Karl Geib (1777-1852) - Liebesgedichte

 



Karl Geib
(1777-1852)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Der Strom
Ein persisches Lied
(Nach dem Französischen)

Stürme grollen über unsern Häuptern,
Blitze theilen die empörten Lüfte,
Und der Strom, geschwellt durch Ungewitter,
Brüllt und tönt fernhin der Ode Nachhall.
Komm zum dichten Laubdach, meine Zaphne!
Komm! Der Frühling wohnt auf diesen Auen:
Seh'n wir dann den Strom, der am Gestade
Zürnt und seine Wogen schäumend rollt!

Zärtlich folgst Du des Geliebten Arme,
Und Dein Haupt, es sinkt auf meinen Busen;
Ach! mit Deinem süßen Athem trink' ich
Sanften Hauch des purpurhellen Morgens.
Lausche Deinem Silberton die Wildniß!
O ich höre den Gesang der Liebe,
Trotz dem hohen Strom, der am Gestade
Zürnt und seine Wogen schäumend rollt!

Wollust athmet in den zarten Lauten,
Und mein Herz durchglühen süße Flammen:
Nimm den Kuß, entlockt von Deinem Lächeln,
Engel aller Freuden und der Liebe!
Ach! die lieblichsten der Wohlgerüche
Kost' ich in dem zarten Kuß der Holden:
Leiser fluth', o Strom, der am Gestade
Zürnt und seine Wogen schäumend rollt!

Doch warum von solcher süßen Wonne
Kehrst Du Dich noch scheu und sanfterröthend?
Sieh' die Blume dort, die schnellen Laufes
Jene Welle weit von uns entführet!
Diese Blume ist Dein Bild, o Zaphne!
Und die Zeit enteilt mit unsern Wünschen,
Schneller, als der Strom, der am Gestade
Zürnt und seine Wogen schäumend rollt.

Im erneuten Kusse schweigt Dein Zürnen;
Doch Dein Aug' umschleiert noch ein Wölkchen.
Und was fürchtest Du? - Die wilde Taube
Ist des Busches einsame Gefährtin;
Junges Laub der duftenden Citrone
Birgt hier unser trauliches Geheimniß,
Und die Lust verhallt an dem Gestade,
Im Getön des Stroms, der schäumend rollt.
(Band 2 S. 77-79)
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Im Mai

Wie der Mai vom Hügel wandelt
Durch die Thäler, an den Bächen,
Blumen, weiß und feuerfarben,
Den smaragd'nen Fluren spendend,
Silbertön' in Lüften schallen!
Wie dort Ährenfelder wogen,
Junge Nektarreben blühen,
Heil'ge Bäum' und Lauben säuseln!
Wie durch dunkles Grün der Föhren
Freundlich Eich' und Buche schimmern!
Jubel tönt dem holden Maien,
Der im Bunde mit Lyäus,
Pan, der Waldsyringe Meister,
Und dem leichtbeschwingten Zephyr,
Wonne bringt aus sel'gen Auen. -
Nymphen, eilet rasch vorüber!
Denn im Busche lauscht der Waldgott;
Aber bald wird er Euch haschen.
Nicht so spröde holde Mädchen!
Seht! Es lodert Lust und Flamme
Rings im Äther, Land und Strömen:
Lieben sollen wir uns alle,
Weil die hochvereinten Götter,
Mit Cyther' und Charitinnen
Liebend auch das All vereinen.
(Band 2 S. 79-80)
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Der Troubadour am Grabe der Liebenden
(Nach Duwicquet d'Ordre)

Kränzet mit der Blumen Roth,
Liebende, am düstern Orte,
Wo die Unschuld ruht, die Worte:
"Lieber wähl' ich mir den Tod!"

Ach! Wen kann die trübe Noth
Eines holden Paars nicht rühren?
Will ein gleiches Loos mich führen,
Wähl' ich lieber mir den Tod.

Jener Vogel, den Ihr droht
Von der Gattin zu verjagen,
Flattert kläglich, und will sagen:
"Lieber wähl' ich mir den Tod."

Wenn des Schicksals Macht gebot
Trennt den Freund von seiner Lieben,
Wie sich seine Tage trüben!
Lieber wählt er sich den Tod.

Auf des Lebens schwachem Boot
Zieht ihn bald hinab der Kummer;
Nicht mehr tönt aus seinem Schlummer:
"Lieber wähl' ich mir den Tod!"
(Band 2 S. 94)
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An Lesbia
(Nach Catull)

Fragst Du, Lesbia, wie viel Deiner Küsse
Mir genügen und, mehr noch, als genug sind?
So viel Libya häuft der Körner Sandes
Um die silberbegabte Stadt Cyrene,
Dorten zwischen des glüh'nden Zeus Orakel
Und dem heiligen Denkmal am Gestade;
Auch so viele der Stern' in stillen Nächten
Auf der Menschen verstohl'ne Lieb' herabschau'n.
Hast geküsset einmal Du so viel Küsse,
Möchten die dem entflammten Freund genug seyn,
Sie, die nimmer ein Lauscher überzählen,
Noch die schädliche Zunge kann vergiften.
(Band 2 S. 104)
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Gefühle

Nicht wie Geräusch der Wogen
Ist wahrer Liebe Sinn:
Nein! stumm, in sich gezogen,
Wallt einsam er dahin.

Im jubelnden Gedränge
Mag er nicht lange seyn;
Er stiehlt sich aus der Menge,
Und flieht zum düstern Hain.

Im öden Burggemäuer,
Wo Heldenschatten geh'n,
Hebt sich die Seele freier,
Weil Trost die Eichen weh'n.

Sieh', ew'ges Grün am Felsen,
Und dort hinab, wo wild
Im Thal sich Bäche wälzen!
Wird Sehnsucht je gestillt?

Wer gern die warmen Triebe
Zur Schau im Kreise trägt,
Hat wohl die flücht'ge Liebe,
Doch nie den Schmerz gehegt.

Wie Duft die Flur bethauet,
So wird das Herz getrübt:
Es hat sich nicht vertrauet;
Das heißt: Es hat geliebt!
(Band 2 S. 110)
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Sehnsucht

Mein Mädchen hier an meiner Seite -
O Wonne für das warme Herz!
Doch sehnend blick' ich nur in's Weite:
Groß ist die Wonn' und groß der Schmerz.

Nein! Ruhe werd' ich nimmer finden:
O daß sie mir von grünen Höh'n,
Aus dunkelm Hain, aus stillen Gründen,
Käm' in des Lenzes Zauberweh'n!

Wenn Zephyr streicht durch Flur und Matten,
Erwacht auf's neu die Frühlingslust:
Doch hingelehnt im trauten Schatten,
Fühl ich nur Gram in meiner Brust.

Die Zeit entflieht mit Sturmeseile;
Kein Zaum hält ihrer Rosse Lauf:
Doch wer entgeht süßbitter'm Pfeile,
So lang' er wallt bergab, bergauf!

Drum klag', o Harf', in diesen Auen!
Fällt doch ein Licht auf trübe Spur,
Und Wonnen der Erinn'rung thauen
Dem liebentflammten Troubadour!

Ha! Und ein Strahl glänzt in der Ferne:
Soll Ruhe finden nicht der Schmerz,
Dann leuchten ritterliche Sterne
Vielleicht noch Trost und Kraft in's Herz.
(Band 2 S. 111-112)
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Troubadours-Lied
(Nach dem Französischen)

Dem König treu, und treu dem Vaterlande,
Hab' ich gedient; (so sprach ein Rittersmann;)
Jetzt, Amor, folg' ich Deinem Zauberbande
Der Palme schließ' die Myrthe froh sich an!
Lang war ich fern von euch, Cytherens Hallen,
Von Grazien und von der Liebe Spur:
Gelingt es mir, den Schönen zu gefallen,
Nehm' ich die Harf' und werde Troubadour.

Wie fühl' ich mich in Euerm Dienst beglücket,
Holdsel'ge Frau'n! Er ist mein höchstes Gut:
Ich seufze tief, wenn Euch mein Aug' erblicket,
Und ach! mein Herz beschleicht geheime Glut.
Empfangt die Huldigung, so wahr und bieder,
Und wähnet nicht, dies sey ein eitler Schwur!
Ich lege hier vor Euch die Waffen nieder,
Und weihe mich zu Euerm Troubadour.

Jedoch wenn neu der Kriegsdrommete Tönen
Für's Vaterland mich ruft zur ernsten Schlacht,
O dann wird in der Schärpe meiner Schönen
Gewiß die kühnste Ritterthat vollbracht:
Kehr' ich zurück in stolzer Siegesfeier,
Kränzt mich der Liebe Ros' auf heim'scher Flur,
Dann windet um die goldgeschmückte Leier
Des Ruhmes Palm' ein froher Troubadour.
(Band 2 S. 114-115)
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Lied eines französischen Grenadiers,
indem er seinen Schnurrbart seiner Geliebten sandte
(Nach Duwicquet d'Ordre)

Nach vierzehn Jahren Kampf und Müh'
Komm' ich von unserm Heer zurücke:
Die Freunde seh' ich bald, und sie,
Mein Lieschen mit dem holden Blicke.
Stolz wird auf mich die Schöne seyn,
Wie froh werd' ich die Hand ihr reichen!
Ich bring' ein Herz ihr, fest und rein,
Und auf der Brust das Ehrenzeichen.

Wer scheidet nicht mit Traurigkeit
Von seinem Dorf in jungen Jahren?
Im Wein versenkte ich mein Leid,
Und Hoffnung ließ den Muth nicht fahren.
Als ich die Bärenmütz' empfing,
Auf welcher rothe Federn prangen,
Da war mein Wort: Ein herrlich Ding,
Auch noch den Schnurrbart zu erlangen.

Drauf, als ich in der ersten Schlacht
Gefochten an des Hauptmanns Seite,
Nannt' er mich nur die wilde Jagd,
So wacker schlug ich in dem Streite.
Dort krachte viele Stunden lang
Musketenfeu'r in Flank' und Mitte;
Dann schlief ich bey Kanonenklang
So ruhig, als in meiner Hütte.

Wenn ringsum das Gefecht erschallt,
Stürz' ich hinein mit Löwengrimme;
Doch wenn sein Donnerton verhallt,
Folgt auf die Wuth des Mitleids Stimme.
Den Überwund'nen bin ich mild,
Und um gefall'ne Heldensöhne -
Oft unbewußt mir selber - quillt
In meinen Schnurrbart manche Thräne.

In Länder gingen wir zum Kampf,
Wo Reif und Eis am Schnurrbart hingen;
Oft brannt er in dem heißen Dampf,
Wenn Kugeln an zu spielen fingen:
Ein Theil davon ward mir entführt
Bei Capua im Pulvernebel;
Kein Messer hat ihn wegrasiert,
Nein! ein verdammter Hieb vom Säbel.

Ich zog wohl recht die Kreuz und Queer,
Und schaute, stets vom Sieg geleitet,
Rom, Wien, Berlin, das schwarze Meer,
War, wo Ägyptens Flur sich breitet,
Bis zu den Völkern zog ich mit,
Die lang oft nicht die Sonne sehen;
Ich machte so viel tausend Schritt',
Als Haar' in meinem Schnurrbart stehen.

Einst wagt' ich viel, und riß geschwind
Des Feindes Fahn' aus seinen Gliedern;
Zerschossen wehte sie im Wind,
So trug ich sie zu meinen Brüdern:
Und als ich dort noch blutend stand,
Hat, von so braver That entzücket,
Mich selbst des Kaisers Adjutant
Mit seinem Ehrenkreuz geschmücket.

Einstmal umringt ein starker Feind
Im Walde mich: die Waffen blitzen;
Der edle Führer ruft: "Mein Freund,
Ergib Dich! Was kann Muth hier nützen?"
Schon zischt die Kugel neben mir -
Kein Schimpf! Eh' tausendmal verloren!
Man fängt noch keinen Grenadier:
Bei meinem Schnurrbart war's geschworen! -

Der Fürst will meine Dienste nun
So gut, als ehrenvoll, belohnen;
Nach Müh' und Kämpfen werd' ich ruh'n,
Und sorgenfrei mein Feld bewohnen.
Gibt Söhne mir der Himmel viel,
Dann mach' ich alle zu Soldaten,
Und kennen sie des Vaters Ziel,
Erlangen all' auch einst Granaten.

Bald werd' ich euch, ihr Hügel dort,
Euch, Wälder, Flur und Hütt', erblicken!
Früh Morgens geht es singend fort,
Mit dem Tornister auf dem Rücken;
Dich bald zu schau'n, mein theures Land,
Entreiß' ich mich dem Schlaf behende,
Indeß ich froh, zum Liebespfand,
An Lieschen meinen Schnurrbart sende.
(Band 2 S. 115-118)
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An L. mit einer kleinen Gabe

Wie Gold erglänzt die Sonne mild,
Blau ist der Treue Himmelsbild,
So Deinem Auge zu vergleichen:
Das Sprüchwort sagt: "So treu wie Gold!"
Am Busen trage, lieb und hold,
Die Gab' und das Erinn'rungszeichen!
(Band 2 S. 121-122)
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An den Frühling

Sende mir wieder,
Lenz, mit den Blüthen,
Und mit der Auen
Freundlicher Grüne,
Farbige Träume
In Phantasia's
Dicht'rischen Tönen!
Trübe, ja trübe
Ist mir die Seele!
Wolken verdrängen
Sonnige Blicke.
Will mich der Liebe,
Wonne beglücken,
Nahe sie harmlos
Dort auf dem Hügel
Und in dem Haine,
Scheuche den Kummer,
Lind're der Reue
Quälende Schmerzen!
Wenig, nur wenig,
Götter! verlangt der
Liebende Dichter.
(Band 2 S. 122)
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Am Abend des Scheidens

Kurz sind des Lebens Wonnen:
Sie flieh'n, kaum angesponnen,
Fern' in der Zeiten Schoos;
Doch länger sind die Schmerzen
Beschieden unserm Herzen:
Dies ist der Pilger Loos.

Es rufen mir zurücke
Der Holden Zauberblicke
Thal, Hügel, Flur und Hain,
Des Baches Silberwelle,
Und jede grüne Stelle:
Ach! Denkt Sie fern' auch mein?

Sie sollte mein nicht denken,
Die mir noch wollte schenken,
Was ewig werth und hold?
Dies Band von Himmelsbläue,
Ein Bild der Lieb' und Treue,
Und ihrer Locken Gold.

Doch bleibet nur das Sehnen,
Und so, wie einst mit Thränen
Der Hirt im Waldrevier,
Ruf' ich von diesen Höhen:
"Komm, Luft, mich anzuwehen!
Du kommst vielleicht von Ihr."

Wohl lindern oft die Musen,
Wenn sich im warmen Busen
Das trübe Leid erhebt;
Doch ächter Trost erstehen
Kann nur, wenn Wiedersehen
Dem Hoffnungstraum entschwebt.
(Band 2 S. 122-124)
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Der Geliebten

Ich dachte Dein,
Wo heil'ger Vorzeit Schauer wehen
Im grünen Hain, auf luft'gen Höhen:
Denkst Du auch mein?

Ich dachte Dein,
Trotz manchem schönen Frauenbilde
Im Saal, im Garten, im Gefilde;
Denkst Du auch mein?

Ich dachte Dein,
Wo hoch sich Burgruinen thürmen
Als feste Wehr in Kampf und Stürmen:
Denkst Du auch mein?

Sie denket mein!
Es tönt mir, gleich der Harf' im Winde
Durch diese Flur und stillen Gründe:
"Sie denket Dein!"

Und denkst Du mein,
So harr' ich aus in Leid und Sehnen:
Verschwinde jedes eitle Wähnen!
Ich denke Dein!
(Band 2 S. 126)
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Am ersten September

Zwei Jahre nun - da sah zum erstenmal
Ich Sie an diesem Ort! Werd' ich Sie wiedersehen?
Soll, wie der Wind, Erinn'rung uns verwehen?
Der Liebe Lust und bitt're Qual
Kann nie, ach! nie vergehen.
Du zeigst ihr Bild, arkad'sche Flur,
Im Hain, am Bach, auf jeder Spur!
Wann tönt Dein Laut: "Ihr sollt Euch wiedersehen?"
(Band 2 S. 126-127)
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Frühlingslied

Schon naht der Lenz von Ostens Höhen,
Des Winters dunkle Schauer flieh'n,
Die leichtbeschwingten Weste wehen,
Und Florens erste Kinder blüh'n:
Da wallt auf neubegrünter Flur,
Am stillen Bach, ein Troubadour.

Er singt: "Wann ruht das warme Sehnen
In meiner liebentflammten Brust?
Auf euch, ihr Blümchen, glänzen Thränen;
Vor diesem war't ihr meine Lust:
Dem Frohen lacht ringsum die Flur,
Sie weint dem armen Troubadour.

Denn ach! Geliebte, Du bist ferne!
Wann lächelt mir Dein sanfter Blick?
Kommst Du wohl erst auf sel'gem Sterne
Dem sehnsuchtsvollen Wunsch zurück?
Empfängt Dich noch auf heim'scher Flur
In seinen Arm Dein Troubadour?

Doch in der Horen leichtem Tanze
Entflieht die unhaltbare Zeit! -
O ging ich fern mit Schwert und Lanze
Bald wieder hin zum edlen Streit!
Ruh' fand oft in der stürm'schen Flur
Ein ritterlicher Troubadour." -

So, einsam klagend um die Holde,
Schleicht er sich tiefer in den Hain,
Und tröstend fällt vom Abendgolde
In grüne Nacht ein milder Schein:
Es wiegt die feierliche Flur
In süßes Weh den Troubadour.
(Band 2 S. 128-129)
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Zur Umschlag-Vignette des Taschenbuchs Cornelia
1824

Der Sänger will zum trauten Hain entweichen,
Wo sinnend ihren Kranz die Muse flicht;
Dort findet er im Schatten grüner Eichen
Das zarte Kind der Au'n: Vergißmeinnicht!
An seiner Harfe blüht das werthe Zeichen
Bei Myrtenlaub;  er kennt des Sängers Pflicht,
Und weiht sein Blatt, auf das die Holden schauen
Mit Güt' und Huld, dem Lob der edlen Frauen.

Und ruft die Pflicht zu ritterlichem Ruhme,
Dann trägt er gern gewappnet Schild und Schwert;
Die Liebe reicht zum Epheu ihm die Blume,
Wenn er sich treu mit Herz und Hand bewährt;
Doch wird nur in der Andacht Heiligthume
Das, was die Seel' erhoben, rein verklärt:
So huldigt er im stets geweihten Sinne
Mit Ehre, Lieb' und Glauben hoher Minne.
(Band 2 S. 130-131)
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Der Entfernten

Zweimal schon entrollte das Jahr im Wandel der Sonne,
Und der Gedächtnißtag wecket nur Scheiden und Gram.
Damals blühte so schön der Lenz auf heimischen Auen;
Doch der liebliche Schein hellte die Seele mir nicht.
Heut' auch nahet das Fest der Frühlingsgöttin; doch seh'n wir
Spuren des Winters noch, trüber Ahnungen voll.
Aber tönt nicht der Lerche Gesang, und glänzet, der Liebe
Trostverheißendes Bild, dort nicht das Blümchen der Flur? -
Holde! Möchten auch so aus fernem Gewölke der Zukunft
Heilige Schimmer des Lohns leuchten dem edlen Vertrau'n!
(Band 2 S. 135-136)
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An L. mit einer Gabe zum Geburtstage

Wenn diese kleine Perlenkette
Sich um das liebe Hälschen schlingt,
So denk', o reizende Lisette!
Die mir der Perlen Schönste dünkt,
Daß Dir die wärmsten Wünsche bringt,
Am frohen Tag, der Dich geboren,
Ein Herz, das schlägt für Dich allein,
Und das von Deinem ist erkoren.
O möchte bald der Zukunft Schein
Die finst're Nacht der Wolken theilen,
Des Grames tiefe Wunden heilen,
Und unser'm Bunde Rosen weih'n!
(Band 2 S. 139)
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Sehnsucht
(Nach Florian)

Es ruft im Thal und an der Quelle,
Im Hain, vom Zephyrhauch bewegt,
Am Baum, der ihren Namen trägt,
Lisette! ruft's von jeder Stelle:
Erinn'rung, hart und wonniglich,
Was willst Du noch? O lasse mich!

Wenn in dem Schatten dieser Bäume
Das Auge sich in Schlummer hüllt,
Dann schwebt heran ihr sanftes Bild;
O Schrecken! Bald entflieh'n die Träume:
Erinn'rung, hart und wonniglich,
Du bleibest noch? O lasse mich!

Wozu der Wahn, das eitle Sehnen?
Unsel'ger, Dich erhält Dein Leid!
Schwänd' es dahin im Lauf der Zeit,
Du riefst ihm nach mit heißen Thränen:
"Erinn'rung, hart und wonniglich,
Ach! komm zurück! Was fliehst Du mich?" -
(Band 2 S. 140)
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Canzone

Du weilst im fernen Thale,
Ich einsam hier auf öden Winterfluren;
Ach! Deine holden Spuren
Erscheinen nicht im sanften Lenzesstrahle,
Auch nicht auf gold'nen Sonnenfluren;
Jetzt trauern Hain und Thale:
Des Kampfes Ziel ist nicht errungen;
Kein Streben noch gelungen;
Doch denk' ich nur, im neid'schen Lauf der Zeit,
Was Glück und Ruhe Dir verleiht.

O Theure! Die Gebilde
Der reizenden Vergangenheit erscheinen;
Doch ihre Blicke weinen:
Thau aber stärkt die nächtlichen Gefilde,
Die hell im Blumenglanz erscheinen:
Erkenn' in diesem Bilde,
Daß oft aus Gram ersteht die Wonne,
Wie aus der Nacht die Sonne!
Ich denke nur, im neid'schen Lauf der Zeit,
Was Glück und Ruhe Dir verleiht.

Wie lange soll noch währen
Die Prüfungszeit mit ihrem Kelch der Leiden?
Ach! Bitter ist das Scheiden,
Und hart, der Holden Antlitz zu entbehren.
Was soll, Geliebte! was im Leiden
Allein noch Trost gewähren?
Der Hoffnung Muth in jedem Werke,
Treusinn und Seelenstärke:
So denk' ich nur, im neid'schen Lauf der Zeit,
Was Glück und Ruhe Dir verleiht.
(Band 2 S. 142-143)
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Der Traum und das Neujahrsgeschenk
An L . . .

Dank, Holde, Deinem schönen Traum,
Da mit des Frühlings jungem Strahle
Wir an des Hügels gold'nem Saum
Uns wieder sah'n! Du gingst für mich
Nach Blumen; ringsher lachten Dich
Violen an, das Bild der Treue,
Vergißmeinnicht, der Sittsamkeit
Und der Erinnerung geweiht.
Es glänzte schon der Blümchen Reihe
In Deinem Kranz - ach! da verschwand
Der helle Traum: doch unser Band
Soll fest besteh'n, wie uns're Treue,
Und neu verklärt im tiefen Schmerz
Der Hoffnung Schein das trübe Herz. -

Auf einem Muschelkahne fuhr
Der Liebe Göttin durch die Wogen,
Von Silberschwänen fortgezogen,
Und schöner blühte die Natur.
Auch fand in einer Muschelgrotte,
Geleitet von dem Liebesgotte,
Die blonde Nymph' ein treuer Hirt,
Der lange Flur und Hain durchirrt. -

Geliebte, holder als die Rose
Im Blüthenmal! o darum steh'n
Der Liebe Muscheln auf der Dose,
Die Deine Güte mir erseh'n,
Die mir vor allem werth und schön!
Ich nehme sie - wie liebreich tönt Dein Grüßchen! -
Mit Wonne denk' ich an mein Lieschen,
Und weiß, es gibt ja doch nur Eins:
Wohl mögen Manche so sich nennen;
Doch ich will nur ein Lieschen kennen,
Und das ist - Meins!
(Band 2 S. 143-144)
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Der Traurige
(Triolet)

Ich ging so traurig von dem Hügel:
Denn ach! Sie kann nicht mit mir geh'n!
Der Frühling naht, es glänzt der Bäche Spiegel;
Doch ging ich traurig von dem Hügel:
Fern schwebt zu Ihr des Geistes Flügel -
Wann werden wir vereint des Lenzes Blumen seh'n? -
Ich ging so traurig von dem Hügel:
Denn ach! Sie kann nicht mit mir gehn! -
(Band 2 S. 145)
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Frühling und Liebe
(Nach einem Minnesänger aus dem 13. Jahrhundert)

Heil, Lenz, Heil Deiner süßen
Und wonniglichen Zeit!
Die Trauer will zerfließen,
Und Freude folgt dem Leid,
Wo mild Dein Auge lacht:
Dir sey mein Gruß gebracht!

Wald, Fluren, Haid' und Aue
Sind neu begrünt zu seh'n;
Im süßen Himmelsthaue
Die bunten Blümchen steh'n;
Lob singen Vögelein
Des Maien gold'nem Schein.

Zu singen will ich wagen
Das Lob der edlen Frau'n:
Dies soll den Schmerz verjagen
Und stärken mein Vertrau'n;
Der Holden sanfter Blick
Führt Wonne bald zurück.

Des Weibes Ehr' und Schöne,
Und ihre Güt' und Zucht
Das Lied vor allem kröne!
Es sproßt der Liebe Frucht
Aus dieser Blüthe, hold
Und köstlicher, als Gold.

Wo mild ein Weib sich zeiget
Dem liebevollen Mann,
Und ros'ge Lippen neiget,
Da flammt sein Muth hinan,
Und steht, der Sonne gleich,
In ew'ger Wonne Reich. -
(Band 2 S. 145-146)
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Meine Geliebte
(Nach dem Minnesänger Wachsmuth von Mülnhausen)

Schlank ist und reizend meine Schöne;
Es wallt herab der Locken Gold
Auf ihren Hals, so weiß wie Schwäne:
Wer ist so liebreich, rein und hold?
Bei Dir, o Wonnesüße!
Wär' ich im Paradiese:
Verleih', o Himmel, uns den Minnesold!

Hell scheint die Sonn' auf Thal und Auen;
Doch schöner lacht Elisens Blick:
O dürft' ich bald Sie wieder schauen,
Die aller Schöpfung Meisterstück!
Was gleicht dem höchsten Lohne?
Kein Scepter, keine Krone,
Nur Sie ist meines Lebens Glück.
(Band 2 S. 146-147)
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Minnelied
(Nach dem Schenken von Limburg)

Der Auen Freude kommt zurück,
Der düst're Schauer floh;
Vom Himmel lacht der Sonne Blick:
Deß wär' ich wieder froh.

Doch Sehnsucht nach der Lieben drängt;
Dort ist mein Herz im Bann:
Wem seine Göttin Wonne schenkt,
Wie glücklich ist der Mann!

Ein Wunder ich verkünden will:
Entschlafen war ich kaum,
Da nahte Sie so sanft und still
Im holden Feentraum.

Ich kos'te Locken, Wang' und Arm,
An Freuden mehr als reich;
Da fühlt' ich mich so wohl, so warm!
Kein König war mir gleich.

O süßes Glück, o sel'ger Tag,
Der solchen Traum mir schuf!
Doch wer mein Herz empören mag,
Weckt mich mit lautem Ruf.

Nur scheuchen kann die holde Maid
Den Gram durch ihren Blick:
Ach! ohne sie herrscht trübes Leid,
Kommt Freude nie zurück.

Wenn einst nach langer Tage Zahl
Mir lacht ihr schöner Mund,
Dann werd' ich frei von Sorg' und Qual,
Mein Herz auf's neu gesund.
(Band 2 S. 147-148)
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An L. . . .
(Auf Ihren Neujahrswunsch)

Wir uns vergessen können,
Du liebe, holde Maid?
Eh' soll die Lust sich Leid,
Der Gram sich Freude nennen.
Eh' soll der Fische Heer
Hinwandeln auf den Wiesen,
Der Strom zurücke fließen,
Eh' sey die Flur ein Meer!
Eh' schweb' aus Waldestriften
Das Reh zu hohen Lüften,
Eh' werde Flammengluth
Zur kühlen Wasserfluth! -
Laß uns auf grünen Auen
Der Hoffnung Blume schauen,
Du, meiner Tage Licht!
Sie blüht dem treuen Herzen,
Sie lächelt Trost den Schmerzen,
Und heißt - Vergißmeinnicht.
(Band 2 S. 154-155)
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Sehnsucht

Grüßt der freundliche Lenz auf's neu die Auen und Hügel?
Sang ein Vogel im Wald? Doch er verweilt nur allein:
Schmerzt ihn, dem Dichter gleich, die Trennung von seiner Geliebten?
Aber sie lockt im Gebüsch! ach! und er schwebet zu ihr.
Trübe steigen die Wolken empor: so trüb' ist die Seele:
Leucht' in des Frühlinges Schein Wiedersehen und Ruh'!
(Band 2 S. 155)
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Die Träume
An L. . . (Triolet)

Ich sehe Dich so oft in Träumen,
So lieblich, wonnereich und mild!
Die Fluthen rollen und verschäumen;
Ich sehe Dich so oft in Träumen,
Und stets will die Erfüllung säumen,
Noch bleibt sie nur ein Schattenbild:
Ich sehe Dich so oft in Träumen,
So lieblich, wonnereich und mild!
(Band 2 S. 156)
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Lied
(Nach einem Minnesänger)

"Jungfrau, nimm den Blumenkranz!
(Also sprach ich zu der Schönen;)
Laß der Auen Purpurglanz
Deine blonden Locken krönen!
Hätt' ich Gold und Edelstein,
Sollt' es nur Dein eigen seyn:
Glaube, daß ich Treue,
Lieb' und Herz Dir weihe!

Gern, o Jungfrau, spend' ich Dir,
Was wir schön von Blumen finden,
Dort im grünen Waldrevier,
Auf der Haid', in Thalesgründen,
Was der Gartenflur entsprang:
Bei der muntern Vögel Sang
Geh'n wir - ach Entzücken! -
Beide, sie zu pflücken.

Und es nahm, was ich ihr bot,
Schüchtern, wie ein Kind, Lisette:
Ihre Wangen wurden roth,
Gleich der Ros' im Lilienbette;
Schamhaft neigt' ihr Auge sich,
Und sie stand gelehnt an mich:
O des Lohns der Liebe,
Himmlisch-süßer Triebe!
(Band 2 S. 157-158)
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An L. . . .
(Zur Neujahrgabe)

Fest wie die Burgen dieser Höhen,
Ist auch ein wahrhaft liebend Herz:
Sie dauern in des Sturmes Wehen,
Es bleibt sich treu in Wonn' und Schmerz.
Ach! wie des Stromes Fluthen eilet
Die Zeit hinab - doch nimmer heilet
Der Liebe Wunden Zeit und Raum:
Wir fleh'n an diese Jahres Ende,
Geliebte! daß der Himmel sende
Erfüllung unserm schönsten Traum.
(Band 2 S. 160-161)
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Liebe und Hoffnung

Der Liebe Rosen und der Hoffnung Grün,
Sie dauern, wenn auch Jahr und Stunden flieh'n:
Wohl sinkt die Nacht; jedoch der Hoffnung Sterne
Glüh'n unbewölkt und trösten uns so gerne;
Es funkelt in dem lichten Ätherglanz
Der reinen Liebe gold'ner Myrtenkranz.
Geliebte! Dies soll unser Herz erheben,
Das in des Lebens Stürme rein und ganz
Der treuen Lieb' und Hoffnung sich ergeben.
(Band 2 S. 162-163)
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Am 17. April

Es lachen so freundlich
Die Au' und der Hain,
Wie, Holde, vor Jahren;
Doch störte so feindlich
Die Trennung, so bitter,
Den süßen Verein.
Mag dunkles Gewitter
Den Himmel umzieh'n,
Der Blitz ihm entglüh'n -
Bald folget die Sonne
Dem nächtlichen Grauen,
Es lächeln die Auen
So grünend und hell!
Ihr Tage des Scheidens,
Ihr Tage des Leidens,
Seyd Ihr auch der Wonne,
Der liebenden, Quell? -
(Band 2 S. 163)
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Am 1. Mai
(Triolet)

Es kam der frohe Mai zurücke,
Und immer hofft ein liebend Herz:
Auf Blümchen ruh'n Aurorens Blicke,
Auf Fluren kehrt der Mai zurücke -
Wann, Holde, nah'n wir uns dem Glücke,
Zerfließt in Lust der tiefe Schmerz? -
Es kam der frohe Mai zurücke,
Und immer hofft ein liebend Herz.

Doch lächelt heute mir entgegen
So wonniglich Dein sanftes Bild.
Wär' Ahndung dies auf Dämmerwegen?
Wie lächelt mir Dein Bild entgegen!
Führt aus des Grames Irrgehägen
Uns schon die Hoffnung, treu und mild -
Es lächelt heute mir entgegen
So wonniglich Dein sanftes Bild!
(Band 2 S. 163-164)
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Der Geliebten
(Triolet)

Auf Dein- und meinen Lieblingshöhen
Steh' ich so traurig und allein!
Es blüht der Mai, die Weste wehen
Auf Dein- und meinen Lieblingshöhen;
O! Tage, Mond' und Jahr vergehen:
Wann naht der seligste Verein? -
Auf Dein- und meinen Lieblingshöhen
Steh' ich so traurig und allein!
(Band 2 S. 164)
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Akrostichon
(Bei Übersendung der Damenbibliothek)

Lieblich ist und gut die holde Maid,
Ist voll Tugend, Treu' und sanfter Würde:
Sink' uns bald, der Trennung schwere Bürde!
Eil', o Wiederseh'n, im Flug der Zeit!
Tief im Herzen steht Ihr süßer Name,
Tief in mir, der seiner edlen Dame
Ein Geschenk für edle Damen weiht.
(Band 2 S. 165)
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Minnesängers Klage

Wie trüb' ist meine Seele doch!
Wann glüht ein Schein des Lichts?
Was fürchtest Du, was hoffst Du noch?
Den Traum, das eitle Nichts!

Das Bächlein eilt zum Strom hinab,
Er eilt zum Ocean:
Ich setze fort den müden Stab
Auf öder Lebensbahn.

Soll ich Sie nimmer wiederseh'n?
So trüb' ach! ahnt es mir:
Ich werd' am grünen Walde steh'n
Und seufzen oft nach Ihr.

Sonst sangen Lust die Vögelein
Mir in das freie Herz;
Bald weckt der Lenz ihr Lied im Hain,
Doch bleiben soll der Schmerz.

Sieh! dort ein Strahl durch Wolken bricht
Auf waldumbüschten Höh'n:
O wäre dies der Hoffnung Licht
Zum frohen Wiederseh'n!
(Band 2 S. 165-166)
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Die Sterne
An L. . .

Leuchtet der Stern? Nein - zwei der holden Sterne
Funkeln strahlenvereint am heiter'n Himmel,
Trost in stiller Nacht der getrübten Seele
Lächelnd hernieder. -

Hüllet ein Sturm das Licht, im Siegerglanze
Tritt es wieder hervor: so, Holde, dauert
Ewig uns'rer Herzen Verein, wie dorten
Sterne der Liebe!
(Band 2 S. 166)
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Meiner Lisette zum Geburtstage

Nur selt'ne Freuden
Bei manchen Leiden
Herzinn'ger Liebe,
Und ach! so trübe
Manch Trennungsjahr,
Sind uns zerronnen;
Am Hoffnungsstabe
Lacht Wiedersehen
Von fernen Höhen:
So nimm die Gabe
Der wärmsten Triebe
Herzinn'ger Liebe
Am Tag der Wonnen,
Der Dich gebar.
(Band 2 S. 166-167)
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An meine L. . .
(Bei Übersendung der Volkssagen des Rheinlandes)

Den kleinen Blumenstrauß von Lieb' und Leiden,
Von Schmerz und Freuden,
Ich bring' ihn Dir!
Treu, wie in edler Vorzeit Tagen,
Auch uns're Herzen für einander schlagen
Im reinsten Triebe
Der Tugend und der Liebe:
Nimm, Holde, nimm den kleinen Strauß von mir!
(Band 2 S. 169)
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Sehnsucht

Freude wechselt und Gram; aber die schweigende
Nacht im dunkeln Gewand höret das wonnige,
Hört das traute Geheimniß,
Noch dem strahlenden Tag verhüllt.

Sey, o tröstende Nacht, Freundin der Liebe Du,
Wann der mondliche Schein rings die Gefilde klärt,
Wann auch düstere Wolken
Vom Gebirg zu der Ebne zieh'n.

Ach! Nicht Freuden allein, Schmerzen der Liebe kennt
Auch die schattende Nacht, kennt das vergebliche
Sehnen treuer Geliebten
In langjähriger Trennung Qual.

Treue Liebe, sie täuscht edele Herzen nicht,
Und Vertrauen, entsandt himmlischer Blüthenau,
Steh' in Nebelgebilden,
Gram und feindlicher Woge fest!

Hoffnung, Engel des Lichts, helle die prüfende
Bahn! Dem liebenden Bund lächle des Wiedersenh's
Wonne bald, wie aus langer
Nacht ein freundliches Morgenroth!
(Band 2 S. 172-173)
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Die Jahreszeiten
(Nach einem Troubadour des 13. Jahrhunderts)

1. Frühling
Aus den Hütten, ihr Schäfer! Seyd nicht träge!
Freud' erfülle das Herz! Nicht länger säumend
Naht der liebliche Mai: rasch eilt! Des Thaues
Perlen glänzen auf blumenreicher Wiese.

Kommt und hört, wie der junge Sperling zwitschert
In dem dunkelen Laub, wie Fink' und Amsel
Flöten dort im Gesträuch'! Auf, sucht - die Zeit ist
Da! - der Schäferin Blümchen grüner Auen!

Zeit ist, daß Ihr den schlanken Baum entwurzelt,
Ihn mit blühendem Kranz von Laube schmücket
Und mit farbigem Band: ergötzt die Hirtin
Früh', und pflanzet den Baum ihr vor das Hüttchen!

Maienschöne, von Lieb' erwählt zur Fürstin,
Meine Schäferin bist Du, ewig meine
Holde Göttin Elisa! Dir zu huld'gen
Komm' ich, Sonne des Heils auf unsern Fluren! -

Ach! holdseliger Lenz, des Jahres Blüthe!
Lieb' erweckst Du in Allem: laß auch Spröde
Mild dem zärtlichen Wunsche seyn! Besieg' auch,
Wie den Frost der Natur, die kalten Herzen!


2. Sommer
Heut' auf röthlicher Wolke stieg der Sonne
Glut empor, und ihr Flammenlicht verbreitet
Sich am Sternengewölb', es ruht die schwere
Luft, der silberne Quell im Grase schmachtet.

Seht! es neigt sich entfärbt die sanfte Blume
Auf den brennenden Sand; im heißen, welken
Laube schweiget der Vogel: nur das ewig
Wiederholte Geschwirr der Grille tönet.

Jetzo sammelt der Schnitter fruchtbelad'ne
Ähren; aber der Hirt mit seiner Holden
Sucht in einsamer Eiche Schatten Rast und
Labung; neben ihm ruht sein treuer Hylax.

Doch wann kühlender Abend scheucht des Mittags
Glut und neu zu Gesang die Vögelein locket,
Eilt die Schäferin an des Baches Ufer,
Blickt dort schüchtern umher, und legt das Kleid ab.

Ungesehen sich dünkend, spielt sie harmlos
In durchsichtiger Fluth Krystall: doch schamhaft
Birgt die Schöne sich in der Erlen Wölbung,
Wenn sie fürchtet, daß nah' ein Schäfer lausche.


3. Herbst
Auf! Nicht lange gesäumt, ihr Winzer! Lustig
An das Werk! Denn es harren schon die Kelt'rer.
Rast nun habt Ihr genug; Euch winkt die Arbeit:
Auf! Ergreifet die Butten, Körb' und Flaschen!

Der dort lese die Trauben, jener trage
Sie zur Kuf'! In den Keltern liegt gepreßter
Trester schon, und sie warten neuer Ladung:
Laßt, daß frischer es geh', ein Herbstlied schallen!

Süßer, purpurner Most, am Fuß der Stampfer
Sprudelnd, wird in dem Faß zu edlem Weine
Bald; Kastanien rösten wir am Abend
Dann zum feurigen Trank, dem Sorgenbrecher.

Nehmt Kastanien, Hellas milde Gabe,
Nun aus stachlichter Hüll', und streut zum Trock'nen
Sie - so heischet die Zeit - auf Eure Horten!
Denkt auch an der Olivenfrüchte Pressung!

Dann füllt köstliches Öl die Krüg', und süßer
Most die Fässer, auch Brod von reinem Weizen
Eure Kammer, und mancher Vorrath: also
Denkt und sammelt die Ameis' auf den Winter.


4. Winter
Herbst, der reichliche, floh: Gehüllt in Nebel
Fährt der Winter auf eisumfror'nem Wagen
Her; rings die Kält', auf seinen Zügeln
Blinkt der Reif, und es heult der rauhe Nordwind.

Diamantene Hülle deckt den klaren
Bach, es scheinen im Reif mit Frühlingsblüthen
Dort die Zweige zu schimmern, und auf Dächer
Fällt, wie Lilien weißer Schnee vom Himmel.

Wo der Schäfer im Sommerbad die Wellen
Theilt', entgleitet er rasch nun auf dem Eis hin,
Jagt mit Ballen von Schnee den Andern, lachend,
Wenn das leichte Geschoß an ihm zerschollen.

Seht! es dienen die blätterlosen Ranken
Auch, die unsere Hipp' entschnitt dem Weinstock:
Jetzt erquicket ihr Saft, ihr Holz erwärmet,
Und Kastanien hüpfen in der Pfanne. -

Laß, o Winter, die Stürm' enttoben, hauche
Frost, und sende den Regenguß mit Hagel,
Daß erstarre die Hand! - doch fliehe bald, und
Laß vom Lenz die Natur auf's neu erwecken!
(Band 2 S. 173-176)
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Morgengruß

Es lächelt der Geliebten Bild
Im Morgenschein so traut und mild:
War dies Ihr Gruß aus fernem Land?
O unzertrennlich-holdes Band!
Wohl manche Glut bewegt das Herz
In Sehnsuchtsträumen, Wonn' und Schmerz:
Doch nah' des Lenzes Stimme ruft,
Und Sturm entweicht der Zephyrluft.
Wie Licht auf neu begrünten Au'n,
So schimmert Hoffnung und Vertrau'n;
Wie Blüthen bald auf Flur und Höh'n,
Wird lächeln Freud' im Wiederseh'n!
(Band 2 S. 187)
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Die Verwandlung

Auf einer bunten Wiese,
In Cyperns holden Auen,
Lustwandelte Cythere
Am heitern Sommerabend,
Und Amor ihr zur Seite.
"Ach! Mutter, liebe Mutter!
(So rief der lose Kleine;)
Sieh' doch die schönen Blumen!
Hier Krokus, hier Violen,
Narzissen dort und milde
Vergißmeinnicht! Wer pflücket
Die meisten wohl auf morgen
Zu Deinem Wonnefeste" -
Die holde Göttin lächelt,
Und spricht: "So laß uns pflücken!" -
Weit schneller doch ist Amor,
Und freut sich schon des Sieges,
Als Phyllis kommt, die Schönste
Der Hirtinnen, vom Busche,
Wo scherzend sie mit Damon,
Dem treuen Schäfer, weilte.
Sie hilft Cytheren sammeln,
Und Amor bleibt zurücke:
Er stampft voll Zorn die Erde,
Und ruft: "Du sollst es büßen!"
Da plötzlich wird verwandelt
Die anmuthreiche Phyllis
In eine weiße Taube.
Der arme Damon klaget,
Und fleht: o Göttin, scheide
Mich nie von meiner Trauten!"
Mitleidig spricht Cythere:
"Dem schlimmen Sohn zum Trotze
Gesell' ich hier der Unschuld
Und Treu' erwählte Farben!"
Da plötzlich wird verwandelt
Der liebevolle Damon
In einen blauen Tauber:
Das frohe Paar durchflattert
Die Luft; es fliegt auf Ulmen,
Und schnäbelt sich so zärtlich,
Und zieht, vereint auf immer,
Cytherens gold'nen Wagen.
(Band 2 S. 218-219)
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Ein Spruch des Minnegerichts

Ein Rittersmann und Troubadour
Durchzog im holden Mai
Den grünen Wald, die bunte Flur;
Doch war sein Herz nicht frei.

Er sang: "Es lächeln rings die Au'n,
Durchweht vom Zephyrwind;
Doch mir soll Winternebel tha'un,
Fehlst Du, o schönstes Kind!"

Und sieh! Er kam ganz unbewußt
An eines Bächleins Rand,
Wo er - o unverhoffte Lust! -
Die junge Hirtin fand.

Sie zittert und erröthet - "Laß
Die Furcht, mein trautes Licht!"
Er setzt sich in das weiche Gras;
Sie seufzt und flieht ihn nicht.

Die blauen Äuglein schlägt sie auf -
"O lind're meine Weh'n!"
Er ruft's; die Holde lispelt drauf:
"Ich hab' Euch oft geseh'n!" -

"O! (fährt er fort,) mein Leid versüßt
Dein sanfter Blick allein!"
Sie lächelt und ein Thränchen fließt:
"Ihr sollt nicht traurig seyn!"

Er schlingt um sie den Arm und fleht:
"Nur einen Kuß!" Und - ach!
Die Jungfrau glüht, sie widersteht,
Und - gibt ihm endlich nach.

Doch eingewiegt sind Beide kaum
So süß, da unterbricht
Den übersel'gen Wonnetraum
Ein scheusliches Gesicht.

Es grins't durch das Gebüsch heran,
Scheelsüchtig, wie ein Aff';
Und was erscheint nun auf dem Plan?
Ein wohlbeleibter Pfaff.

Mit Angst und Abscheu wendet sich
Die Maid; der Ritter springt
Empor, und zürnt: "Verwegner! Sprich,
Was jetzt hieher Dich bringt?" -

"Hei, ja! (beginnt das Mönchelein;)
Mich führt ein guter Geist;
Ihr unterhaltet Euch recht fein,
Ihr wißt, was Anstand heißt;

Und diese Dirne, die so zart,
So züchtig, fromm und still -
Sie ist es warlich! - Doch erfahrt,
Was ich beschließen will!

Ich bin vom würd'gen Priesterstand,
Und kenn' auch meine Pflicht."
Drauf Jener: "Schweigt nur! Stadt und Land
Kennt Euch als locker'n Wicht,

Als Heuchler, der auf schlimmer Spur
Nicht Frommes denken kann." -
"Herr Ritter! Ihr seyd Troubadour;
(Entgegnet er;) wohlan.

Zum Minnehof-Gerichte geh'n
Werd' ich darum alsbald;
Dort sollt Ihr meiner Klage steh'n!"
Des Ritters Drohung schallt:

"Dort sollt Ihr hören, was ich darf!
Jetzt fort auf mein Geheiß,
Weil ich die Klinge nicht nur scharf,
Auch flach zu führen weiß!" -

Nicht harren will der Klostersohn,
Bis Worten folgt die That:
Er bleckt die Zähn', und schleicht davon,
Und murrt auf seinem Pfad. -

Doch seht den Minnehof vereint
Bei'm jungen Morgenglanz!
Im reichgeschmückten Saal erscheint
Der Damen holder Kranz:

Die Gräfin von Champagne thront
Wie eine Huldgöttin,
Wie in dem Sternenheer der Mond,
Als erste Richterin.

Manch süßer Spruch, der Lieb' und Leid
Besänftigt, was gefällt;
Da tritt, am Arm die zarte Maid,
Herein der edle Held.

Bald folgt der schnöde Kläger nach,
Und ruft im Pompgetön,
Wie er Verführung, Sünd' und Schmach
Im Busche dort geseh'n.

Die Gräfin fragt das Mägdelein;
Voll Unschuld neigt' es sich,
Und spricht: "Von Felsen müßte seyn,
Wer anders fühlt', als ich.

Um einen Kuß im tiefen Schmerz
Bat mich, in reiner Glut,
Der Ritter; da zerfloß mein Herz -
Ich bin ihm längst so gut!" -

Jetzt nimmt der Troubadour das Wort:
"Bei Ritterehr' und Pflicht,
So ist's! Allein der Gleisner dort
Folgt' dem Berufe nicht.

Der Sitt' und Tugend Lehrer soll
Für And're Beispiel seyn;
Doch nied'rer Lust und Ränke voll
Ist Der im Frömmlingschein.

Die Scham verbeut dem guten Kind,
Zu sagen, wie schon lang
Sie zu verleiten er gesinnt
Auf sträflich-losen Gang." -

Es folgt der Spruch: "Unschuldig seyd
Ihr zwei, und hier geehrt!
Herr Ritter! diese junge Maid
Ist Eurer Liebe werth.

Doch wird man neu des Pfaffen Tritt
Auf jenem Wege schau'n,
Nun - so erlaub' ich Euch hiemit,
Das Ohr ihm abzuhau'n." -
(Band 2 S. 219-223)
_____



An L. . .

Gebirge, dunkeln Wald und grüne Auen,
Die Ritterburg, die hoch auf Felsen steht,
Den Rhein, der stolz in grünen Ufern geht,
Läßt auch Erinn'rung gern im Bilde schauen;

Und wie ihr Hauch dort von bemoosten, grauen
Ruinen und aus stillem Thale weht,
Begeisterung der Seele Kraft erhöht,
Und leiser Wehmuth Thränen niederthauen:

Geliebte! so im heilig-reinen Feuer
Ist die Erinn'rung unsern Herzen theuer,
Und die Verbundnen trennt kein Strom, kein Land.

So lange noch ein Stern der Hoffnung blinket,
Daß nicht die Seel' in Gram und Nacht versinket,
Bleib' uns're Fahrt dem Hafen zugewandt!
(Band 2 S. 262)
_____



Liebesbund

Triton
Gelehnt am Strand, hinblickend auf Gefilde
Im Sonnenglanz, hör' ich die Wasser rauschen:
Dort schwimmt die blonde Nymphe, die ich liebe.
O komm' in meinen Arm, das wilde Feuer
Zu lindern, scheu nicht den Mann im grünen
Schilfkranz, und folg' in bunte Muschel-Hallen!

Undine
Dein rauher Ton mag immerhin verhallen!
Ein gold'nes Wölkchen schwebt auf die Gefilde,
Und ihm entschwebt in rein äther'schem Feuer
Ein Geist, mit Gold vermischen sich die grünen
Gewässer, die ein frohes Loblied rauschen -
Ich fühle dieses edlen Geistes Liebe.

Salamander
Du hast erhört, o Schönste, meine Liebe!
Drum fahr' ich aus des Flammenreiches Hallen
Herab, daß Zärtlichkeit dem raschen Feuer
Im Bunde sich verein', und die Gefilde
Dort wo die heil'gen Wälder sie umgrünen,
Zwei Liebesquellen, warm und mild, durchrauschen.

Gnom
Dorther, wo dumpf verworrne Töne rauschen,
Aus öder Kluft, erheb' ich mich zum Grünen;
Waldmädchen, Dir geschieht's allein zu Liebe.
Den trägen Gnomen jagst Du in das Feuer:
Flieh' nicht, wenn Deines Nachbars Tritte hallen!
Er wohnt im Berg, Du in des Bergs Gefilde.

Dryade
Im Hirtenthal, im einsamen Gefilde,
Wohnt an verschwieg'nen Bäumen gern die Liebe:
Du, geh' dorthin, wo glimmt Dein dunst'ges Feuer!
In Sträuchen hör' ich muth'ge Tritte rauschen,
Vom Jagdhorn Flur und Hügel wiederhallen:
Es lockt zur Silberquelle dort im Grünen.

Faun
Geh' in den Berg, o Zwerg! Vertraut im Grünen
Sind Nymph' und Waldgott hier, wo Lustgefilde
Der Vögel süße Melodie'n durchhallen.
Ich schling' um sie den starken Arm der Liebe;
Sie lebe hoch! Des Haines Wipfel rauschen,
Und im Pokal erglüht Lyäens Feuer.

Ariel
Luftgeister rauschen von sappir'nen Hallen
Im grünen Schein, in Iris mildem Feuer,
Und weih'n auf dem Gefilde Lieb' um Liebe.
(Band 2 S. 269-271)
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Liebe

Wenn Lieb' im anmuthsvollen Thal den Hirten
Erfreut, wenn ihn das holdeste der Wesen
Beglückt, dann ist er reicher, als ein König
Auf goldnem Thron, und weiht, der Fluren Dichter,
Zur Flöt' ihr den Gesang in milder Weise,
Ja, wagt für sie das Schwerste, wie ein Ritter.

In Kampf und Abentheuer weiht der Ritter
Die Seele Gott, das Leben seinem König,
Das Herz dem liebevollesten der Wesen,
Fest auf der Ehre Bahn: im Ton des Hirten
Preis't auch sein Lied, nach Troubadouren-Weise,
Die Schöne, welche lohnt dem edlen Dichter.

Im Hain, am stillen Bache, weilt der Dichter,
Und denkt in Wonn' und Schmerzen: "Aller Wesen
Im Weltenraum, o Amor, bist Du König!"
So huldigt er, bald wie Arkadiens Hirten
Auf grünen Au'n, und bald wie muth'ge Ritter,
Der Lieblichen mit des Gesanges Weise.

Bei nächt'ger Lampe sitzt der ernste Weise:
"Ich fühle (ruft er), was dem glüh'nden Dichter
Begeistr'ung weckt, in Wonne wiegt den Hirten,
Und in Gefahren spornt den kühnen Ritter.
Wie mächtig sey der Schönheit Zauberwesen,
Erfuhr schon Salomo, der weise König.

Soll ihren Bund verschmäh'n ein großer König?
Wie Mancher nahm für sie den Stab des Hirten,
Focht in den Schranken als ein tapfrer Ritter,
Und weiht' ihr seiner Harfe Spiel als Dichter!
Beglückt ist dann der Herrscher und der Weise,
Versüßt die schwere Pflicht ein holdes Wesen.

Die Lieb' auch fühlen geisterhafte Wesen,
In Fluth, Feu'r, Erd' und Wind (so lehren Dichter),
Selbst Oberon, der Sylphen hoher König,
Im Glanzgewölk': das Zauberschwert, als Ritter,
Lenkt er, und flötet' einst die süße Weise
Entglüht der Schäferin im Thal der Hirten.

Dir, Liebe, folgen Dichter, folgen Weise,
Bewehrte Ritter, des Gefildes Hirten,
Der König selbst, ja lust'ge Geister-Wesen.
(Band 2. S. 271-272)
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Glosse
Gefühle

Liebe läßt sich nicht ergründen,
Ach! zu tief in warmer Brust
Wohnt ihr Harm und ihre Lust;
Klage tönt umsonst den Winden.

1.
Alles Denken, alles Sinnen
Über süße Lust und Qual,
Kann Dir nimmer Licht Gewinnen:
Ach! im dunkeln Prüfungsthal
Will so Manches nie erscheinen,
Was getrennt, sich nicht vereinen;
Forschen lindert nicht den Schmerz,
Wird die Ruhe nimmer finden:
Denn nur fühlen soll das Herz,
Liebe läßt sich nicht ergründen.

2.
Oft im holden Frühlingskranze
Blühet Amor's Blume hier;
Oft auch, eine gift'ge Pflanze,
Naget sie am Herzen Dir.
Ew'ger Wechsel: Wonn' und Thränen,
Lieblich Hoffen, bitt'res Wähnen,
Wilde Pein und sel'ge Lust!
Kann man nimmer Euch entfliehen?
Nein, sie weilen, nein, sie glühen
Ach! zu tief in warmer Brust.

3.
Was erschafft die Liebesklage,
Was den Morgen, der ihr lacht?
Mit dem Geist der jungen Tage
Schloß den Bund ein Geist der Nacht.
Mancher soll das Licht erlangen,
Manchen dunkle Nacht umfangen;
Liebe naht oft unbewußt:
Wo die Trauerweide wehet,
Wo die goldne Rose stehet,
Wohnt ihr Harm und ihre Lust.

4.
Doch wozu das eitle Wähnen?
Nimmer findet es die Spur.
Wozu schweift das trübe Sehnen
Durch den Hain und durch die Flur?
Strebe handelnd, ob's gelinge,
Oder als ein Edler ringe
Stolz mit Freuden, Schmerz und Wahn!
Liebe läßt sich nicht ergründen,
Aber Kraft entwölkt die Bahn:
Klage tönt umsonst den Winden!
(Band 2 S. 274-276)
_____



Silvanus

An des Silvanus Feste,
Mit Hainelaub bekränzt,
Nah'n opfernd alle Hirten,
Vom Morgenstrahl beglänzt.

Das schönste Hirtenmädchen
Streut Blumen dem Altar:
"Sey hold des Thal's Bewohnern,
O Mächt'ger, immerdar!"

Da dringt aus Eichendunkel
Ein dumpfer, heil'ger Ton:
"Dich hab' ich auserkoren,
Dir blüht der schönste Lohn!

Froh sah ich oft Dich wandeln
Durch Flur und Wiesenplan;
Willst Du Geliebte heißen
Des schirmenden Silvan?"

Alina weicht erschrocken:
"Nicht würdig bin ich Dein!
Wie kann das stille Mädchen
Der Haine König frei'n?" -

"Bald grüßt Dich (ruft die Stimme)
Als Nymphe dieser Wald,
Gebiet'rin meiner Schaaren,
Wenn hoch das Jagdhorn schallt!"

Im blauen Auge Thränen,
"O laß mich!" fleht sie bang.
"Nein, nein! Du bist die Schönste,
Die je mein Arm umschlang." -

"Ein Jüngling ist mir theuer,
Der Auen Stolz, Irin;
Trenn', Herrscher, nicht die Bande!"
Und alle Hirten knie'n.

"Jetzt ist er ferne, ferne,
Doch stets so treu, so gut!"
Da wird zum Mitgefühle
Des Gottes wilde Glut.

Er blickt auf ihre Trauer,
Es siegt sein großes Herz;
Durch Sträuche tönt's wie Flöten:
"Lieb', und vergiß den Schmerz!"
(Band 2 S. 9-10)
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Frühling und Liebe

Es freut sich der Lerchen und Wachteln Chor:
Klingklang!
Es tönt aus frischer Natur empor
Gesang:
"Horcht, horchet der Schäfer munterem Lied!
Seyd lustig, ihr Brüder! Der Mail entflieht;
Auf! grüßt ihn mit Gesang!
Er blüht uns nicht lange, nicht lang."

Dort trabt ein Ritter durch Flur und Hain:
Klingklang!
Er streifet wohl tief in das Land hinein
Mit Sang:
"Frei ist der Busen, es floh der Schmerz,
Und nimmer, o Liebe, bethöre mein Herz
Dein loser Minnesang!
Wohl dem, der sich muthig entschwang!"

Vom Rosse steigt er am kühlen Bach:
Klingklang!
Neu wird im grünen Gebüsche wach
Gesang:
"Das Herz in der Öd' ist traurig und wund;
Genesen nur läßt Euch der Liebe Bund;
Im wiegenden Gesang,
Der süß wie von Sternen erklang."

Darunter die schmelzende Flöte schallt:
Klingklang!
Es richtet empor sich im Grase Reinhald;
Horch! Sang:
"Nur Trübe folget der stürmischen Lust,
Doch Trost den Schmerzen der liebenden Brust,
Ein lindernder Gesang!"
Da wird ihm so wohl und so bang.

In gold'nen Waffen sitzt er zu Roß:
Klingklang!
Ihm neigt sich entgegen der Blüthensproß;
Gesang
Der Nachtigall tönt im Laube so mild:
Neu kehrt Mathildens entschwundene Bild
Im holden Maigesang -
So fliegt er das Bächlein entlang.
(Band 2 S. 11-12)
_____



Der Ritter und die Maid

Halloh! Er spornt durch die Haide zum Flug,
Ihm folgt der Knappen laut rasselnder Zug;
Er lenket abwärts zum düsteren Hain:
Da weiden die Hirten am grünenden Rain.

"Wie lieblich spielt aus dem Felsen der Quell!
Wie leuchtet, Mägdlein, Dein Auge so hell!
Wie rosig die Wange, wie golden das Haar!"
Sie küssen - fern zieht sich der Weidenden Schaar.

Wohl blüht die Blum' an dem kühlenden Strauch;
Dort neigt sich die Blum' in schmelzendem Hauch
Des Lenzes, der Liebe: kein winterndes Weh'n
Erbleicht sie, die herrlich soll wieder ersteh'n. -

Lang sucht der Knappen gewaffneter Zug
Den Ritter im Walde mit schallendem Flug;
Er reitet den sandigen Hügel herab:
"Ich spähte nach Reh'n!" Fort geht es im Trab. -

Heiß glühte der Sommer, es glühte der Streit;
Dort stand der Heerbann im Felde bereit,
Und doch ihm voran zog Adelbert's Glück:
Er kehret mit Zeichen der Ehre zurück.

Nun grüßt er wieder die heimische Flur,
Und schöner lacht ihm die milde Natur;
Auf Höhen, im Thale der Hirten Gesang
Folgt er, des Baches Gemurmel entlang.

Da tritt wohl hinter dem grünenden Strauch
Hervor, wie umflossen von himmlischem Hauch,
Die reizende Maid, ein Kind auf dem Arm:
"O blickt auf den Knaben, seyd Ihr noch so warm!"

Und der Ritter umarmet die beiden gerührt,
Die er zum funkelnden Schlosse nun führt:
"Dein bin ich, o Holde, mit Herz und mit Gut!
Denn was Dir entsprossen, ist ritterlich Blut." -

Und als der Knab' ein Jüngling nun stand
Voll Muthes und blühender Stärke, gewandt
Zum König sprach Adelbert: "Seht meinen Sohn
Aus heimlicher Liebe vor Euerm Thron!"

Der König versetzt: "Euer glänzend Geschlecht
Kenn' ich, Eure Thaten, so tapfer und recht;
Beug', edler Jüngling, ein Knie zur Erd'!"
Und er schlug ihn zum Ritter mit Arthur's Schwert. -

Der Liebe Schoos nur entwindet sich kühn,
Was herrlich soll leuchten und königlich blüh'n:
Sie wandelt im Bunde der holden Natur
Über Wogen des Lebens auf sonniger Spur.
(Band 2 S. 12-14)
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Der Troubadour
Nach dem französischen Liede: Brulant d'amour
en partant pour la guerre etc. etc.

Von Lieb' entbrannt, und fertig zu der Reise
In's Schlachtfeld, sang mit unbewölktem Sinn
Ein Troubadour in wiederholter Weise
Zum Abschied dies der jungen Schäferin:
Mein Arm dem Vaterlande!
Mein Herz dem holden Bande!
Im edlen Streit für Liebe, Ruhm und Pflicht
Erbebt dem Tod der kühne Sänger nicht.

Sein Helmbusch weht, im Arme ruht die Laute;
So wallt er, wo des Lagers Flamme glüht;
Mit stiller Sehnsucht denkt er an die Traute,
Und ihr ertönt das ferne Abschiedslied:
Mein Arm dem Vaterlande, etc. etc.

Er eilt zum Streit mit muthigem Gefühle,
Der Feind erprobt sein ritterliches Schwert;
Und überall im dichten Kampfgewühle
Wird auch das Lied des Troubadours gehört:
Mein Arm dem Vaterlande etc. etc.

Doch ach: es fällt im wilden Schlachtgetöne
Der Brave, der zu kühn durch Schaaren drang,
Dem Lanzenstoß - er nennt noch seine Schöne,
Und es entflieht sein Hauch mit dem Gesang:
Mein Arm dem Vaterlande,
Mein Herz dem holden Bande!
Im edlen Streit für Liebe, Ruhm und Pflicht
Erbebt dem Tod der kühne Sänger nicht.
(Band 2 S. 15-16)
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Die Elfin

Hoch tönet das Horn von der Alpentrift,
Es schallet hinab in das Thal:
Schon lächelt vom Himmel der blühende Mai,
Es hüpfet die Heerde so munter und frei
Auf Matten im sonnigen Strahl.

Was schauet vom Berge die holde Maid
So freudig zum Thale hinab?
Es spielt um die Wangen ihr goldenes Haar -
Dort unten am Strande der schäumenden Aar
Naht hurtig ein Ritter im Trab.

Sie flieget dahin, wie des Waldes Reh,
Und ruht in des Liebenden Arm.
Dort sitzen die Trauten am grünenden Rain,
Umweht und geborgen vom schattigen Hain,
In Scherzen und Küssen so warm.

"Ach! Elsbeth, mein Leben! die Stund' ist hin! -
Ruft, rasch sich erhebend, Reinhald -
Schon klirren die Pfeile, hoch wiehert das Roß,
Mein harren die Freunde mit reisigem Troß,
Zu jagen in Fluren und Wald." -

"Doch, Lieber! doch kehrst Du mir wieder zurück,
Wenn Lüfte des Abends hier weh'n?" -
"Ich komme hier neben in's buschige Thal,
Wenn sinket am Berge der röthliche Strahl,
Fern schimmernd an felsigen Höh'n." -

Und als nun den Hirten auf Haid' und Au'n
Der Abend zur Ruhe gewinkt,
Da treffen sich wieder die Liebenden an,
Sie wandeln umschlungen auf grünendem Plan,
Bis golden der Nachtstern erblinkt.

Die Schöne zur friedlichen Hütte geht,
Es suchet der Ritter sein Schloß;
Er reitet an steiler, umnachteter Höh,
Zur Rechten ihm woget der grünliche See:
Da schnaubet und hufet sein Roß.

Wo flüsternde Erlen am Ufer weh'n,
Erhebt sich ein schauriger Ton,
Wie Rufen der Eulen in mosiger Kluft,
Wie Stöhnen des Windes in bebender Luft,
Wenn Blitze die Fluren bedroh'n.

Und milder wird immer, und sanfter tönt,
Gleich Harfen im Winde, der Schall:
"Komm, Ritter! herab in die Wogen zu mir!
Dort schimmern Gemächer von Gold und Sapphir
Und funkelndem Wasserkrystall.

Wie Seide so zart ist mein blondes Haar,
Mein Busen wie Flammen so weich.
Komm nieder! Die wirbelnde Tiefe, sie nahm
Wohl Manchen vom Herzen den düsteren Gram:
Sie herrschen im strömenden Reich."

Da staunt und erblasset der Rittersmann:
"Laß, nächtliches Wesen! mich zieh'n,
Und schlägt Dir im Busen ein fühlendes Herz,
So spare der Trennung gewaltigen Schmerz
Den Treuen, die ewig erglüh'n!"

Und sieh! es entsteiget dem Weidenbusch,
Im rothen, helldunkelen Glanz,
Der Elfin erhabene weiße Gestalt,
Die näher und näher im Finsteren wallt,
Um Locken von Schilfe den Kranz.

Der Ritter vergebens den Hengst anspornt:
Hu! schaurig umschlinget es ihn.
Er will sich entwinden, doch fehlt ihm die Kraft,
Er ringet, und fühlet die Sehnen erschlafft,
Und sinket bewußtlos dahin. -

Schon öffnet der Morgen das gold'ne Thor,
Schon trillern die Vögel im Hain.
Da ziehen die Hirten zum Berge hinauf,
Es springen die Heerden im munteren Lauf
Bei lustigem Sang und Schalmei'n.

Doch Elsbeth in ängstlicher Ahnung schweift
Von Hügel zu Hügel umher.
Sie kommt auf die Wiese - da ist es so roth:
Sie findet Reinhald an dem Felsenhang todt,
Als hätt' ihn getroffen ein Speer.

"Was bleibt mir - so ruft sie in Jammer laut -
Noch hier im belebenden Licht?
Ich trag' unter'm Herzen der Zärtlichkeit Pfand,
Es wird mit zum Reiche der Schatten gesandt!" -
Ihr Herz - ach! es stocket und bricht. -

Wohl tönet das Horn von der Alpentrift
Dumpf klagend in's einsame Thal:
Kein zärtliches Auge mehr blicket hinab,
Es thürmen die Hirten der Liebenden Grab,
Und weinen am traurigen Mal.
(Band 2 S. 16-19)
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Der Elfe

Das Zwielicht dämmert, die Flur ist naß;
Auf grünem Holm noch der Elfe saß.

Dort jaget ein Roß durch die braune Haid:
Es trägt den Ritter und seine Maid.

Was hat der Ritter wohl in dem Sinn?
Er will sie entführen nach Roskild hin.

Mit einmal sinket ein Nebelflor;
Der wack're Kämpe den Muth verlor:

"O Liebchen! Ein Schatten wallt' über's Meer
So schwarz im grauen Gewölk einher!" -

"O Lieber! Klage tönt das Meer;
Mir wird so bange, das Herz so schwer!" -

Sie kommen zur Au', an des Baches Rand,
Wo längst die falbige Weide stand.

Der Elfe rauscht aus der Weid' herab,
Und singt: "Hier wird Euch ein kühles Grab!" -

Sie wanken betäubt auf scheuem Roß',
Mit mattem Pulse, fast sinnenlos.

Bald um die Liebenden ist's gethan:
Da kräht im Dorfe der muntere Hahn.

Am Hügel leuchtet das Morgenroth;
Der Elf' entweicht, es weicht die Noth.

Und neu gestärket im gold'nen Schein
Geh'n beide zurück nach dem Eichenhain.

Sie kommen zum Schloß am Meeresport,
Und sinken zu Füßen dem Vater dort:

"Vergib, o Vater, die schwere Schuld,
Der Tochter schenke die neue Huld!

Wir waren in böser Elfen Macht,
Und haben gefühlt die Schrecken der Nacht." -

Da wird gerühret des Alten Herz;
Er segnet das Paar, und vergißt den Schmerz.

So folgt die Freude dem Leiden nach;
Am Weihaltare der Priester sprach:

"Denkt, Liebende, denkt der höchsten Pflicht,
Und meidet die Stimme der Warnung nicht!"
(Band 2 S. 26-27)
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Treue im Tod

Es tobet der Sturm, die Woge brüllt,
Der Nordlands-Held bewegt den Schild.

Bald rasch vor ihm der Schildknecht stand;
"Es nah'n die Feinde, Skioldebrand!" -

"Kein Schiff herüber die Feinde trägt,
Wenn stürmische Fluth an die Felsen schlägt." -

"Doch hab' ich ihr Segel von unsern Höh'n
Im schwachen Lichte des Monds geseh'n." -

Und Woldemar steigt auf's dunkle Roß,
Ihm folgt der muthige Knappentroß.

Sie sprengen hinab zur Felsenbucht,
Wo schon der Feind zu landen sucht.

Und schnell entglühet der heiße Streit,
Er woget zurück auf die düst're Haid'.

"Auf! ringt! Wir haben gewonnen schon!"
So ruft ein feindlicher Donnerton.

"Befreie mich, edler Heldensohn!" -
So schallt ein klagender Silberton.

Und Woldemar kämpft mit Odin's Muth;
Die Gegner fliehen, es strömt sein Blut.

Er sinkt am mosigen Hünenstein:
"Leb' wohl, Minona! Mein Herz war Dein."

Und mit entfesselter Locke neigt
Die Maid in Thränen sich, tief gebeugt:

"Dir wird, Geliebter, mein Herz erglüh'n
Auch drüben, wo goldene Zweige blüh'n!"

Ihr Hauch enteilet vereint: sie geh'n
Schon nach Walhall's sapphir'nen Höh'n. -

Oft ringt, wenn tobend die Fluth erschallt,
Der Geister Paar mit des Sturms Gewalt.

Sie wallen umschlungen im Mondenlicht,
Wenn ruht die Flur und die Welle bricht.

Am öden Male der Jäger weilt,
Der früh' hinab in die Wildniß eilt,

Er lies't: "Sie blieben sich treu im Tod!"
Und weint eine Thrän' im Morgenroth.
(Band 2 S. 27-29)
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Die Schnitterin

Begegnet einst ein Ritter
Wohl bei des Abends Glüh'n
Dem Schwarm der frohen Schnitter,
Die von den Fluren zieh'n.

Manch holdes Schnittermädchen
Im muntern Schwarme hüpft;
Ein Band mit grünen Fädchen
Die blonden Haare knüpft.

Der Ritter denkt der Seinen;
Er wähnt sie ungetreu:
Nicht Antwort will erscheinen
Schon seit dem zwölften Mai.

Er spricht bei sich: "Das Trauern,
Was hilft es länger doch?
Soll ich mich selbst bedauern?
Viel Schönes gibt es noch!" -

Da fliegt sein Blick nach allen;
Er sieht manch schönes Kind:
Doch die vorüberwallen
Nicht, wie Amira, sind.

Dann läßt sich auf den Auen
Im ländlichen Gewand
Ein Mädchen einsam schauen:
Fast dünkt sie ihm bekannt.

Indeß die Hand er milde
Ihr auf die Schulter legt,
Fragt er: "Hat dies Gefilde
So Liebliches gehegt?" -

Sie seufzet tief - erhebet
Den blauen, sanften Blick:
Amira ist's - da bebet
Reinald erstaunt zurück.

Den Groll kann nimmer tragen
(Spricht sie) ein Mädchenherz;
Dich mußt' ich seh'n, Dir sagen:
Mir bleibt nicht Zorn, nur Schmerz.

Du hast mich tief gekränket
Durch fälschlichen Verdacht,
Und schon vielleicht, entlenket,
Dein Herz für and're lacht!"

"Dir (ruft er) treu im Leben
Und Tode! - Nie entweicht
Dein Bild! - Kannst Du vergeben?" -
Sie lispelt: "Ach! wie leicht!" -

Er tröstet die Betrübte,
Er hebt sie auf sein Roß,
Und führt die Heißgeliebte
Nach seiner Heimath Schloß -
(Band 2 S. 31-32)
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Der Sturm

Die Jungfrau harret auf Mona's Höh':
Die Sonne weicht, es grollt die See.

Von Osten wandelt das Wetter an,
Und seufzend denkt sie an Athelstan.

Durch Wolken schlängelt der Blitz sich wild:
"So (spricht sie) leuchtet des Helden Schild!"

Und immer dunkeler sinkt die Nacht:
"So schwarz ist seine Kriegestracht!"

Es peitschet der Sturm die Wog' im Meer:
"So stürmt er gegen den Feind einher!"

Da ringt mit den Wellen ein hohes Schiff;
Die Brandung wirft es an's Felsenriff.

Es ahnet der Maid so trüb' und bang;
Da höret sie der Geister Sang.

Nachtelfen singen im Eulenton:
"Dein Treuer ist des Todes Sohn!

Er sank am Fels in der Wellen Grab;
Dort findest Du ihn - o steig' hinab!"

Lichtelfen singen im Lerchenton:
"Noch ist ihm nicht die Kraft entfloh'n.

Er ringt mit den Fluthen, er ist Dir nah!"
Doch Trümmer des Schiffes ihr Aug' nur sah.

Sie bebet und hofft in öder Nacht:
Da theilt sich die Wolke, das Licht erwacht.

Ein Schwimmer strebet mit Macht an's Land;
Bald sie in des Theuern Arm sich fand:

"O Liebster! Ich wollte zu Dir hinab!" -
"Dein Bild, Geliebte, mir Stärke gab!" -

Mit Wonne belohnt sich das Vertrau'n:
Sie wallen umschlungen auf grünen Au'n,

Und bringen an Freia's Hochaltar
Weihrauch der freundlichen Elfenschaar.
(Band 2 S. 32-34)
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Des Ritters Klage

Der Ritter saß so traurig
Auf seiner Väter Schloß;
Die Winde wehten schaurig,
Und seine Thräne floß.

Es schlugen wilde Fluthen
An seines Schlosses Thor;
Sie kühlten nicht die Gluthen
Um das, was er verlor.

"O tobt nur, tobt, ihr Winde!
Dies oft bewegte Herz,
Es hält euch für gelinde -
Denn stärker ist sein Schmerz.

Ihr Wellen, die ihr Eichen,
Und Hütt' und Au verheert,
Ihr müßt dem Sturme weichen,
Der meine Seel' empört.

Der Himmel ist so trübe,
Und Regen thaut auf's Land;
Doch dunkler hat die Liebe
Den Regen mir gesandt.

Ich habe viel gelitten,
Ich habe viel geliebt:
Was hat mein Muth erstritten?
Es bleibt das Herz getrübt!" -

So zu der Harfe klaget
Der Ritter auf dem Schloß:
Erst, als der Morgen taget,
Auf ihn sich Schlummer goß.

Im sanften Traum erscheinet
Die liebliche Gestalt;
Ihr Antlitz - ach! es weinet,
Vom goldnen Haar umwallt.

Doch bald verklärt sich wieder
Der Holden Angesicht;
Ihm tönt wie Lenzeslieder:
"O Freund, verzage nicht!"

Umarmt in hoher Wonne
Schon steh'n sie - er erwacht!
In Osten strahlt die Sonne,
Doch seine Seel' ist Nacht.

Ach! fern sein Ruf nicht dringet;
Es trennt sie Flur und Thal
Wohl ewig - horch! da klinget
Ernst an der Wand sein Stahl.

"Wohlan! Noch nicht vorüber
Ist meine Prüfungszeit,
Und neu wird trüb' und trüber
Der Himmel, wie mein Leid."

Doch Licht die Wolken theilet:
Wie Hulda schön und rein
Ein Engel dort erscheinet -
Sollt' es die Hoffnung seyn? -

Das Lied vom Ritter endet:
Wo wandelt nun sein Schritt?
In krause Nebel wendet
Der Pfad, den er betritt.
(Band 2 S. 34-36)
_____



Die Rettung

Wohl flimmt in stürmischer Nacht ein Strahl
Des Mondes, es heulet der Wolf im Thal.

Der Ritter sprenget auf grüner Haid',
Und naht dem Schlosse der holden Maid.

Was hört er tönen? Es war Gesang,
Süß wie im Lenze der Flöten Klang.

Was singet der Chor im Erlengrund?
"O Ritter! wie ist Dein Herz so wund!

Du suchst Dein Bräutchen? Im Mondenschein
Tanzt sie in nächtlicher Elfen Reih'n.

Erlkönigs Sohn hat das Mägdlein lieb,
Schon hat sie entführt der luftige Dieb."

Da wird dem Ritter so schwül und bang,
Es fällt der Chor im Todtenklang.

Sieh! Sieh! Da flieget auf falbem Roß
Ein Paar den Hügel herab vom Schloß.

Des Reiters Heim ist nebelgrau,
Sein Busch von Feuer, die Rüstung blau.

Und jetzt die bebende Jungfrau spricht:
"Mir ahnet, Du bist mein Oskar nicht!

Wohl trägst Du des edlen Manns Gestalt,
Doch weiß ihm ein Busch den Helm umwallt.

Er nur sich in grüner Rüstung zeigt,
Schwarz ist der Hengst, den er besteigt."

Nichts sagt der Reiter, und fliegt dahin,
So schnell im Sturm die Wolken zieh'n.

"Halt ein! (ruft Oskar, und zieht sein Schwert;)
Steh' mir, Du Räuber! Ich bin bewehrt."

Da weht es ihn an wie Geistergrau'n,
Er wankt im Sattel, kann nichts mehr schau'n.

Horch! Horch! Die Lerche dem Morgen ruft,
Und - Roß und Reiter zerfließt in Duft.

Swanhilda lieget in Oskar's Arm;
Sie fühlen sich neu belebt und warm.

Sie blicken sich an im Morgenlicht,
Und denken, es war ein Traumgesicht.

Es führet die Holde mit heiterm Sinn
Zur guten, harrenden Schwester hin.

Doch, Liebende, folget der Weisen Rath,
Und meidet der nächtlichen Elfen Pfad!
(Band 2 S. 37-38)
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Sehnsucht

Oskar bei der Nacht in der Halle saß,
Es rauschet des Herbstes Wind,
Die Bäume sind von dem Regen naß;
Er denkt an sein holdes Kind:
Er soll Sie nicht sehen - die Thräne fließt
Wie Regen auf Fluren und Hain;
Der Vogel im Busch sich an's Weibchen schließt -
Doch Sie soll fern noch seyn.

So viele der Tag' und der Nächt' entfloh'n:
Was hofft noch das liebende Herz?
Die Lüfte wehen im traurigen Ton -
Nur Sehnen, und Zweifel und Schmerz!
Dort glänzet der Mond wie ein Heldenschild,
Er funkelt wie Edelgestein:
Oft lohnet den Kämpfer ein liebliches Bild -
Wann wird Sie nicht fern mehr seyn? -
(Band 2 S. 38-39)
_____



Der Nachtgeist

"Wer bist Du, Sohn der öden Nacht?" -
"Die Flamme, so im Dunkel wacht." -

"Wer bist Du, Flamm' auf Roskild's Au'n?" -
"Der späten Wand'rer nächtlich Grau'n." -

"Ha! Nacht und Grauen fürchtet nicht,
Wer kommt in treuer Liebespflicht." -

"Hab' Acht! ein Nebel deckt die Höh',
Und unten braus't ein tiefer See." -

"Wie Nebel düster ist mein Herz,
Tief, wie ein See, der Liebe Schmerz." -

"Dein Mädchen weilt im Wiesengrund;
Doch nimmer wird Dein Herz gesund." -

Rasch Harold fliegt auf muth'gem Roß;
Doch kommt er nicht zu Hulda's Schloß.

Was stöhnt so bang' am Wiesenmoor?
Wo summt der unsichtbare Chor? -

"Ach! Liebster, hilf! Hier tobt ein Meer!" -
"Ach! Liebste, wie kommst Du hieher?"

"Ich suchte Blumen spät im Thau;
Da schwärmten Elfen durch die Au." -

"So sterb' ich oder rette Dich!"
Er spornt sein Roß, es bäumet sich.

Mit einmal schwindet Nacht und Grau'n:
Sie steh'n auf silberhellen Au'n.

Der Geisterfürst tritt vor sie hin,
Mit ihm die holde Königin,

Und spricht: "Der treuen Liebe Band
Sind freundlich wir auf See und Land.

Denk, Ritter, denk der ernsten Nacht!
Zieht hin, zieht hin! Der Morgen lacht." -

Rings alles wie ein Traum zerfloß,
Und beide sind vor Hulda's Schloß.
(Band 2 S. 39-40)
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Der Skalde

Der Skalde regt der Harfe Klang:
Swanhilde fragt: "Was ist Gesang?"
Er spricht: ""Wie wenn im Nebelduft
Das Horn durch Wald und Haiden ruft.""
"Oft schreckt er mich und tönt so wild." -
""Das ist der Klang von Schwert und Schild."" -
"Oft wogt ein traurig süßer Schall." -
""So klagt im Busch die Nachtigall."" -
"Auch lieblich wie Lichtelfen-Chor." -
""Dann blüht der Liebe Glück empor."" -
Swanhilde neigt das Haupt und sinnt;
Vom schönen Aug' die Thräne rinnt;
Der Skald' erhebet sich im Schmerz:
Sie naht - es schließt sich Herz an Herz! -
Soll Liebe blüh'n so froh und mild?
Soll dumpf erklingen Schwert und Schild?
Ertönt des Jagdhorns muth'ger Schall?
Klagt einsam fort die Nachtigall?
Ach! Freia's Stern blickt noch auf's Land;
Doch wie ein Duft die Sage schwand.
(Band 2 S. 40-41)
_____



Die Erscheinung

Der Nordwind saus't,
Die Woge braus't,
Des Schlosses Fenster klirren,
Und Eulen schwirren.

"Er bleibt so lang,
Mir wird so bang!
Schon zog ein Mond vorüber
Noch säumt mein Lieber.

O böse Nacht,
So oft durchwacht,
Wann lohnst Du stille Thränen
Und warmes Sehnen?"

So klagt die Maid
Ihr Herzeleid
Dem blassen Mondesscheine
Trüb' und alleine.

Das Fenster klingt,
Und sieh! da winkt
Ein Nebelbild so schaurig;
Dumpf tönt's und traurig:

"Komm mit zum Hain!
Dort harrt allein
Dein Ritter an dem Ufer!"
Sie folgt dem Rufer.

Wohl graut es ihr,
Doch muß von hier
(Sie kann nicht widerstehen)
Die Jungfrau gehen.

"Ach! wie so kalt
Im dunkeln Wald!
Doch werd' ich bald erwarmen
In seinen Armen.

Am Felsenrand
Das Bild verschwand:
Sie steigt zum Bach hernieder,
Und - sieht ihn wieder!

Da liegt er todt,
Im Blute roth,
Vom feigen Nachtgeschosse,
Bei seinem Rosse.

Sie wankt, o Schmerz!
Es bricht ihr Herz -
Ein Hirt, als Morgen grauet,
Hier Beide schauet. -

Der Nordwind saus't,
Die Woge braus't:
Die Treuen, oft geschieden,
Ruh'n dort in Frieden.
(Band 2 S. 41-43)
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Der Hirt am Walde

Mir träumte von meiner Geliebten im Hain;
Die Fluren sind öde, noch harr' ich allein:
"Wie traurig flüstert die Weide!"

Ich sah es nun wieder, das liebliche Bild,
In Thränen mir lächelnd so rosig und mild;
"Wie traurig flüstert die Weide!"

Es schwand, und ich folgt' ihm rasch über die Höh'n,
Durch Auen und Thäler, im stürmischen Weh'n:
"Wie traurig flüstert die Weide!"

Ich kam in die Hütte bei dunkeler Nacht;
Dort glühet ein Lämpchen, ein Mägdelein wacht:
"Wie traurig flüstert die Weide!"

Sie war es; wir sanken uns wieder an's Herz
In seliger Wonne, doch bleibet der Schmerz:
"Wie traurig flüstert die Weide!"

Was deutet im Nebel der sonnige Glanz?
Noch weht an dem Bächlein der falbige Kranz,
"Und traurig flüstert die Weide!"

Ach, sollen, Geliebte! wir wieder uns seh'n
Nach Leiden und Sturm, wann in Frühlinges Weh'n
"Am Bächlein grünet die Weide."
(Band 2 S. 43)
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Amira
(Nach Segrais)

Jetzo eil' ich hinweg zu meiner geliebten Amira:
Wohl bewahre die Heerd', o Tityrus, treuer Genosse!
Sieh! der heitere Stern von Amors Mutter verkündet
Schon der rosigen Göttin Aurora liebliches Nahen.
Zeit drum ist es zu geh'n: leb' wohl, o Tityrus, weide
Mir indessen die Heerd'! Ich fliege zur holden Amira. -
Mag, wenn ich kehre zurück, sich zornig umwölken der Himmel!
Schenkt er im Hingang nur mir sanfte, heitere Stunden!
Sollt' ich, wofern mein Aug' erschaut ihr liebliches Antlitz,
Sollt' ich sterben, fürwahr! ich stürb' in seliger Freude. -
Was beginnt sie? Wohin entschweift ihr Gedank', und an welchem
Ort soll finden mein irrender Schritt die Schönste der Fluren?
Etwa dorten in stets begrünter Fichten Umschattung,
Wo in verschlungenen Zug oft unsere Namen ich eingrub?
Oder am blühenden Rand der klaren, silbernen Quelle,
Wo ich zum erstenmal des Liebenden Schmerz ihr enthüllet? -
Kind, das selber die Götter beherrscht, das luftige Schwingen
Ach!  im Tage so oft zu meiner Schäferin tragen,
Meld' ihr, wie manche der Leiden ich ferne von ihr schon erduldet!
Fleuch', und sag' ihr, ich käme zurück, und kehre dann wieder,
Daß ich erfahre, wie dort sie empfangen des Liebenden Botschaft! -
Welche Wonn', o ihr Götter! wenn jetzt ich erschein', und vom Gipfel
Jenes Hügels, der bald ihr mein Kommen entdeckt, nun ihr Auge
Mich von weitem erblickt, bevor ich noch selbst sie gesehen,
Und sie dann ruft: "Er ist's, ja er ist's! Ich täusche mich nimmer!"
Dann im flüchtigen Lauf hereilt zum Ufer des Baches,
Und entgegen mir fliegt mit ausgebreiteten Armen . . .
Eitle Gedanken, vielleicht ein lügenhaftes Gebild nur!
Schafft sich ein Liebender doch im Wachen auch mancherlei Träume! -
Langsam wandeln die Tag', ist ferne die liebliche Hirtin;
Aber weil' ich bei ihr, wie schnell entfliehen die längsten! -
Sitzen vereint wir auf's neu im Schatten des wehenden Buchsbaums,
Wo sie Richterin war, als ich auf ländlicher Flöte
Unter den Hirten der Flur den Blumenkranz mir gewonnen,
Was erreget den Neid des kunstgeübten Alkander -
"Singe, (spricht sie alsdann,) und wiederhole mir oftmals
Jenen Gesang, den einst Du geweiht der treuen Amira!
Denn mich entzündet Dein Lied weit mehr, als der Vögel Gezwitscher,
Lieblicher ist mir Dein Ton, als sanftes Murmeln der Bäche." -
O bezaubernde Reden, o süße, göttliche Dinge,
So die Holde mir einst im Rosenmonde vertrauet!
Leichte Zephyre, die ihr geschwärmt in diesem Gefilde,
Habt ihr nicht Kunde davon gebracht zu den Ohren der Götter? -
(Band 1 S. 24-27)
_____



Liebesklage

Warum acht' ich nicht mehr der Ziegen, die dort an des Baches
Schilfigem Rand hin klettern und bittere Weiden benagen?
Warum der Schafe nicht mehr, der silberweißen die blöckend
Sich auf blumigen Auen zerstreu'n und sonnigen Hügeln?
"Aus dem grünen Gebüsch' antworte mir, einsamer Waldgott!"
Du ja lauerst so oft an mosiger Höhl', und erblickest
Durch Gesträuche die Schaar liebreizender Mädchen; erschrocken
Flieh'n sie, aber mit lachendem Ruf, wenn nahet Dein Fußtritt:
Dann ergötzet Dich weidlich der Spaß. Erzähle dem großen
Pan, wenn im tobenden Reih'n ihr rasch durch den finsteren Bergwald
Schwärmet, und lieblicher Nymphen Gesang die Flöte begleitet,
Sag' ihm: Es schweifet umsonst ein sehnender Hirt durch die Haide.
"Aus dem grünen Gebüsch' antworte mir, einsamer Waldgott!"
Ist nicht hier im Sande die Spur des flüchtigen Mägdleins
Das mir so freundlich jüngst im schattigen Haine begegnet?
Wallt sie nicht dort am Eichengebüsch und horcht in den Föhren?
Aber es schweifet mein Blick vergebens über das Blachfeld,
Wo die Ernte schon sank, bis fern an dunkle Gebirge.
Nichts erscheinet und lindert die Glut des feindlichen Amor;
Nur der flüsternde Wind bewegt die Pappel des Ufers.
"Aus dem grünen Gebüsch' antworte mir, einsamer Waldgott!"
Fülle sich stets Dein Schlauch mit syrakusischem Nektar!
Mögst Du haschen die Schönste der Nymphen im Buschlabyrinthe,
Daß sie Dir lohnt in gewölbeter Grott', und möge Dir Beute
Schaffen Dein Speer, so oft jagdstürmend Du gehst wie Orion,
Wenn Du schreckest die Dirn' und mir in die Arme sie jagest!
"Aus dem grünen Gebüsch' antworte mir, einsamer Waldgott!"
Könnt' ich lachen doch wieder, wie einst am Fest bei den Buchen,
Wo im schleppenden Rock der unbeholfene Mopsus
Tanzt', und hinter dem Rücken ihn ahmte der spottende Myron;
Oder, als Battus am Sumpf die falsche Weise gesungen,
Und auf der heisern Schalmei ihm folgte der listige Hylas;
Auch, als dort wir am Hügel gescherzt mit den Mädchen im sanften
Mondesschimmer, wo Daphne, die Holde, rührte die Saiten,
Und im weißen Gewand die junge Melinda in Tönen
Sang, daß die Nachtigall selbst aufhorcht': im wonnigen Kreise
Jener Schönen, wie war ich so heiter, ruhig und harmlos!
"Aus dem grünen Gebüsch' antworte mir, einsamer Waldgott!"
Wann erfreuen mich wieder die Schaf' und Ziegen, der Rinder
Brüllende Heerd' auf grasiger Au', der stattliche Dogge,
Wann mein blankes Geschoß und des Wildes Jagd in den Feldern? -
"Aus dem grünen Gebüsch' antworte mir, einsamer Waldgott?"
Hasch' ich nach Nebel im Traum, und meide die Blumen am Wege?
Linderung bracht' auch oft der Gesang: das erfuhr der Cyklope,
Der in sicilischer Flur sich um Galatea gehärmet,
Pan auch tröstet sein Leid um die Nymphe mit hirtlichem Rohre.
"Geh' in die Tiefe des Hains! Zur Hürde zieh' ich, o Waldgott!"
Also sang, gelehnt auf den Stab, am Fichtengehölze,
Schäfer Bukolion, spielte sodann auf geordneten Halmen
Lieblich, daß ihn horchend umgab die Heerde; doch langsam
Trieb er nun heim, weil Thau schon näßte die Erlen der Wiese
Und am blauen Gebirge des Phöbus Wagen hinabfuhr.
(Band 1 S. 27-30)
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Aus: Gedichte von Karl Geib
Erster und Zweiter Band
Speyer 1830
In der J. C. Kold'schen Buchhandlung

 


Biographie:

Karl Geib, geboren den 16. Februar 1777 zu Lambsheim,
gestorben den 19. Dezember 1852 ebendaselbst.
Der Vater, ein sehr wohlhabender, auch ein sehr intelligenter Mann, begünstigte die Neigungen des begabten Sohnes,  die nach gelehrten Studien strebten. Nachdem sich dieser die erforderliche Gymnasialbildung erworben, bezog er 1796 die Universität Jena, um Jura zu studieren, welche Studien er dann in Heidelberg fortsetzte. In Jena war besonders Fichte einflußreich auf den jungen Geib. Neben seiner Fachwissenschaft betrieb er mit Liebe das Studium der klassischen alten Dichter, deren unbegrenzte Verehrung bei ihm das ganze Leben anhielt. Daß er sich neben seinen Studien auch eigenen poetischen Arbeiten widmete, dürften wir aus verschiedenen Umständen annehmen, wenn wir nicht auch einen thatsächlichen Beweis dafür hätten. Und dieser Beweis ist eine im Jahre 1799 in dem "Hamburger Journal der neuesten Weltbegebenheiten" erschienene Ode "An Bonaparte", der sich damals auf seiner abenteuerlichen Expedition in Ägypten befand. Die Zeit des Erscheinens weist die Abfassung der Ode seiner Universitätszeit zu, während Form und Stil derselben fleißige Uebung und Beschäftigung in poetischen Arbeiten bekunden; auch verrät der Inhalt unzweifelhaft poetische Begabung.
(...) Der Zauber, den der große Kriegsmeister auf Geib bei dieser Gelegenheit ausübte, war es wohl, der ihn veranlaßte, der Themis den Rücken zu kehren und in das ruhmreiche französische Heer einzutreten, wo Ruhm, Ehre und Beförderung winkten. Schon im Jahre 1805 finden wir ihn, wie einige seiner Gedichte andeuten, in Boulogne. Napoleon zog dort in einem Lager eine Armee zusammen, um angeblich eine Landung in England zu unternehmen. In der That aber überfiel er völlig gerüstet von hier aus Österreich und schlug es vollständig aufs Haupt. Ein kleiner Rest der Armee blieb zum Küstenschutz bei Boulogne zurück; dabei war Geib und so fand er keine Gelegenheit, sich in Schlachten auszuzeichnen. Nach Verwendung im Besatzungsdient an verschiedenen Orten Frankreichs war er zuletzt in Halberstadt unter dem Befehl Eugen Beauharnals bei dem Heeresteil, welcher preußische Landesteile besetzt hielt. Diese Halberstadter Besatzung wurde einmal durch feindlichen Überfall so jäh überrascht, daß Geib sich nur mit genauer Not noch retten konnte; einer größeren Schlacht hat er nicht beigewohnt. Das französische Kaisertum hatte im Jahre 1814 sein Ende gefunden, das linke Rheinufer wurde, teilweise wenigstens, wieder deutsch und dabei war auch Geibs Heimat. Nun nahm er seine Entlassung aus dem französischen Heere, die der Hauptmann Geib auch mit ehrenvollem Abschiede erhielt.
Er zog sich in seinen Geburtsort Lambsheim zurück, den er, wiederholte kürzere Reisen ausgenommen, bis zu seinem Tode nicht mehr verließ. Ununterbrochen war er nun hier schriftstellerisch thätig aus reiner Neigung zu schriftstellerischem Schaffen. Förderlich war ihm dabei die Nähe der Städte Mannheim und Heidelberg mit ihren thätigen Buchhandlungen.
Nebenbei unterrichtete er die Kinder seines Bruders Georg Valentin, worunter Gustav Geib, der, später Professor in Tübingen, sich einen berühmten Namen als Kriminalrechtslehrer erwarb. Er verdankte dem Oheim namentlich die Liebe zu den Dichtungen der Alten und bewahrte ihm bis an seinen Tod eine liebevolle Verehrung. (...)

Aus: Der Dichter u. Schriftsteller Karl Geib
und die Familie Geib von Lambsheim
Ein Gedenk- und Erinnerungsblatt
zum 50. Todestage des Dichters Karl Geib
Herausgegeben auf Veranlassung des Frankenthaler Altertumsvereins von
Heinrich Gerhard und Wilhelm Küstner
Buchdruckerei von Friedr. Albeck, Frankenthal 1902
(S. 63-71)

Siehe auch:
https://de.wikisource.org/wiki/Karl_Geib

https://www.deutsche-biographie.de/pnd116494360.html



 

 


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