Friedrich Wilhelm Gabriel (1784-1864) - Liebesgedichte

 




Friedrich Wilhelm Gabriel
(1784-1864)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Die rothe Rose

Du, der Freude holde Blume,
Du, der Liebe süßes Bild,
Die in Florens Heiligthume
Leis' erblühet, hold und mild.

Gleich dir glühn des Mägdleins Wangen,
Unbewußt durch Amors Macht,
Wenn der Sehnsucht heiß Verlangen
In dem Herzen ihr erwacht.

Rose, dann von dir bekränzet,
Schwebt im Wonnetraum sie hin,
Und in ihren Blicken glänzet
Unnennbaren Glücks Gewinn.
(S. 5)
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Die weiße Rose

Zarte, reine Himmelsblüthe,
Stammend aus der Unschuld Land,
Hast mit liebendem Gemüthe
Dich der Erde zugewandt.

Wenn der Jungfrau, bleich und trübe,
Nun entflohn der süße Traum,
Und der holde Stern der Liebe
Ihr versank im öden Raum;

Wenn der Wehmuth Thränen fallen
In der Sehnsucht herben Pein,
Wählt sie von den Rosen allen,
Weiße Rose dich allein.

Sieht in dir ihr Bild sie wieder,
Angehaucht vom eis'gen Nord,
Sinkt, gleich dir, entblättert nieder
Zu dem stillen Friedensport.
(S. 6)
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Die Liebe

Das höchste Glück, das uns beschieden,
Es ist der Liebe Seligkeit,
Sie hebt uns über Raum und Zeit,
Schafft uns ein Paradies hienieden,
Im Wonnetaumel schwelgt die Brust,
Faßt nicht die unnennbare Lust.

Wie öd' ist doch das Erdenleben
Ihm, dem die Sehnsucht nie erwacht,
Der nie gefühlt der Schönheit Macht,
Die tausend Grazien umschweben,
Dem nie getagt der Gluthmoment,
Wo Seel' und Seele sich erkennt;

Wo nun das Aug' den Himmel offen
Im Auge der Geliebten sieht,
Die Welt vor unserm Blick' entflieht,
Wo sich erfüllt das schönste Hoffen:
O, der hat nimmer ja gelebt,
Den nicht der Liebe Gluth durchbebt.
(S. 34)
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Der Liebenden Geschick

1.
Erwachen der Liebe

Ferdinand
O süßes Bild, das vor der trunknen Seele
Im Götterglanze schwebt, das mit Entzücken
Ich treu bewahre meinem innern Blicken:
Nur dich allein ich mir zu eigen wähle.

Was ich auch sonst an heißen Wünschen zähle,
Versunken ist's, nichts kann mich nun beglücken.
O Schicksal, spinne nicht mir neue Tücken,
Raub' Alles mir, doch mein sei nur Adele!

Ein Lichtstrahl war's, der plötzlich mich entzückte,
Als mich ihr Auge traf. Ha! diese Wonnen,
Sie fasset nicht die sturmbewegte Brust.

O daß kein Gott sie neidisch mir entrückte
Zu seinen Himmeln, daß er nicht zerronnen
Der kurze Traum unendlich süßer Lust!
(S. 35)



2.
Erwachen der Liebe

Adele
Ein neues Sein fühl' ich in mir beginnen,
Erwacht vom Traum, der düster mich umfangen.
Ein himmlisch Land, wo goldne Blüthen prangen,
Mir winkt, es zieht die Sehnsucht mich von hinnen.

Wie langsam mir die trägen Stunden rinnen!
Versteh' ich selbst das innige Verlangen,
Das in der Brust mir glüht, auf meinen Wangen,
Verwirrung schaffend in den trunknen Sinnen?

Warum, o Herz, klopfst du so ungestüm?
Woher dieß Weh, von dem ich nur bei ihm,
Den dort ich sah, darf hoffen zu genesen?

Wie! durfte ich in seinen Blicken lesen?
So zärtlich ruhten sie, ich sah's mit Beben,
Auf mir allein: ach! konnt' ich widerstreben?
(S. 36)


3.
Geständniß

Ferdinand an Adele
Darf schüchtern ich den Blick zu dir erheben?
O Holde! ist die Bitte mir vergönnt?
Ist's nicht zu kühn wenn hier das Herz bekennt:
Nur du kannst Leben oder Tod mir geben.

Gleich dem Verbrecher harre ich mit Beben
Des Ausspruchs. O beflügle den Moment!
Hinweg die Kluft, die unsre Pfade trennt:
Kann Liebe doch ob dem Geschick erheben.

Doch täuschte deines Auges milder Blick,
Verschmähest du des Busens heil'ge Triebe:
O dann hinweg aus dieses Lebens Schwüle!

Dann such' ich Ruh' vor deiner Qual, Geschick,
Vor allen deinen Täuschungen, o Liebe,
Im tiefen Schlummer in des Grabes Kühle.
(S. 37)


4.
Erwiederung

Adele an Ferdinand
Du darfst. - Zwar muß die Wange mir erröthen
Vor dem Geständniß, das ich gern verhehlt;
Doch fruchtlos streb' ich: was das Herz beseelt,
Kann nicht der Sitte Machtgebot ertödten.

Was deines Auges milde Blicke flehten,
O wohl verstand ich's. Auch für mich gewählt
Hab' ich auf ewig, und von Muth gestählt
Will ich dem Schicksal kühn entgegen treten.

Wohl wird die Welt mich richten, mich verdammen,
Doch was gilt mir die Welt! Der Liebe Macht
Durchbricht ja leicht des Stolzes enge Schranken.

Nur dein bin ich, vertrauend ohne Wanken,
Von tausend Formen ängstlich hier bewacht
Führt uns ein Gott, die Glücklichen, zusammen.
(S. 38)


5.
Der Liebe Wonne

Ferdinand an Adele
An deiner Brust, o himmlisches Entzücken!
Hab' ich geruht. Fass' ich die Seligkeit?!
Du, du die Meine? mir allein geweiht
Dein Herz?! Nun, Schicksal, übe deine Tücken!

Adele mein! An diesen Busen drücken
Durft' ich die Holde! - ob die Zukunft dräut,
Kühn tret' ich in die Schranken zu dem Streit,
Strahlt Liebe mir aus ihren Engelsblicken.

Du Nacht der Ahnung, öffne deinen Schooß,
Du Mißgeschick, mit deinen Schrecken
Umgürte dich: vor dir erbeb' ich nicht.

Und ob der Welten stolzer Bau zerbricht,
Ob wilde Trümmer mich im Sturze decken:
Adele mein! o selig ist mein Loos. -
(S. 39)


6.
Der Liebe Bangen

Adele an Ferdinand
O frevle nicht, denn schnell sind die Dämonen
Des Mißgeschicks, drum wecke sie nicht auf!
Beflügle nicht der Düstern wilden Lauf,
Die in des Orkus nächt'gen Gründen wohnen.

Mir ahnet's bang. Wird unser Glück verschonen
Der blinde Zufall? Ha! so leichten Kauf
Gönnt nimmer er dem Sichern, nur darauf
Bedacht, mit Schmerz die kurze Lust zu lohnen.

Doch sei es auch! Wie nun das Loos uns fällt,
Entschieden bin ich, nicht Gewalt, nicht Tod
Trennt mich von dir, nur du bist meine Welt.

Wer beugt den Sinn, wenn er von Muth geschwellt
Entgegen tritt des Schicksals Machtgebot,
Selbst unverzagt, ob auch sein Schiff zerschellt?
(S. 40)


7.
Trennung

Ferdinand an Adele
Ja frevelnd rief ich aus des Orkus Gründen
Die Geister auf, und ihre Larven schlangen
Den wilden Reihn um mich. Mit bleichen Wangen
Muß fern von dir ich Höllenqual empfinden.

Dich hält Gewalt, Geliebte; mich auch binden
Die Fesseln, doch mit glühendem Verlangen
Eilt frei der Geist zu dir, und ohne Bangen
Vertrau' ich dir, treu läßt sich Liebe finden.

Ich rette dich, o glaube meinem Worte!
Ich rette dich, und keine Macht auf Erden
Entreißt dich mir, fest bin ich mir's bewußt.

Fest ist die Welt, Gold öffnet mir die Pforte;
Dann dringe ich zu dir, frei mußt du werden,
Denn Göttermuth wohnt hier in dieser Brust.
(S. 41)


8.
Der Liebe Muth

Adele
Kein Laut ertönt, kein Herz spricht zu dem meinen,
Stumm wie die Mitternacht umgiebt die Schaar
Der Hüter mich. O Liebe treu und wahr,
So fern bist du, soll mir kein Trost erscheinen?

Soll dem Verhaßten mich der Zwang vereinen?
Bei ihm ertragen ich auf immerdar
Die Qual der Hölle? Nein ich fühl' es klar:
Der Tod für mich, gehör' ich nicht dem Einen!

Ist schwer die Wahl, wenn das Verhängniß ruft,
Wenn überall umlauert vom Verderben
Die treue Liebe ihre Fessel bricht? -

O Gott der Milde, nein, du zürnest nicht -
Du weißt, ihr blieb Verrath nur oder sterben,
Und bettest sanft sie in die kühle Gruft.
(S. 42)


9.
Der Liebe Hoffnung

Ferdinand an Adele
Ich bin dir nah, um Rettung dir zu bringen;
Es strahlt die Hoffnung meinem Blick entgegen,
Noch fühl' ich in den heißen Herzensschlägen
Den Muth, dich selbst der Hölle zu entringen.

Die Liebe steht uns bei, es wird gelingen;
Wie! oder darum nur auf unsern Wegen
War unser Lauf vereint, nach kurzem Segen
Der Seligkeit zur Trennung uns zu zwingen?

Nur Prüfung wär's, womit sie uns versucht,
Die Hüther sind gewonnen, diese Nacht
Eröffnet sich die Pforte: zweifle nicht! -

O harre mein! Es ruft das Sternenlicht
Mich hin zu dir, uns schützt der Liebe Macht,
Und leitet uns den sichern Pfad zur Flucht.
(S. 43)


10.
Erwartung

Adele
Die Glocke tönt, Entscheidung naht. Mit Beben
Harr' ich des Rufs, der hin zu ihm mich leitet.
Du Schattenbild, das dort vorüber gleitet,
Dräust du nicht meinem Glück und seinem Leben?

War das nicht Todtenruf, was mir so eben
Zu Ohren drang, den Untergang mir deutet?
Horch! leise klirrt die Pforte, näher schreitet
Es schon, Gestalten seh' ich sich erheben.

Er ist's! Entgegen ihm! - O Gott des Himmels!
Erbarmen! - Fackeln! Schwerter! Kampfeswuth -
Verrathen wir, und die Verräther siegen.

Hoch im Gewühl des wilden Mordgetümmels
Seh' ich ihn kämpfen - ha! es strömt sein Blut -
Hinab! hinab! mit ihm zu unterliegen. -
(S. 44)


11.
Der letzte Gruß

Ferdinand an Adele
Zum letzten Wort öffn' ich die bleiche Lippe,
Zum Lebewohl für lange, lange Nacht,
Wenn wieder dir das Morgenroth erwacht,
Hab' ich umschifft des Lebens wilde Klippe.

Die Todeswunde brennt. Es schwingt die Hippe
Der letzte Freund mit schonungsloser Macht,
Trennt mich von dem, was mir so hold gelacht,
Und nun umfang' ich nur ein Furchtgerippe.

O sel'ger Liebestraum! - Ihr Götterstunden,
So seid ihr nun auf immer mir entschwunden,
Und nur allein das düstre Grab mein Ziel?

Adele, nein! - Ob auch der Vorhang fiel
Für diese Welt: was treu sich hier gefunden,
Wird dort im Reich der Liebe fest verbunden.
(S. 45)


12.
Vereinigung im Tode

Adele an Ferdinand
O du, dem ewig dieses Herz nur eigen,
Du Heißgeliebter, mild und liebevoll;
Ich sollte nicht der Treue letzten Zoll
Dir bringen, sollte der Gewalt mich beugen?

Nein, du bist mein. Dir würdig mich zu zeigen,
Erbeb' ich nicht, ob Todesruf erscholl.
Der Würfel rollt, der bleiche Jüngling soll
Mit mir beginnen seinen Fackelreigen. -

Ertönt vom hohen Thurm die Geisterstunde,
Dann schwingt zum ewig seligen Verein
Die fesselfreie Seele sich empor.

O Wonne! dann, dann folgst durchs düstre Thor
Der Liebenden du nach, dann bin ich dein,
Zum unzertrennlich ewig sel'gen Bunde.
(S. 46)
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Die Woche
(Nach dem Französischen)

Jüngst reist' auf eine Woche
Die Mutter fort aufs Land.
Als ohne sie Malwinen
Am Montag nun ich fand;
So fragt' ich: "Darf ich, Holde!
Recht lange heut dich sehn?"
Sie sprach: "Nein! nein! nicht heute!
Doch morgen mag's geschehn." -

Zu ihr am Dienstagsmorgen
Eilt' ich voll Ungeduld;
Ich schwur ihr ew'ge Liebe,
Und fleht' um gleiche Huld.
Doch sie erwiedert lächelnd:
- Das Herz, wie klopft es mir -
"Mein Freund! ob ich dich liebe? -
Ich sag' es morgen dir. -"

Der Mittwoch kam, o Wonne!
Mir ward der schönste Lohn.
Von ihren holden Lippen
Schallt mir der Liebe Ton.
Doch als von ihrem Busen
Ich rauben will den Strauß -
Sprach sie: "Das ist für morgen!
Mein Herr! heut wird nichts draus."

Am Donnerstage mahnte
Die süße Schuld ich ein.
Sie sträubte sich nicht länger -
Der Strauß er wurde mein.
Doch als ich voll Entzücken
Die Hand ihr küssen will,
Da sprach sie: "Denk an morgen!
Davon für heute still!

Am Freitag küßt' ich feurig,
- O denkt, was ich empfand! -
Entzückt die wunderschöne,
Die zarte Lilienhand.
Nach Höherem dann strebend,
Sucht' ich ihr Mündchen schon -
"Zu kühn, zu kühn für heute!
Doch morgen mehr davon."

Sonnabend nun begehrte
Ich meinen Minnepreis,
Und drückt' auf ihre Lippen
Die meinen, fieberheiß.
Im Uebermaß der Wonne
Verirrt' ich mich zu weit -
Da sprach das Schelmenmädchen:
"Genug, mein Herr, für heut!"

Am Sonntag ward ich kühner,
Stolz auf mein vor'ges Glück,
Und wagte viel, ach! aber -
Sie wies mich ernst zurück.
"Zeit war es in der Woche
Zu wirken," sprach sie nun;
"Doch ist's die Pflicht der Christen,
Am Sonntag muß man ruhn."
(S. 81-83)
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Der erste Kuss

"Nachbars Heinrich soll ich meiden,
Soll ihm nicht ins Auge sehn.
Ach! das ist ein bittres Leiden,
Kann dem Drang nicht widerstehn."

Emma spricht's mit süßem Bangen,
Mutter ging so eben aus.
Hoch erglühen ihre Wangen,
Nachbars Heinrich tritt ins Haus.

Und da kommen sie sich näher,
Müssen sich ins Auge sehn;
Ringsum, nirgends ist ein Späher,
Sie vernimmt der Liebe Fleh'n':

"Einen Kuß, mein süßes Leben!"
Zu versagen fehlt ihr Muth,
Und sie fühlt mit Wonnebeben
Ersten Kusses Zaubergluth.

Doch da stört ein Ungewitter
Plötzlich ihren Hochgenuß:
Eine Feige, ach! so bitter,
Giebt die Mutter für den Kuß.

Ging's wie ihr den Mädchen allen,
Ei, das gäbe viel Verdruß,
Denn im Preise würde fallen
Sicherlich der erste Kuß.
(S. 111-112)
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Entsagung

So willst du einsam in dem Leben stehn,
Willst mit der Liebe Hand in Hand nicht gehn?
"Mein Lenz ist hin, verblühet ist mein Lieben,
Nur die Erinnrung ist mir noch geblieben.
An meines Lebens schmerzlichsten Genuß,
An ihre Lieb', an ihren letzten Gruß.

Das Schicksal rief zum fremden Traualtar
Die Liebende, so innig, treu und wahr.
Zum letzten Male ruht mit bittern Schmerzen,
Mit bangen Zähren sie an meinem Herzen;
Noch einen Blick, noch einen heißen Kuß -
Da tönt' die Trennungsstund', ihr letzter Gruß.

Sie schied, mit ihr mein ganzes Erdenglück,
Nie kehrte mir der Liebe Lust zurück.
Und was fortan das Schicksal auch gegeben,
Das Schönste war entflohn aus meinem Leben.
Sie trug empor der stille Genius,
Doch ewig tönt in mir ihr letzter Gruß."
(S. 121)
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Der erste Gruss

Höher klopfte voll Verlangen
Fedor's Herz, kam sie daher;
Doch er fühlte schweres Bangen,
Und als ob es Sünde wär',
Wagt' er Laura nie zu grüßen.
Doch die Sehnsucht ruft ihm zu:
Blöder Thor, was zauderst du!
Mußt dich endlich doch entschließen.
Sieh, da faßt er kühnen Muth,
Und trotz seiner Wangen Gluth
Ist die Schüchternheit bezwungen
Und der erste Gruß gelungen.
Aus dem ersten wird ein zweiter,
Von dem zweiten ging es weiter,
Denn man mußte da und dort
Plaudern manch vertrautes Wort.
Endlich, ei wer sollt' es glauben,
Wagt' er einen Kuß zu rauben.
Laura's Blicke zürnen nicht;
Der beglückte Fedor spricht:
Jetzt ist Alles mir so leicht
Und die Bangigkeit verscheucht,
Ja das ist ganz sonnenklar,
Schwer der erste Gruß nur war.
(S. 149-150)
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Der letzte Gruss

Gegenüber in dem Stübchen,
Unter ihren Blumenau'n,
Wohnte einst ein süßes Liebchen,
Hold und freundlich anzuschaun.

Und mein Herz zu ihr sich neigte,
Lebten auf gar trautem Fuß:
Wenn sie sich am Fenster zeigte,
Tauschten Blicke wir und Gruß.

Doch da wendet sich das Blättchen,
Vater kam in den Senat,
Und ganz anders war mein Jettchen,
Als sie an das Fenster trat.

Ohne Arg nick' ich der Lieben,
Doch sie bleibt so vornehm stehn.
Nun wo ist der Dank geblieben?
Habe wohl nicht recht gesehn.

Unermüdet fort ich nicke,
Ob vielleicht sie Acht nicht gab;
Und sie danket, Stolz im Blicke,
Wendet dann sich spöttisch ab.

Weil die Thörin ich verlachte,
Leicht verschmerzt' ich den Verdruß;
Wißt ihr aber, was ich dachte?
Na, das war mein letzter Gruß!
(S. 151-152)
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Die Verlassene

Zu der düstern Ferne schauet
Rosalindens Schwermuthsblick;
Ach, er kehrte nicht zurück,
Dem so innig sie vertrauet.

Träumst du immer noch von Liebe,
Arme Liebe? Faßt dein Herz
Nicht der Trennung bittern Schmerz,
Nicht den Schmerz getäuschter Triebe?

Zögernd schleichet ihr die Stunde;
Sieh, da blinkt's auf fernem Pfad:
Der ersehnte Bote naht,
Bringt von dem Geliebten Kunde.

Doch die zarten Wangen blassen,
Und es bricht der tiefe Schmerz
Rosalindens banges Herz;
Er hat treulos sie verlassen.
(S. 181)
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Der Kuss

Er schritt dahin so wohlgemuth,
Es wehten Lenzesdüfte,
Laut klopft sein Herz, rasch wallt das Blut,
Da singt in alle Lüfte
Sein Tralala der junge Fant,
Der jetzt vor einem Hüttchen stand;
Ein Mägdlein drin er schaute.

Sei mir gegrüßt, mein holdes Lieb',
Will 'was von dir begehren:
Ein einzig Küßchen du mir gieb,
Das mußt du mir gewähren.
"Ha! ha! ha! ha! was fällt euch ein,
Bin ich denn euer Liebchen fein,
Nicht daß ich eben wüßte." -

Allein was half der Widerstand
Dem armen guten Kinde?
Den Weg zu ihren Lippen fand
Sein Lippenpaar geschwinde.
"O pfui doch! pfui! laßt mich nur gehn!
Wie könnt ihr das euch unterstehn!
Fort, fort, trollt euch von hinnen."

Doch schmeckt ihm der geraubte Kuß
So süß von ihren Lippen,
Und darum faßt er den Beschluß,
Noch mehr davon zu nippen.
La! la! la! la! zum Eheband
Nimm Liebchen von mir Herz und Hand,
Nun darf ich dich doch küssen?
(S. 211-212)
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Betty's Gedanken über die Liebe

Die Männerwelt zu necken,
Ha, welche süße Lust!
O schauet jenen Gecken,
Des Sieges sich bewußt.
Im Sturm will er erringen
Das schwache Mädchenherz:
Doch treibt vor allen Dingen
Mit ihm man seinen Scherz. -
Und sieh, da kommt ein Zweiter,
Ein zarter Seladon;
Mit O! und Ach! und Leider!
Sucht er der Liebe Lohn;
Vergebens ist sein Schmachten,
Sein Zieren, seine Pein:
Nie schließt man den Verlachten
In's Herzenskämmerlein.
Doch beut Gefühl und Treue
Uns freundlich Hand und Herz,
Fühlt man der Liebe Weihe,
Dann schweigt der bittre Scherz.
(S. 234)
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Die Rache
Ballade

Die Mitternacht verbreitet ihre Schatten,
Und Stille waltet in des Schlosses Räumen,
Umfangen von der Liebe sel'gen Träumen
Ruht hochbeglückt am Busen ihres Gatten
Antonia, seit kurzen Wonnestunden
Mit ihm, dem Heißgeliebten, fest verbunden.

Dem finstern Schooß des Waldes jetzt entstiegen
Ist eine Schaar verruchter Raubgesellen.
Die falben Blitze schauerlich erhellen
Die Mordgier in den wildverzerrten Zügen,
Und hoch voran im düstern Blutgewande
Domenico, der Hauptmann dieser Bande.

Des Flammenauges wilde Blicke zeigen
Die Gluthen an, die in der Brust ihm wüthen,
Die Stirn gerollt in finster starrem Brüten,
Stört selten nur ein Laut das tiefe Schweigen.
Zur Eile mahnt die gräßlichen Begleiter
Sein Wink und schnell bewegt der Zug sich weiter.

Sie sind am Schloß. Da tönt des Hauptmanns Stimme:
"Hier ist das Ziel. Wohlauf ihr Mordgesellen,
Laßt nun die Nacht zum Tage sich erhellen!
Verfallen sind die Opfer eurem Grimme,
Nur zwei, ihr wißt es, hab' ich mir erkoren,
Wer sie berührt, dem ist der Tod geschworen.

Um Ehr und Glück und Seligkeit betrogen
Ward ich durch sie. - Bei allen Höllenqualen!
Sie sollen heute mir mit Wucher zahlen,
Eh noch die Sonn' erscheint am Himmelsbogen.
Wie sie geschwelgt in meinem Hab und Gute,
So schwelge ich in ihres Herzens Blute."

Und Beifall jauchzt die Schaar. Emporgehoben
Die Schwerter klirren bei des Hauptmanns Worten,
Die Fackeln sprühn, gesprenget sind die Pforten,
Die Räuber dringen ein mit wildem Toben.
Von Blut geröthet sind des Schlosses Hallen,
Und Flüche, Angst und Wuthgeschrei erschallen.

Domenico mit hochgeschwungnem Schwerte
Eilt in des Hauses innerste Gemächer.
"Henrico! auf, es naht der strenge Rächer;
Antonia! es naht der sonst dir Werthe.
Dein Bräutigam ist da, dich zu umfangen,
Er suchet dich mit glühendem Verlangen."

Ein rascher Stoß - da stürzt die Thür in Trümmer,
Die nur allein den Strom noch aufgehalten.
Es jauchzen laut die gräßlichen Gestalten,
Denn bei der Fackeln ungewissem Schimmer
Erscheint ein bleiches Weib, schön zum Entzücken,
Dem Gatten angeschmiegt, den gier'gen Blicken.

Die Waffen blitzen in Henrico's Händen,
Ein Räuber fällt, getroffen vom Geschosse,
Umgeben von dem wuthentflammten Trosse
Will jeder Blick des Kühnen Leben enden: -
"Hinweg!" so donnert jetzt des Hauptmanns Stimme,
"Raubt nicht das Opfer dem gerechten Grimme."

Er winkt, da stürzt frohlockend sich die Rotte
Zum Kämpfer hin, das Schwert ist ihm entwunden,
An eine Säule sieht er sich gebunden,
Indessen preisgegeben frechem Spotte,
Antonia an ihres Gatten Herzen
Gesunken ist in namenlose Schmerzen.

Ihr naht Domenico. - "Ha! falsche Schlange,
Erkennst du mich? Lang schlummerte die Rache,
Sie schlummerte, daß furchtbar sie erwache.
Ich ziehe dich zu meinem Untergange
Erbarmungslos hinab. Ja mit Ergötzen
Soll sich mein Herz an deinen Qualen letzen.

Wie lieblich uns die Hochzeitsfackeln lodern! -
Zurückgekehrt zum Stammhaus meiner Ahnen
Bin ich, an deine Schwüre dich zu mahnen,
Mein Erbe nun aus deiner Hand zu fodern.
Komm folge mir zum frohen Fackelnreigen,
Komm, süßes Lieb, das Brautbett zu besteigen!

Du zitterst! Ha, du weinst! - o diese Thränen,
Gefährlich einst, sie löschen nicht das Feuer
In meinem Busen jetzt. Zum Ungeheuer
Ward ich durch dich, zu Tigern, zu Hyänen
Verstießest du mich: nun bei allen Teufeln,
Ich mache wett, du sollst mit mir verzweifeln!"

Da richtet sich, gleich einem Geisterbilde,
Antonia empor. Zu Himmelshöhen
Kehrt sich ihr Thränenblick mit stillem Flehen. -
Es sinkt der Trost aus seligem Gefilde
In ihre Brust herab, wie sich's auch endet,
Gefaßter sie sich zum dem Räuber wendet.

"Du Gräßlicher, der einst für mich entbrannte,
Vernimm: unschuldig bin ich. Was auch immer
Vom Ohme dir geschah, ich schürte nimmer
Die Flamme seines Zorns, nicht ich verbannte
Aus seinem Antlitz dich, des Hauses Erben,
Dein Laster nur war einzig dein Verderben."

Ha, du Verrätherin, die mir geschworen
Den heilgen Eid, an den so fest ich glaubte,
War's auch der Oheim, der dein Herz mir raubte? -
"Der Tugend fremd, warst du für mich verloren."
Der Bube stahl dich mir: Geduld! ich finde
Den Weg zu ihm, wie ich fand ihn zur Sünde.

"Halt ein, Domenico, halt ein! Bedenke,
Daß jenseits ein gerechter Richter lebe;
Domenico! vor seinem Zorn erbebe!
Doch muß ein Opfer fallen, nun so lenke
Auf mich den blutgefärbten Stahl: Erbarmen!
Gieb mir den Tod in meines Gatten Armen."

Da rollt des Räubers Auge, seine Züge
Verzerren sich zum gräßlich wilden Lachen:
So leicht sollt' ich das schwere Spiel dir machen?
Vernimm, daß deine Rechnung dich betrüge.
Dich tödten! - nein! - Der Wollust süßen Becher
Leert Zug um Zug mit dir der trunkne Zecher.

Wie soll dein Widerstreben mich entzücken,
Wenn ich im wilden Taumel dich umschlinge,
Wenn, spottend deiner Thränen, ich dich zwinge,
Henrico's Mörder an die Brust zu drücken: -
Ergreift das Weib, ihr wilden Räubersöhne,
Mitleidig spar' ich ihr die Abschiedsscene.

"O lebt kein Gott, daß er die Unschuld schütze?
Erbarmender auf deinen Sternenhöhen,
Kannst du den Jammer der Verlaßnen sehen?
Allmächtiger, ha! schlummern deine Blitze?"
Die wilde Schaar schon näher zu ihr dringet,
Und fester ihren Gatten sie umschlinget.

Da kracht der Donner pfeilschnell hinterm Blitze,
Der Retter naht aus seinem Sternenhöhen.
Erbarmend hörte er der Unschuld Flehen,
Er nimmt sie auf zu seinem Wolkensitze.
Getroffen sinkst zum stillen Reich der Schatten
Antonia, vereinet mit dem Gatten.
(S. 139-144)
_____


Aus: Gedichte von Wilhelm Gabriel
Neue Ausgabe Breslau 1850
A. Gosohorsky's Buchhandlung (L. T. Maske)

 


Biographie:

Gabriel, Friedrich Wilhelm (gewöhnlich nur Wilhelm), Magistrataulischer Beamter in Breslau, geboren zu Weißenfels den 23. October 1784. Sein Vater, früher Advokat in Löbau, nachher Churfürstl. Sächs. General-Accise-Inspector des Naumburger Kreises, war ein leidenschaftlicher Verehrer der Musik und ließ den Knaben, als er sein 8. Jahr erreicht hatte, im Clavierspielen unterrichten. Dieser machte darin ziemliche Fortschritte, so daß er ihn in den kleinen häusl. Concerten oft Sonaten spielte. Den ersten Elementar-Unterricht erhielt G. durch seine Mutter, eine geb. v. Röbel, welche sehr vortheilhaft auf das Gemüth ihres Sohnes einwirkte. Durch mehrere Kinderkrankheiten in seiner körperlichen Entwickelung gehemmt, durfte der schwächliche Knabe keine öffentliche Schule besuchen, sondern wurde, als der mütterliche Unterricht nicht mehr genügte, durch Hauslehrer unterrichtet. Dieses Alleinsein, sowie der Umstand, daß ihm schon früh eine Menge Romane in die Hände kamen, verbunden mit seinem körperlichen Zustande, machte, daß er sich seine eigene Traumwelt bildete und in sich gekehrt und verschlossen erschien, was ihm auch in spätern Jahren eigen blieb. Nachdem er in seinem 11. Jahre seinen Vater, dem die Mutter schon früher vorangegangen war, durch den Tod verloren, kam er nach Dresden in das Haus einer Tante, welche ihm sehr wohl wollte, obgleich sie ihn nicht vor den Launen ihres Gatten zu schützen vermochte, der den schüchternen, nur in seiner Ideenwelt lebenden Neffen nicht leiden konnte. Von der Tante heimlich unterstützt, besuchte er indeß nicht nur die Kreuzschule, sondern konnte auch noch außerdem Privat-Unterricht nehmen. Er trieb fleißig Musik und machte sich, unter Anleitung des ältern Cantor Weinlig, mit dem Generalbaß und den Anfangsgründen der Composition bekannt, trat auch zuweilen als Clavier- und Violinspieler auf. Im 20. Jahre ging er nach Leipzig, um sich der Philologie, namentlich aber dem Studium der neuen Sprachen zu widmen. Doch veranlaßten ihn mehrere in sein Leben störend eingreifende unangehehme Ereignisse, schon 1805 einen Antrag des Hofpredigers Dr. Döring in Dresden anzunehmen und als Erzieher nach Schlesien zu gehen. Hier verlebte er die ersten glücklichen Jahre seines Lebens und wurde in den Familien, denen er sich angeschlossen, recht einheimisch. In der Einsamkeit des Landlebens, von den Reizen der Natur umgeben, sprach die Poesie, der er schon sehr früh gehuldigt, immer freundlicher ihn an. Er dichtete viel, und manche seiner poetischen Versuche, welche, wie die spätern, großentheils ernsten Inhalts sind, wurden in verschiedenen Blättern aufgenommen. Das verhängnißvolle Jahr 1813 führte ihn mit der Familie, der er damals angehörte, nach Breslau. Hier bildete er sich einen eigenen Heerd und lebt seitdem als Privatgelehrter und gab in mehreren Anstalten Unterricht. Auch errichtete er 1815, nachdem er sich kurz vorher eine Lebensgefährtin erwählt hatte, eine Pensions-Anstalt für Knaben, und an deren Stelle später eine Pensions- und Unterrichts-Anstalt für Töchter, welche bis 1829 fortgesetzt wurde. 1826 trat er in die Reihe der städtischen Beamten, in welcher Beziehung er noch heute steht. Im J. 1830, als durch Wilh. Förster die literarische Abtheilung des Künstlervereins ins Leben gerufen wurde, trat auch G. derselben bei, und verdankt diesem schönen Kreise manche wahrhaft genußreiche Stunde.
[Ergänzung: 1853 nahm er seine Entlassung und lebte seitdem als Privatmann in Hermsdorf unterm Kynast. Hier starb er am 1. Januar 1864.]
Aus: Schlesisches Schriftsteller-Lexikon oder bio-bibliographisches Verzeichnis
der im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts lebenden schlesischen Schriftsteller
von Karl Gabriel Nowack Drittes Heft
Breslau Verlag von Wilhelm Gottlieb Korn 1838 (S. 33-34)

 


 

 


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