Wilhelm Gerhard (1780-1858) - Liebesgedichte



Wilhelm Gerhard
(1780-1858)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Der Liebenswürdigen

Was murmelt die Quelle?
Was duftet die Blume?
Was säuselt der Zephyr
Durch Blätter und Zweige?
Was singet der Vogel,
Von Mayen umgrünt?

Sie murmeln, und duften,
Sie säuseln, und singen
Nur Liebe! ja, Liebe!
Und immer nur Liebe
Dem lieblichen Mädchen,
Das Liebe verdient.
(S. 5)
_____



Liebchens Bild

Soll ich euch mein Liebchen malen,
Und ihr holdes Angesicht,
Ihrer Aeuglein lichte Strahlen?
Ach! ein Maler malt's euch nicht.

Rosen blühn auf ihren Wangen,
Auf den Lippen Purpurglut,
Wer ihr nahet, ist gefangen,
Und zum Fliehen fehlt ihm Muth.

Zählt sie gleich nur sechzehn Jahre,
Ist sie reich doch an Verstand;
Blond gelockt sind ihre Haare,
Rund und niedlich Fuß und Hand.

Gerne gäb' ich noch vom Busen,
Von dem zarten, euch ein Bild:
Doch da schweigen meine Musen,
Weil ihn Sittsamkeit verhüllt. -
(S. 6)
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Der Liebesbund

Giebt den heißen Liebesblick
Liebchen lächelnd dir zurück,
Sind die holden Unschulwangen
Von der Rose Glut umfangen:
O, dann klopfe, liebe Brust,
Süßer Ahnung dir bewußt!

Drücket sie, halb abgewandt,
Schüchtern, leise dir die Hand;
Siehst du's zarte Liebchen beben,
Bleicht die Lippe, stockt das Leben:
Blöder Jüngling! fasse Muth,
Und gesteh' ihr deine Gluth!

Decket Purpur ihr Gesicht,
Wenn dein Mund von Liebe spricht;
Schließt die Lippen holdes Schweigen,
Wenn zum Kuß sich deine neigen:
Sel'ger Wonne Vollgenuß
Blüht im ersten süßen Kuß!

Kühner Jüngling! liebewarm,
Fest umschließe sie dein Arm!
Wenn die Pulse höher schlagen,
Darf die Liebe nicht verzagen:
Herz am Herzen, Mund auf Mund
Knüpfet sich der Liebesbund.
(S. 7)
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Liebchens Blick

Erhebst du die klaren Aeugelein;
So freuen sich Sonnen und Mondenschein,
Und alle Sternlein neigen sich,
Und singen fröhlich: wir lieben dich!

Du senkest des Blickes milden Strahl;
Und Hügel duften, es grünt das Thal,
Und tausend Blumen nicken dir zu,
Und rufen lächelnd: wie schön bist du!

Deckt aber die Aeuglein der Wimpern Nacht;
So schwindet der Mond und die Sternenpracht,
Es schließt die Blume sich auf der Flur,
Und klagt noch im Schlummer: wo weilt sie nur?

Ich aber eil' in die Nacht hinaus,
Umwandle träumend dein stilles Haus,
Mich labt und quälet der Liebe Pein,
Und leise seufz' ich: ach wärst du mein!
(S. 8)
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Liebeserklärung

Sey mein, du Liebchen rosenroth,
Sey mein, und liebe mich!
Denn leichter wäre mir der Tod,
Als Leben ohne dich.
O fliehe nicht, o wende nicht
Den Blick, der Liebe lacht!
Dich, meiner Augen Sonnenlicht,
Dich lieb' ich Tag und Nacht.

Hörst du auf jener grünen Flur
Der Lerche Morgensang?
So wie sie singt, so lieb' ich nur,
Und liebe lebenslang.
O fliehe nicht, o wende nicht
Den Blick, der Liebe lacht!
Dich, meiner Augen Sonnenlicht,
Dich lieb' ich Tag und Nacht.
(S. 9)
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Friederike

Wer erhebt mich himmelwärts?
Wer besiegt des Schicksals Tücke?
Und beseliget mein Herz?
Friederike!

Du allein, du fehlest mir
Noch zu meinem Lebensglücke,
Du der Jungfrau'n holde Zier:
Friederike!

Schwindet mir der frohe Muth,
Stärk' ich mich an deinem Blicke;
O, wie bin ich dir so gut,
Friederike!

Arm im Arm' mit dir allein,
Trotz' ich jedem Mißgeschicke;
Ewig will ich dir mich weih'n,
Friederike!

Folge mir zum Brautaltar,
Daß der Myrthenkranz dich schmücke,
Ich und du ein glücklich Paar,
Friederike!

Ich und du, und du und ich!
Welche Wonne! komm' und drücke
An den treuen Busen mich,
Friederike!

Alles, Alles bist du mir!
Jede Blume, die ich pflücke,
Pflück' ich einzig dir, nur dir,
Friederike!

Fest sey unser Liebesbund,
Und im letzten Augenblicke
Lisple sterbend noch mein Mund:
Friederike!
(S. 10-11)
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Das Konzert

Sehnsucht im beklommnen Herzen
Trat ich in den weiten Saal,
Und das Zauberlicht der Kerzen
Mehrte meines Busens Qual.

Denn das Mädchen meiner Lieder
Sollte heut' zugegen seyn,
Und so blickt' ich hin und wieder
Durch geschmückte, bunte Reih'n.

Schmetternd rauschten die Trompeten
Zu der vollen Symphonie,
Und die Hörner und die Flöten
Bliesen sanfte Melodie.

Da erblickt' ich meine Schöne
Mit dem blonden Lockenhaar;
Tiefer als die Flötentöne
Rührte mich ihr Augenpaar.

Süße Röth' auf ihren Wangen,
Holde Schaam im Angesicht,
Saß sie da. Die Geigen klangen -
Ich vernahm die Töne nicht;

Sah nur ihrer Blicke Schimmer,
War für sie nur Aug und Ohr,
Schielte immer nur und immer
Nach des Mädchens Busenflor.

Endlich, als das Chor der Sänger
Mit dem Saitenspiel verhallt:
Widerstand ich auch nicht länger
Meiner Sehnsucht Allgewalt;

Schüchtern und mit leisem Schritte
Nahte der Geliebten ich:
Mädchen! höre meine Bitte!
Holdes Mädchen, liebe mich!

Keine Worte gab die Schöne,
Keine Sylbe mir zurück:
Aber lauter als die Töne
Sprach ihr seelenvoller Blick.
(S. 12-13)
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Untreue und Versöhnung

Ein Mädchen küßt' ich jüngst im Traum
Mit schwarzem Augenpaar,
Und ihren Mund berührt' ich kaum;
Da rauschte deines Kleides Saum,
Du wurdest es gewahr.

Das schöne Kind erschrak und schwand,
Ich stand betroffen da;
Erröthend bot ich dir die Hand,
Und wußte nicht was ich empfand,
Als ich dich trauern sah.

Und silbern quoll ein Thränchen dir
Die Rosenwang' herab.
Weg, Ungeheuer, weg von mir!
Giebst du mir solchen Lohn dafür,
Daß ich mein Herz dir gab?

Vergieb mir, Lida, o vergieb!
Ich fleh' um deine Huld;
Ich habe dich so innig lieb,
Und was mich zu dem Frevel trieb,
Ist ja nur deine Schuld.

Bliebst du nicht immer wohlgemuth
Bey meinem heißen Schmerz,
Und lachtest meiner Liebesglut?
Dieß sagte leider nur zu gut:
Kalt sey dein Felsenherz.

Nun, da mit deiner Seele mich
Der Thränenquell vertraut:
Wer ist nun glücklicher als ich?
Nun, schöne Lida! küß' ich dich
Als meine süße Braut.

Da sank'st du still in meinen Arm,
Das letzte Perlchen schlich
Sich aus dem Aug', es floh der Harm,
Die Herzen klopften liebewarm,
Und - ach! mein Traum entwich. -

Nun irrt im liebeleeren Raum
Der sehnsuchtsvolle Blick,
Und, eingehüllt in weichen Flaum,
Such' ich den süßen goldnen Traum:
Doch kehrt er nicht zurück.
(S. 14-15)
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Morgenständchen

Liebes Mädchen, schlafe nicht!
Alles glänzt im Purpurlicht
Schon so hell und munter.
Höre meiner Laute Klang,
Höre meinen Morgensang,
Komm! o, komm herunter!

Liegst du noch im weichen Flaum?
Glüht ein rosenfarbner Traum
Dir um Mund und Wangen?
Auf! erwache, süßes Kind!
Steig' hernieder, o geschwind!
Stille mein Verlangen!

Schau! der Sonne goldner Strahl,
Blumen laden dich in's Thal,
Und die Vöglein singen.
Hell ertönt ihr Jubelchor,
Wenn sie sich durch Nebelflor
Auf zum Aether schwingen.

Siehst du nicht die holde Schaar
Sanfter Tauben, Paar und Paar,
Schnäbelnd sich erfreuen?
Mädchen, flieh' das niedre Dach,
Ihrem Beispiel folge nach!
Nimmer soll dich's reuen.

Rascher wallt des Jünglings Blut,
Und es kühlet Liebesglut
Nicht der feuchte Morgen.
Warum, schöne Schläferinn,
Hält dich böser Eigensinn
Immer noch verborgen?

Still! ich höre Liebchens Gang.
Nun verhalle Lautenklang,
Schweiget nun ihr Lieder!
Denn ihr schönes Auge lacht
In der Unschuld Himmelspracht
Hold auf mich hernieder.
(S. 16-17)
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Das Veilchen

Was glänzt unter Blättern
Im Morgenthau,
Bescheiden verborgen,
So lieblich blau?

Was füllet das Plätzchen
Mit Nektarduft?
Was würzt mit Gerüchen
Die Frühlingsluft?

Du bist es, o Veilchen!
Der Holden Bild,
Die sittsam die Schönheit,
Wie du, verhüllt.

Dort prangen die Tulpen
Mit stolzem Sinn,
Wohl ziehet ihr Schimmer
Das Auge hin;

Doch laß ich die Stolzen
Am Wege stehn.
Dich such' ich, o Veilchen,
Nur du bist schön!

Laß immer dich pflücken,
Und folge mir
Zum schüchternen Liebchen,
So ähnlich dir.

Dort ziere bescheiden
Die holde Brust,
Und stirb dann verwelkend
In stiller Lust!
(S. 18-19)
_____



Die Täubchen

1. Sehnsucht
O, wenn ich doch ein Täubchen wär'!
Ich flög' zu dir hinüber;
Ich flatterte wohl hin und her,
Hinüber und herüber.

Drauf öffnete die Schwanenhand
Das Fensterchen behende;
Ich pickte dir in's Busenband,
Und in die kleinen Hände.

Du streutest mir das Futter hin,
Und lachtest freundlich nieder;
Ich schaute mit verliebtem Sinn
Dir in die Aeuglein wieder-

Du könntest ohne alle Müh'
Den zahmen Tauber kirren,
Er würde täglich spät und früh
Um's liebe Fenster schwirren.

Weil ich indeß kein Täubchen bin,
Dir meinen Schmerz zu klagen:
So mögen sie mit Taubensinn
Dir, was ich fühle, sagen!
(S. 20)


2. Sympathie
Hin zu jenem Fenster flieget
Täglich eine Taubenschaar;
Dort sitzt, hold in sich geschmieget,
Liebchen mit dem dunkeln Haar.

Und sie flattern, trippeln, girren,
Bis es durch die Scheiben dringt,
Und das süße Fensterklirren
Ihren Schnäbeln Freude bringt.

Ob sie dich wohl auch besuchen?
Dacht' ich so in meinem Sinn,
Streute nun, es zu versuchen,
Ihnen täglich Futter hin.

Aber sollte man's wohl meinen?
Höchstens kömmt ein Sperling nur;
Täubchen wollen nicht erscheinen,
Von den Täubchen keine Spur.

Was sie locken mag? ich glaube,
Sympathie nur, liebe Herrn!
Zu dem Täubchen fliegt die Taube:
Gleich und gleich gesellt sich gern.
(S. 21)


3. Verlorene Ruhe
Dahin ist meines Herzens Ruh!
Ihr guten Täubchen hört mir zu!
Euch will ich's wohl erzählen,
Ihr seyd verschwiegne Seelen.

Ich hüpfte jüngst mit frohem Sinn
Nach meinem kleinen Gärtchen hin,
Um Rosen und Violen
Zum frischen Strauß zu holen.

Da schaut' auf einmal mich ein Mann
Mit Feuerblicken zärtlich an.
Mir zitterten die Glieder,
Ich schlug die Augen nieder.

Betreten schlüpft' ich wohl vorbey:
Doch als verstohlen nur und scheu
Nach ihm das Aug' ich wende,
Da küßt er mir die Hände.

Ich wußte nicht, wie mir geschehn,
Und wagte kaum mich umzusehn,
Mir wurde schmerzlich bange,
Das Blut stieg in die Wange.

Nun holt' ich meinen Blumenstrauß,
Die schönsten Rosen sucht' ich aus:
Wie hätt' ich gern für's Leben
Die Blumen ihm gegeben!

Allein der schöne Mann war fort;
Mein Auge sucht' am stillen Ort
Vergebens den Begleiter:
Da schlich ich traurig weiter.

Ihr lieben Täubchen! sagt ihm doch -
Wenn ihr etwa den Trauten noch
Auf euern Zügen findet -
Wie mir die Ruhe schwindet!
(S. 22-23)


4. Wiedererkennen
Willst du wissen, liebes Kind,
Wem die Täubchen angehören,
Die dir so ergeben sind,
Und am Nähtisch oft dich stören?

In dem alten Griechenland
Zogen sie, wie Dichter sagen,
An dem golddurchwirkten Band
Venus leichten Muschelwagen.

Und so flogen sie einmal,
Von der Göttinn Hand geleitet,
Dahin, wo im Blumenthal
Sich ein Quell zum Bade breitet.

Und der Erde süße Lust,
Schirret los die goldnen Zügel,
Und versenkt die holde Brust
In den blauen Wasserspiegel.

Als die Täubchen frey sich sahn,
Schwirrten sie umher und girrten,
Bis sie auf der Flatterbahn
In dem Walde sich verirrten.

Will im labyrinth'schen Hain
Nirgend sich ein Ausweg zeigen?
Ach! die dunkle Nacht bricht ein,
Und die muntern Vögel schweigen.

Nymphen, höret unser Flehn!
Nymphen, habt mit uns Erbarmen!
Weh! es ist um uns geschehn!
Nymphen, Nymphen! Helft uns Armen!

Klagend hallt die Melodie
Durch des Haines dunkle Pfade;
Weder Nymphe höret sie,
Noch Kyther' im Blumenbade.

Klagend ziehn sie weiter fort
Ueber Länder über Meere,
Aber ach! an keinem Ort
War die liebliche Kythere.

Neulich trägt der rasche Flug
Deinem Fenster sie vorüber,
Und ein magischer Betrug
Lockt die Irrenden hinüber.

O, wie waren sie entzückt,
O, wie waren sie erschrocken,
Als sie, Liebchen, dich erblickt,
Mit den seidnen Ringellocken!

Ja, sie ist es! ist es! ja!
Freudig regt sich das Gefieder:
Venus Amathusia,
Endlich haben wir dich wieder!
(S. 24-25)
_____



Die Tasse

Liebes Mädchen! ich, ein Bote
Deines Liebsten, komme heute,
Schüchtern meinen Gruß zu bieten,
Und dich freundlich zu bedienen.

Der mich schickt, ersucht dich, Holde,
Mich als Freundinn aufzunehmen,
Und in deinem kleinen Zimmer
Auf der zierlichen Komode
Mir ein Plätzchen zu verstatten.
Heimlich muß ich dir's vertrauen,
Neidisch ist er auf das Plätzchen,
Neidisch auch, daß deine Lippen
Mich wohl oft berühren würden;
Denn ein Kuß von deinem Munde
Dünket ihn - so meint er - süßer,
Als wenn ich im Göttersaale
Mich gefüllt aus Hebe's Kruge
Seinem Munde präsentirte.

Was ich noch zu sagen habe,
Steht mir an der Stirn geschrieben.
Dein Geliebter liebt dich zärtlich,
Und in seinem treuen Busen
Wird die Liebe nie erkalten,
Wenn auch einst die zarte Blume,
Jetzt der Knospe kaum entquollen,
Blume deiner Jugendjahre,
Nach des Lebens Lenz verblühte,
Nimmer wird die Lieb' erkalten,
Bis das Hündchen auf der Schale
Laut zu bellen angefangen.

Dieses Hündchen, das der Künstler
Schalkhaft auf die Stirn mir malte,
Soll auch künftig dir, o Süße,
Tag und Nacht das Herz bewachen,
Daß nicht Kummer oder Sorge,
Oder sonst ein Dämon nahe,
Seinen Frieden zu zerstören.
(S. 26-27)
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An ihre Locke

Schöne dunkelbraune Locke
Meiner holden Beatrice,
Die mit sanften Liebesknoten
Um die Seele sich geschlungen,
Sey mir, o willkommner Bote
Ihrer stillen Gegenliebe,
Sey mir tausendmal gegrüßt!

Wenn ich einsam an sie denke,
Wenn nach ihr ich still mich sehne,
Und zurück gehaltene Gluten
Meiner heißen Liebesflamme
Mir die Brust zu sprengen drohen:
Dann, o Talisman der Liebe!
Schöner Theil von einem schönen
Körper! komm' an meine Lippen,
Dämpfe mir die Flammengluten,
Kühle meine heißen Lippen,
Bis ich einst das Lockenköpfchen,
Und die dunkeln Augenwimpern,
Und den Purpur ihres Mundes,
Und den Rosensamt der Wangen,
Und das Elfenbein des Nackens,
Und des Busens Alabaster,
Und den süßen, unberührten
Leib des heißgeliebten Mädchens
Ganz mein eigen nennen werde!
(S. 28-29)
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Amor pflückt Rosen

Als ich schöne Lina, heute morgen
Aus dem Fenster in das kleine Gärtchen
Blickte, sah ich Amorn den Verräther
Leise, langsam durch die Hecken schleichen;
Statt des Bogens und der goldnen Pfeile
Hing ein leichtes Körbchen ihm am Arme,
Und mit losem Finger pflückt' er alle
Schwellend aufgeblühten jungen Rosen,
Selbst die zarten Knospen nicht verschonend.

Und es schien, als ließen sich die Röschen
Gern und ohne Schmerz von Amorn pflücken.
Eine nur, die herrlichste von allen,
Aufgeblüht im dunkelsten Gebüsche,
Zitterte vor seinen Falkenblicken.
Ach! daß mich der Räuber doch nicht fände!
Seufzte sie, und duckte still sich nieder.
Aber Amorn war sie nicht entgangen.
O wie freut' er sich des schönen Fundes!
Wie begierig streckt er seine Händchen
Durch die dunkeln Büsche, sie zu knicken!
Und mich dauerte das arme Röschen:
Amor! rief ich, hast du kein Erbarmen?
Willst du denn die Schönste nicht verschonen?
Amor sah mich an und lachte schalkhaft.
Wisse, sprach er, als die schöne Blume
Eben sank, ich bleibe unerbittlich:
Denn geschaffen sind die zarten Rosen,
Um von meiner Hand gepflückt zu werden.
(S. 30-31)
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An ihre Schnürbrust

Wie beneid' ich dich, o Schnürbrust
Meines auserwählten Mädchens,
Die du gleich dem Zaubergürtel
Aphroditens an den zarten
Süßen Leib dich innig schmiegest,
Und mit sanften Liebesbanden
Schöngeformte Doppelhügel
Einer keuschen Brust umrankest,
Die der Federkraft des Fischbeins
Trotzend, in der Jugendfülle
Eigner Kraft dem Druck' entquellen!

O, wie will ich, wenn mir Hymen
Einst erlaubt dich aufzuschnüren,
Alle die geheimen Reitze
Die du neidisch mir versteckest,
O, wie will ich sie mit glühend
Heißen Lippen in mich saugen,
Und, wie du, so fest und innig
An ihr liebend Herz mich schließen!
(S. 32)
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Verblühte Liebe

An einem Frühlingsmorgen
Stand ich nach langer Trennung
Vor deines Hauses Thüre.
Wie schlug mein Puls so heftig,
Als sich das Fenster aufthat,
Und du mit holdem Lächeln
Zu mir hernieder nicktest!
Ich winkte dir, Geliebte,
Und sprang mit leichten Füßen
Hinauf die Wendeltreppe.
Da flogst du mir entgegen
Mit aufgelösten Locken
Und halb enthüllten Busen,
Und sankest stumm und selig
Mir zitternd in die Arme.

Und wie wir dann im Schatten
Der dunkeln Rosenlaube,
Die Arme um die Nacken
Geschlungen, traulich saßen;
Da drückten wir uns innig
Einander an die Herzen,
Und lauschten wie sie pochten,
Und malten uns die Zukunft
Mit Amor's goldnen Farben,
Und schwuren, uns auf ewig,
Auf ewig treu zu lieben,
Und hunderttausend Küsse
Besiegelten das Bündniß.

Nun hängt mein nasses Auge
Mit Wehmuth an der Laube.
Sie blühte neunmal wieder
Seit jenen Liebesschwüren -
Ach! aber uns're Liebe
Hat leider ausgeblüht!
(S. 33-34)
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Liebes-Lection

Minna, du kleine Blöde!
Minna, wie lieb' ich dich!
O sey doch nicht so spröde,
Komm, komm und küsse mich!
Kennst du die sanften Triebe,
Der Liebe süße Lust?
Lern' sie von mir, o Liebe!
Fühl' sie an meiner Brust!
(S. 35)
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An die Flatterhafte

O du wetterwendisch Mädchen,
Dem ich meine Schwür' erneue,
Liebe mich mit gleicher Treue,
Und ich trotze jedem Schmerz!

Doch wenn du aus schwarzen Wimpern
Flatterhaft die Blicke sendest,
Und nach andern Männern wendest:
Zieht mich Sorge niederwärts.

Gieb dich ganz, o süßes Leben!
Gieb dich mir mit treuer Liebe!
Sey beständig und betrübe
Nicht durch Flattersinn mein Herz!
(S. 36)
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Tausch

Du kamst mit Rosenwangen
Die Wiese hergegangen,
Und nie gefühltes Bangen
Bewegte meine Brust.
Ich folgte dir mit Säumen,
Und klagt' in süßen Träumen
Den Blumen und den Bäumen
Der Liebe Qual und Lust.

Die Wiesenblumen starben
Mit all' den tausend Farben;
Ich fand dich unter Garben,
Und schenkte dir mein Herz.
Nun hab' ich leider keines,
Du hast schon lange meines:
O Liebchen, gieb mir deines,
Sonst tödtet mich der Schmerz!
(S. 37)
_____



Schmerzlicher Vorsatz

Sie brach den Schwur der Treue,
So falsch, und doch so schön!
Und ob sie's auch bereue,
Zu schwer ist das Vergehn,
Nein, nein, nein!
Ich will nie sie wiedersehn.
Mich zogen heiße Triebe,
Grausame, hin zu dir.
Versagest du mir Liebe,
So gönne Mitleid mir! -

Sie brach den Schwur der Treue,
So falsch und doch so schön!
Und ob sie's auch bereue,
Zu schwer ist das Vergehn,
Nein, nein, nein!
Ich will nie sie wiedersehn.
Wie lohntest du dem Herzen
Mit bittrer Liebesnoth!
Und weilen diese Schmerzen,
So wünsch' ich mir den Tod.

Du brachst den Schwur der Treue,
So falsch und doch so schön!
Empfändest du auch Reue,
Zu schwer ist das Vergehn.
Nein, nein, nein!
Ich will nie dich wiedersehn.
(S. 38)
_____



Der Entfernten

Wenn schlummernd noch die Menge schweigt,
Die Nacht dem Morgenstrahl sich neigt,
Und hoch empor die Lerche steigt,
Gedenk' ich dein, o Liebe!
Wenn heiß die Mittagssonne sticht,
Und säumend sich im Silberlicht
Des Meeres grüne Woge bricht,
Gedenk' ich, Liebe dein!
Wohin ich geh,
In Wohl und Weh
Ach! immer denk ich, Liebe,
Ja, immer denk ich dein!

Und wenn die Abendsonne blinkt,
Die Welle röthend niedersinkt,
Und allen Wesen Ruhe winkt;
Gedenk' ich dein, o Liebe!
Denkst du geschieden und allein
In deinem stillen Kämmerlein
Bey Sonnen- oder Mondenschein,
O Liebe, denkst du mein?
Mir nah und fern
Bist du mein Stern,
Und ewig denk' ich, Liebe,
Ja, ewig denk' ich dein!
(S. 39)
_____



Kuß oder Tod

O sey nicht so spröde,
Du liebliches Kind!
Komm, sink an die Brust mir,
Und küss' mich geschwind!
Verschmähst du die Lippe,
Die Liebe dir bot:
Ach! Ach!
So gräm' ich mich todt.

Wie foltert mich Sehnsucht,
Wie klopft mir das Herz,
Ein Kuß nur besänftigt
Den quälenden Schmerz.
Und färbet dein Mund sich
Für Andere roth:
Ach! Ach!
So gräm' ich mich todt.

Sich küssen sey Sünde,
Sagt Mutterchen zwar;
Doch glaube mir, Liebchen!
Sie redet nicht wahr.
Befolgest du dennoch
Der Mutter Verbot:
Ach! Ach!
So gräm' ich mich todt.
(S. 40)
_____



Ewig dein!

Ewig dein! - So schrieb ich dir
Jüngst auf eine Mandel,
Und du machtest mir dafür
Einen schlimmen Handel.

Ewig dein und immerdar!
Sollt' ich denn nicht wagen,
Oder wär' es Sünde gar,
Ewig dein zu sagen?

Sünde? - Nein, ich glaub' es nicht.
Kannst mir ja nicht wehren,
Dich im Leben und Gedicht
Innig zu verehren.

Wenn ich dir mit Herz und Mund,
O du Anmuthreiche!
Zu der Freundschaft ew'gen Bund
Meine Rechte reiche:

Wirst du dann mein Ewig dein,
Holde, mir vergeben?
Will ja nichts als Freund dir seyn,
Freund im Tod und Leben.
(S. 41)
_____



Nachtigallgesang

Morgensonne,
Frühlingswonne
Lockten mich zum Wasserfall,
Aus den frischen
Rosenbüschen
Tönt' ein Lied der Nachtigall.

Und die Weise
Zog mich leise
Näher hin zum Felsenhang,
Hör', o Schöne,
Auf die Töne,
Die der Frühlingsvogel sang!

Wie die Rose
Einst im Schooße
Der Natur die Knospe brach:
Ward von süßen
Himmelsküssen
Auch dein holdes Mädchen wach.

Darum kosen
Wie um Rosen
Grazien um Wang' und Mund;
Darum blühet,
Darum glühet
Rosenwange, Purpurmund.

Amotetten!
Blumenketten
Ihr, die jedes Herz gewinnt!
Junger Lenze
Blüthenkränze
Für das holde, liebe Kind!

Aus den frischen
Rosenbüschen,
In dem Hain am Wasserfall
Sang, o Schöne,
Jene Töne
Flötend eine Nachtigall.
(S. 42-43)
_____



Liebes A. B. C.

A. B. C. D.
Wenn ich dich seh,
Dich, meine süße Lust,
Klopft die empörte Brust,
Wird mir wohl und weh,
Wenn ich dich seh.

E. F. G. H.
Wärst du doch da!
Drückte mein treuer Arm,
Holde, dich liebewarm!
Schätzchen, ach wärst du da!
Wärst du mir nah!

J. K. und L.
Aeuglein so hell
Glänzten in Liebespracht
Mir aus der Wimpern Nacht,
Trafen mich blitzesschnell,
Aeuglein so hell.

M. N. O. P.
Gleich einer Fee
Fesselst du Herz und Sinn,
Grübchen in Wang' und Kinn,
Rosenglut, Lilienschnee,
Reizende Fee!

Q. R. S. T.
Scheiden thut weh.
Halte mit Herz und Mund
Treu an dem Liebesbund,
Sage mir nie Ade!
Scheiden thut weh.

U. V. W. X.
Mach einen Knix,
Drückt dir ein junger Fant
Zärtlich die Schwanenhand;
Aber nur ernsten Blicks
Mach ihm den Knix!

Ypsilon Z.
Nun geh zu Bett!
Bricht doch die Nacht schon ein,
Kann ja nicht bey dir seyn,
Wenn ich auch Flügel hätt'!
Geh nur zu Bett!
(S. 44-45)
_____



Liebes-Katechismus

Schatzerl, wann liabst mi?
Wann liabst mi? -
Wann du mi wieder liabst
Und mir a Busserl giabst,
Mir nur bei Herz vertraust,
Und nach kahn Anderm schaust:
Dann, Schatzerl, lieb i di,
Dann lieb i di.
Lala, lala, la etc.

Schatzerl, wo liebat d' mi?
Wo liabst d' mi? -
Lieb di im Kammerl z' Haus,
Liab di im Felde drauß,
Wann du zur Kirchen gehst,
Wann d' dich im Landlerl drehst:
I liab di allweil fort,
Hier oder dort.
Lala, lala, la! etc.

Schatzerl, wie liabst mi?
Wie liabst mi? -
I bin dir herzli guat,
Liab di mit treuem Muath,
Und kane Wasserfluat
Löscht ma mei Liabgluat.
Schatzerl, jezt schlag nur ein!
I bin schon dein!
Lala, lala, la! etc.
(S. 46-47)
_____



Die Linden

Ernst und melancholisch säuselt's in den Zweigen;
Unsre Blüten sterben, unsre Blätter neigen
Traurig in ein frühes Grab
Zu dem Boden sich hinab.

Will das süße Mädchen dem verliebten Rauschen
Länger nicht wie sonst aus nahem Fenster lauschen,
Nimmer in der Abendluft
Trinken unsern Blüthenduft:

O, so hör' uns, Zeus! Von deinem Göttersitze
Schleudr' auf uns den allgewaltigsten der Blitze!
Stamm und Blüte, Zweig und Laub
Senge seine Glut zu Staub!
(S. 48)
_____



Herzensergießung

Ach! Mutter, laßt es euch gestehn:
Ich möchte schier vor Qual vergehn,
Mich plaget Liebesschmerz.
Es raubt mir euer Töchterlein
Durch ihrer Augen hellen Schein
Gar freventlich mein Herz.

Seitdem ihr Blick den meinen traf,
Flieht mich die Freude, flieht der Schlaf,
Ist Alles mir zur Last;
Und immer liegt sie mir im Sinn,
Und immer zieht's nach ihr mich hin,
Hab' weder Ruh noch Rast.

Doch sie - sie hat ein Herz von Stein;
Will ich sie küssen, sagt sie: nein!
Das ist verbotnes Gut.
Berühr' ich leise nur die Hand,
Gleich ist das Köpfchen weggewandt;
Da fällt mir aller Muth.

Ich weiß es, Liebchen traut mir nicht,
Weil sie, schau ich ihr in's Gesicht,
Gleich mit dem Finger droht;
Euch, Mutter, glaubt sie mehr als mir,
O, schildert meine Leiden ihr,
Und klagt ihr meine Noth.

Und rühret ihr die Marmorbrust,
So gönnet mir die süße Lust
Und gebt sie mir zur Frau!
Dann soll mein Kummer bald entfliehn,
Dann wird die Erde wieder grün,
Der Himmel wieder blau.
(S. 49-50)
_____



Huldigung
(Inpromtü)

Schönste der Frauen
In diesen Auen!
Laß mit Vertrauen
Mich in die schlauen,
Lieblichen, blauen
Augen dir schauen!

Wie, wenn nach rauhen
Tagen, die lauen
Lüfte den grauen
Wolken entthauen,
Schwalben und Pfauen
Brüten und bauen:
So, meine Gute,
Wird mir zu Muthe,
Wenn sich, die blauen
Augen zu schauen,
Meine getrauen.

Eh' ich's vermuthe,
Fühl' ich im Blute
Sieden und Brauen,
Stechen und Hauen,
Liege dem schlauen
Schelm in den Klauen,
Dem ohne Grauen
In allen Gauen
Männer und Frauen
Altäre bauen.

Lohnst du, o Gute!
So mein Vertrauen?
(S. 51-52)
_____



Der gefiederte Bote

Wandre nur immer,
Vöglein, in's Zimmer
Meiner entzückenden Braut;
Sing' ihr, o singe
Freundliche Dinge,
Wie sie mein Mund dir vertraut.

Und wenn im Flaume
Ruhend, vom Traume
Röther die Wang' ihr entglüht:
O so empfange
Sie mit Gesange,
Sing' ihr ein liebliches Lied!

Pick' ihr behende
Lippen und Hände,
Wenn sie das Futter dir giebt,
Und alle Tage
Sing' ihr und sage,
Wie sie der Bräutigam liebt.
(S. 53)
_____



Diona's Rosenstock

Traurig senk' ich meine Zweige,
Alle Rosen sind entblättert,
Und die zarten Knospen hängen
Matt und krank die Köpfchen nieder.
Ach! wer soll mich nun begießen,
Wenn die heißen Sonnenstrahlen
Meine Reize früh zerstören,
Da das holde, liebe Mädchen,
Dem ich meine Pflege danke,
Dem ich zu Gefallen blühte,
Nicht mehr in dem Garten wandelt?
Nein, an keinem andern Busen
Dürfen meine Rosen prangen!
Lächelt mir ihr schönes Auge
Nicht wie sonst an jedem Morgen:
O, so will ich lieber sterben,
Welkend an den Boden sinken,
Und wenn dann aus Staub und Asche
Sich mein Blumengeist erhebet,
Soll er, liebliche Diona,
Süß berauschend dich umschweben,
Und der Unschuld zarte Wangen
Dir mit Rosenblute färben!
(S. 54)
_____



Rath und Bitte

Küssest du mich, süßes Kind,
Wird dir kaum das Herzchen schlagen,
Hast dabei nicht viel zu wagen:
Nur geschwind!
Bitte, bitte! küsse mich!
Aber kommen jüngre Knaben,
Wollen deine Küsse haben:
Wehre dich!
(S. 55)
_____



Vergiß mein nicht!

Du scheidest, weil dich Lorbeerkränze rufen,
Ob trauernd auch das Herz im Busen bricht.
So geh' und fliege denn auf blut'gen Stufen
Zum Ehrentempel: doch vergiß mein nicht!

Bleib treu der Liebe, meide die Gefahren,
Dein Leben zu erhalten sey dir Pflicht!
Doch wärst du auch der Kühnste deiner Schaaren,
Den Tod verachtend: o vergiß mein nicht!

Getrennt von dir, in meiner Sehnsucht Schmerzen,
Erbeb' ich selbst, wenn man vom Frieden spricht.
Ist Friede, so eroberst du die Herzen,
Wo du erscheinest: o vergiß mein nicht!

Ja, du wirst siegen! Mars und Amor schmücken
Mit Kränzen dich, wie man sie Helden flicht.
Bewahre deiner Thaten Hochentzücken!
Sey ewig glücklich: doch vergiß mein nicht!
(S. 56)
_____



Gespräch mit dem Herzen

Was zweifelst du, was seufzest du,
Was quälst du dich, mein Herz?
Du liebst die Thränen, fliehst die Ruh,
Und findest Trost im Schmerz.
Macht Freundschaft so den Busen schwer?
Die Freundschaft? wahrlich nein!
Wie wenn es etwa Liebe wär'?
Ja, Liebe muß es seyn!

Und wenn die Welt es Liebe nennt,
Was leider Nacht und Tag
Mich quält und treibt, und sticht und brennt:
Ich's doch nicht missen mag.
Laß mir die schmerzenvolle Lust,
Laß mir die süße Pein!
Denn glücklich ist des Menschen Brust
Durch Liebe nur allein.
(S. 57)
_____



Das Plättfest

Sonst erschien ich alle Morgen,
Linchen, und besuchte dich;
Doch du hast nun andre Sorgen;
Denkst du heute wohl an mich?

Alles reget sich im Hause
Mit der Plätt' in fleiß'ger Hand,
Zupfet hier an einer Krause,
Oder biegelt dort ein Band.

Bitt' ich dich nun um ein Küßchen,
Hab' ich mich umsonst bemüht.
Lieber, sprichst du, wart' ein bischen,
Daß die Glocke nicht verglüht!

Ach! da muß ich lange harren,
Blicke schmachtend dich nur an;
Selbst nicht tröstende Cigarren
Dürfen meinen Lippen nahn.

Nun so plätte Tuch und Häubchen,
Aber wenn's vorüber ist,
Sey der Bräutigam, mein Täubchen,
Doppelt zärtlich auch geküßt!
(S. 58)
_____



Mit der Luise von Voß
(März 1815)

Wer gliche mehr als du, o süße,
Geliebte Braut! der Voßischen Luise?
So sanft und schön, so fromm und gut wie diese,
Machst du mein Leben mir zum Paradiese.
(S. 59)
_____



In ihren Kalender
(May 1815)

Darf ich, o Weibchen! einen Wunsch dir sagen,
So sey es der: daß gleich dem zehnten May
Ein jeglicher von deinen Lebenstagen
Ein Tag des Glückes und der Wonne sey?
Die Sorgen wollen wir vereinigt tragen;
Und wie die Herzen immer gut und treu,
Soll nimmer, auch bei künftigen Kalendern,
Sich unsre Liebe gegenseitig ändern!
(S. 60)
_____



Meine Wahl

Die Schöne, die zu eitlem Tand
Den Sinn verblendet hingewandt,
Der oft ein Schmuck, ein Diamant,
Ein schöner Hut, ein prächtig Band,
Ein neuer Shawl, ein reich Gewand,
Und was die Mode sonst erfand,
Wohl auch ein jungendlicher Fant
Durch Schmeichelein das Herz entwandt;
Die, zugethan dem Unbestand,
Sich selten an den Einen band,
Und treue Liebe nie gekannt:
Die taugt nicht für den Ehestand.
Sie bleibe was sie war, - galant;
Und sey sie schön und voll Verstand,
Und reich wie Keine sonst im Land:
Ich gäb' ihr doch nicht meine Hand!

Doch die durch sanften Sinn entzückt,
Mit einem Veilchenstrauß geschmückt,
Geräuschlos Tisch und Haus beschickt,
Und fleißig ordnet, näht und strickt,
Nicht frey nach andern Männern blickt,
Verbotne Glut im Keim' erstickt,
Von Schmeichelreden nicht berückt,
Den Auserwählten nur beglückt,
Sich gern in seine Launen schickt,
Kein Steckenpferd ihm je zerknickt,
Vielmehr ihm lächelnd Beyfall nickt,
Und wenn ihn Neid und Bosheit zwickt,
Sein Herz durch treue Lieb' erquickt,
Am Wege wohl auch gern sich bückt,
Und frische Blumen für ihn pflückt:
Nur die sey an mein Herz gedrückt!
(S. 65-66)
_____



Nach Anakreon

Auch der alte Tejer fühlte,
Was nicht Wein noch Blume kühlte.

Die Leyer

Die Atreiden wollt' ich singen
Und des Kadmos Abentheuer;
Doch ich hörte meine Leyer
Nur im Ton der Liebe klingen.

Andre Saiten ließ ich bringen,
Und vertauschte selbst die Leyer,
Um mit neuem Heldenfeuer
Den Alciden zu besingen.

Doch umsonst! Zu Kampfestönen
Konnt' ich nimmer sie gewöhnen:
Liebe klang nur, ewig Liebe!

Nun, so lebet wohl für immer,
Helden in des Lorbeer's Schimmer!
Meine Leyer tönt nur Liebe.
(S. 69)



Der Traum

Jüngst hatt' ich einen Liebeskummer
Im süßen Weine mir vertrunken,
Und war betäubt zu sanftem Schlummer
Auf's Polster hingesunken.

Da träumte mir, ich lief behende
Mit jungen Mädchen um die Wette,
Und fesselt' ihre kleinen Hände
Mit mancher Blumenkette.

Doch plötzlich ward ich unterbrochen
Durch Lida's sanfte Silbertöne:
Du hast die Treue mir gebrochen!
Rief die erzürnte Schöne.

Jetzt flog ich, mit der Reue Wunden,
Zu Lida's Füßen ohne Säumen;
Da war der süße Traum verschwunden.
Noch einmal möcht' ich träumen!
(S. 70)



Die Schwalbe

Plauderhafte Schwalbe du,
Sprich, wie bring' ich dich zur Ruh?
Kürz' ich für das frühe Singen
Mit der Scheere deine Schwingen?

Oder soll ich dir vielleicht,
Der die Kehle nimmer schweigt,
Mit des Messers scharfem Eisen
Die geschwätz'ge Zung' entreißen?

Denn vergeben kann ich's kaum:
Zwitschernd aus dem schönsten Traum,
Aus des Flaumes weichen Decken
Mir mein Mädchen aufzuschrecken!
(S. 71)



Das gefährliche Heer

Wenn Andre Heldenruhm und Sieg
Bis zu den Sternen tragen,
So sing' ich mit Bescheidenheit
Nur meine Niederlagen.

Kein Krieger hat zu Roß und Fuß
Das Schwert auf mich gerichtet,
Noch ward ich durch ein Räuberschiff
Auf wildem Meer vernichtet.

Vor einem Heer, gefährlicher
Als alle Kriegesschaaren,
Das mir aus schönen Augen droht,
Muß ich die Brust verwahren.
(S. 72)



Verwandlungen

Des Tantals Tochter ward zu Stein,
Mit Schmerz das Aug' umzogen,
Und Prokn' ist einst im Frühlingsschein
Als Schwalb' umhergeflogen.

Ich möchte wohl ein Spiegel seyn,
O lieblichste der Frauen,
Damit dein holdes Augenpaar
Mich ewig könnte schauen!

Ich wollt', ich wär ein schönes Kleid,
Daß du mich immer trügest;
Und kühles Wasser möcht' ich seyn,
Wenn du im Bade liegest!

Ich möcht' als einer Salbe Duft
Dich inniglich umfangen,
Als Busentuch, als Perlenschnur
An deinem Halse prangen!

Und geben mir die Götter nicht,
Was ich so heiß erflehte:
So möcht' ich deine Sohle seyn,
Nur daß dein Fuß mich träte!
(S. 73)



Bild der Geliebten

Der du Kunstgefühl im Busen,
Preiß der Maler, dem die Musen
So gewogen sind!
Mische deine Farbentöne,
Auf! und mal' mir meine Schöne,
Mein entferntes Kind!

Male mir zur Augenweide
Dunkle Locken, weich wie Seide,
Zarte Lilienhaut;
Und das Haar das sie beschattet,
Wenn der Pinsel dir's gestattet,
Sey mit Duft umthaut!

Und es hebe sich die feine
Stirn vom reinsten Elfenbeine
Aus der Wang' empor;
Nicht getrennt, nur sanft gezogen,
Sey der Brauen Doppelbogen,
Schwarz der Wimpern Flor!

Aber zu dem Glanz der Augen
Mag nur reges Feuer taugen,
Farbe wär' zu matt;
Mal' sie lichtblau, wie Athene,
Und auch schwimmend, wie die schöne
Liebesgöttinn hat!

Nas' und Wangen mal' zum Kosen,
Wie wenn Glut der jungen Rosen
Sich mit Milch vereint;
Einen Mund zum Ueberreden,
Der zum Kusse selbst die Blöden
Anzulocken scheint!

Auch vergiß bey meinem Liebchen
Nicht in Wang' und Kinn das Grübchen!
Um die Marmorbrust
Laß die Charitinnen fliegen,
Liebesgötter drauf sich wiegen,
Ihres Sieg's bewußt!

Und zum Ueberfluß umkleide
Sie mit purpurfarbner Seide,
Halb die Brust enthüllt!
Schön! das Bild ist dir gelungen,
Ganz der Seele mir entsprungen!
Rede, süßes Bild!
(S. 74-75)



Bild des Geliebten

Maler! dich, den Kunstgeübten,
Bitt' ich: male mir
Meinen Jüngling, den Geliebten!
Ich beschreib' ihn dir.

Male mir von innen dunkel
Seiner Locken Nacht,
Aeußerlich wie Goldgefunkel
Wenn der Morgen lacht.

Laß sie ringelnd nach Gefallen,
Ohne Kunst und Ziel,
Von dem Nacken niederwallen,
Leichter Winde Spiel.

Und die zarte Stirn, von Launen
Frey und spiegelrein,
Muß mit schwarzen Augenbrauen
Sanft umwölbet seyn!

In den Augen sey die Milde
Mit dem Trutz gepaart;
Eines mal' nach Mavors Bilde,
Eins von Kypris Art.

Wenn das eine dann mit Schrecken
Furcht gebieten mag,
Wird das andere Hoffnung wecken,
Lächelnd wie der Tag.

Mal' ihm eine seidne Wange,
Die zum Küssen taugt,
Und verschämt Erröthen prange
Drüberhin gehaucht.

Dir des Mundes Form zu zeigen,
Der auch dann noch spricht,
Wenn die runden Lippen schweigen,
Das verlange nicht!

Von dem Antlitz abwärts scheine,
Weiß und spiegelglatt,
Mir ein Hals von Elfenbeine,
Wie Adonis hat.

An dem Hermes siehst du Hände,
Wie du malen mußt;
Wähle Pollux Hüft' und Lende,
Und des Bacchus Brust.

Ey, wie doch mit argen Tücken
Deine Kunst dich neckt,
Da das Schönste, seinen Rücken,
Neidisch sie versteckt!

Soll ich auch den Fuß noch malen?
Bild' ihn ja mit Fleiß!
Jede Summe will ich zahlen,
Fordre nur den Preiß.

Doch zum Musengotte wähle
Mir dieß Konterfey:
Daß der Liebling meiner Seele
Ein Apollo sey!
(S. 76-78)



Wie viele Liebchen!

Zähl' an allen Bäumen
Mir die Blätter her;
Wo die Wogen schäumen,
Zähl' den Sand am Meer;
Rechne dieß zusammen,
Und die ganze Schaar
Meiner Liebesflammen
Wird dir offenbar!

Setze mir aus Sachsen,
Wo in Stadt und Flur
Hübsche Mädchen wachsen,
Fünf und achtzig nur,
Sämmtlich schön zum Malen
Und voll Liebesreiz;
Dreißig aus Westphalen,
Vierzig aus der Schweiz!

Setze zehn aus Danzig,
Funfzig aus Berlin,
Hundert fünf und zwanzig
Setz' aus Prag und Wien!
Auch in Thüring's Auen
Und am Ilmenfluß
Pflückt' ich, im Vertrauen!
Manchen süßen Kuß.

In dem Lande Bayern,
Wo Kupido lacht,
Blühen mir der theuern
Liebchen hundert acht.
Weiter hin nach Schwaben
Werd' ich ihrer wohl
Sechs und vierzig haben;
Zwanzig in Tyrol.

Von der Themse Strande
Bis zum alten Rom,
Von des Tajo Rande
Bis zum Newastrom -
Dessen Welle brausend
Durch die Scholle bricht -
Setze mir zweytausend,
Schön wie Morgenlicht!

Immerfort geschrieben!
Aus dem Ungerland
Hab' ich meine Lieben
Dir noch nicht genannt;
Auch nicht aus dem weiten
Lustigen Paris;
Dort ist, ohne Streiten,
Amors Paradies.

Wolltest du, zum Küssen
Alle werth, noch die
Ueber'm Meere wissen -
Gieb dir keine Müh'!
Denn wie manches Mädchen
Lächelt auf der Welt,
Das am Liebesfädchen
Mich gefangen hält!
(S. 79-81)



Amor's Nest

Ueber Berg' und über Wogen
Kömmst du, Schwalb', im Lenz geflogen
Zu dem alten Ort;
Weht die Sommerluft gelinder,
Baust du Nestchen für die Kinder,
Aber naht der rauhe Winter,
Fliegst du wieder fort.

Ach! ich klag' es dir mit Schmerzen:
Amor hat in meinem Herzen
Stets ein Nest gebaut.
Flügg' ist Dieser, Jene pochen
In dem Eie noch, zerbrochen
Liegt die Schaal' und ausgebrochen
Piepen Andre laut.

Wenn sie drauf die Alten füttern,
Welch ein Lärm und welch ein Zittern,
Welch ein zwitschernd Schrein!
Kaum daß sie die Flügel regen,
Paaren sie sich auch und legen
Eier, die sie brütend pflegen,
In das Nest hinein.

Und der Lärm wird immer toller,
Und das Herz wird immer voller,
Und es brennt und sticht. -
Giebt's ein Mittel, mich zu retten
Vor der Brut der Amoretten,
Die sich mir im Herzen betten;
So verhehl' mir's nicht!
(S. 82-83)



An eine junge Spröde

Flieh' mich nicht, geliebtes Kind,
Der ergrauten Locken wegen!
Komm und tritt mir rasch entgegen,
Sey mir hold gesinnt!

Senkest du dein Augenlied,
Sträubst dich darum spröd' und bange,
Weil auf deiner Purpurwange
Noch die Jugend glüht?

Schau einmal den Blumenkranz!
Schimmert da nicht, Liebchen, zwischen
Jungen Rosen auch der frischen
Lilien Silberglanz?

Darum fleuch, o süßes Kind,
Vor dem Greis nicht so erschrocken,
Weil ihm seine dunkeln Locken
Bleich geworden sind!
(S. 84)



Liebe

Schwer ist's liebeleer zu leben,
Schwer den Busen hinzugeben
Diesem Flammenstrahl;
Aber bey den reinsten Trieben
Ohne Gegengunst zu lieben,
Ist die härt'ste Qual.

In der Liebe gilt kein Adel,
Geist und Tugend wird zum Tadel,
Gold nur gilt allein.
Der zuerst mit Glutverlangen
Seine Seel' an Gold gehangen,
Soll vernichtet seyn!

Eltern ließen seinetwegen,
Brüder sich vom Haß erregen,
Mord und Krieg begann;
Auf der Erde ward es trübe,
Und der jungen keuschen Liebe
Himmelsglück zerrann.
(S. 85)



Woran erkennt man Verliebte?

Man brannte schon in alten Zeiten
Am Schenkel mit durchglühtem Stahl,
Um das Geschlecht zu unterscheiden,
Dem edlen Roß ein Feuermahl.

Und allen Völkern ist ein Stempel,
Und allen Ständen aufgedrückt:
Den Moslem kennt man zum Exempel
Am Turban, der das Haupt ihm schmückt.

Doch wenn zum Hain Verliebte schleichen,
O, die sind nur zu leicht erkannt:
Sie tragen in der Seel' ein Zeichen,
Mit Liebesflammen eingebrannt.
(S. 86)



Gold und Laute

Wenn leichtbeflügelt mir das Gold
Den falschen Rücken wendet; -
Und selten ist's dem Sänger hold -
So bleib' ich unverblendet.
Ich laufe nie, zu meiner Schmach,
Dem ungetreuen Flüchtling nach;
Wer wollt' in seinem Leben
Was Feindliches erstreben?

Und mag es immerhin mit Klang
Und Glanz die Welt berücken!
Ich binde meinen Sorgendrang
Den Winden auf den Rücken.
Satt rothen Goldes Flittertand,
Nehm' ich die Laut' in meine Hand,
Und sing' im Flammentriebe
Der vollen Brust von Liebe.

Kaum sieht der Flüchtling sich verschmäht,
So kömmt er schmeichelnd wieder,
Und raunt in's Ohr mir früh und spät:
Wirf deine Laute nieder!
Er beut auf schimmervoller Bahn
Zu neuen Diensten mir sich an,
Und jagt die holden Musen
Hinweg aus meinem Busen.

O treuvergeßner Bösewicht!
Hör' auf mich zu bethören,
Und wag's mit Schmeichelreden nicht
Die Ruhe mir zu stören!
Mehr ist die Laute mir als Gold,
Sie wirbt um einen süßern Sold,
Und Lieder giebt sie nimmer
Für deinen todten Schimmer.

Du machtest mir den Amor taub,
Wenn ich dir länger traute,
Bestreutest mir mit güldnem Staub
Die vielgeliebte Laute;
Ja, endlich würde mir wohl gar
Der Wonnebecher süß und klar,
Der Becher keuscher Liebe,
Durch deine Bosheit trübe.

Zieh, schnöder Flüchtling, zieh nur fort,
Und flüstre mir nicht wieder
Dein schmeichlerisch Verführerwort
Zum Klange meiner Lieder!
Und locktest du mich noch so sehr,
Die Laute geb' ich nimmermehr!
Mit deinen Flitterstrahlen
Magst du bei Bettlern prahlen!
(S. 87-88)



Sehnsucht

Mädchen mit den anmuthsvollen Blicken!
Meinen Mund
Auf die Feuerlippe dir zu drücken,
Lauf ich mir die Ferse wund.

Läs' ich nur in deinem Augenspiegel,
Wie du denkst,
So vertraut' ich dir, daß du den Zügel
Herrschend in der Brust mir lenkst.

Doch du hüpfest, lächelndes Behagen
Im Gesicht,
Leicht vorbey, und meine stillen Klagen,
Meine Sehnsucht hörst du nicht.
(S. 89)



Abschied von Amor

Knabe, bring mir Wein!
Bring mir frische Blumen, mich zu kränzen,
Daß im Frühlingsschein
Meiner Schläfe Silberlocken glänzen!

Wein und Blumen, dämpft
Gluten, die den vollen Busen pressen!
Hab' ich doch gekämpft,
Um mich nie mit Amorn mehr zu messen.
(S. 90)
_____



Nach Sappho

Die nicht Lied und Liebe schied,
Lebt unsterblich noch im Lied.

An Aphrodite

Aphrodite, Königinn der Herzen
Und der Throne, lindre meine Schmerzen!
Dulde nicht, daß man mit bittren Scherzen
Kränkend höhne meine Liebesglut!

Drangen je der Jungfrau weiche Lieder
Dir in's Ohr: so schweb' auch heute wieder
Aus des Vaters Goldpallaste nieder
Zu der Erdentochter, die dich fleht!

Oft ja lenktest du am goldnen Zügel
Hurtiges Gespann mit braunem Flügel,
Kleine Spatzen, nach dem Erdenhügel
Durch des Aethers wolkenlose Bahn;

Sandtest drauf zurück den leichten Wagen,
Lächeltest Erhörung meinen Klagen,
Und die Götterlippen hört' ich fragen,
Was mich quäl' in schwerbeklommner Brust.

"Nenne mir des Busens stilles Bangen!
Wer ist Schuld an diesen bleichen Wangen?
Ist ein Flüchtling deinem Netz' entgangen?
Wer hat, süße Sappho! dich gekränkt?

Flieht er dich, er soll die Flucht verschieben;
War er kalt, so soll er doppelt lieben,
Huld erflehend, nimmer dich betrüben,
Sondern mit Geschenken dich erfreun."

O! entschweb' auch jetzt dem Goldpallaste
Deines Vaters, mir zum Trost, entlaste
Mich des Grams, der meinen Busen faßte,
Und erkämpf', o Göttinn, mir den Sieg!
(S. 93-94)



An die Geliebte

Der genießet Himmelswonne,
Der dir gegenüber sitzt,
Dem des Lächelns Liebessonne
In die Nacht des Sehnens blitzt.
Göttern gleich ist der, o Schöne,
Dem dein Athem Nektar haucht,
Selig, der dir sanfte Töne
Von der nahen Lippe saugt.

Hör' ich sie; so stockt im Munde
Mir der Rede leichter Scherz,
Tief in meines Busens Grunde
Pocht mir das bedrängte Herz;
Meine Zung' erstarret, scheuer
Reget sich der kecke Muth,
Und ein allgewaltig Feuer
Rinnt mir durch's empörte Blut.

Nacht bedeckt die Augenlieder,
Vor den Ohren braust es laut;
Die erschöpften, matten Glieder
Sind von kaltem Schweiß umthaut.
Mich befällt ein wechselnd Beben,
Weg ist meiner Wange Roth,
Und das jugendliche Leben
Kämpfet mit dem blassen Tod.
(S. 95-96)
_____



Hannchen vor Allen

Die Mädchen in Deutschland sind blühend und schön,
Zu Küssen laden sie ein,
Und wenn sie im wogenden Tanze sich drehn,
So rühren sie Herzen von Stein.
Doch die mir vor Allen
Am besten gefallen,
Ist Hannchen,
Lieb Hannchen,
Schön Hannchen, mein Hannchen allein.

Die Mädchen in Deutschland sind nicht so kokett,
Wie jene dort über dem Rhein,
Sie tragen sich sittsam, bescheiden und nett,
Und Kleider und Herzen sind rein.
Doch die mir vor Allen
Am besten gefallen,
Ist Hannchen,
Lieb Hannchen,
Schön Hannchen, mein Hannchen allein.

Die Mädchen in Deutschland sind häuslich und gut,
Und bist du entschlossen zu frei'n,
So nimm dir ein Mädchen aus deutschem Blut,
Du wirst es gewiß nicht bereun!
Ach! keine von Allen
Hat so mir gefallen,
Wie Hannchen,
Lieb Hannchen,
Schön Hannchen, mein Hannchen allein.
(S. 103-104)
_____



Flüchtig ist das Schöne

Sey mir im Morgenstrahle
Gegrüßet, junge Rose!
Noch in der Blätter Schooße
Durchwürzest du die Luft.
So weit das milde Zepter
Der Blumengöttinn reichet,
Ist keine, die dir gleichet
An Farbe wie an Duft.

Du prangest in dem Haare
Der lächelnden Kythere,
Als sie dem blauen Meere
In Liebespracht entstieg.
Verliebte Zephyr flattern
Um deinen sanften Busen,
Und Rosen wählen Musen
Zu schöner Herzen Sieg.

Doch ob dich auch aus Purpur
Der Götter Hand geschaffen,
Und ob in spitze Waffen
Sie deine Brust gehüllt:
Kannst du doch, zarte Rose,
Nicht Sturmes Wuth ertragen;
Und ach! in Frühlingstagen
Entzücket nur dein Bild.
(S. 105)
_____



Das Hüttchen

Ein Hüttchen hab' ich, still und klein,
Auf buntbeblümten Matten;
Da fließt ein Bächlein, hell und rein,
Geschwätzig in den Hain.
Der Buchen kühler Schatten,
Wo Tag und Nacht sich gatten,
Schützt vor der Sonne, wenn man ruht,
Doch nicht vor Liebesglut.

Die liebereiche Nachtigall
Singt in den grünen Zweigen;
Der Wandrer horcht am Wasserfall
Entzückt dem süßen Schall.
Die andern Vögel neigen
Beschämt das Ohr und schweigen;
Der Fels, der Baum, die Blume lauscht,
Und nur die Quelle rauscht.

O laß, geliebte Schäferinn,
Uns in dem Hüttchen wohnen!
Komm hieher wo ich König bin,
Und sey du Königinn!
Auf Blumen sollst du thronen,
Von Blumen wind' ich Kronen,
Und will als König ganz allein
Dein treuer Sclave sein.
(S. 109)
_____



Die schlafende Schöne

An eines Bächleins Rande
Schläft mein geliebtes Kind,
Im leichten Florgewande
Spielt sanft der Abendwind;
Und silberweiße Blüten
Wehn auf der Locken Nacht.
Sie raubt mir Ruh' und Frieden
Wenn sie vom Schlaf erwacht.

Die Rosenwange stützet
Sich auf den Lilienarm,
Die holde Brust beschützet
Der Liebesgötter Schwarm.
Und ähnlich Aphroditen
In hoher Schönheit Pracht,
Raubt sie mir Ruh' und Frieden,
Wenn sie vom Schlaf erwacht.

Schweigt, Nachtigallen, schweiget!
Ihr weckt die Schläferinn;
Mit Liebesfeuer neiget
Mein Mund nach ihr sich hin.
Und sollt' ich mir verbieten,
Was mich so glücklich macht?
Sie raubt mir Ruh' und Frieden,
Wenn sie vom Schlaf erwacht.

Kennt sie den Zorn der Spröden?
Noch wankt und bebt mein Fuß;
Doch Amor treibt den Blöden
Zu dem gewagten Kuß.
Ach wie die Lippen glühten!
Fühlt sie der Liebe Macht?
Ja! seht nur wie zufrieden
Ihr offnes Auge lacht!
(S. 110-111)
_____



Wasserfahrt am Morgen

Verlaß die dunkle Hütte,
Beflügle deine Schritte,
Und komm im Zephyrtritte
Komm an des Ufers Rand!
Dort schaukelt uns der leichte Kahn
Auf silberheller Wogenbahn
Den breiten, stillen See hinan,
Bis an die Felsenwand.

O schau am Himmelsthore
Die glänzende Aurore,
Vernimm mit trunknem Ohre
Der Vögel muntre Schaar!
Wie heiter ist die Luft, wie blau!
Im Blumenschmelze prangt die Au,
Und weder Nebel nezt noch Thau
Dein blondgelocktes Haar.

Du schlägst das Auge nieder?
Laß, lauschend auf die Lieder,
Nur deine zarten Glieder
Auf weichem Kissen ruhn!
Die Silberwoge kräuselt sich,
Ein sanfter Wind umsäuselt dich,
Und freundlich schützet dich und mich
Der mächtige Neptun.

Und flattert dir auch freier
Um Brust und Hals der Schleier,
Und setzt die Wang' im Feuer
Durch lose Schelmerein:
So mache, dämpfend diese Glut,
Den Fehler, Liebchen, wieder gut,
Und laß die ungetrübte Flur
Der Schönheit Spiegel seyn!
(S. 114-115)
_____



Venezianische Gondlerlied

Es schwebet die Gondel auf schaukelnder Welle,
Die Nacht ist so helle,
So labend, so kühl.
Drum folge mir, Nettchen! Allein und verschwiegen
Im Kahn sich zu wiegen
Ist Wonnegefühl.

Den Deckel der Gondel befahl ich zu räumen,
Um süßer zu träumen
In fächelnder Luft.
Nun werden uns spielend die Wogen umkräuseln,
Die Zephyr' umsäuseln
Mit würzigem Duft.

Betrüge sich etwa ein Zephyrchen freier,
Und risse den Schleier
Dir weg von der Brust,
Und wüßte verwegen ein Knie zu erhaschen,
Verbotnes zu naschen
In himmlischer Lust:

Was kümmert's dich, Süße? Am Ruder behende
Regt Toni die Hände
Nach Ordnung und Pflicht.
Du kannst einer Büste nicht sicherer trauen,
Er will's ja nicht schauen,
Und schaut es auch nicht.
(S. 116)
_____



Was kannst du dafür?

Wie prangest du, Mädchen,
Im festlichen Glanz!
Wie blüht in der Locke
Der bräutliche Kranz!
Wie seufzet dein Liebster
Mit süßer Begier!
O, strahlendes Liebchen!
Was kannst du dafür?

Er sah dich im bunten
Im wirbelnden Reihn;
Da stahl sich ihm Liebe
Zum Busen hinein.
O gönnte sie, seufzt' er,
Die Blicke doch mir!
Du reizendes Liebchen,
Was kannst du dafür?

Bald wurdest auch du ihm,
Dem Blöden, so gut;
Dein Herzchen entbrannte
Voll zärtlicher Glut.
Die purpurnen Wangen
Wie blichen sie dir!
Ach, schmachtendes Liebchen!
Was kannst du dafür?

Nun schlich der Geliebte
Gar traurig und bang
Auf einsamer Wiese
Das Bächlein entlang;
Die Gluten der Sehnsucht
Verzehrten ihn schier.
Ach, sittsames Liebchen!
Was kannst du dafür?

Da rief unter Zweigen
Freund Amor hervor:
Was sinnst du so lange?
Was grämst du dich, Thor?
Dort glänzet ein Blümchen,
Das pflücke du ihr!
Es lohnet dir Liebchen
Mit Küssen dafür.

Vergißmeinnicht pflückt' er
Am rieselnden Quell,
Und brachte der süßen
Verschämten sie schnell.
Da klopft' es so schüchtern,
So leis' an der Thür.
Ach, zitterndes Liebchen!
Was kannst du dafür?

Die Qualen verschwanden,
Ihr wurdet gesund,
Und knüptet mit Küssen
Den zärtlichen Bund.
Nun steht ihr als Braut und
Als Bräutigam hier.
Ach, glückliches Liebchen!
Was kannst du dafür?

Den Zauber bewirkte
Das Blümchen der Au.
Bald ist er dein Gatte,
Und du seine Frau;
Bald werden aus Zweyen
Auch drei wohl und vier.
Erröthe nicht, Liebchen!
Was kannst du dafür?

Wie oft hast du, Holde,
Das Blümchen gepflückt!
Was Wunder, wenn's immer
Und immer dich schmückt?
Es dienet dem Busen,
Der Locke zur Zier.
Ach, liebliches Liebchen!
Was kannst du dafür?
(S. 120-122)
_____



Die Blumen der Liebesgöttinn

Einst ladet, ihren Park zu schmücken,
Kythere Florens Kinder ein.
Flieg', Amor! spricht mit holden Blicken
Der Götter Lust, der Welt Entzücken:
Bring' sie mir alle groß und klein!

Und schnell besteigt den Taubenwagen
Der kleine goldgelockte Sohn.
Ihr lieben Blumen, laßt euch sagen:
Euch sollen meine Zephyr tragen,
Erscheint vor meiner Mutter Thron!

Da sah man plötzlich zu den Füßen
Der Göttinn mit dem blonden Haar,
Aus Gärten, Fluren, Wald und Wiesen,
In Duft und Farbenglanze sprießen
Der holden Blumen bunte Schaar.

Und lächelnd musterte Kythere
Den tausendfarbigen Verein,
Und jede wünschte sich die Ehre,
Daß sie allein erkohren wäre
Zu prangen in Kytherens Hain.

Zwar, spricht die Göttinn, manche Blume
Entzücket mich in Wald und Flur;
Doch zu dem höchsten, schönsten Ruhme,
Zu blühn in meinem Heiligthume,
Weih' ich die Ros' und Myrthe nur.

Du Rose mit verschämten Wangen,
Du bist der jungen Liebe Bild,
Wenn süßes Beben, schüchtern Bangen,
Und still verborgenes Verlangen
Der Jungfrau zarte Seele füllt.

Und, spricht die sanfte Göttinn weiter,
Weil Rosen gar zu schnell verblühn;
Sey du, o Myrthe, ihre Begleiter!
Ihr beyde macht das Leben heiter,
Sie rosenroth, du immergrün!

Erwählte Blumen, kommt! ich pflanze
In Pafos euch und Amathunt.
Blüht dort in ewig jungem Glanze,
Und krönt mit dicht verschlungnem Kranze
Beglückter Paare Liebesbund!
(S. 131-132)
_____



Der unersättliche Hans

Als Röschen auf die Wiese schlich,
War heimlich Hans ihr nachgegangen.
O süßes Röschen, liebst du mich?
Ja, lieber Hans, ich liebe dich;
Doch weiter mußt du nichts verlangen!

Ist's wahr, was mir dein Mund gestand?
Ach! unter Rosen lauschen Schlangen -
Gieb mir die Hand zum Unterpfand!
Wohlan! hier hast du meine Hand;
Doch weiter wirst du nichts verlangen!

Hans hält sie fest an's Herz gedrückt,
Indeß die muntern Lerchen sangen;
Den Strauß noch reich' mir, der dich schmückt!
Da nimm! ich hab' ihn dir gepflückt;
Doch weiter darfst du nichts verlangen!

O Röschen, unsern Liebesbund
Besiegl' ein Kuß auf Mund und Wangen.
Zum Kusse neigt sich Wang' und Mund,
Und drohend macht der Finger kund,
Er solle ja nichts mehr verlangen.

Doch Hans gehorcht der Schönen nicht,
Und schielt nach ihres Busens Spangen.
Da ruft mit finsterem Gesicht
Lieb Röschen: Geh, du Bösewicht!
Sonst möchtest du zuviel verlangen.
(S. 134-135)
_____



Nach Anakreon

Manche liebliche Geschichte
Von dem kleinen Bösewichte!

Weiberwaffen

Natur gab jedem Thiere
Einst Waffen für den Streit:
Der Hörner Kraft dem Stiere,
Dem Hasen Schnelligkeit,
Und Huf dem edeln Pferde;
Dem Löwen, der ein Graun
Und Schrecken dieser Erde,
Die scharfen Zähn' und Klaun.

Dem Fisch im feuchten Spiegel
Krystallner Wellengruft
Des Schwimmers Kunst, und Flügel
Dem Vogel in der Luft;
Dem Manne Muth und Stärke,
Und Strahlen höhern Lichts.
Und ihrem Meisterwerke,
Dem Weibe, gab sie nichts?

O nein! was sie geschaffen,
Hat sie auch wohl bedacht.
Ihm gab sie statt der Waffen
Der Schönheit Zaubermacht.
Denn ohne Schild und Lanze
Siegt Schönheit überall,
Es weicht dem Götterglanze
Das Feuer und der Stahl.
(S. 161)



Amors nächtlicher Besuch

Als schon dunkle Mitternacht
Rings die stille Flur bedeckte,
Rief es draußen: aufgemacht!
Amor war es, der mich weckte.

Mürrisch frug ich: wer ist hier?
Regen plätschert durch die Bäume -
Wer zerschlägt mir meine Thür,
Und verscheuchet meine Träume?

Amor sprach: es ist ein Kind,
Das im Finstern sich verirrte;
Laß mich ein! ein kalter Wind
Brauset durch das Laub der Myrthe.

Und ich richte mich empor,
Denn mich dauerte der Bube,
Hole meine Lampe vor,
Und geleit' ihn in die Stube.

Als ich ihn nun sanft und lind
Zum Kamine hergezogen,
Seh' ich ein geflügelt Kind
Mit dem Köcher, Pfeil und Bogen.

Und in meiner hohlen Hand
Wärm' ich seine Händchen trocken,
Drück' ihm auch mit dem Gewand
Das Geträufel aus den Locken.

Aber kaum an meiner Brust
Wieder warm vom kalten Regen,
Fühlte Amor schon die Lust
Seinen Bogen zu bewegen.

Ey, Herr Wirth! muß doch zum Scherz
Seh'n, ob ihn das Naß erschlaffte!
Und da traf er mich in's Herz,
Eh' ich mich zusammenraffte.

Und mit schadenfrohem Muth
Kichert' er: gedenk' des Knaben!
Seine Senn' ist wohl noch gut,
Aber du wirst Herzweh haben!
(S. 162-163)



Liebesschmerz

Im Felde treff' ich einen Engel,
Der spricht: so traurig, so allein?
Und schlägt mich mit dem Lilienstengel,
Und jagt mich über Stock und Stein.

Ich laufe mit entglühter Wange
Durch Strom und Wald auf dorn'ge Höhn,
Und - plötzlich sticht mich eine Schlange,
Daß Sinn und Athem mir vergehn.

Da wär' ich rettungslos geblieben;
Doch Amor lächelt zu dem Stich,
Und spricht: man sieht's, du kannst nicht lieben!
Und mit dem Fittig kühlt er mich.
(S. 164)



Das Täubchen

Du liebliches Täubchen!
Woher im Bogen
Des blauen Aethers
Kömmst du geflogen?
Ich muß es wissen:
Woher in der Luft,
Die du durchschwommen,
Der würzige Duft?

Anakreon schickt mich
Zu seinem Mädchen,
Dem artigsten, schönsten,
In jenem Städtchen.
Er gab Kytheren
Um meinen Besitz
Ein kleines Liebchen
Voll süßem Witz.

Nun bin ich der Bote
Des Liedergesellen,
Und muß ihm bisweilen
Die Briefe bestellen.
Man sagt, er werde
Mir Freiheit verleihn;
Und thät' er's: ich bliebe,
Und dient' ihm allein.

Was hab' ich denn nöthig
Durch Aecker zu fliegen,
Und mich auf den Aesten
Der Bäume zu wiegen?
Ich pick' aus den Händen
Des Sängers mir Brod,
Und trinke vom Weine
Nach seinem Gebot.

Dann flattr' ich im Tanze
Begeistert und freier,
Und schlaf' ermüdet
Auf seiner Leyer.
Jetzt hörtest du Alles,
Doch laß mich gehn!
Sonst werd' ich geschwätzig
Wie plaudernde Kräh'n.
(S. 165-166)



Der wächserne Amor

Ein Jüngling bot den Amor feil
Von Wachs, ich stand daneben,
Und frug ihn: welche Summe soll
Ich für das Bildchen geben?

So viel du willst, erwiedert' er,
Du sollst ihn billig haben;
Doch Wachsbossirer bin ich nicht,
Verkaufe blos den Knaben.

Ich kann den Nimmersatt nicht mehr
Bei mir zufrieden stellen.
Da sind vier Groschen, gieb ihn her,
Den feinen Schlafgesellen!

Und Amor! zünd' in meiner Brust
Nur gleich der Liebe Flammen:
Sonst muß ich, kleiner Schelm, dich selbst
Zum Feuertod verdammen!
(S. 167)



Zweikampf mit Amor

Auch ich will mich der Liebe weihn!
Zwar hieß es mir schon lange
Der goldgelockte Knab'; allein
Ihm widerstrebend sprach ich: Nein!
Die Liebe macht mir bange.

Da griff er schnell im wilden Grimm
Nach seinen goldnen Waffen,
Und: kämpfe! sagt' er keck, doch nimm
Dich wohl in Acht, sonst geht dir's schlimme;
Magst dich zusammen raffen!

Betroffen stand ich lange still,
Dann rüstet' ich zum Tanze
Der Waffen mich, und sprach: Ich will!
Und schwang, ein anderer Achill,
Gewappnet, Schild und Lanze.

Er schoß den letzten Pfeil; ich wich
Ihm aus mit raschem Schritte.
Des zürnend, schwang er selber sich,
Wie ein Geschoß, gar fürchterlich
Mir in des Busens Mitte.

Das raubte mir den Muth, ich schwieg
Beschämt im Waffenglanze.
Inwendig ist ja nun der Krieg,
Was brauch' ich denn zu äußer'm Sieg
Den Schild noch und die Lanze?
(S. 168-169)



Das Ruheplätzchen

Unter dieses Baumes Schatten,
Wo sich Licht und Dämmrung gatten,
Ist es einsam, kühl und still:
Hieher lagre dich, Batyll!

Wie vom sanften Hauch der Weste
Seine zartgebognen Aeste
In den blätterreichen Höhn
Rauschend und geschwätzig wehn!

Und dort rinnet silberhelle
Eine frische Wiesenquelle,
Murmelnd mischet sich der Schall
In das Lied der Nachtigall.

Solch ein süßes Plätzchen sehen,
Und doch kalt vorübergehen,
Wenn's den Wandrer laben will:
Wer vermöchte das, Batyll?
(S. 170)



Amors Herrinn

Den kleinen Liebesgott umwanden
Die Musen jüngst mit Blumenbanden,
Und trugen ihn mit frohem Sinn
Zur Schönheit hin.

Das arme Söhnchen loszukaufen,
Kam Venus flügelschnell gelaufen,
Und bot das Gold der ganzen Welt
Zum Lösegeld.

Allein sie war umsonst erschienen:
Gewohnt ist Amor nun zu dienen,
Bleibt seiner Herrinn nah' und fern,
Und dient ihr gern.
(S. 171)



Gemälde der Europa

Sage mir:
Kennst du diesen Stier,
Der auf seinem Rücken,
Lieblich zum Entzücken,
Ein sidonisch Mädchen trägt,
Und mit den Klauen
Die Wogen, die blauen,
Rudernd bewegt?

Das ist Zeus!
Denn, so viel ich weiß,
Hat von keiner Heerde
Auf der weiten Erde,
Jemals ein gehörntes Thier
Muthig die Wogen
Des Meeres durchzogen,
Wie jener Stier.
(S. 172)



Der Frühling

Lasset uns ein Lied beginnen,
Wenn der Lenz sich naht!
Seht! es streun ihm Charittinnen
Rosen auf den Pfad.

Laue Balsamlüfte wehen
Ueber Meer und Eis;
In den Thälern, auf den Höhen,
Sprosset junges Reis.

Lustig rudert dort die Ente
Aus dem Schilf hervor,
Und zum blauen Firmamente
Steigt die Lerch' empor.

Und es regt sich Freud' und Wonne;
Wolkenschatten fliehn;
Heiter strahlt die Morgensonne
Ueber Saatengrün.

Wärmend lockt sie junge Keime
Aus des Winters Nacht;
Rings erglänzen Büsch' und Bäume
In der Blüten Pracht.

Immer dunkler wird der Laube
Duft'ge Lagerstatt,
Und die Frucht der goldnen Traube
Lacht im Rebenblatt.
(S. 173-174)



Der Bienenstich

Ein Bienchen schlief im Schooße
Der aufgeblühten Rose,
Und während Amor sich,
Nichts ahnend, nach ihr bückte,
Und sie begierig pflückte:
Traf ihn der Biene Stich.

Verwundet war der Finger
Dem kleinen Weltbezwinger;
Er schrie aus vollem Mund,
Und eilte, halb im Fliegen,
An Kypris sich zu schmiegen,
Zum Hain von Amathunt.

Betränt ist ihm die Wange;
Ach, Mutter! eine Schlange,
Geflügelt, klein und bunt,
Der Landmann nennt sie Biene,
Ruft er mit Schmerzensmiene,
Biß mir den Finger wund.

Dem Händchen Kühlung fächelnd,
Sprach drauf Kythere lächelnd:
So schmerzt ein Bienenstich;
Wie aber mag's in Herzen,
Die du verwundest, schmerzen?
Das, Söhnchen! frag' ich dich.
(S. 175-176)



Wettlauf mit Amor

Neulich träumte mir, ich lief,
An den Schultern Flügel,
Ueber Ströme breit und tief,
Ueber Thal und Hügel.

Amor aber, jedes Bein
Schwer mit Blei behangen,
Hüpfte lachend hinterdrein,
Und ich war gefangen.

Was bedeutet wohl der Traum!
Kennt ihr meine Thaten,
So, bedünkt mich, ist es kaum
Schwer den Sinn zu rathen.

Frei zu seyn war mir Gesetz,
Und gar oft, umsponnen
Und verstrickt im Liebesnetz,
Bin ich schon entronnen.

Aber kann ich für und für
Solchen Wandel treiben?
Einmal, einmal, glaubt es mir!
Werd' ich hängen bleiben.
(S. 178)



Amor's Pfeile

Es schmiedet' einst im Feuersaale
Vulkan zu Lemnos, aus gediegnem Stahle,
Die Pfeile für der Liebesgötter Schaar
Im blonden Haar.

Kythere nahm sie lächelnd dann, und tauchte
Die Spitz' in Honig, wie das Eisen rauchte,
Doch Amor mischte bei der Flamme Schein
Noch Galle drein.

Da kehrte Mars in goldner Rüstung Glanze
Aus einer Schlacht, und schwang die schwere Lanze,
Und sprach den kleinen Pfeilen, wie dem Sohn
Der Göttinn, Hohn.

Kupido rief: das Spötteln magst du sparen!
Beliebt dir's ihre Schwere zu erfahren?
Versuch einmal, den meine Hand dir reicht,
Er ist nicht leicht.

Mars nahm den Pfeil, als ob es Spielwerk wäre,
Und in ihr Fäustchen lachte da Kythere;
Doch jener schrie mit wildem Flammenblick:
Nimm ihn zurück!

Zu Boden zieht mich seine Schwere nieder.
Doch Amor? - Amor nahm den Pfeil nicht wieder.
Was sagte denn die schelmische Natur?
Behalt ihn nur!
(S. 179-180)



Gemälde der Kythere

Wer hat hier die blaue Flut
In den Rahmen eingeschlossen,
Und mit seines Pinsels Glut
Auf die Leinwand hingegossen?
Welcher hohe Künstlergeist
Bildet' auf dem wilden Meere
Dich, die jede Lippe preist,
Dich, o reizende Kythere?

Weder Kleid noch Schleier weh'n
Um der Glieder nackte Helle;
Was verboten ist zu seh'n,
Das allein nur deckt die Welle,
Und sie schwimmt, wie blendend Ried,
Auf des Meeres blauem Spiegel,
Tauchet in die Tief', und zieht
Durch bewegte Wasserhügel.

Und im Wonneschaum der Lust
Seht ihr eine von den Wellen
Zwischen ihrer Rosenbrust
Und dem Marmorhals zerschellen;
Doch die Göttinn, glänzend mild
Strahlt sie aus dem feuchten Hause,
Wie der Lilie leuchtend Bild
Zwischen einem Veilchenstrauße.

Schalkhaft lachend, blond vom Haar,
Schifft auf tanzenden Delphinen
Dort ein Amorettenpaar,
Um der Schwimmerinn zu dienen.
Krummer Fische rege Brut
Ueberwirft sich in dem Meere,
Und hinaus auf stolzer Flut
Schwebt die lächelnde Kythere.
(S. 181-182)



Amor im Becher

Von Rose zu Rose,
Von Zweig zu Zweig,
Flog Amor der Lose,
Der Biene gleich.

Da kam ich gegangen,
Und hatt' ihn gewandt
Am Fittig gefangen
Mit leiser Hand.

Ich wollt' ihn zwingen,
Taucht' ihn in Wein,
Hub an zu singen,
Und trank ihn hinein.

Nun zwickt er drinnen
Mich schwirrend in's Herz.
Was soll ich beginnen?
O quälender Schmerz!
(S. 183)



Der Tod des Adonis

Die holde Kypris kam gegangen,
Und sah im Hain, entseelt und kalt,
Mit blut'gem Haar und blassen Wangen,
Des Lieblings herrliche Gestalt.

Adonis! seufzte die Betrübte,
Wer wagt' es dich zu tödten, wer?
Bringt ihn, der solche That verübte,
Bringt den verdammten Eber her!

Und alle Liebesgötter flogen
Wie Sommervögel durch den Wald,
Und spürten schnell ihn aus, und zogen
Ihn vor aus seinem Hinterhalt.

Der eine stach den borst'gen Rücken
Mit Pfeilen, wenn er wollte fliehn,
Und andr' umlegten ihn mit Stricken,
Um ihn bequemer fortzuziehn.

Das schuldbewußte Thier hingegen,
Aus Furcht vor dem verdienten Lohn,
Schlich ganz betreten und verlegen
Zu Aphroditens Rosenthron.

Ist deine That nicht zum Entsetzen?
Rief sie, den Göttern sey's geklagt!
Wie? meinen Liebling zu verletzen,
Hast, Ungeheuer! du gewagt?

Der Eber sprach: Bei deinen Wangen,
Bei deines Lieblings Lockenzier,
Bei jener Schaar, die mich gefangen,
Bei diesen Fesseln schwör' ich dir!

O du, der Sterblichen Ergötzen!
Mit Vorsatz dacht' ich nie daran,
Dir deinen Liebling zu verletzen:
Mich leitete nur blinder Wahn.

Denn als, umweht von Abendlüften,
Adonis dort im Schatten lag,
Da rührte mich der Glanz der Hüften,
So blendend wie der junge Tag.

Es trieb mich eine Wuth zum Küssen,
Ich glaubt' ein Götterbild zu sehn,
Und hab' ihn so verwunden müssen:
Nicht länger konnt' ich widerstehn.

O trockne diese Wehmuthsthräne,
Die sich im schönen Auge regt!
Zerbrich zur Strafe mir die Zähne,
Von Liebeswuth und Mord bewegt!

Und wenn das noch zu wenig wäre:
So nimm, ich hab' es ja verdient,
Nimm auch die Lippen mir, Kythere,
Weil sie zu sprechen sich erkühnt!

Zu sanftem Mitleid aber wandte
Sich jetzt der Göttinn zorn'ger Blick,
Löst, Kinder, rief sie, seine Bande,
Und gebt die Freiheit ihm zurück!

Doch seiner Fesseln kaum entbunden,
Folgt er der göttlichen Gestalt,
Von ihrer Schönheit Macht umwunden,
Verlangt er nicht mehr in den Wald.

Ihm war Kythere nun zu theuer,
Er fühlte sich an sie gebannt,
Und hatte schon am nächsten Feuer
Die plumpen Hauer selbst verbrannt.
(S. 184-186)



Anakreon

Nicht fern von einem Myrthenbaume
Sah mich Anakreon im Traume,
Und rief mich hin;
Ich ging dem Sänger froh entgegen,
Und unter schnellen Herzensschlägen
Umarmt' ich ihn.

Er war ein Greis, doch müßt ihr wissen,
Ein schöner Greis, gemacht zum Küssen,
Und zärtlich noch.
Man merkte wohl, daß von der Nippe
Des Weines ihm die heitre Lippe
Wie Nektar roch.

Und daß er etwas wankte, spürte
Man freilich auch; doch Amor führte
Ihn bei der Hand.
So reicht' er mir mit Wohlbehagen
Den duft'gen Kranz, den er getragen,
Als Liebespfand.

Ich nahm den Kranz, ein wenig eitel,
Und drückte mir ihn auf die Scheitel
Mit freud'ger Hast.
Thor, der ich war! - Seit jenem Tage
Läßt Liebe mir, zu meiner Plage,
Nicht Ruh' noch Rast.
(S. 188)
_____


Aus: W. Gerhard's Gedichte Erster Band
Leipzig Verlag von Joh. Ambr. Barth 1826

 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Gerhard



 

 


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