Friedrich Wilhelm Genthe (1805-1866) - Liebesgedichte

 




Friedrich Wilhelm Genthe
(1805-1866)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Erstes Buch
Luise

Lyde dilecta poetae!
Hei mihi, non magnas quod habent mes carmina
Nostraque sunt meritis ora minora tuis . . .
Quantumcungue tamen praeconia nostra valebunt,
Carminibus vives tempus in omne meis
OVID TRI. I, v

So wie der Zorn des Narren fort noch glühet,
Wenn ihm auch längst des Zürnens Grund genommen,
Und neuen Grund doch immer zu bekommen,
Vergeblich eifernd er sich stets bemühet:

So, wenn der Gott den Pfeil des Schmerzes ziehet,
Und Thränen unsre Augen überschwommen,
Lässt Liebe unser Herz doch nicht, beklommen
Pocht es der Schönen, ob sie uns auch fliehet

Und keinen Blick gewährt voll süsser Hulden,
Sie kehrt zurück in täglich neuen Weisen
Und lehrt das Herz die alten Qualen dulden.

Selbst wenn der Jahre viel vorüberzogen,
Selbst wenn der Scheitel glänzt im Haar der Greisen,
Ist die Erinn'rung doch noch nicht entflogen.
(S. 6)
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Elegie I.

Auf dem umschatteten Hang des Moosbepolsterten Hügels,
Nah' an dem kühlenden Bach, rieselnder Quelle enthüpft,
Sorglos ruht' ich, umhaucht vom Duft der erglühenden Rosen,
Ueberdrüssig des Spiels blühenden Mädchen entfloh'n.
Pfänder zu spielen um Kuss, ich verschmäht' es, wie zärtlichen Anblick,
Keiner Liebe Gewalt hatte das Herz noch gerührt.
Aber nahe war mir der Feind, in den Rosen verstecket
Hat er verborgen gelauscht, grimmig itzt trat er hervor.
Lange genug, sprach er, hast Du mir getrotzt, mich verhöhnet,
Aber siehe, wie sich schrecklich der Knabe nun rächt!
Kaum entwallte dem Munde das Wort, da gellte der Bogen,
Und der schmerzliche Pfeil bohrte sich tief in die Brust.
Und es erschallte "LUISE!" es schwebte die Holde vorüber
Wie Cythere umtanzt von der Charitinnen Chor.
(S. 7)
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Sonett I.

Aus meiner Freunde Kreis hat mich vertrieben
Des Herzens vorher nie gefühltes Regen
Es pocht in ungewohnten schnellen Schlägen,
Wo ist mein vor'ger Sinn und Mut geblieben?

Ein Namen wird von meiner Hand geschrieben,
Er wird geseufzt auf menschenleeren Wegen;
Es strebt mein Fuss nach unbetretnen Stegen;
Das ist des Lebens Lust also, das Lieben?

Gedankenvoll allein am Bach mit Bäumen,
Mit Blumen und mit Steinen ohne Leben
Leb' ich, kaum lebend, in erneuten Träumen.

Will ich der Ding' Ursach voll Ernst erwägen,
Dann seh' Ihr Bild vor meinem Blick ich schweben,
Ich will es flieh'n und eile ihm entgegen.
(S. 8)
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Sonett II.

Hinweg aus dieser kalten, engen Kluft!
Fort, fort von euch, weisheiterfüllte Schränke!
Denn jedes Buch, worin ich mich versenke,
Doch einzig mir den einen Namen ruft.

Umwehe mich, Du heitre Frühlingsluft!
Kommst Du von Ihr, an die allein ich denke,
Zeig' mir den Weg, wohin den Fuss ich lenke
Um Sie zu seh'n im goldnen Abendduft.

Kommst Du von Ihr, umspieltest Du Ihr Haar,
Und küsstest Du das Auge sanft und klar,
Und küsstest Du den zarten, keuschen Busen?

Umwehe mich! Dich saug' ich gierig ein,
Du sollst mir köstlicher als Nectar sein,
Du, Du allein bist mir der Quell der Musen!
(S. 9)
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Sonett III.

Einmal, Liebe, zeigtest Du
Flüchtig, flüchtig mir die Holde;
Von dem Tage, Liebe, wollte
In das Herz mir keine Ruh.

O wie grausam sahst Du zu,
Wie mir mit der Sonne Golde
Schon vom Aug' die Thräne rollte,
Bis zum Abend ohne Ruh.

Sag! wie lange willst Du noch
Mich in meinen Schmerzen lassen
Mit dem Herzen ohne Ruh?

Drückend, tödtend ist Dein Joch;
Lieber lass mich schnell erblassen,
Oder senk' ins Herz mir Ruh.
(S. 10)
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Sonett IV.

Lehr' mich das Nichts, die Liebe überwinden,
O Weisheit, diesen nicht'gen, duft'gen Schaum;
Ein nicht'ges Etwas ist die Lieb', ein Traum.
Wie kann ihr Wesen anders man ergründen?

Wer darf die Lieb' als höchstes Gut verkünden,
Als aller Wonnen Paradiesesbaum?
Ein leerer Sinnenrausch ist sie, mehr kaum!
Sie mag den Thoren, nicht den Weisen, binden.

Drum schweig' o Herz, ich folge dem Gedanken,
Der reine Wahrheit uns erkennen lehrt,
Frei von der Sinne trügerischen Spielen.

Nur Denken hält die Sinnlichkeit in Schranken,
Die Lieb' ist Sinnlichkeit; ihr sei verwehrt
Auf einen Sohn der Weisheit länger zielen.
(S. 11)
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Elegie II.

Nachtmittags war's, und ich las im Virgil wie die listigen Griechen
Durch das betrügliche Ross nahmen die heilige Stadt;
Wie dann den theueren Greis auf den Schultern rettet' Aeneas
Aus der lodernden Glut, wie er die Gattin verlor;
Laut aufjammernd Creusa dann rief, dass rings es Creusa
Hallte; doch heimisches Land ohne die Gattin er mied.
Niederzuschreiben bemüht, was ich eben gelesen, in Verse,
Wandt' ich den Blick und sah' sinnend zum Fenster hinaus;
Sieh' da geht Sie vorüber, die Ruh mir geraubet und Frieden
Und Ihr himmlischer Blick trifft durch die Blumen auch mich.
Sie ist's! jauchzet' das Herz, hinstürzt der Sänger Aeneas
Mit dem Schreibegeräth, ja die Ersehnnete ist's!
Auf, Ihr nach, dass ich weiss wo Sie goldene Träume umgaukeln,
Wo ich beseligt oft, oft Sie erblick' auf das Neu.
(S. 12)
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Sonett V.

Was hilft's, dass ich die Lieb' in mir verdammt?
Da mich besiegt doch meines Herzens Drängen,
Ohn' Widerstand, wie einst der Lyra Klängen
Bäum' und Gesteine folgten insgesammt,

Zu folgen Ihr, die Ird'schen nicht entstammt,
Und deren Blick' Erstorbene noch zwängen,
Die tödtend mich belebt und zu Gesängen
Das sel'ge Herz, den schüchtern Mund entflammt.

Auf ewig hab' ich Ihr mich nun ergeben,
Nicht länger leist' ich, Amor, Widerstand,
Sind Wonn' und Qual auch in der Hand der Süssen.

O lichte Sonne Du zu neuem Leben!
Ich folge Dir, die Du mein Herz gebannt,
Bis dass ich todt hinsinke Dir zu Füssen.
(S. 13)
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Sonett VI.

Nicht Schlacht, nicht Held ruft mich zu hohen Flügen,
Zu frommer That nicht ist mein Lied gewendet,
Zur Blume nicht, die Glanz und Duft versendet,
Zu Bächen nicht, die sich durch Wiesen schmiegen.

Nicht Glaube, Blume, Held führt mich die Stiegen
Zum Lorbergipfel aufwärts, wo vollendet
Den Sängern wird des Ruhmes Preis gespendet,
Ein And'res lässt mich Singen, lässt mich Siegen.

Die Eine, die mit blauem Aug' mich grüsset,
Der blondes Haar den Jugendscheitel schmücket,
In deren Mienen süsser Liebreiz wohnet:

Sie ist's, die Glut und Lied in's Herz mir giesset,
Die einst den Kranz auf meine Stirne drücket,
Mit der Ihr Sänger in den Liedern thronet.
(S. 14)
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Sonett VII.

O Liebe, o Liebe,
Erquickender Bronnen!
Ich athme die Wonnen
Der seligen Triebe.

Dass ewig doch bliebe
Der Glanz Ihrer Sonnen,
Dass nie doch zerronnen
Das Glück mir zerstiebe.

Ich schwelg' in den Düften,
Die rings mich umwallen,
Ich sage zu allen

Den laulichen Lüften:
Ich neide die süssen,
Sie wehn um Luisen.
(S. 15)
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Sonett VIII.

Wenn Lenz den Rosenflügel hat geschwungen,
Wenn Wahrheit wird der Erde Winterträumen,
Dann wird von Stralen, Wellen, Blüten, Bäumen,
Des Jahres Jugend feiernd angesungen.

Voll Jubel schallen grünes Waldes Zungen,
Es schwebt das Lied in frischen duft'gen Räumen,
Und Rauschen wird und Lied mit schwachem Säumen
Dort von der Stimme Tochter nachgeklungen.

Es treibt mich hin, wo klare Bäche fliessen,
Ich trinke süssen Duft in vollen Zügen,
Auf jeder Blume möcht ich froh mich wiegen.

Doch seh' ich auf den Blumenreichen Wiesen
Hinschweben auf dem zarten Gras Luisen,
Wie drängt es mich in Ihren Arm zu fliegen.
(S. 16)
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Sonett IX.

Ruhe sucht das Herz und Seelenfrieden,
Der von Paradiesespalmen träuft,
Doch das Paradies ist ausgeschieden,
Unruh', Schmerz und Qual ist nur gehäuft.

Und wie Welle hinter Welle läuft
Drängt nun Müh' und Noth den Lebensmüden,
Und im Norden ist nicht und im Süden
Eine Lethe, so die Qual ersäuft.

Du allein kannst noch dem Schmerz gebieten,
Holde, Deine Näh' umsäuselt Frieden,
Mild wie er bei schönen Engeln ist.

Zu Dir flieht das Herz bei Sturmes Wüten;
Wäre noch ein Paradies hienieden.
Müsst' es sein, wo Du, o Süsse, bist.
(S. 17)
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Sonett X.

O sel'ger Hain, schwing' hoch der Freude Palme,
Die holde Herrin kannst Du oft umschliessen,
Ihr Bäum' und Sträucher, jauchzet, hinzugiessen
Die Wonne mit der Sänger Jubelpsalme.

Glücksel'ge Blumen, neidenswerthe Halme!
Ihr könnt den wonnereichen Tod erküssen,
Vom zarten Druck des Fusses sterben müssen,
Ist schöner als im Schmuck der Siegespalme.

O helles Licht, das Sie und sich verkläret,
O Bach, Du klarer Augen Silberspiegel,
Wie oft kannst Du das heil'ge Antlitz schauen!

Ihr sel'gen Veilchen, Bäume, Büsche, Auen!
Du glatter Bachstein, Kiesel auf dem Hügel,
Sagt, ob nicht Liebesglut euch ganz verzehret.
(S. 18)
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Sonett XI.

Wo lässt der Himmel schön're Sterne prangen
Als Dir, o Hold', in Deinen Augen stralen,
Die mich erfüllt mit heissen Liebesqualen,
Dass mir der Jugend froher Sinn vergangen.

Wo blühen Rosen, wie auf Deinen Wangen
Sie sich mit sanftem Purpuräther malen,
Sah je die Sonn', dass schön're Locken stahlen
Zum schönsten Busen sich, wo ich möcht' hangen!

Nicht länger kann ich diese Qual ertragen,
Die täglich mich in süssem Tod vernichtet -
Ich lebe nur, wenn ich Dich Schönste sehe!

Ich muss das Wort der höchsten Liebe wagen!
Zu Deinen Füssen lieg' ich nun gerichtet;
O riefe doch Dein holder Mund: Erstehe!
(S. 19)
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Sonett XII.

Wenn Helios die bunten Lichter spendet,
Den jungen Tag die Hore tanzend führt,
Und munter das Frühlingsleben rührt
Ist mein Gedanke nur zu Ihr gewendet.

Und wenn der Tag sein helles Licht verliert,
Des Tages Werk der Mensch ermattet endet,
Die Nacht mit ihrem Schatten Kühle sendet
Wird mir im Traum Ihr Bild auch vorgeführt.

Ihr holdes Bild! in jeglichen Minuten
Seh' ich's bei Spiel und Arbeit, wie im Traum
Mit neuem Reiz von meiner Seele fluten

Und mich in meines Herzens Welt beglücken.
Es grünt und blüht der Liebe hoher Baum -
Doch wann werd' ich die süssen Früchte pflücken?
(S. 20)
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Sonett XIII.

Es kräuselt sich in schönen goldnen Ringen
Dein Haar, wie Aphrodite's Locken fallen,
So lieblich sie um Hals und Nacken wallen
Und schön genug von ihnen schön zu singen.

Doch hör' ich Deine Stimme erst erklingen
Und die Accorde silberrein erschallen,
Die sanftgewieget durch die Lüfte hallen,
Dann senken sich des Liedes kühne Schwingen.

Und nimmer will es mir dann noch gelingen
Zu rufen auf der Laute frohe Töne,
Sie seufzen nur, dass ich nach Dir mich sehne,

O möchten sie zu Deinem Ohre dringen!
Denn nur mit Deiner Lieb' allein, o Schöne,
Wünsch' ich, dass mein Geschick mich gnädig kröne.
(S. 21)
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Sonett XIV.

Ihr Freunde, helft mir einen Sarg bereiten,
Dass meinen Todten ich darin begrabe,
Mit dem ich lang gelebt, gelitten habe,
Den ich mit Lust nun endlich sah verscheiden.

Nun fühl' ich erst des Daseins Seligkeiten,
Neu kenn' ich erst des Lebens goldne Gabe,
Dass Freude ungetrübt mich fortan labe
Lasst schnell mich ihn den letzten Weg geleiten.

Und fragt ihr noch, wen jetzt das Grab verschlungen?
Um den mein Auge sich nicht anders feuchtet
Als dankend, dass der Tod ihn hat bezwungen?

Mein Gram und Trübsinn ist im Sarg verborgen,
Sie starben, seit der Liebe Stern mir leuchtet;
Den Nachtthau zehrt der Stral am warmen Morgen.
(S. 22)
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Elegie III.

Winde noch nicht Dich empor aus des kalten Gemales Umarmung,
Rosige Eos, Du scheuchst sonst mir das Mädchen hinweg.
Oeffne die Thore noch nicht, o hemme der stampfenden Rosse
Eilige Flucht, denn Apoll weilt noch in liebendem Schooss.
Ha! Grausame! Du nahst unerbittlich! es glänzt der Olympos,
Und der Gestirne Heer weichet dem helleren Glanz.
Unzufrieden ergreifet der Gott die stralenden Zügel,
Und - mein Mädchen entflieht aus dem umschliessenden Arm.
Nicht den Kephalos würdest so eilig Du fliehen, Aurora!
Unlust scheuchet allein Dich vom Tithonus hinweg.
Und ich wollte Sie haschen, die Holde, die jetzt sich dem Lager
Flüchtig entwand, und noch küssen den purpurnen Mund;
Da - entschwebt das Gebild, nur nichtige Lüfte umarmend
Seh' ich, dass nur ein Traum mich, den Verliebten, geäfft.
(S. 23)
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Elegie IV.

Siehe, wie kecklich der Knabe des Löwen Rücken bestiegen.
Mutig, der Siege bewusst, bändigt den Leu er zum Lamm.
Aller Götter mächtigster Gott raubt selbst er dem Donnrer
Seinen Blitz, und zwingt jeglicher Bildung ihn ein,
Selbst die eigene Mutter, sie ward der Götter Gelächter,
Als in den Armen des Mars trüglich das Netz sie umschloss.
Jedes besiegte der Held, den Alkumena geboren,
Doch die Liebe bezwang selber zur Spindel den Held,
Omphale aber umhüllt den Marmor der reizenden Glieder
Mit der Beute des Wilds, welches Namea geschreckt,
Und ergreifet die knotige Keul' und betrachtet den Helden; -
Durch die Lüfte enteilt Eros mit lachendem Mund.
Alles besieget die Liebe; so lass auch uns ihr gehorchen,
Eh' uns jegliche Lust raubet die schreckliche Nacht.
(S. 24)
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Sonett XV.

Ach, dürft' ich Dir doch keine Lieder weihen!
Ich dürfte liegen dann zu Deinen Füssen,
Und, wenn die Blicke in einander fliessen,
Wo wär' dann Zeit um Vers an Vers zu reihen.

Dich stets zu seh'n, wem Götter das verleihen,
Er sieht auf Sandeswellen Rosen spriessen,
Im trüben Sturm die Klarheit sich erschliessen,
Er kann dem Schicksal manchen Schlag verzeihen.

O dieses Centrum aller Wonn' und Freuden,
Bei Ihr zu sein, der Herrin der Gedanken,
Wer es errang, wie ist er zu beneiden.

Sie, Sie zu singen will ich nie ermatten,
Und um Ihr treu zu folgen ohne Wanken
Verwandelt mich ihr Mächt' in Ihren Schatten.
(S. 25)
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Sonett XVI.

Wie die Schiffer auf den Wogen
Nach den lichten Sternen schauen,
Und den Fluten sich vertrauen
Wenn sie klar heraufgezogen;

Wird von mir auf Lebensauen
Kühn die dunkle Bahn durchflogen:
Wenn die Sterne mir gewogen,
Die aus Deinen Augen thauen.

Da mich Kummer hielt umschlossen
Haben diese Sterne Leben
Mir in meine Brust gegossen.

Diese Augen, diese Sterne
In des Lebens buntem Weben
Leiten sie mich nah und ferne.
(S. 26)
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Elegie V.

Dämmernde Nacht umgibt hier auf dem einsamen Hügel
Mich, wo Luis' am Tag fröhlich in Blumen gescherzt.
Selige Nacht, hier sang, wie der Rose Geliebte, mein Lied ich,
Küsste die Blumen, die oft Ihre Gewänder geküsst;
Und Sie ahnet es nicht, Sie ruht umspielet von Engeln,
Lächelt so wonnig im Schlaf - ach! und Sie träumt nicht von mir.
Schlummre Du Süsse, schon wallt auf der Flur und senkt sich der Nebel,
Rings den Himmel umsäumt Eos, die rosige, schon.
Flüchtig eilt sie herauf, im Schlaf den Geliebten zu küssen,
Zärtlich aufs Lager ihm blühende Rosen zu streun,
Ehe der Bruder naht, - schon schnauben die Rosse des Gottes, -
Und die Schüchterne treibt eilig die Grotte zu fliehn.
Ach! kämst Du wie die rosige Eos zum Hügel, Luise,
Weder Bruder noch Gott riss aus den Armen Dich mir!
(S. 27)
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Elegie VI.

Helios eilte hinab in des Stromes kühlende Fluten,
Keusche Selene erschein' an dem azurenen Port.
Traute Gefährtin der Nacht, Du Freundin stillerer Liebe,
Sanfter Gefühle, o schwing' freundlich die Fackel mir vor.
Blick' in nächtiger Fahrt herab mit günstigem Lächeln,
Meine Liebe sie ist einzig ja Dir nur bekannt.
Selbst auch hast Du geliebt und kennst die gewaltigen Gluten,
Seufzer von Amor geweckt, sandten schon Lippen Dir oft.
Meine Seufzer vernimm, doch wird mich Luise beglücken
Sollst auch einzig nur Du Zeuge der Wonne mir sein.
Schweb' auf himmlischem Plan, schon dämmert die Nacht von den Höhen,
Leise flüstert die Well' hier mit den Blumen des Bords.
Goldbesäumet umtanzt im Schmuck Dich das fliehende Wölkchen,
Schwebe Du Wölkchen dahin, bleibe Du lieblicher Mond.
(S. 28)
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Sonett XVII.

Ein neuer Lenz blüht mir im vollen Prangen,
Wenn Deine Blick' in meine Seele tauchen
Wenn ich an Deinen himmlisch-milden Augen,
Ich Glücklicher! in Deinem Arm vergangen.

Wie ist der Himmelsglanz mir aufgegangen,
Kann ich mich an die Nelkenlippen saugen,
Es blüh'n beim Schmachten Deiner blauen Augen
Die Paradieses-Rosen Deiner Wangen.

Zu Dir allein mein inniges Verlangen,
Du süsses Traumbild heitrer Sommernächte,
Entflieht der Geist auf liebbeseelten Schwingen.

O darf ich kühn, Dich, Himmlische, umfangen?
Dich feiernd muss ich hohe Hymnen singen,
Du stammst aus himmlisch-göttlichem Geschlechte.
(S. 29)
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Sonett XVIII.

Wenn die Geliebte meine Arm' umschranken
Will Himmelsklarheit hell sich offenbaren,
Ich sehe leuchtend froher Engel Schaaren
Am farb'gen Bogen auf und niederschwanken.

Wie ihnen, welche Klaros Welle tranken,
Liegt offen mir das Land des Wunderbaren.
Wie Feuerflammen durch die Lüfte fahren
Durchblitzen meine Seele die Gedanken.

Wie alle Pulse mir so mächtig schwellen:
Es treibt das Blut im glühendem Ergusse,
Hoch strebt die Phantasie in dem Getümmel.

Doch, wenn die Lippen nah'n im sel'gen Kusse,
Seh' ich, berauscht, nicht Engel mehr, nicht Himmel,
Versunken in der Wonne Silberwellen.
(S. 30)
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Sonett XIX.

Dämmernd sank es von dem Hügel,
Sternlein nicken mit Geflimmer,
Und des Mondes milder Schimmer
Spielet auf des Weihers Spiegel.

Süsses Mädchen säumst noch immer?
Nahe auf der Liebe Flügel,
Unter stillem nächt'gen Siegel
Sieht uns der Verräther nimmer.

Harrend steht der Garten offen,
Rastlos treibt mich durch die Gänge
Liebe, Sehnsucht, süsses Hoffen.

Blumen pflück' ich, grüsse Sterne,
Locke lauschend Saitenklänge
Und noch immer bleibst Du ferne.
(S. 31)
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Sonett XX.

Es füget das Sonett sich zum Sonette,
Und, was ich denke, ist auch schon gesprochen,
Ja, ich gestehe - was ich nie verbrochen!
Wahrheit und Dichtung wechselt um die Wette.

O Theure! die der Lieder bunte Kette
Umwindet schon seit manchen Sommerwochen,
Seit Liebesmacht auf mich hereingebrochen,
Erlöse doch vom Lug mich; rette, rette!

Dann schwimm' im Wonnenmeer' ich, goldne Funken
Der Freude sprühen aus dem Wellenschaume,
Voll Duft hängt über mir der Blütenhimmel.

Wie ich zum Kuss in Deinen Arm gesunken,
Jüngst sah' ich's im prophet'schen Bildertraume
Und wünschte Wahrheit ob des Trugs Gewimmel.
(S. 32)
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Elegie VII.

Könnt' ich nur einmal Sie seh'n, wie Sie zierlich dahinschwebt im Tanze,
Und das weh'nde Gewand streifte nur einmal mich an!
Freilich könnt' ich es wohl; doch würd' ich ertragen den Anblick,
Säh' ich den Glücklichen, der nah' an den Busen Sie drückt;
Müsst' ich es seh'n, wie er nieder sich beugt zu zärtlichen Worten,
Lächelndes Mundes Sie dann neigte das zierliche Haupt.
Nein ich darf es nicht seh'n! nicht sehn, wie der himmlische Busen
Bei dem umkreisenden Tanz schwellend sich hebt und sich senkt.
Ach! zu durchfliegen mit Ihr den Tanz, ich könnt' es und kann's nicht;
Athemlos, wenn Sie erscheint, steh' ich verlegen und stumm.
Und sie genüget Dir nicht, die Liebe, die stumm sich verbirget:
Ach! sie genüget nicht Dir, ach! sie genüget nicht mir.
Wenn doch einer der Freunde mich nur der Geliebten verriethe;
Doch mich verrathet kein Freund, doch mich verrathet kein Lied.
(S. 33)
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Elegie VIII.

Herz, wie erpochst du so laut? was drängt den freudigen Busen?
Jubelen möcht' ich vor Lust, tanzen vor Wonnegefühl.
Dort von den Bergen entschwand der Sonne goldener Schimmer,
Glühend erhebt sich der Mond hier aus dem Wolkengebirg.
Bald nun nahet Sie, bald, die Fürstin der sehnenden Lieder,
In der Gespielinnen Kreis lenket Sie heimwärts den Schritt.
Wieder nun werd' ich Sie seh'n, ich werde nun wieder Sie sehen,
Sie sehn, welche zu sehn, einzige Wonne mir ist.
Nahe Du Süsse, und erscheine der harrenden Sehnsucht des Sängers,
Der sein verhallendes Lied nichtigen Lüften vertraut.
Tragt es zu Ihr, so seufzet er oft, ihr spielenden Lüftchen!
Aber es klinget Dir nur leeres Gesäusel ins Ohr.
Rief' es Dich jetzt doch herbei, ich harre mit klopfendem Herzen:
Wenn Du erscheinst von fern folg ich Dir selig alsdann.
(S. 34)
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Elegie IX.

Blühender Hang, wo zuerst ich erblickt der Gedanken Gebiet'rin,
Grünendes Blatt schmückt dich schon zu dem anderen Mal,
Seit Sie mich bald heisst seufzen und schmerzliche Klagen erheben,
Bald den erhörten Gesang preisen in Hymnen mich lässt.
Ach! den erhörten Gesang? wann hat den Gesang Sie erhöret,
Den im Dunkel der Nacht schüchtern die Liebe erhebt,
Sanft schon schlummert Sie, wenn ausathmet die Schmerzen der Dichter,
Wenn im Gemach einsam sinnenden Hauptes er sitzt,
Einsam wandelt er hier zu den duftenden Rosengesträuchen,
Hoffend die Süsse zu sehn, weil er Sie hier zuerst sah.
Einsam geht er hinweg, Sie kommt nicht wieder zum Hügel;
Blühender Hang, so wie ich, sehnst nach der Holden du dich.
Aber du schweigst und erhebst nicht vergebliche Klagen und Seufzer
Ruhig blühest du fort - aber ich welke dahin.
(S. 35)
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Elegie X.

Dieser erfleht die Begeisterung sich vom Born Aganippe,
Der vom Parnassus und der rufet den Helikon an;
Jener den Mimer, und dieser verlangt nach Kastalischen Fluten,
Klaros Quelle begehrt wieder ein anderer noch,
Welches Gedräng' ist hier an der Hippokren', am Permessus
Nicht für alle mehr reicht allen die weihende Kraft.
Weinet ihr Dichter und klaget dem tönenden Gotte der Lieder
Euern Schmerz, dass euch welket der Liederchen Keim;
Flehet die Musen um Schutz, die zärtlichen Mädchen erhören
Willig zuletzt euch doch, denn sie erhörten schon viel.
Aber ich rufe nicht Musen mir an zur Begeisterung, rufe
Quellen und Berge mir nicht, Muse, Luise bist Du.
Küsstest Du einmal mich nur, was wollt' ich beginnen für Lieder,
Lauschen nur meinem Gesang sollte der dichtende Chor.
(S. 36)
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Elegie XI.

Wo ich auch immer nur sei, bei Dir ist das Sinnen, Luise,
Ueber das Leben hinaus ist es, Luise, bei dir.
Wer Dich nur einmal geseh'n, nicht kann er Dich wieder vergessen,
Selbst wenn er will, wenn er will kann er es nimmer und nicht.
Könnt' ich's, ich seufzte nicht mehr; ein andres Mädchen beseelte
Längst schon meinen Gesang, den sie mit Küssen belohnt;
Aber ich denke nur Dein, und ich folge nur Deinem Gestirne
Als ein treuer Trabant, treuer als jeder Trabant.
(S. 37)
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Sonett XXI.

Bis dass ich todt hinsänke Dir zu Füssen
Wollt' ich Dir folgen, Licht zu neuem Leben!
Dem ich zu eigen mich so ganz ergeben;
Nun mag mein thörichtes Gelübd' ich büssen.

Dein Blick schien mir den Himmel zu erschliessen,
Ich trank den Blick mit inn'gem Wonnebeben,
Ein Gruss von Dir, wie könnt' er mich erheben! -
Du schenktest mir kein einz'ges holdes Grüssen.

Und es gefiel Dir, mir den Tod zu senden;
Dir, der die Lieder ehrfurchtsvoll sich weihen,
Dir, der sich freudig alle Herzen neigen.

Wohl hattest Wonne Du und Qual in Händen,
Und konntest Leben mir und Tod verleihen;
Du warst ja Herrin, ich als Sclav Dir eigen.
(S. 38)
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Sonett XXII.

Ein Schatten bin ich nur vom frühern Sein;
Was kann die Welt dem Schatten noch gewähren?
Was darf das Nichts vom Leben noch begehren?
Dem Nichts ist Nichts auch Nichts, das seh' ich ein.

Was nannt' ich mein, was nenn' ich jetzo mein?
Mein war die Welt, wo Freuden Freuden mehren,
Mein sind die früh und spät geweinten Zähren,
Mein ist ein Leben voller Gram und Pein.

Und warum zögerst Du denn noch Vernichtung
Mich von des Lebens Tafel auszustreichen?
Da sich mein Stern schon hinter Wolken neigte.

Des Lebens Freuden sind nur leere Dichtung,
Dem eitlen Werk des Traumes zu vergleichen,
Der tückisch Wein dem durst'gen Munde zeigte.
(S. 39)
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Sonett XXIII.

Die braune Nacht entfaltet ihren Schleier,
Des heitern Tages Blumen all sich schliessen,
Nur die Viole, der Jasmin ergiessen
Aus offnem Busen süsse Düfte freier.

O stille Nacht! beim Tönen meiner Leyer
Senk auf mein Herz den milden Schlaf, den süssen,
Lass Traumgebilde lieblich um mich spriessen;
Denn heftig brennt das Aug' vom Thränenfeuer.

Sie, der so treu, so herzig stets ich minne,
Sie hat aus Ihrer Nähe mich verstossen,
Und zu dem Andern wendet Sie die Sinne.

Lass denn, o Nacht! im Traume nur mich kosen,
Auf dass ich Trost und Linderung gewinne
Und neugestärkt - die Qual aufs Neu beginne.
(S. 40)
_____



Sonett XXIV.

Oft in des Abends melanchol'chem Grauen
Trat ich hinaus voll stiller Wonn' und blickte
Hinauf zu einem Stern, der mich erquickte
Mit seinem Lichte von des Himmels Auen.

Mag auch der Abend jetzt herniederthauen:
Der helle Stern ist fort, der mich entzückte,
Der Zeiten Ordnung war's, die ihn entrückte;
Lang' werd' ich nicht den freundlichen nun schauen.

Doch wenn der Sterne Kreislauf sich vollendet,
Und rückwärts dann die alten Zeiten kehren,
Zeigt sich der liebe Stern mir wohl aufs Neue.

Doch Sie, die ganz sich hat von mir gewendet,
Da Lied und Saiten Sie doch einzig ehren,
Sie bringen Thränen nicht zurück, noch Reue.
(S. 41)
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Sonett XXV.

Wie bin ich doch so thöricht und vermessen,
Dass ich die holde Frau zu schmähen wage;
Dass den Verlust des Gutes ich beklage,
Das ich nicht einen Augenblick besessen.

Weil ich geschwiegen gegen Sie - indessen
Der Glückliche mit Ihr lebt sel'ge Tage -
Ist's Recht, dass selbstgeschaffnes Leid ich trage,
Dass nie ich kann Ihr holdes Bild vergessen.

Leb' er beglückt, den Du beglückt, o Süsse,
Lass mich den Kranz aus meinen Schmerzen flechten:
Der stummen Liebe ward der Schmerz zum Lohne.

Leb' Du beglückt, indess ich weinend büsse,
Ich darf ja nicht mit meinem Schicksal rechten;
Den Lorber wind' ich mir zur Dornenkrone.
(S. 42)
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Sonett XXVI.

Wenn lang' auf wilder Flut umhergetrieben
Die Schiffer, da nun günst'ge Sterne leuchten,
Gesichert ihrer Heimat Port erreichten,
Und jubelnd sie empfingen ihre Lieben:

Der theure Tag wird dann in's Herz geschrieben,
Dann opfert man den Göttern, den geneigten,
Und Freude hebt das Haupt zuvor Gebeugten,
Die Thränen nur der Wonne sind geblieben.

Auch mir ist heut' ein froher Tag erschienen,
Den nimmer ich erhoffte mehr zu sehen,
Und doch erschien er mir mit Seraphsmienen.

Im Herzen will den Tempel ich erheben,
Es mag der Dank in meinen Thränen stehen,
Noch wollen Worte nicht dem Mund entschweben.
(S. 43)
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Sonett XXVII.

Erloschen fast war in mir jenes Feuer,
Das einst in meinen Adern heftig brannte,
Als jeder Vers nur Ihren Namen nannte
Und Ihr gestand: Sie sei allein mir theuer.

Nach Ihrem Fenster blickt' ich nun mit scheuer
Sehnsucht nicht mehr, weil ich vergebens sandte
Den Blick, zu finden Die, von der mich bannte
Mein Schicksal, ach! ich sah' nur leer Gemäuer.

Es schwanden Jahre, und Ihr Namen bebte
Nicht von den Lippen mir, nur tief verborgen
Im Herzen weilt' er, wo er immer lebte.

Da zeigt in seinem Stralenglanz ein Morgen
Die Theure mir, die Süsse, Einz'ge wieder
Und strömt das vor'ge Feuer durch die Glieder.
(S. 44)
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Sonett XXVIII.

Sie ist's, Sie lebt! ich athme Ihre Nähe!
Erstanden fühl' ich mich nun von den Todten;
Wer sandte mir den lichten Himmelsboten,
Dass meines Lebens Lust ich nochmals sähe!

Wer hat zu seh'n heut meinem Aug' geboten?
Dass Seligkeit den Busen mir umwehe,
Mir Ihre Blicke riefen das: Erstehe!
Wer mich gespeis't mit ew'gen Lebensbroten?

Und kann ich solche Fragen noch beginnen,
Ist ganz der Geist vom Freudenrausche trunken,
Weiss ich nicht, was geleitet meine Pfade?

Ja, Du, die mir erfüllet alles Sinnen,
An deren Busen ich entzückt gesunken,
Du, Liebe, bist es! Du voll Huld und Gnade!
(S. 45)
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Sonett XXIX.

Ein Feiertag ist heute, werth zu rasten?
Und an die Feier soll mich Alles mahnen,
Bekränzt mein Schiff! und roth' und blaue Fahnen
Lasst weithin flattern von den hohen Masten!

Aus Stürmen, die mich auf der Flut erfassen,
Zurück nun von des Meeres dunkeln Bahnen
Bin ich zum Port, eh' ich es durfte ahnen:
Bekränzt mein Schiff, im Hafen darf ich rasten!

Vom Aufgang bis zum Niedergang gezogen
Steht glänzend der Verheissung Himmelsbogen,
Dass meine Sterne wieder mir gewogen.

Drum mag der Liebe rothe Flagge wehen,
Und weithinstralend von der Masten Höhen
Soll Blau und Gold mit Ihr vermälet stehen.
(S. 46)
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Sonett XXX.

Gegrüsset sei der Tag viel tausend Mal
Der wieder mir gezeigt so hold und mild
Der süssen Frau mit Reiz geschmücktes Bild,
Mir meiner Wonne Quell', und meiner Qual.

Gesegnet sei o Tag dein erster Stral,
Der meines Herzens Sehnsucht mir gestillt,
Mich mit entflohnen Wonne hat erfüllt:
Denn ewig bleibt mir heilig meine Wahl.

Gesegnet bis die stille Dämmrung sinkt,
Der Sterne Licht am heitern Himmel blinkt,
Und süsse Ruhe für die Müden winkt.

Gesegnet sei, so lang' Ihr Athem weht,
So lang' Ihr Nam' in meinen Liedern steht
Und Liebe noch des Lebens Lust erhöht.
(S. 47)
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Elegie XII.

Ach nun wehet Dein Athem nicht mehr, entflohn ist das Lächeln,
Und geschlossen das Aug', welches so zärtlich geblickt.
Mir versiegte die Thrän' im Aug', es wich die Besinnung
Mir vom Herzen, als die traurige Kund' ich vernahm,
Nicht hast Du mich geliebt, nicht gewusst, wie in Lieb' ich erglüht war
Einzig, Luise, für Dich, wie mich Dein Anblick entzückt.
Doch ich weine um Dich; erst heute erweicht sich das starre
Herz, und ich klage, dass Du schon in dem Lenze verwelkt.
Ja, ich weine, obschon Du jetzt mir einzig gehörest
Ewig in Jugend mir blühst, die nicht das Alter gekannt.
Wer entreisst Dich mir nun, Dein Bild umschwebt mich hienieden
Bis Dein Sänger Dir folgt - -
(S. 48)
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An Maria

Wenn Wonnelenz heraufsteigt mit Auroren,
Schmückt bunter Farbenkelche lichtes Prangen,
Die grüne Flur, die Kön'gin zu empfangen,
Die süsse Ros' aus Ichor einst geboren,

Es schmiegt an sie, die Sanges Preis erkohren,
Der Thau sich liebend, küsst ihr Mund und Wangen,
Fühlt sanften Gruss und schmilzt im Glutverlangen,
Hat sterbend sich in ihrem Duft verloren.

Wenn ich die theure Rosenblüte sehe,
In's Purpurlabyrinth dann blick in's süsse,
Denk' ich der Freundin, fühle Geisternähe.

Siehst Rosen Du, so höre meine Grüsse
Aus jeder Ferne nah, auf Liedes Schwingen
Hörst Du sie noch vom Pol herüberklingen.
(S. 52)
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An Maria

Der Knabe starrte düster in das Leben,
Er fragte seufzend, ob kein Stern erglänze;
Ihn freuten nicht der Rosen duft'ge Kränze,
Er hörte nicht der Saiten sanftes Beben,

Da sieht der Frauen schönstes Bild er schweben
Aus dem Azur, hold wie die Ros' im Lenze
Ein goldner Duft umspielt der Glieder Gränze,
Akazien der Locken Zier umweben.

Und zu dem düstern Knaben tritt die Milde:
Reicht ihm Akazienspross aus ihren Händen, -
Er blicket auf - und fühlt sich schnell genesen.

Du kennst den trüben Knaben in dem Bilde,
Du Freundin kennst das lieblich holde Wesen
Von dem der Knabe nie mehr sich mag wenden.
(S. 53)
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An Maria

Citronenblätter sieh mich heute reichen
Und blaue Liljen, ihnen zu vermälen,
O möchten sie von mir Dir oft erzählen,
Wenn mir zurück der Heimat Gränzen weichen.

Was soll ich aus den Blumen heut erwählen,
Was beut die Flur dem Herzen noch für Zeichen?
Kann andres sich dem Blumenmohne gleichen,
Darf ich ihn mit Vergissmeinnicht empfehlen,

Die Himbeerblüte steck' ich in's Gebinde,
Verschmäh' sie nicht, und blicke freundlich nieder
Auf dieses Sträusschen, das ich scheidend winde.

Citronenblatt zuletzt und weissen Flieder.
"Unsterblich wandelt Freundschaft durch Cypressen
Und Wort und That bleibt ewig unvergessen
."
(S. 54)
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Der von Mädchen gefesselte Amor

Seht, Amor weint, dass ihn die Fesseln drücken,
Zu Bitten kann er, Schwestern, sich entschliessen,
Wie aus dem Schelmenaug' die Thränen fliessen:
O könnte Dich die Mutter jetzt erblicken!

Thor! glaubst Du denn, dass Deine Fesseln schmücken?
Du willst die Lust und Wonne nur geniessen,
Uns aber Wermut in den Honig giessen,
Das dünkt Dich recht, auch fälschlich uns berücken.

Ja, ja wir kennen alle Deine Tücken,
Und Rache duldest Du nun von uns allen;
Lass Dir's ein Weilchen nur bei uns gefallen.

Nun mag die Freude ihre Pfeile schärfen,
Indess wir Dich in enge Fesseln werfen
Ist Wonne mit uns, Jubel und Entzücken.
(S. 56)
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Der befreiete Amor

"Sei Jubel und Entzücken
Mit Euch auch kleine Weile,
Zerbrecht nur nicht die Pfeile,
Wie kann Euch das beglücken!

Für Liebeskranke Krücken
Mach' ich daraus zum Theile,
Oder in grösster Eile
Verschiess ich sie auf Mücken."

Du sollst, Du sollst verschiessen,
Begannen nun mit Scherzen
Die Mädchen, sie auf Schnaken.

Doch - als sie los ihn liessen,
Da hing in jedem Herzen
Ein scharfer Widerhaken.
(S. 57)
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Die Vestalin
(Auf ein Gemälde)

Im weissen Kleid, mit züchtiger Geberde
Geht Vesta's Jungfrau, hoch und hehr, doch trübe,
Denn, angeschuldigt sünd'ger Erdenliebe,
Droht ihr das Grab, lebendig, in der Erde.

Dass offenbar Schuld oder Unschuld werde
Trägt Tibers gelbe Flut sie in dem Siebe,
Bewusst sich ihrer reinen Himmelstriebe
Geht sie den Prüfungsgang ohn' alle Fährde.

Es steht die Flut, es fällt kein einz'ger Tropfen,
Der Sünde frank steht da die zarte Blume
Und freudig aller Edeln Herzen klopfen.

Wie ständ' es, Doris, wohl mit Deinem Ruhme?
Dir flöss' das Nass durchs dichte Gold der Becher,
Verräth'risch würd' es Deiner Unschuld Rächer.
(S. 58)
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Die Serenade
(Auf ein Gemälde)

Die Jungfrau lauschet hinterm Fenstergitter,
Ihr Auge blickt voll inn'ger Wonne nieder,
Wie pocht das Herzchen unruhvoll am Mieder:
Denn vor dem Hause steht ein schöner Ritter.

Es klingt in seiner Hand die gold'ne Cyther,
Und schmachtend singt er zarte Minnelieder,
Schaut auf die Saiten, blickt zum Fenster wieder,
Seufzt ob der Spröden, nennt sein Schicksal bitter.

Sie kann allein das Leben ihm verschönen,
Sie ist sein Ruf bei Tanz und Kriegsgewitter,
Zu ihr allein steht all' sein liebend Sehnen.

Geduld! wer trotzt den sanften Zaubertönen?
Sie fällt - so wie die reife Saat dem Schnitter -
In Deinen Arm, und wird die Liebe krönen.
(S. 59)
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An Jenny T-.

Warum entfliehst Du, Spröde, Amor's Freuden,
Verweigerst der Natur die süssen Rechte?
Wähnst Du es Tugend? das ist nicht die ächte!
Um solch Verdienst wird nur ein Thor Dich neiden!

Will sich Dein Geist an kalter Weisheit weiden?
Entartest Du so gänzlich dem Geschlechte?
Rümpf' nur das Näschen, weil ich Kränze flechte,
Nicht gleich Dir irre grübelnd auf den Heiden.

O schöne Jenny, Amor wird sich rächen;
Ein Mädchen, für die Liebe nur geschaffen,
Lässt sich der Mut'ge nicht so leicht entwaffen.

Der Pfeil ist aufgelegt, die Waffen rasseln,
Bald wird durch's Herzchen Dir die Spitze brechen,
Und hoch auf dann die Glut der Liebe prasseln.
(S. 60)
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Gedenke mein
An C. A.

Gedenke mein und jener frohen Stunden
Die Dir als Freund den Unbekannten zeigten,
Wo sich die Herzen zu einander neigten,
Ein theures Band so enge uns verbunden.

Die schöne Zeit, so bald ist sie entschwunden!
Ob Wünsche, welche Freud' und Lieb' erzeugten,
Wir bald vielleicht, ob wir sie je erreichten -
Ein siebenfacher Schleier hälts umwunden.

Doch denk' ich Dein, und was ich einst empfunden,
Bewahr' ich treu und traue dem Geschicke,
Das in die Flut jetzt unsre Schifflein treibet.

Gedenke mein! die letzte Bitte bleibet,
Und leichter trag ich alle Herzenswunden,
Les' ich, "ich denke Dein" in Deinem Blicke.
(S. 71)
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Aus: Sonette und Elegien
vom Verfasser des Don Enrique [Friedrich Wilhelm Genthe]
Als Manuskript für Freunde gedruckt 1833
Eisleben gedruckt in der Losseschen Buchdruckerei

 


Biographie:

https://www.deutsche-biographie.de/sfz20353.html#adbcontent



 

 


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