wate,
|sach=sah; Wate=Kleidung
neckisch geziert.
Mein Gsicht verwirrt
ob ihren wunderschönen Blick.
|=geriet in Verwirrung über
Den sie beschert,
der ist gewährt
und dank von Herzen seinem Glück!
2. An ihr nit hat
der gütig Gott
etwas das dient zur Schon gespart:
|Schon=Schönheit
Äuglein fast klar,
|fast=sehr
goldfarb ihr Haar,
ihr Mündlein rot und Händlein zart,
Gerad von Leib:
Womit ein Weib
zu loben ist, an ihr man sach.
|sach=sah
Wie hoch mich's freut',
so diese Maid
ein freundlich Wort mir do zusprach!
|do=da
3. Holdselig fast
was dieser Gast
|was=war
und süßer denn der Honigsam.
Wie möcht ein Mann
|möcht=könnte
ein solch Gmüt han,
daß er ihr doch sollt werden gram?
Ich wünsch ihr Heil!
Am Narrenseil
ob sie ein führet, das leid er gern!
|ob=falls
Sie ist des wert!
Mein Herz begehrt,
daß ihm oft leucht der Morgenstern.]
_____
Lied III. 16
1. Ach meydlein fein bedenck dich schon!
hab acht auff dein junckfrewlich kron
die du yetz tregst in ehren
Lug zu wiß jetzundt immer geht
in aller welt betrug auffsteht
solst dich an niemandts keren.
Laß falschen klaffer schwetzen ser
allein traw gott bewar dein ehr
dich wirt glück nit verlassen.
2. Bedenck wie rainer junckfraw stat
von frummer welt den fürgang hat
und ist auch wol zu preysen
halt dich darnach vermeyd die klag
das kein mensch anderst sagen mag
dann du thust zucht beweisen.
von trewem hertz bin ich dir hold
fürwar ich auch nicht gern wolt
das unglück um dich wonen solt.
3. Ade ade junckfreulein zart!
sey stet und vest auff diser fart.
waiß nicht wann ich herwider ker
zu guter nacht beut dir mein hand
behüt dich Gott für aller schand
das du nit falst ins wütent her!
denck an mich wann der schwetzer kombt
der schmeychlen thut und viel sich rümbt
vermag nit was er dir abnimbt.
(S. 123-124)
[1. Ach Maidlein fein, bedenk dich schon,
|schon=schön
hab acht auf dein jungfräulich Kron,
die du jetz trägst in Ehren,
Lug zu wie's jetz und immer geht,
|lug zu=sieh zu
in aller Welt Betrug aufsteht,
sollst dich an niemands kehren!
Laß falschen Klaffer schwätzen sehr,
|Klaffer=Schwätzer,
Verleumder
allein trau Gott, bewahr dein Ehr:
Dich wird Glück nit verlassen!
2. Bedenk wie reiner Jungfrau Statt
|Statt=Stand
bei frummer Welt den Fürgang hat
|Fürgang=Vortritt
und ist auch wohl zu preisen!
Halt dich darnach, vermeid die Klag,
daß kein Mensch anderst sagen mag
|mag=kann
dann: Du tust Zucht beweisen!
|=du zeigst Sittsamkeit,
Wohlerzogenheit
Von treuem Herz bin ich dir hold,
fürwahr ich auch nicht gerne wollt',
daß Unglück um dich wohnen sollt'.
3. Ade, ade, Jungfräulein zart!
Sei stet und fest auf dieser Fahrt!
|stet=beständig
Weiß nicht, wann ich herwiederkehr!
Zu guter Nacht beut dir mein Hand,
|beut=biete ich
behüt dich Gott für aller Schand,
|für=vor
daß du nit fallst ins wütend Heer!
Denk an mich, wann der Schwätzer kommt,
der schmeichlen tut und viel sich rühmt,
vermag nit, was er dir abnimmt.
|vermag nit=er besitzt
nichts von dem]
_____
Lied III. 17
1. Ach got wie wehe thut scheiden!
hat mir mein hertz verwund
so drab ich uber d heyden
und trawr zu aller stund.
der stunden der sein al so vil.
mein hertz tregt heimlich leiden
wiewol ich offt frölich bin.
2. Het mir ein gertlein bawet
von feyl und grünen kle
ist mir zu frü erfroren
thut meinem hertzen wehe.
ist mir erfrorn bey sonnenschein
ein kraut ye lenger ye lieber
ein blümblein vergiß nit mein.
3. Das blümblein das ich maine
das ist von edler art
ist aller tugent raine
jr mündlein das ist zart
jr euglein die seind hübsch und fein
wann ich an sie gedencke
so wolt ich gern bey jr sein.
4. Mich dunckt in all mein sinnen
und wann ich bey jr bin
sie sey ein keyserinne
kein lieber ich nimmer gwin
hat mir mein junges hertz erfrewdt
wann ich an sie gedencke
verschwunden ist mir mein leyd.
5. Solt mich meins bulns erwegen
alß offt ein ander thut
solt fürn ein frölichs leben
dazu ein falschen mut
Das kan und mag doch nicht gesein.
gesegn dich Gott im hertzen!
es soll unnd muß gescheyden sein.
(S. 124-125)
[1. Ach Gott, wie weh tut Scheiden!
Hat mir mein Herz verwund't!
So drab ich über d'Heiden
|über d'Haiden=über die
Heide
und traur zu aller Stund.
Der Stunden, der sein also viel,
|sein=sind
mein Herz trägt heimlich Leiden,
wie wohl ich oft fröhlich bin.
2. Hätt' mir mein Gärtlein bauet
|hätt'=ich hatte
von Veil und grünem Klee,
|Veil=Veilchen
ist mir zu früh erfroren,
tut meinem Herzen weh.
Ist mir erfrorn bei Sonnenschein
ein Kraut Jelängerjelieber,
ein Blümlein Vergißnitmein.
3. Das Blümlein, das ich meine,
das ist von edler Art,
|Art=Abstammung
ist aller Tugend reine,
ihr Mündlein das ist zart,
ihr Äuglein die seind hübsch und fein:
|seind=sind
Wann ich an sie gedenke,
so wollt ich gern bei ihr sein.
4. Mich dunkt in all meinen Sinnen
und wann ich bei ihr bin,
sie sei ein Kayserinne,
kein lieber ich nimmer gwinn!
Hat mir mein junges Herz erfreut:
Wann ich an sie gedenke,
verschwunden ist mir mein Leid.
5. Sollt mich meins Buhlen erwegen
|=sollte ich meinen Buhlen
im Stich lassen
als oft ein ander tut,
sollt führn ein fröhlichs Leben
dazu ein falschen Mut,
das kann und mag doch nicht gesein!
|mag=darf
Gesegn dich Gott im Herzen:
Es soll und muß gescheiden sein.
|gescheiden=geschieden]
_____
Lied III. 18
1. Der mon steht an höchsten
dson hat sich unterthon.
Mein feins lieb ligt in nöten
ach gott wie sols jm gon?
In regen und im wind
wo soll ich mich hinkeren
do ich mein feins lieb find
do ich mein feinß lieb find?
2. Mein feins lieb wolt mich lehren
wie ich jm dienen solt
in züchten und in ehren
das wayß ich selbs gar wol
und kan auch noch vil mer.
wer sich seins bulen thet rhümen
der hat sein kleine ehr.
3. Manchr geht zu seinem bulen
bey liechtes monen schein.
was gibt sie jm zu lone?
ein rosenkrentzelein
ist grüner dann der kle.
ich muß mich von dir scheiden
thut meinem hertzen wehe.
4. Ach scheiden ymmer scheiden!
wer hat dich doch erdacht?
hast mir mein junges hertzen
auß freud in trawren bracht
darzu in ungemach.
sey dir schöns lieb gesungen
alde zu guter nacht!
(S. 125)
[1. Der Mon der steht am höchsten,
|Mon=Mond
d'Sonn hat sich unterton,
|d'Sonn=die Sonne; unterton=untergegangen
mein Feinslieb liegt in Nöten,
ach Gott, wie solls ihm gohn
|gohn=ergehen
in Regen und im Wind?
Wo soll ich mich hinkehren,
do ich mein Feinslieb find,
do ich mein Feinslieb find?
2. Mein Feinslieb wollt' mich lehren
wie ich ihm dienen sollt'
In Züchten und in Ehren,
|Zucht=Sittsamkeit
das weiß ich selbs gar wohl
Und kann auch noch viel mehr!
Wer sich seins Buhlen tut rühmen,
der hat sein kleine Ehr.
3. Manchr geht zu seinem Buhlen
bei lichtes Monen Schein.
|Mon=Mond
Was gibt sie ihm zu Lohne?
Ein Rosenkränzelein,
Ist grüner dann der Klee,
Ich muß mich von dir scheiden,
tut meinem Herzen weh!
4. Ach Scheiden, immer Scheiden,
wer hat dich doch erdacht?
Hast mir mein junges Herze
aus Freud in Trauren bracht,
Darzu in Ungemach!
Sei dir, schöns Lieb, gesungen,
alde zu guter Nacht!]
_____
Lied III. 19
1. Wie schön blüt uns der meyen
der sommer fert dohin
Mir ist ein schön junckfrewlein
gefallen in mein sin
bey jr do wer mir wol
wann ich nur an sie dencke
mein hertz ist frewden vol.
2. Wenn ich des nachts lig schlaffen
mein feins lieb kombt mir für
wenn ich alß denn erwache
bey mir ich niemants spür
bringt meinem hertzen peyn.
wölt Got ich solt jr dienen
wie möcht mir baß gesein?
3. Bey jr do wer ich gern
bey jr do wer mir wol
sie ist mein morgen sterne
gfelt mir im hertzen wol
sie hat ein roten mund
solt ich sie darauff küssen
mein hertz wirt mir gesund.
4. Wolt Gott ich solt jr wünschen
drey rosen auff aim zweyg!
solt ich auch trewlich warten
auff jren graden leib
wer meins hertzen frewdt.
ich muß mich von dir scheiden
alde mein schöne meyd!
5. Zwey blümblein auff der heyden
mit namen wolgemut
laß unns der lieb gott wachsen
seind uns für trawren gut
vergiß mein nit darbey.
grüß mir sie Gott im hertzen
die mir die liebste sey!
6. Der liebsten solt ich klagen
mein laidt zu diser stundt
so hab ichs nicht am tage
noch spar dich Gott gesund
ade zu guter nacht!
sey dir schöns lieb gesungen
auß guten mut bedacht.
(S. 125-126)
[1. Wie schön blüht uns der Maien,
der Sommer fährt dohin.
Mir ist ein schön Jungfräulein
gefallen in mein Sinn:
Bei ihr do wär mir wohl!
Wann ich nur an sie denke,
mein Herz ist Freuden voll.
2. Wenn ich des Nachts lieg schlafen,
mein Feinslieb kommt mir für -
|=erscheint mir
Wenn ich alsdenn erwache,
bei mir ich niemands spür!
Bringt meinem Herzen Pein!
Wöllt Gott ich sollt ihr dienen,
wie möcht mir baß gesein?
|möcht=könnte; baß gesein=besser
sein
3. Bei ihr do wär ich gerne,
bei ihr do wär mir wohl:
Sie ist mein Morgensterne,
gfällt mir im Herzen wohl!
Sie hat ein roten Mund:
Sollt ich sie darauf küssen,
mein Herz wird mir gesund.
|wird=würde
4. Wollt Gott ich sollt ihr wünschen
drei Rosen auf eim Zweig!
Sollt ich auch treulich warten
auf ihren graden Leib:
Wär meines Herzen Freud!
Ich muß mich von dir scheiden,
alde mein schöne Maid!
5. Zwei Blümlein auf der Heiden
mit Namen Wohlgemut
Laß uns der lieb Gott wachsen,
seind uns für Trauren gut,
|seind=sind; für=gegen
Vergißmeinnit darbei.
Grüß mir sie Gott im Herzen,
die mir die liebste sei!
6. Der Liebsten sollt ich klagen
mein Leid zu dieser Stund,
So hab ich's nicht am Tage:
Noch spar dich Gott gesund!
|spar dich=erhalte dich
Ade zu guter Nacht
sei dir, schöns Lieb, gesungen,
aus gutem Mut bedacht!
_____
Lied III. 20
1. Mein selbst bin ich nit gwaltig mer
allein deiner ehr ich hoffnung hab.
Verpflicht ist dir mein hertz mit schmertz
kein unfal mag uns treyben ab
mein gmüt von dir
die weil ich spür
die trewe dein.
gehe wie es wöl so will ich stets dein eygen sein.
2. Dein trost mir frewd und hoffnung geyt
und nimbt von mir all trawren hin.
acht nit ob man uns darumb neid
du hast mein gmüt hertz mut und sin
drumb mich regier
und nit verfür
den diener dein.
gehe wie es wöl so will ich stets dein eigen sein.
3. Halt vest du mein holdseligs bild!
laß dich keins wegs verfüren nicht.
halt dich gen mir freundlich und mild
von dir ich gar kein anderß bitt
wann ich hoff glück sich zu uns schick
vergiß nicht mein!
gehe wie es wöl so wil ich stets dein eigen sein.
(S. 126-127)
[1. Mein selbst bin ich nit gwaltig mehr
|mein selbst=meiner selbst
allein deiner Ehr ich Hoffnung hab.
Verpflicht't ist dir mein Herz mit Schmerz,
kein Unfall mag uns treiben ab
|mag=kann
mein Gmüt von dir,
dieweil ich spür
die Treue dein.
Geh wie es wöll, so will ich stets dein eigen sein.
2. Dein Trost mir Freud und Hoffnung geit
|geit=gibt
und nimmt von mir all Trauren hin,
Acht nit, ob man uns darum neid,
|acht nit=ich achte nicht
darauf; neid=haßt
du hast mein Gmüt, Herz, Mut und Sinn!
Drum mich regier und nit verführ
|nit verführ=führe nicht in
die Irre
den Diener dein.
Geh wie es wöll, so will ich stets dein eigen sein.
3. Halt fest, du mein holdseligs Bild,
laß dich keins Wegs verführen nit.
|verführen nit=davon
abbringen
Halt dich gen mir freundlich und mild,
von dir ich gar kein anders bitt!
Wann ich hoff, Glück sich zu uns schick,
|wann=denn
Vergiß nicht mein!
Geh wie es wöll, so will ich stets dein eigen sein.]
_____
Lied III. 21
1. In freuden frey sey wie im sey
liebt mir mein schatz dein freuntschaft vol.
Glück hat bschert wie ichs begert
drumb deiner trew mich trösten sol
die sich erzeygt mir sein gneigt
hoff ich glück schickt bald zeit und zil
das du bey mir und ich bey dir
halten baid gleich der trewen spil.
2. Grün rockleins hab ist nun schabab
nit anderst sol noch mag es sein.
mit trew ich mein dich schatz allein
du bist der trost des hertzen mein
des mich benügt wie es glück fügt
unnd wart vor der zeit und zil
das ich mit ehren gantz anverkehren
mag hon mit dir der trewen spil.
3. Ob widers wort mein höchster hort
mich gegen dir versagen wolt
den laß nit auff beuth jm den wuff
das wirt mein schatz sein rechter solt.
trew und gerecht findstu mich schlecht
on dir steht mein kurtz weile vil.
wie ich gen dir halt dich gen mir
so bleibt stet unser trewen spil.
(S. 127)
[1. In Freuden frei, sei wie ihm sei,
liebt mir, mein Schatz, dein Freundschaft voll.
|liebt mir=ist mir angenehm
Glück hat beschert, wie ichs begehrt',
drum deiner Treu mich trösten soll,
die sich erzeigt mir sein geneigt.
|sein=zu sein
Hoff ich, Glück schickt bald Zeit und Ziel,
|hoff ich=ich hoffe
daß du bei mir und ich bei dir:
Halten beid' gleich der Treuen Spiel.
|halten=wir halten
2. Grün Rockleins hab, ist nun schabab,
|schabab=abgelegt
nit anderst soll noch mag es sein.
|mag=kann
Mit Treu ich mein dich, Schatz, allein,
|ich mein=ich liebe
du bist der Trost des Herzen mein.
Des mich benügt wie es Glück fügt
|=damit begnüge ich mich wie
es Glück fügt
und warte vor der Zeit und Ziel,
|vor=auf
daß ich mit Ehren, ganz anverkehren
|anverkehren=passend
mag hon mit dir der Treuen Spiel.
|mag hon=haben kann
3. Ob widers Wort, mein höchster Hort,
|Hort=Schatz
mich gegen dir versagen wollt,
den laß nit auf, beut ihm den Wuff,
|beut ihm den Wuff=, begegne
ihm mit Geschrei
das wird, mein Schatz, sein rechter Sold.
Treu und gerecht finstu mich, schlecht,
|schlecht=schlicht
ohn dir steht mein Kurzweile viel.
Wie ich gen dir halt dich gen mir,
so bleibt stet unser Treuen Spiel.
|stet=beständig]
Der grüne Rock
bedeutet, dass einer noch nicht verliebt war und dass er von Liebe frei ist
_____
Lied III. 22
1. Freundtlicher helt hat dich erwelt
mein hertz zu trost und freuden.
Durch senen ist mein hertz verfelt
so ich von dir muß scheyden
Doch bleibt bey dir mein hertz und gir
Dergleich thu dich erzeygen
die weil ich leb nit von dir streb
mein hertz ist gantz dein eigen.
2. "Mein höchster hort brich nit dein wort
die du zu mir thest sagen
Do ich dir klagt meins hertzen bruch
würt sonst noch leyden schaden
Denn mich auff erd nicht mers erfreut
denn wenn ich thu ermessen
was freud und mut ich von dir hab
kein zeit kan ichs vergessen.
3. In hohen wunn scheint mir die sonn
wann ich hertzlieb anschawe dich
wiewol es mir ytzund auch gschicht
so seindt die freudt doch gantz entwicht.
das schafft die zeit verlangen geyt
dweyl ich mich hab ergeben
ach glück schick mir ein besser zil!
der hoffnung wil ich gleben."
(S. 127-128)
[1. Freundlicher Held, hat dich erwählt
|hat dich=dich hat
mein Herz zu Trost und Freuden.
Durch Sehnen ist mein Herz verfällt,
|verfällt=zu Fall gebracht
so ich muß von dir scheiden.
Doch bleibt bei dir mein Herz und Gier,
|Gier=Begehren
dergleich tu dich erzeigen!
Dieweil ich leb nit von dir streb,
mein Herz ist ganz dein eigen!
2. "Mein höchster Hort, brich nit dein Wort,
|Hort=Schatz
die du zu mir täst sagen,
|täst=tatest
Do ich dir klagt' meins Herzen Bruch,
würd sonst noch leiden Schaden!
Denn mich auf Erd nicht mehrs erfreut,
denn wenn ich tu ermessen,
was Freud und Mut ich von dir hab -
kein Zeit kann ich's vergessen!
3. In hohen Wunn scheint mir die Sonn,
wann ich, Herzlieb, anschaue dich!
Wiewohl es mir itzund auch g'schicht,
|g'schicht=geschieht, jetzt
auch möglich ist
so seind die Freud doch ganz entwicht!
|=so sind die Freuden ganz
zunichte gemacht
Das schafft die Zeit, Verlangen geit,
|geit=gibt es
d'weil ich mich hab ergeben.
Ach Glück, schick mir ein besser Ziel -
|Ziel=Zeitpunkt
der Hoffnung will ich g'leben!"]
_____
Lied III. 25
1. Ker wider glück mit freuden
und wend unfal von mir!
Mein lieb das muß ich meiden
und hab doch groß begir
Zu dienen jr für all auff erd
wie wol sie ist eim andern beschert
darumb ist mir mein hertz versert.
2. Mein hertz hat groß verlangen
die zeit gar mannigfalt.
ach Gott möcht ich erlangen
das jr freundlich gestalt
möcht sehen an ein kleine zeit!
auff erden mir nichts mer freuden geyt
so mir mein lieb yetz hülff auß leyd.
3. Ob du bist hart verstricket
das laß auch schaden mir!
wer weyß ob sich möcht schicken
das ich hertzlieb bey dir
möcht sein unnd dir gar kein schaden brecht?
ach hertzigs hertz nu thu im recht
so werden alle sachen schlecht.
(S. 129-130)
[1. Kehr wieder, Glück, mit Freuden
und wend Unfall von mir!
|Unfall=Unglück
Mein Lieb, das muß ich meiden
und hab doch groß Begier
zu dienen ihr für all auf Erd,
wie wohl sie ist eim andern b'schert:
|eim=einem; b'schert=beschert
Darum ist mein Herz versehrt!
2. Mein Herz hat groß Verlangen
die Zeit gar mannigfalt,
Ach Gott, möcht ich erlangen,
|möcht=könnte
daß ihr freundlich Gestalt
|daß=daß ich
Möcht sehen an ein kleine Zeit!
Auf Erden mir nichts mehr Freuden geit,
|geit=gibt
so mir mein Lieb jetz hülf aus Leid!
3. Ob du bist hart verstricket,
|ob=wenn; hart=sehr
das laß auch schaden mir!
Wer weiß, ob sich möcht schicken,
daß ich, Herzlieb, bei dir
Möcht sein und dir kein Schaden brächt?
Ach herzigs Herz, nu tu ihm recht,
so werden alle Sachen schlecht.
|schlecht=gerade, richtig]
_____
Lied III. 26
1. Mar wie du wilt beyß mich nur nit
vil red giengen auff ein wagen!
Ir lieblich bild mich freundlich zeucht
klaffer muß man lassen sagen
Macht mich nit gro mein hertz ist froh
so ich anblick die wol gschicht.
du bist meins hertzen rosen gart
halt hart ich fall mein schönste zart!
2. Gar köstlich ist wie man denn list
der edel steyne margarith
Ich han zu jm hertz mut und sin
darumb gar fest zu jm verstrickt.
het ich sein tugent und sein art
ich achtet klein des klaffers wort!
Du bist meins hertzen rosengart
halt hart ich fall mein schönste zart!
3. Redt man so vil es hat nicht zil
drumb so will ich es nit meyden.
mir ists alß ring ich dantz unnd spring
vor lust in grossen frewden.
der edel stein ist mir nicht feyl
umb keinen schatz zu diser fart.
halt hart ich fall mein schönste zart!
(S. 130)
[1. MARr wie du wilt, beiß mich nur nit:
|marr=murre
Viel Red' gingen auf ein Wagen,
|viel Red'=viele Reden
Ihr lieblich Bild mich freundlich zeucht:
|zeucht=zieht mich an
Klaffer muß man lassen sagen!
|Klaffer=Schwätzer,
Verleumder
Macht mich nit groh, mein Herz ist froh,
|groh=grauhaarig
so ich anblick die Wohlgeschickt.
Du bist meins Herzen Rosengart!
Halt hart, ich fall, mein Schönste zart!
|=bleibe standhaft, sonst
falle ich
2. GAR köstlich ist, wie man denn liest,
|köstlich=kostspielig
der edel Steine Margarit!
|Margarit=Perle
Ich han zu ihm Herz, Mut und Sinn
|han=habe
darum gar fest zu ihm verstrickt!
|verstrickt=verbunden
Hätt ich sein Tugend und sein Art,
ich achtet' klein des Klaffers Wort!
Du bist meins Herzen Rosengart!
Halt hart, ich fall, mein Schönste zart!
3. RED'T man so viel, es hat nicht Ziel,
drum so will ich es meiden.
Mir ist all's ring, ich danz und spring
|all's ring=alles leicht;
danz=tanze
vor Lust in großen Freuden.
Der edel Stein ist mir nicht feil
um keine Schatz zu dieser Fahrt!
Halt hart, ich fall, mein Schönste zart!]
Die Anfangssilben
der drei Strophen ergeben den Namen MAR-GAR-REDT
_____
Lied III. 27
1. Het mir ein espes zweiglein
gebogen zu der erden.
den liebsten bulen den ich hab
der ist mir leyder zu ferre.
2. Er ist mir doch zu ferre nicht
bey jm hab ich geschlaffen
von rotem gold ein fingerlein
hab ich in seinem bett gelassen.
3. Und do ichs doch gelassen hab
will ichs wieder bekommen
und thun ob ich solichs bey mir het
und wer mir nur kein mal genommen.
4. Da zwischen berg und tieffe thal
da get ein enge strasse.
wer sein bulen nicht haben will
der soll jn all zeyt faren lassen.
5. Scheid dich nicht hertzes dokelein!
von dir will ich nit weichen.
hab kein ander lieber dann mich
jm reich find man gar nicht deins gleichen.
(S. 130-131)
[1. Hätt' mir ein espes Zweiglein
|hätt'=ich hatte
gebogen zu der Erden:
Den liebsten Buhlen, den ich hab,
der ist mir leider allzu ferre.
|ferre=fern
2. Er ist mir doch zu ferre nicht,
|ferre=fern
bei ihm hab ich geschlafen,
von rotem Gold ein Fingerlein
|Fingerlein=Fingerringlein
hab ich in seinem Bett gelassen.
3. Und do ich's doch gelassen hab,
will ichs wieder bekommen
und tun, ob ich solichs bei mir hätt
|ob=als ob; solichs=solches
und wär mir nur keinmal genommen.
4. Da zwischen Berg und tiefe Tal,
da geht ein enge Straße,
wer sein Buhlen nicht haben will,
der soll ihn allzeit fahren lassen.
5. Scheid dich nicht, herzes Dockelein,
|Dockelein=Püppchen
von dir will ich nit weichen!
Hab kein ander lieber dann mich,
im Reich find't man gar nicht deinsgleichen!]
Espenlaub steht
für die Furcht, man könne den Geliebten verlieren. Diese Bedeutung ist
abgeleitet davon, dass Espenlaub gern zittert.
_____
Lied III. 28
1. Vor Zeiten was ich lieb und werd
hat sich verkert in kurtzer zeit
dann ander leut seind yetz im spil
darumb ich mich nit kümmern will.
2. Ir trew mich nicht thut kümmern fast
denn sie sich last grob mercken zwar.
glaub mir fürwar der hoffnung bin
du bringst davon ein kleinen gwin.
3. Des glücks ich fürbaß warten bin
jr unstet sin werdt gerochen schon
dann ich mir hon gantz außerwelt
ein andre die mir baß gefelt.
(S. 131)
[1. Vor Zeiten was ich lieb und wert,
|was=war
hat sich verkehrt in kurzer Zeit:
Dann ander Leut seind jetz im Spiel,
|seind=sind
darum ich mich nit kümmern will.
2. Ihr Treu mich nicht tut kümmern fast,
|fast=sehr
denn sie sich laßt Grob merken zwar.
|Grob=Unverschämtheit;
zwar=wahrlich
Glaub mir, fürwahr der Hoffnung bin,
du bringst davon ein kleinen Gwinn!
3. Des Glücks ich fürbaß warten bin,
|fürbaß=weiterhin
ihr unstet Sinn werd g'rochen schon!
|g'rochen=gerochen, bestraft
Dann ich mir hon ganz auserwählt
|hon=habe
ein andre, die mir baß gefällt!
baß=besser]
_____
Lied III. 30
1. Mit lust thet ich außreiten
durch ein grünen wald
darin do hort ich singen
drey voglein wol gestalt.
2. Seind es denn nit drey vögelein
es seind drey Jungckfrewlein
soll mir das ein nicht werden
gilt mir das leben mein.
3. Das erst heisset Elselein
das ander Berbelein
das drit das hat kein namen
das muß mein eigen sein.
(S. 132)
[1. Mit Lust tät ich ausreiten
durch einen grünen Wald.
Darin do hort' ich singen
drei Voglein wohlgestalt.
2. Seind es denn nit drei Vögelein?
|seind=sind
Es seind drei Jungfräulein:
Soll mir das ein nicht werden,
gilt mir das Leben mein!
3. Das erst, das heißet Elselein,
das ander Berbelein,
das dritt das hat keinen Namen,
das muß mein eigen sein!]
_____
Lied III. 31
1. Ich armes meidlein klag mich sehr
wie soll mir leyd geschehen
Das ich den aller liebsten mein
so lang nit hab gesehen
Der mir die zeyt und weil vertreibt
sonst keiner auff diser erden.
wann ich gedenck wie es jm get
mein hertz in gantzen trawren stet
wie kan ich frölich werden?
2. Ach reycher Gott verleyh jhm glück
wo er reyt in dem lande!
bewar sein leyb vor unfal duck
bhüt jn vor leyd und schande!
das will ich ymmer dancken dir
tag nacht und alle stunde.
wann ich gedenck daß jm wol geht
mein hertz in grossen freuden steht
mir ist der liebst auff erden.
3. Er ritt mit meim willen nicht hin
noch ist mein hertz sein eygen.
als guts ich mich versihe zu jm
trew lieb will jm erzeygen
kein falsch hat er an mir erkand
an meinem gantzen leybe.
es ist der knab so wolgemut
für jm nem ich nits Keisers gutt
der liebst soll er mir werden.
4. Er ritt dahin das war mir leyd
meins hertzen außerkoren.
in meiner farb ist er gekleyd
wo thut er nur hinfaren?
sein urlaub thut mir bringen pein
und macht mir heimlichs rewen.
doch frew ich mich seinr widerfart
mein eyniger trost mein höchster hort
vergiß mein nicht in trewen!
(S. 132-133)
[1. Ich armes Maidlein klag mich sehr,
|klag mich sehr=beklage mich
sehr
wie soll mir Leid geschehen,
daß ich den Allerliebsten mein
so lang nit hab gesehen,
der mir die Zeit und Weil vertreibt,
sonst keiner auf dieser Erden.
|sonst=wie sonst
Wann ich gedenk, wie es ihm geht,
|wann=wenn
mein Herz in ganzen Trauren steht!
Wie kann ich fröhlich werden?
2. Ach reicher Gott, verleih ihm Glück,
wo er reit't in dem Lande.
Bewahr sein Leib vor Unfall, Dück,
|Dück=Tücke
b'hüt ihn vor Leid und Schande!
|b'hüt=behüte
Das will ich immer danken dir
Tag, Nacht und alle Stunde!
Wann ich gedenk, daß ihm wohl geht,
|daß=daß es
mein Herz in großen Freuden steht!
Mir ist der Liebst auf Erden!
3. Er ritt mit meim Willen nicht hin,
|meim=meinem
noch ist mein Herz sein eigen.
|noch=noch immer
All's Gut's ich mich versiehe zu ihm,
|=erwarte ich von ihm
treu Lieb will ihm erzeigen!
Kein Falsch hat er an mir erkannt,
an meinem ganzen Leibe.
Es ist der Knab so wohlgemut,
für ihn nähm ich nit's Kaisers Gut,
der Liebst soll er mir werden!
4. Er ritt dahin, das war mir leid,
meins Herzen Auserkoren.
|Auserkoren=der Auserwählte
In meiner Farb ist er gekleid't,
wo tut er nur hinfahren?
Sein Urlaub tut mir bringen Pein
|Urlaub=Abschied
und macht mir heimlichs Reuen.
Doch freu ich mich seiner Wiederfahrt!
Mein einiger Trost, mein höchster Hort,
|einiger=einziger,
Hort=Schatz
vergiß mein nicht in Treuen!]
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Aus: Georg Forsters
Frische Teutsche Liedlein in fünf Teilen
Abdruck nach den ersten Ausgaben 1539, 1540, 1549, 1556
mit den Abweichungen der späteren Drucke
Herausgegeben von M. Elisabeth Marriage
Halle a. d. S. Verlag von Max Niemeyer 1903
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