Ernst Goll (1887-1912) - Liebesgedichte



Ernst Goll
(1887-1912)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Märchen

Wann strahlst du wieder hell in Freude,
Mein Aug, von Tränenspur getrübt;
Mein armes Herz, voll Weh und Leide,
Wann endlich hast du ausgeliebt?

Will fort in ungekannte Fernen,
Durch Wüstensand und ew'gen Schnee;
Will dort die Lieb' vergessen lernen,
Die Heimat und das Heimatweh. - -

Zur Fahrt bereit - auf schwanken Kähnen
Stößt man vom Heimatstrande ab:
Leb wohl, du Land voll Leid und Tränen,
Du meiner Wünsche weites Grab!

Fahr zu, mein Schiff! Durch blaue Fluten
Führ mich in Lande, fremd und weit:
So flieh ich, Liebe, deinen Gluten,
So flieh ich, Liebe, deinem Leid! - -

Wer bist du, fernab dem Gedränge,
Die dort am Bord des Schiffes sinnt;
Ward denn auch dir dein Heim zu enge,
Wer bist du, blondgelocktes Kind?

Du stehst und schweigst und legst die Arme
Mir an die angstgepreßte Brust,
Daß mich's durchfließt wie wonnig warme
Und tränenselig süße Lust.

Lehnst an mein Herz die heißen Wangen,
Daß es in flammend Weh erglüht;
Was hältst du, Holde, mich umfangen?
"Ich bin die Liebe, nimm mich mit!"
(S. 30-31)
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Frühling

Ein Maientag; im Sonnenlicht
Liegt Flur und Wald und Heide;
Aus Blütenschnee der Frühling flicht
Sein junges Brautgeschmeide.

Und was aus Waldesrauschen schallt,
Das singen flüsternde Wellen,
Und was die Lüfte sprechen, hallt
Aus jubelnden Vogelkehlen:

O Frühlingspracht, o Maienzeit,
Wie hebst du Herz und Sinne!
O Welt, so wundersam und weit,
O selige Maienminne! -

Nur was in reichem Blütenhang
Zwei junge Herzen klangen,
Als Liebchens Lippen heiß und lang
An meinem Mund gehangen,

Da sang kein Wort, kein Vogellied
In sonnenflimmernde Weiten,
Nur wenn der Lenz in die Lande zieht,
Ertönen verklungene Saiten: -

O Frühlingspracht, o Maienzeit,
Wie hebst du Herz und Sinne!
O Welt, so wundersam und weit,
O selige Maienminne!
(S. 32)
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Frühling

Der Frühling lag mit seinem Sonnenschein
Vor unsern Füßen - und in allen Zweigen,
Aus Millionen Blütenkelchen scholl's
Und regte sich's zum großen Jubelreigen.

Und ich wies nieder in die Maienpracht:
"Sieh', alles löst sich aus des Dunkels Banden; -
Wir Menschen zieh'n im Alltagsgleise fort,
Uns bleibt der Frühling ewig unverstanden!"

Als wolltest du an dich den Frühling zieh'n,
Sah ich dich sehnsuchtsheiß die Arme breiten
Und süß und leise durch den Vogelsang
Klang deiner Stimme heilig Glockenläuten:

"Erst wenn der Sonnenschein das Leuchten weckt,
Das schlummernd lag ins uns'res Herzens Tiefen,
Der Vogelsang die Saiten klingen macht,
Die unberührt im Grund der Seele schliefen;

Erst wenn die Winde all die Lieder wehn,
Die in uns jubelnd auf und nieder klingen,
Dann können wir die Wonnen ganz verstehn,
Die mit dem Frühling in die Weiten dringen."

Ich schwieg und sah dein Auge groß und heiß
Und leuchtend an dem Maientage hängen
Und fühlte deiner Seele Frühlingssturm
In Glück und Jubel dir zum Herzen drängen.

Da fühlt' ich's süß und heiß und wundersam
Wie Lerchenlieder durch die Seele hallen: -
Ein Widerschein von deinem Maienglück,
Ein Hauch von deines Frühlings Sonnenstrahlen!
(S. 33-34)
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Einem gestorbenen Traume

Der Dämm'rung Schleier sank zu Tal
Und brachte allen Müden
Ersehnten Schlaf nach Müh' und Qual
Und weltenfernen Frieden.

Und wie im dunkeln Mantelsaum
Die kalten Felder lagen,
Hab ich den toten Silbertraum
Ins stille Grab getragen.

Und weil so bleich sein Todesweh,
So silberrein sein Leben,
Hab ich mit weißem, kalten Schnee
Den toten Traum umgeben.

Mir war's so weh, mir war's so kalt
Und meine Hände brannten,
Als sich die weißen Flocken bald
Ums tote Träumen spannten.

Und alles Glück, durchsonnt und hell,
Und alles Herzenssehnen
Zerrann in einem Silberquell
Von heißen, heißen Tränen:

Mein süßer toter Silbertraum,
Bist nun in Qual zerbrochen,
Liegst still und starr im Flockenflaum,
Und hast so viel versprochen! - -

Die Nacht ist still und wunderrein,
Der Wind weht durch die Bäume,
Und zitternd spielt der Sternenschein
Ums Grab versunkner Träume. - -

Nun fliehe weit, mein wildes Weh,
Verweht, ihr törichten Sorgen,
Hab ja in Eis und Winterschnee
Mein heißes Herz gebogen!
(S. 35)
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Im Walde

Waldgeflüster - Tannenrauschen,
Grün, so weit das Auge reicht,
Blütenduften, Liederrauschen,
Sommervögel, zart und leicht!

All das lachende Getriebe
Strahlt verklärt aus deinem Blick,
Und die Welt ist lauter Liebe
Und die Welt ist lauter Glück!

Lerchenjubel, weit und wonnig,
Blütendüfte, warm und weich,
Liebchen, ist die Erde sonnig,
Liebchen, ist die Erde reich! - - -

Deine bleichen Händchen beben,
Dein geliebtes Auge weint -
Denkst daran, das uns das Leben
Heut zum letzten Mal vereint?

Liebchen, denke nicht an morgen,
Morgen kommt das Abschiedsweh,
Kommen schlimme Alltagssorgen,
Kommt des Alters Reif und Schnee!

Heute flammen uns're Herzen,
Heute lachen Mai und Glück,
Morgen denken wir mit Schmerzen
An vergang'ne Lust zurück.

Sieh, wie seine grünen Zweige
Rings der Wald zur Sonne hebt,
Unbekümmert, ob zur Neige
Bald die Strahlende entschwebt.

Wie er, lichtbetaut, vergessen,
Daß ihn bald die Nacht umfängt,
Die in Dunkel unermessen,
Seine grünen Kronen senkt.

Traute, unser Sein hinieden
Ist dem weiten Walde gleich,
Eine Stunde Sonnenfrieden
Macht ein ganzes Leben reich.

Blondes Lieb, gib mir die Hände:
Heil der Liebe, heil dem Mai!
Morgen ist der Traum zu Ende,
Morgen bricht das Glück entzwei.

Reich mir deiner Lippen Habe,
Strahl mit deiner Augen Schein,
Morgen sinkt die Welt zu Grabe,
Heute laß uns selig sein!
(S. 46-47)
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Im Dämmern

Den bleichen Tag durchzitterte die Sehnsucht
Und durch der Nächte dämmerstillen Schein
In Fieberträumen irrte mein Verlangen:
Nach einem Strahl aus deinem Augenlicht,
Der allem Ungestandnen Antwort gäbe . . .
Mein Sehnen heilte . . . Abendsonnenglut
Lag über fernen, waldumrauschten Gipfeln
Und hauchte rosenfarben milden Glanz
Um deiner Flechten weichen Silberschimmer.
Wir saßen lang im Dämmern, lang und still . . .
Vor uns ein Lied. Von Maientagen sang es
Und einem lichtumsonnten Maienglück.
Du beugtest tief dich in die weißen Seiten
Und lasest lange. - Unser Atem schwieg
In bangem Schauer, mein Hände bebten,
Mein Auge suchte lang und fieberheiß
In deinem Blick das Süße, Langersehnte.
Da sahst du auf . . .
Der warme Strahl aus deinem Kinderauge
Das Letzte, Höchste: Liebe sprach er nicht.
Er strahlte mild ein blasses Sternchen Mitleid
Mit meiner armen müdgequälten Brust
Und meiner großen hoffnungslosen Liebe . . .
- - Und doch! In jener dämmerstillen Stunde
Umfing mein Herz mit letzten Lebenskräften
Das Sternchen Mitleid, das dein Auge sprach,
Wie ein Ertrinkender im Todeskampfe
Den letzten Balken Lebenshoffnung faßt.
Und alles, was mein Herz aus jener Stunde
Umsonnter Weihe trug, ist Glut . . . ist Glut
Und wilde, heiße, namenlose Angst,
Der letzte Balken Rettung, Leben würde
Mir jäh entgleiten, jenes blasse, kleine,
Armseligkleine Sternchen Mitleid mir
Verwehn zu dunklem, sternenlosem Schweigen . . .

Und jenseits jener Qualen harrt im Dunkeln
Ein bitt'res Sterben . . . qualvoll . . . unbeweint.
(S. 48-49)
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Junge Liebe

Wir saßen in schweigendem Walde
In Maien und Sonnenschein,
In deinen Armen lachte
Dein junges Schwesterlein.

Die Kleine wußte Lieder
Und Märchen sonder Zahl,
Von Däumling und Schneewittchen,
Frau Holle und Rübezahl. - -

Du küßtest dem lieblichsten Mädchen
Die lachenden Lippen wund;
Nun bot im Scherze die Kleine
Auch mir den rosigen Mund.

Ich faßte das lockige Köpfchen
Und trank deiner Küsse Glut
Mit brennendem Durste vom Munde,
Darauf deine Lippen geruht. - -

Es war so plötzlich gekommen,
Wir wußten selber nicht wie -,
Was unsren jungen Herzen
So lodernde Flammen lieh.

Doch als der Kleinen Äuglein
Der milde Schlaf gegrüßt,
Haben wir enge umschlungen
Und lange uns selber geküßt.
(S. 51)
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Märchen

Sonnenlichtumflossen prangen
Ringsum Flur und Waldgezelt
Und wir schreiten, eng umfangen,
Mitten durch die Maienwelt.

Baum und grüne Büsche schütten
Blumenschnee auf uns zurück;
Grüßen mit viel tausend Blüten
Uns und unser junges Glück.

Hoch in lichtumfloss'nen Zweigen
Tönt ein süßes Vogellied,
Blum' und Blüten, alle neigen
Ihren Kelch und flüstern mit.

Uns're heißen Herzen lauschen,
Was so süß herniederschallt . . .
Und mit leisem Flügelrauschen
Weht ein Märchen durch den Wald . . .
(S. 54)
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Du bist die Heimat

Wenn ich in deine Auge sehe,
Wird alles rings so fromm und still,
Die Welt ertrinkt mit ihrem Wehe
In einem süßen Glücksgefühl.

In ihrem Grunde seh' ich strahlen,
Wonach ich nächtelang geirrt,
Gebangt in heißer Sehnsucht Qualen, -
Den Pfad, der zu der Heimat führt.

Du bist die Heimat! - Heimatfrieden
Und Heimatruh' und Heimatlust. -
Gib mir die Hände, press' den Müden,
Verwaisten an die Heimatbrust.

Wenn es in kalter, grauer Ferne
Kein Plätzchen Ruh' und Frieden kennt,
Ist's Sünde, daß das Herz sich gerne
Und tödlich nach der Heimat sehnt?
(S. 55)
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Abschied

Der Herbstwind bläht
Die Segel schwer,
Mein Schifflein fliegt
Ins wilde Meer.

Noch einmal sieht
Mein Blick zurück -
Nach all dem süßen
Verrauschten Glück.

Die Segel schwellen,
Die Welle flieht,
Und leise weint
Mein Abschiedslied:

Ade, du Häuschen
Am Waldessaum,
Ade, mein goldener
Maientraum!

Ihr Blumen im Walde,
Ihr Vöglein im Wind -
Ade auch, du blondes,
Liebliches Kind.

Ich hätte so gerne
Bei dir verweilt!
Vorüber, vorüber - - -!
Mein Schifflein eilt.

Schon hüllt ein Nebel
Die Heimatnäh' - -
Ade, meine Jugend,
Ade, ade . . .
(S. 57-58)
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Maientag

Das war ein sel'ger Maientag:
Die ersten Blumen blühten.
Wie uns von all dem Sonnenschein
Die jungen Herzen glühten! - -

Wir saßen unterm Fliederbaum
Und hielten uns die Hände
Und fanden rings im Lenzbereich
Der Herrlichkeit kein Ende.

Im Winde ließ der Fliederbaum
Die Blüten niederregnen,
Als wollt' er unser junges Glück
Mit Himmesschönheit segnen.

Mir war die junge Brust so voll
Von Dankbarkeit und Sehnen
Und über meine Wangen rann
Ein Meer von Freudentränen. - - -

Wo ist die sel'ge, sel'ge Zeit,
Das süße Kinderlieben? - -
Die Blüten hat der Wind verweht,
Die Tränen sind geblieben.
(S. 66)
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Nach Jahr und Tag

Mein Lieb, du hast vor Jahr und Tag
Mir Ruh' und Frieden genommen -
Was beutst du nun hinwiederum
Dein Händlein zum Willkommen?

Was blinkst du mit den Äuglein hell
Sehnsüchtiges Grüßen
Und formst und formst dein Mündlein rot,
Den trüben Gast zu küssen? -

Dein Händlein ist wie Eis so kalt -
Dein Händlein mag ich nicht halten,
Hast ja damit vor Jahr und Tag
Mein Herz entzwei gespalten.

Dein' Äuglein sind wie Meer so tief -
Dein' Äuglein mag ich nicht sehen,
Mußt' ja darin vor Jahr und Tag
Mein Herze untergehen.

Dein Mündlein ist wie Glut so heiß -
Dein Mündlein mag ich nicht küssen,
Hat ja daran vor Jahr und Tag
Mein Herz verbrennen müssen.
(S. 67)
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Junger Frühling

Hoiho! Der junge Frühling liegt
Auf Au und grünen Bäumen -
Mein Rößlein, flugs durchs graue Tor,
Laß uns nicht länger säumen!

Den bösen Traum laß ich zuhaus
Und meine müde Seele,
Das junge Herze nehm ich mit,
Daß ich des Wegs nicht fehle.

Wie wohl der helle Morgen tut
Auf all das dumpfe Sehnen! -
Ringsum die weite Frühlingswelt
Muß meiner Jugend frönen:

Das erste Vöglein, so ich schau,
Muß mir ein Liedlein singen,
Das erste Blümlein muß dazu
Die Glockenkelche schwingen.

Das erste Beerlein, so ich pflück,
Muß all mein Blut versüßen,
Und's erste Mägdlein auf mein' Weg
Muß mir die Lippen küssen!
(S. 68)
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Die Eine

Manch Mädel hab ich lieb gehabt
In meinen Brausetagen -
Wie viele, kann ich wahrlich nicht
Auch nur beiläufig sagen.

Die meisten waren braun und schwarz
Und zum Verwechseln ähnlich,
Wie man sie alle Tage sieht,
Mit einem Wort: gewöhnlich. - -

Nur ein Gesicht von allen war
Aus anderm Stoff bereitet,
Darauf lag die Barmherzigkeit
Der ganzen Welt gebreitet.

Das war so lieb, da war so schön
Mit seinen blonden Haaren,
Die wie ein lichter Glorienschein
Darum geflochten waren.

Von allen, die ich lieb gehabt
In meinen Brausetagen,
Hab ich am meisten die geliebt,
Die dies Gesicht getragen.

Mein Alles gab ich für sie hin,
Mein Glück und meinen Frieden -
Sie war ja auch so grenzenlos
Von andern unterschieden:

Die andern kränzten, schwarz und braun,
Mit Blumen meine Pfade . . .
Nur die mit dem Madonnenhaar
War kalt und ohne Gnade. -
(S. 69-70)
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Ich sah

Ich sah ein Blümlein sich neigen
Zur lieben Gefährtin im Klee,
Ich sah zwei Vöglein kosen
In sonnendurchfluteter Höh.

Ich sah zwei Menschen sich küssen
Im Kahn auf schwankender See; - -
Nun will mir die törichte Seele
Zerbrechen vor Sehnsucht und Weh . . .
(S. 72)
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Mein Liebling

Mein Liebling, die ersten Veilchen
Erwachen am Wiesenrain,
Und über Wäldern und Gärten
Liegt goldener Sonnenschein.

Mein Liebling, das Schicksal hat es
So gut mit uns beiden gemeint,
Da es in Frieden wieder
Unsere Hände vereint.

Mein Liebling, du siehst so stille,
So müd und ernst darein,
Ach, ich kann selber nimmer
Von Herzen fröhlich sein.

Mein Liebling, wir haben beide
Zu viele Nächte geweint,
Nun lernen wir nimmer verstehn,
Daß wieder die Sonne scheint.
(S. 75)
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Abend
(Erste Fassung)

Nun losch mit einem Male
Der rosenrote Hauch;
Die Menschen schlafen alle,
Die Blumen auch.

Die Glocken läuten im Traume
Selige Abendruh,
Das Vöglein fliegt vom Baume
Dem Neste zu.

Ins Dunkel - ach so klein
Entschwindet es dem Blick.
Nun sind wir ganz allein
Mit unserm Glück.
(S. 76)
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Ahnst du?

Wenn ich wilder dich umfange,
Wenn mein Mund dich heißer küßt,
Ahnst du, daß mir Herz und Seele
Namenlose Angst umschließt?

Angst vor jener dunklen Stunde,
Die auf Flügeln näher eilt
Und mit fühllos kalten Händen
Mein' und deine Wege teilt: -

Wenn dein Haupt dann tränenlächelnd
Sich an meine Schulter schmiegt,
Ahnst du, daß in diesem Frieden
Schon ein Hauch von Wehmut liegt?

Schon ein Hauch von Glückentsagen,
Schon ein Ahnen jener Zeit,
Da wir mutlos, trostlos irren
In der großen Dunkelheit?
(S. 81)
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Schlummerlied

Nun sinkt die Nacht hernieder
Mit Mond und Sternenschein -
O schließ die müden Augen
Und schlafe, schlafe ein!

Ich will meine Liebe bitten,
Sie würde ein Engel sacht
Und käme zu dir in stiller,
Sternenfunkelnder Nacht.

Sie hüllte dich tief in ihren
Heiligen Mantel ein -
Das wird ein traumverklärtes
Seliges Schlafen sein.
(S. 82)
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Ich habe einen bunten Tag gesehn

Ich habe eine bunten Tag gesehn:
Mit Fahnenwimpeln, frohen Blumenkränzen,
Mit schlanken Frauen, stolz und maienschön,
Mit Lichterglanz und leichtbeschwingten Tänzen. -
Doch ach! In all dem rauschendem Getriebe
Vermißte ich dein süßes Angesicht,
Und in das Lärmen, tausendfach verworren,
Klang deine holde Kinderstimme nicht -

Ich habe einen bunten Tag verloren.
(S. 84)
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Kostbares Küssen

Lehn deinen Kopf zurück:
Meine Lippen suchen die deinen.
Nun ruht mein Mund auf dir,
Bebend, kostbar leise,
Einen pochenden Herzschlag lang.

Launen? Kindertorheit?
Ein scherzend Spiel
Nach heißeren Küssen?
Oder ahnen wir beide
In tiefster Seele
Daß schon die Scheidestunde
Unser harrt,
Mit leeren Augen
Und fühlbar nah.
Worte fassen es nicht . . .
Wir sagen es uns
In diesem einen
Kaum geküssten
Unendlich kostbaren Kusse.
(S. 85)
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Abschied

Der schöne Sommer geht zu Ende,
Die Blütenbäume stehn entlaubt,
O, leg noch einmal deine Hände
Zum Segen auf mein müdes Haupt!

Die Sehnsucht meiner besten Tage
Erfüllte sich: Du wurdest mein. -
Der laute Jubel wird zur Klage,
Denn was noch kommt, muß trübe sein.

Der schöne Sommer geht zu Ende,
Die Blütenbäume stehn entlaubt,
O, leg noch einmal deine Hände
Zum Segen auf das müde Haupt!
(S. 86)
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Hochzeitslied

Sei das Bündnis eurer Hände
Ewig jung und ewig reich,
O, so baut ein Haus behende,
Um den stillen Glückbereich.

Wollt ihr euer Glück von Dauer,
Wetterfest im Sturmgebraus,
O, so bauet eine Mauer
Rings um jenes weiße Haus.

Riegelfestes Tor bewache
Euer Leben, euer Gut,
Und den heil'gen Herd entfache
Eurer Herzen eig'ne Glut.

Bauet einen Raum für Gäste,
Gläserklingen, Licht und Wein
Und vergesset nicht das Beste:
Einen Raum zum Stillesein.

Einen Raum zum Händereichen,
Wenn des Tages Not verweht
Und ein Frieden ohnegleichen
Durch die tiefste Seele geht.

Von des Daches Giebel schaue
Einer Fahne lustig Band
Weithin in das Himmelsblaue,
Weithin in das grüne Land.

Aber auf der Fahne Seide,
Flatternd überm Giebelknauf,
Aller Welt zu Trotz und Neide,
Schreibet kühn die Worte auf:

Seht, wir haben nie ermessen,
Daß die Welt so trübe ist,
Denn wir konnten nie vergessen,
Daß die Welt voll Liebe ist.
(S. 87-88)
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Weil Glück und Trost des Seins
Einfalt und Stille sind,
So wünsch' ich nur noch eins:
Zu werden wie ein Kind.
Und würd' ich es am Ende
Nach all dem müden Streit,
So geb ich dir die Hände
Für Zeit und Ewigkeit . . .
(S. 89)
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Faßt du das Wunder

Faßt du das Wunder?
Ich faß es nicht -:
Wir lachten und litten
Und kannten uns nicht.

Wir suchten und ahnten
Und sahen uns kaum,
Da wuchs in uns beiden
Ein Blütentraum.

Wir stellten uns trotzig
Und blieben uns fern,
Da losch zu unseren
Häupten ein Stern.

Nun ruht mir am Herzen
Dein liebes Gesicht. -
Faßt du das Wunder? -
Ich faß es nicht.
(S. 90)
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Glück

So ist dein Haupt mir an die Brust gesunken,
Ich streichle deine braunen Mädchenlocken -
Es neigt der Tag, von Licht und Farbe trunken,
Sein stilles Angesicht den Abendglocken.

Wir stehn bewegt und sagen uns verstohlen
Von Glück auf fernen, fernen Lebenswegen,
Das wir dereinst mit heißem Herzen holen,
Um es als Kranz auf unser Haupt zu legen.

Indessen steht im Dämmerlicht der Eichen
Das Glück so nah mit den Erfüllerhänden
Und segnet uns, die wir nach fernen Reichen
Die weißen Kähne unsrer Sehnsucht senden.
(S. 91)
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Scherzo

Heut, Liebste, um die Abendkühle
Komm ich zu dir, drei Treppen hoch.
Halt dich bereit, wir spielen Mühle,
Nicht wahr, du freust dich doch?

Mit meinen blanken, weißen Steinen
Sperr ich dich, Widerspenst'ge, ein,
Da hilft kein Wehren, hilft kein Weinen,
Wirst bald gefangen sein.

Noch diesen Zug - und nun das Ende:
Du kannst nicht vor und nicht zurück -
Ich aber breite meine Hände
Um das besiegte Glück.
(S. 92)
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Geburtstagslied

Im Lichterspiel der Frühlingstage
Komm ich zu dir, Geburtstagskind. -
Verzeih, wenn ich kein Sprüchlein sage,
Weil Worte so armselig sind.

Verzeih, wenn ich nicht Gaben bringe
Von Edelstein und Golde licht!
Rubine und Demantenringe
Sind arm vor deinem Angesicht.

Kann ich dir so nicht Holdes spenden,
Schau gnadenselig niederwärts:
Denn, siehe, in den blassen Händen
Halt ich mein zuckend Knabenherz.
(S. 93)
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Mit meinem Bilde

Die Menschen sagen: "Jäh zerbricht ein Glück."
Vielleicht ist morgen schon die Zeit erfüllt
Und meine Seele kehrt zum All zurück.
Ich weiß es nicht. Du aber hast mein Bild.

Ich bin daheim auf kurze Ferienzeit.
Mein Herz ist heiß, mein Auge jugendklar.
Fast dünkt es mich, im blauen Feierkleid
Ist noch ein leiser Duft von deinem Haar . . .

Den lieben langen Tag träum ich von dir,
Die mich zu neuen Seligkeiten rief.
Du bist so fern. Doch dicht am Herzen mir
Verbleicht dein letzter, langer Liebesbrief . . .

Die Menschen sagen: "Jäh zerbricht ein Glück."
Vielleicht ist morgen schon die Zeit erfüllt
Und meine Seele kehrt zum All zurück.
Ich weiß es nicht. Du aber hast mein Bild.
(S. 94)
_____



Ich hab mein Herz in deine Hand gelegt

Ich hab mein Herz in deine Hand gelegt,
Nun ist ihm gut -
Horch, wie es ruhvoll und beseligt schlägt
In deiner Hut.

Vielleicht ermattet sein gelinder Schlag,
Von Glück betört,
Dann hat es noch den letzten Lebenstag
Dir angehört.
(S. 96)
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Jubel

Ihr kosenden Düfte, du goldener Tag,
Durchzittert die Lüfte von Lerchenschlag,
Wir lehnen im Walde beseligt zu zweit,
Tief unten die Halde steht blütenbeschneit.

Ich beuge mich nieder zum seligsten Mund
Und küsse ihn wieder und küsse ihn wund.
Aufleuchtet in Wonne dein süßes Gesicht,
Und alles ist Sonne, und alles ist Licht.
(S. 97)
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O, gib mir nicht den Mund!

O, gib mir nicht den Mund!
Heiß mich noch irren in der Dunkelheit,
Das Herz zerrissen und die Füße wund,
Laß mich noch hungern nach der Seligkeit!
Drück' mir aufs wirre Haar die Dornenkrone -
Und dann, in tausendmal erbangter Stund,
Nach all der Not zu unerhörtem Lohne,
Gib mir den Mund!
(S. 98)
_____



Abend

Sieh, nun ist es abendstill,
Dämmerung liegt auf den Wegen -
Komm! An deine Schulter will
Ich mein Haupt zur Ruhe legen.

Einer fernen Glocke Sang
Stirbt im ruhenden Gelände -
Vor der größten Stille bang
Suchst du meine blassen Hände.

Sei getrost: Ein Heil'genschein
Krönt dir deine Mädchenhaare,
Und in tiefster Seele rein
Fühl ich nur das Wunderbare:

Irgendwo versinkt ein Leid
In die andachtvolle Stille,
Irgendwo liegt weißverschneit
Erdenwunsch und Erdenwille.

Jene ferne Glocke läutet
Allem Weh zu tiefer Ruh,
Und die ganze Welt bedeutet
Nur mehr eines: ich und du . . .
(S. 99)
_____



Adorata

Du bist so schön - ein erdenferner Gast,
Von unsrer Sehnsucht heißem Lied gerufen.
Ich sitze nah bei dir - doch dünkt mich fast,
Als kniete ich vor deines Thrones Stufen.

Du trägst der braunen Haare schlichten Kranz,
Wie Königinnen ihre Krone tragen.
In deinen Augen ist ein ferner Glanz
Und deine Seele hör' ich leise sagen:

"Kommt alle, die ihr mühbeladen seid,
Ich will die Last von eurer Schulter lösen.
Der Staub der Erde rührte nie mein Kleid
Und alle Wunden mache ich genesen.

Ihr kommt zu mir - und wisset selbst nicht wie:
Ihr müßt in Andacht eure Stirne neigen.
Vor meiner Reinheit beugt ihr stumm das Knie,
Und aller Weltlust irre Wünsche schweigen.

Nur einen weiß ich, dessen Seele brennt
In unruhvollem Sich-nach-mir-Verlangen.
Erfüllt von Sehnsucht, die mein Herz nicht kennt,
Will seine Jugend meinen Leib umfangen.

Ich möchte helfen - und versteh' es nicht,
Ich weiß ja nichts von Sehnsucht und Entsagen.
In meiner Seele brennt allein das Licht
Von meiner Himmelssendung Erdentagen.

Er ist mir lieb - doch meiner Wege Glanz
Steht hoch ob diesem angstzerquälten Leben.
Mitleid und Weh füllt meine Seele ganz
Und kann doch ihm nicht Trost und Frieden geben.

O, könnt' ich meine nie entweihte Hand
Erlösend, kühlend auf die Brust ihm legen,
Und dieses Herz, das nimmer Ruhe fand,
Verebbte still und ginge Gott entgegen."
(S. 105-106)
_____



Ein Lied

Der Tag war hell und glanzumloht
Und auf der grünen Heide
Erblühten Blümlein rosenrot -
Da wußten wir es beide.

Dann kühlte Tau den Wiesengrund,
Der Abend sank hernieder -
Da gabst du mir den roten Mund
Und gabst ihn immer wieder.

Das Abendrot verging so schnell,
Die Nacht kam still gegangen -
Da brannte meine Sehnsucht hell
Und wollte dich umfangen.
(S. 107)
_____



Zwei Lichtlein

Es sieht von deinem Fenster
Ein Lichtlein in die Nacht,
Es hat in meinem Herzen
Ein zweites Licht entfacht.

Ich muß es immer denken
Und denk es doch nicht aus:
Fänd' doch dies eigne Lichtlein
Zum Licht in deinem Haus!

Das gäbe dann ein Leuchten
Und Strahlen Nacht und Tag. -
Zwei Lichtlein brennen heller,
Als eines brennen mag.
(S. 110)
_____



Zu meinem Bilde

Das ist der Mund, der deine Lippen küßte
Und deine Hände, deine Brust, dein Haar;
Das ist das Auge, das dich leuchtend grüßte
Und ganz von deiner Schönheit trunken war.

Mir pocht das Herz, vorm Neid der Götter bange,
In all dem Glücke, das sich so erfüllt.
O, halt mich fest! Wer weiß, wer weiß wie lange -
Und deine Tränen rinnen auf das Bild.
(S. 115)
_____



Fragen

Kam ich zu dir? Kamst du zu mir?
Gingen wir uns entgegen?
Gabst du dich mir? Gab ich mich dir?
Ward uns ein himmlischer Segen?

Birgt es noch Freude oder schon Leid?
Ist es noch Tag und Stunde
Oder traumtiefe Ewigkeit:
Hangen an deinem Munde?

Ist es seliges Morgenrot
Oder abendliches Weben?
Ist es ein Ahnen vom frühen Tod
Oder doppeltes Leben?
(S. 117)
_____



Kind, in deine lieben Hände

Kind, in deine lieben Hände
Will ich meine Sehnsucht legen,
Daß ihr Traum Erfüllung fände
Nach den hundert irren Wegen.

Über mein verspieltes Leben
Will sich Abendröte breiten,
Gib ihm, eh die Schatten weben,
Deine tiefsten Seligkeiten!
(S. 122)
_____



Trotzige Liebe

Herr, unser Glück fliegt himmelan,
Seit wir in Liebe verbunden;
Was Menschenwille uns angetan,
Ist lange überwunden.

Gib uns nun Stürme himmelher
Und hundert Flammenhiebe - -
Wir jauchzen in das Wolkenmeer
Das Trutzlied unserer Liebe.
(S. 125)
_____



Zwischen heut und morgen

Zwischen heut und morgen
Liegt eine lange Nacht -
Vielleicht vor Angst und Sorgen
Ruhlos durchwacht.

Zwischen heut und morgen
Möcht' ich bei dir sein - - -
Wir ließen Angst und Sorgen
Vergessen sein.
(S. 126)
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Verlöbnis

Weil unsre Herzen längst die Liebe band,
Leg' ich heut meine Hand in deine Hand

Für dieses Leben, das uns heiter fließt,
Und für das andre, das noch Nacht umschließt.

All, was noch kommen mag, ist mein und dein
Und kann nie ganz voll Weh und Irrtum sein.
(S. 127)
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Glück

Nun neige ich das Knabenhaupt:
So hast du meinem Leben,
Das nimmer an ein Ziel geglaubt,
Das große Glück gegeben.

Mir bangt vor nichts, was kommen will,
All meines Herzens wilde,
Verirrte Wünsche werden still
Und knien vor deinem Bilde.
(S. 128)
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Letzter Weg

Nun gib mir deine liebe Hand,
Wir gehen in ein schön'res Land.

Wir gehen fern, wir gehen weit
Von Menschenhaß und Menschenneid.

Sie wollten nicht, daß wir uns frei'n,
Nun wird der Tod barmherzig sein.
(S. 129)
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Am Jahrestag

Wie liegt, was eh'dem weh und traurig war,
So tief versenkt:
Nun hast du mir ein ganzes Lebensjahr
Voll Glück geschenkt.

Vom ersten Küsse, den dein Mund gegeben,
Halb unbewußt,
Bis zu dem letzten seligen Erdbeben
An meiner Brust.

Des Lebens Becher hast du vollgeschenkt
Mit Seligkeit
Und mit der Freude wundersam vermengt
Ein bißchen Leid.

Doch auch aus leiddurchwachten Nächten quillt
Dir Dank zurück,
Wär' nicht die Angst, die Sehnsucht ungestillt,
Was wär' das Glück?
(S. 130)
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Mädchenlied

Ich war dereinst in ferner Zeit
Eine frierende Maienblüte,
Die stand in Waldeseinsamkeit,
Verhungert nach Sonnengüte.

Nun bin ich ein stilles Menschenkind
Im rauschenden Weltgetriebe,
Das breitet die Arme dem Abendwind
Und bettelt um deine Liebe.
(S. 132)
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Pierrot-Lied

Und wäre das Glück wie die Wolken so weit,
Ich will es suchen im Narrenkleid.

Und wäre es ferne wie Firnenglanz,
Ich will es holen aus Spiel und Tanz.

Ich weiß - es wartet im Lichtersaal
Und trägt der Sehnsucht brennendes Mal.

In Kolombinens verträumtem Blick
Ein heimliches Leuchten - das ist das Glück,

Nach dem meine klagende Seele rief,
Ich sink' in die Knie und neige mich tief.

Zwei bebende Hände: "Du Liebster du!"
All meine Schellen klingeln dazu.

Aufspringe ich jubelnd und trage das Glück
In meine wartenden Nächte zurück.

Ich trage es zitternd, mit heiliger Hand,
Wie eine Krone aus Märchenland . . .
(S. 134)
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Heimweg

Die Sonne schied - ein letztes Leuchten blieb
Noch hängen in den herbstgoldroten Zweigen.
Ein dunkler Knabe führt sein blondes Lieb
Den Waldpfad heim. Die jungen Lippen schweigen.

Doch wo der Weg in Vorstadtgärten mündet,
Reicht er dem Mädchen seine kühle Hand
Und fühlt erschreckend, wie die Liebe schwindet,
Die ihre Seelen aneinanderband.
(S. 136)
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Einmal

Haben uns im Grund der Seele lieb,
Gehn doch jeder seinen Weg allein.
Aber eine linde Hoffnung blieb:
Einmal werden wir beisammen sein.

Einmal geben wir uns stumm die Hand,
Gehen in die dunkle Nacht hinaus - - -
Wenn der Morgen webt sein Rosenband,
Ruhn wir eng in einem stillen Haus.
(S. 141)
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Meine Sehnsucht . . .

Meine Sehnsucht ist ein dunkles Boot,
Löst vom Strande sich im Abendrot.

Deine Sehnsucht ist ein weißer Schwan,
Mondenschimmer ruht auf seiner Bahn.

Einmal finden auf der blauen Flut
Sich die beiden. Dann ist alles gut . . .
(S. 145)
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Sehnsucht

Ich sende dir Blumen vom Heimatwald,
Betaut mit heimlichen Tränen,
Die sagen dir leise: Ach, komme bald,
Ich warte deiner in Sehnen.

Ich warte deiner bei Nacht und Tag,
Bis alle Wünsche verblassen
Und noch im letzten Herzensschlag
Dein liebes Bild umfassen.
(S. 146)
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Sturmlied

Ich hab dem Sturm mein stolzes Herz gegeben,
Daß er's auf seinen weiten Schwingen trage,
Hoch über dieses engbegrenzte Leben
Und immerfort bis an das Ziel der Tage.

Doch rauschte er vorbei an deinem Garten,
Er müßt' es nieder, dir zu Füßen legen,
Die du mir Sonne warst auf meinen Fahrten
Und Himmelsflucht und letzter Erdensegen . . .
(S. 147)
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Ein Zwiegespräch

Was  bliebst du fern von Spiel und Tanz,
Daß ich alleine war? -
Ich habe einen Blumenkranz
Geflochten für dein Haar.

So sahst du nicht der Lichter Glanz,
Die frohgestimmte Schar? -
Ich habe einen Blumenkranz
Geflochten für dein Haar.

Nun führte Friedel mich zum Tanz
Und küßte mich sogar! -
Ich habe einen Blumenkranz
Geflochten für dein Haar.
(S. 153)
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Dein Bild

Wie bist du schön! Von deinen Gliedern fließt
In reinem Faltenspiel das blaue Kleid,
Das fern dich stimmt und herb und weltentrückt.
Den braunen Scheitel küßt ein Sonnenstrahl
Zu Glorienschein. Zwei blonde Knaben schmiegen
Sich eng an dich . . .
Du lächelst fremd. Und deine Augen sagen,
Was deinen Lippen immer sich verschloß:
Ich bin verirrt auf dieser weiten Erde.
Von einer fernen Heimat muß ich träumen,
Nach jenen kühlen blauen Bergen seh'n
Und einer Sehnsucht weiße Flügel breiten.

Tönt dir ein Lied aus jener sel'gen Höhe,
Daß du so lauschend stehst? Zwei Knaben schmiegen
Sich eng an dich, als wollten sie dich halten . . .
(S. 154)
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Ein Brief

Mein liebes Kind! Die Schwalben ziehen fort,
Die letzten Rosen sind nun auch verdorrt.

Der große Garten schien noch nie so leer,
Es blühen nur die blassen Astern mehr.

Und meine Sehnsucht brennt so lichterloh,
Ich weiß es nun, ich werde nicht mehr froh,

Bis ich dir wieder in die Augen seh'. -
Verbrenne diesen Brief! Er ist so weh . . .
(S. 155)
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In ein Stammbuch

Und einen Sommer, der voll Schönheit ist,
Seh' ich dich jeden Tag. In engen Gassen,
Auf stillen Wegen hab ich dich gegrüßt.
In deinem lieben Mädchenzimmer saßen
Wir bald vertraut und redeten und lachten.
In mondverklärten Sommernächten brachten
Wir's "Rehlein" heim. - Ich durfte noch mit dir
Bis zu dem "Gute Nacht!" vor deiner Tür.
Dreimal auch hört' ich deine Stimme singen,
Sie ist so schön. Sie nimmt das eig'ne Leid,
Hebt es empor auf ihre dunklen Schwingen
Und trägt es lächelnd über Raum und Zeit.

Gold liegt auf diesen blauen Sommertagen
Und auf den Nächten, die wir sehnend lagen,
Liegt eines Traumes Traum - o, viel zu schön,
Erfüllt zu sein.

Nun färbt der Herbst die Zweige
Mit Gold und hellem Rot. Und ich muß geh'n,
Wie dieser reiche Sommer ging zur Neige.
Vielleicht seh' ich dich wieder auf der Bahn,
Die Leben heißt, da wir uns lang verloren.
Wir sehen uns mit wehen Augen an
Und stehen wieder vor den gold'nen Toren;
Die alten Lieder, die uns längst verklangen,
Die alten Lieder werden wieder neu,
Die Wege leuchten, die wir einst gegangen,

Und wieder geht das Glück - an uns vorbei.
(S. 156)
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Herbstliche Fülle

Der Tag ist müde worden vom Verschwenden,
Er schlief mit roten Kinderwangen ein,
Not ruht auf meinen sonnverbrannten Händen
Und meine Seele gärt wie junger Wein.

Ich will die Kleider von den Gliedern streifen,
Nackt über die beschwerten Hänge geh'n
Und nach der dunkelsten der Trauben greifen,
Die aus dem Gold- und roten Laube seh'n.

Dann bin ich eins mit jener Hügelweite,
Die tiefste Blüte aus dem Erntekranz
Und bete, daß dein Fuß sie überschreite
In einer Nacht voll Duft und Mondenglanz.
(S. 157)
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Traurige Liebe

I.
Unser Haupt umschließt ein Kranz von Leide,
Wissen nicht, wo wir am Abend schlafen,
Ob in eines warmen Glückes Hafen
Oder einsam auf der Sehnsucht Heide.

Eine Stunde, die wir mühvoll retten,
Darf ich furchtsam deine Hände halten
Und in deines lichten Kleides Falten
Meine blasse Knabenstirne betten.

Ach, wie kurz ist diese linde Ruh!
Denn die Seele wird uns schwer von Klagen,
Wenn wir ohne Hoffnung "morgen" sagen
Und die Tränen rinnen immerzu.


II.
Schließe, schließe die Augen zu!
Gab uns ein Engel die linde Ruh.
Gab uns ein Engel das Angebind,
Daß wir wieder beisammen sind.

Engel, der uns das Glücke gebracht,
Sag es Gott noch in dieser Nacht:
Ihre Liebe war Kampf und Leid,
Laß sie ruhen in Ewigkeit!
(S. 161)
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Zwei Vöglein

Zwei Vöglein hatten sich lieb einmal,
Sie fanden kein Nest im Heimattal.

Zwei Vöglein wollten in süßeres Land,
Sie flogen und flogen unverwandt.

Zwei Vöglein wurden die Flügel schwer,
Ertranken beide im wilden Meer.
(S. 162)
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Die Liebenden

Sie sahen ein Licht von ferne
Und gingen nach ihm aus.
Waren es einsame Sterne
Oder ein funkelndes Haus?

Sie schritten mit heiligem Mute
Durch Sturm und Regen und Schnee -
Auf ihren Stirnen ruhte
Die Krone von Sehnsucht und Weh.

Nun schlafen sie bei den Toten,
Wegmüde und Hand in Hand; - -
Sie waren der Schönheit Boten
Im bitteren Menschenland.
(S. 165)
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Mädchengebet

Schütz mir den Liebsten vor Angst und Leid,
Wehr ihm Sorgen und Wehe,
Aber schließ ihm die Augen beid',
Daß er kein' andere sehe.

Nur in mein eigenes Augenpaar
Laß ihn blicken und schauen,
Wie ich ihn liebe immerdar
Vor allen anderen Frauen.
(S. 168)
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Rätsel

Blüht ein Blümlein auf der Halde
Ewig ungepflückt,
Liegt ein Schatz im Märchenwalde,
Jedem Aug' entrückt;
Wohnt ein Glück in tiefen Schächten
Wunderbar und heiß,
Davon nur in langen Nächten
Unsre Sehnsucht weiß.
(S. 186)
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Von Liebe und Seligkeit schwer
Verlaß ich dein stilles Haus -
Alle Laternen umher
Löschen die Lichter aus.

Immer wieder zu dir
Geh'n alle Wünsche zurück -
Es ist ein Licht in mir,
Das mag nicht verlöschen vor Glück . . .
(S. 189)
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Der erste Gruß im Morgenschweigen
Ist: Könnt' ich doch zu dir!
Der letzte Traum im Abendneigen:
O, kämest du zu mir!

Mein Augenpaar und meine Hände
Gehören der Welt und mir,
Mein pochend Herz ist bis zum Ende
Allzeit bei dir.
(S. 191)
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Tag ist schlafen gangen,
Schloß die Augen zu,
Mit erglühten Wangen
Träumest nun auch du.

Mondenschimmer gleitet
Um dein weißes Haus,
Meine Sehnsucht breitet
Ihre Arme aus . . .
(S. 192)
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Und einmal leuchtet uns der frohe Tag:
Lenzjunge Rosen blüh'n im grünen Hag.

Wir beide gehen enge, Hand in Hand
Und Glocken läuten unser Glück ins Land.

Sieh! Reine Kinder haben gottgeweiht
Mit Blumenblättern uns den Weg bestreut.

Zwei Priesterhände segnen den Verein.
Nun bin ich dein! Nun bist du immer mein . . .

Dann löscht der Tag die Himmelsfackel aus,
In blauen Schleiern wartet unser Haus.

Und all der Fond von Glücklichsein und Lachen
In unsern Herzen wird zum Licht erwachen.

Und unsre Seele wird von tausend Wunden
In dieser einen Liebesnacht gesunden . . .
(S. 193)
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Und eine große Weihe ist in mir,
Der Abend kam auf mondverklärten Wegen,
So reich gesegnet gehe ich von dir,
Wie ein Versöhnter kehrt vom Abendsegen.

Wie ruhn sie tief im dämmerstillen Hafen,
Die bunten Wünsche, die der Tag erfand;
Ich bin so still. Nun werd ich selig schlafen,
Und meine Träume gehn ins Sehnsuchtsland.
(S. 202)
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Abschied

Meine armen Wege gehen
Wieder ferne von den deinen,
Vor dem dunklen Fenster stehen
Wir, und unsre Seelen weinen.

Jahr und Tag und Stunden schwinden,
Meine Gärten stehn verlassen - -
Weiß nur, daß ich Liebe finden
Wollte auf den dunklen Straßen . . .
(S. 210)
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In des Mondlichts dunkelblauen
Mantel sank der Frühlingstag . . .
Weißt du noch, daß in den Auen
Strahlenwarme Sonne lag?

Soll die Glut vergeudet sterben?
Oder wird ein andres Paar
Trunken die Erfüllung erben,
Die in uns noch Sehnsucht war?
(S. 211)
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Aus: Ernst Goll Im bitteren Menschenland
Das gesammelte Werk
Herausgegeben von Christian Teissl
Igel Verlag 2012


 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Goll



 

 


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