Julius Grosse (1828-1902) - Liebesgedichte

Julius Grosse



Julius Grosse
(1828-1902)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 



 



Aus: Junge Liebe

Kleines Mädchen, kleines Mädchen

Kleines Mädchen, kleines Mädchen
Mit den tiefen dunkeln Augen,
Weißt du schon, wozu sie taugen,
Und wie sanft die feuchte Pracht?
Wohl geschah's, daß sie in Sorgen
Still verborgen
Schon an süßes Glück gedacht.

Schelmisch Mädchen, schelmisch Mädchen
Mit den kleinen weißen Händen,
Ob sie sanften Druck verständen
Und der Gruß zum Herzen ging'?
Nicht versuch' ich's, mehr zu fragen,
Mehr zu sagen,
Als dein kleiner goldner Ring.

Süßes Mädchen, süßes Mädchen,
Laß dein klares Lied ertönen
In der Sommernacht, der schönen,
Die von bangen Träumen glüht.
Von der Liebe Machtbewegen
Sang verwegen
Manche, der sie nie geblüht.

Warum schweigst du, warum schweigst du,
Thränenthau ins Aug' ergossen?
Ist die Knospe schon erschlossen?
Wohl - ihr Schwellen thut es kund:
Schon geküßt von Morgenstrahlen
Süßer Qualen,
Schon geküßt ward dieser Mund.
(S. 4)
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Deine Wangen so roth

Deine Wangen so roth und so zitternd dein Fuß
Auf Steinen, den regenglatten.
War es der sinkende Abend allein,
Daß glühend euch machte sein Wiederschein,
Augen, ihr schönen im Schatten?

Siehe, verflogen ist Regen und Sturm,
Noch einmal leuchten die Matten.
Nur in eure Tiefen es feucht noch quoll,
Wie nach Herzensstürmen erinnrungsvoll,
Augen, ihr schönen im Schatten.

Wie lange, wie bald, dann leuchtet tief
Erröthend die Seele dem Gatten.
In der Liebe sonnigem Wiederschein
Werden Tage und Nächte euch helle sein,
Augen, ihr schönen im Schatten!
(S. 5)
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Begegnung

Du holde Traumgestalt,
Wie aus verschwundnen Zeiten,
Wie kommt's, daß du so kalt
Mir kannst vorüberschreiten?
Und doch - dein Aug', das klare,
Nachleuchtet gnadenmild,
Als blickte vom Altare
Ein sanft Madonnenbild.

Und kommt ein andrer Tag,
Am selben öden Orte
Zähl' ich der Stunden Schlag
Und harr' an dunkler Pforte,
Und zähl' des Herzens Schläge,
Das dein, du Liebste, denkt,
Ob heut auch auf dem Wege
Dein Auge scheu sich senkt.

Doch flammt ein innres Glühn
Auf Wangen dir, den blassen,
Wer fände Muth, sich kühn
Ein ganzes Herz zu fassen!
Du gehst, und wieder nüchtern
Und öde ist der Ort -
Wer lehrt die Lippen schüchtern
Das erste Liebeswort!
(S. 5-6)
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Traumgedanken

Traumgedanken, Sturmesbeute,
Schweifend sonst so weit und wild,
Warum bliebt daheim ihr heute
Still vor einem sanften Bild?

Weil ein Auge mich verborgen
Grüßte früh beim Lerchenschlag,
Blieb ein einz'ger langer Morgen
Mir der ganze volle Tag.

Ziehet weiter trüb und trüber,
Wolken, mit der Nacht im Bund,
Blieb ein Lächeln doch tagüber
Heimlich stehn um ihren Mund.
(S. 6)
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An der Kirchthür

An der Kirchthür bin ich vorbeigegangen,
In den Linden schlief der Wind.
Ach, was mach' ich diesen lieben langen
Sonntag ohne dich, mein Kind?

An der Kirchthür sah ich fernes Leuchten,
Kerzen in der Altarpracht;
Doch zwei Augen mir viel schöner däuchten,
Augen, die an mich gedacht.

An der Kirchthür hört' ich fernes Singen
Zu der Orgel hehrem Klang,
Fühlt' ihn tief zu meinem Herzen dringen,
Wo die Sehnsucht heimlich sang.

Wär' zur Predigt wohl wie einst gegangen,
Wär' ich nicht schon himmelsreich,
Wär' ich nicht von Andacht schon umfangen,
Wär' ich noch mir selber gleich.
(S. 7)
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Gute Nacht

Gute Nacht und gute Nacht!
Und auch heut noch kein Geständniß.
Warum scheuchte mir die Macht
Deines Blicks ein tief Bekenntniß?
Doch schon jetzt im Windeswehn
Wachst vielleicht du auf zum Weinen,
Möchtest nun zurückeflehn,
Was verscherzt dein streng Verneinen.

Wohin ist nun Stolz und Scheu?
Nimmer kehrt die Gunst der Stunde.
Trät' ich vor dich hin aufs Neu'
Schweigend mit der alten Wunde,
Löstest du wohl selbst den Bann,
Und du weintest in der Sonnen,
Hättest doch in Thränen dann
Eine schönere Welt gewonnen.
(S. 7-8)
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Die Brunnen rauschen stille

Die Brunnen rauschen stille,
Mein Herz, das schlägt dazu.
Kein Nachtwind kühlet die Stirne,
Kein Frieden ist süß wie du.
Die Welt liegt nun in Träumen
Von Liebe, von Lust und Leid;
Doch meine Gedanken durchwandern
Die ferne Unendlichkeit.
Dort wallen selige Schaaren
Mit ihrem einsamen Glück
Und denken der irdischen Liebe
Und irdischer Thränen zurück.

Was sind alle Kronen und Palmen
Vor deiner Einfalt werth!
Ich kann dich keinem vergleichen,
Was jemals Menschen begehrt.
Schlafe und lächle und träume,
Holdes, unschuldiges Kind!
Es spielt in den jungen Wipfeln
Schlaflos der nächtige Wind.
Einst geben die Wipfel Schatten,
Die Schatten Rast und Ruh' -
Was gilt mir das Einst? Mein Frieden
Bist heut' und ewig du.
(S. 8-9)
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In der Kapelle

In der Kapelle war's. Beim Kerzenschein
Die Messe klang. Die Fenster aus und ein
Um hohe Säulen Schwalben zwitschernd flogen.
Zwar sprach mein Mund zu dir im Liebesschwur,
Beklommen nur, - doch in die Zukunft zogen
Beflügelte Gedanken ihre Spur.

Hinaus dann traten wir. Fern übern See
Das Kirchlein blitzte und der Alpenschnee
Noch lang uns nach in leichtbewegten Wellen.
Erlöst war, was das Herz am liebsten denkt,
Vernommen hattest du's. Nach zitternd hellen
Lichtblicken war dein Auge still gesenkt.

Die Rose, die ich Morgens dir gepflückt,
Ruht' über Tag an deiner Brust beglückt.
Als sie am Abend welk sank in die Fluten,
Da blühten deine Lippen auf, und lang
Im Sternenglanz sie auf den meinen ruhten -
Der stille Mond ging leuchtend seinen Gang.
(S. 9)
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Weißt du noch - in Maienmonden

Weißt du noch - in Maienmonden,
Als wir gingen unter Birken?
Heil'ges Schweigen war verbreitet
In der knospenden Natur;
Denn sie hatte still zu wirken
In den Wäldern, auf der Flur.
Tausend Wiesen an den Buchten,
Tausend Bäume an den Schluchten
Frühlingsneu zu übergrünen,
War ihr heilig emsig Thun.
Und wir lauschten ihrem Weben;
Auf dem Berg, im Thal, dem feuchten,
War ein schweigend Liebesleben,
Selig schon im Augenleuchten,
Selig damals, ach, und nun -

Heut' im Herbste laß uns singen.
Heller Wind mit kühlen Schwingen
Fährt dahin im Blätterfall,
Treibt sie wirbelnd. Sturmgewaltig
Geht ein Sterben tausendfaltig
Durch das laute, luft'ge All.
Warum trauern? Ganz dein eigen,
Bin ich reich im Winterschweigen,
Reicher, als im Mai ich war.
Deine Stimme lieb vertraulich
Uebertönt das Waldesschauern,
Herzensfrühling zieht beschaulich
In das Sterben, in das Trauern:
So den Wechsel überdauern
Wollen wir noch manch ein Jahr.
(S. 9-10)
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Melodie der Seele, töne

Melodie der Seele, töne,
Töne nach, mein Lautenschlag!
Eines ganzen Sommers Schöne
Reifte mir ein einz'ger Tag.
Fern der Sommer, fern die Landung,
Hoch das Haupt, du treuer Muth!
Eines ganzen Lebens Brandung
Ueberglüht die eine Glut.
Hat mich einst ein einzig süßes
Theilchen Zeit so reich geweiht:
Solches Glück ward Schuld; ich büß' es
Eine ganze Ewigkeit.
(S. 10-11)
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Die weiße Frau

Die weiße Frau ist mir erschienen
Im wachen Traume geisterklar;
Dein Lächeln war's und deine Mienen,
Dein Frühlingskleidchen und dein Haar.

Zum Sterben soll es Dem bald läuten,
Dem solches Zeichen sich enthüllt.
Umsonst; wozu aus Träumen deuten,
Was schon im Leben ist erfüllt?

Seit dich der Morgen hat geboren,
War's im voraus um mich geschehn:
In dir all ist mein Sein verloren,
Ich weiß kein andres Untergehn.
(S. 11)
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Nicht weil du schön bist

Nicht weil du schön bist wie die Frühlingsnacht,
Geheimnißathmend im Nebelglanz -
Nicht weil du wandelst wie das Morgenroth,
Unhörbar schreitend dem Tag voraus -
Nicht weil deine Stimme tönt wie Harfenklang
Von ferner, glücklicher Sagenzeit,
Nein, weil die Seele dir im Auge ruht,
Die Sehnsucht, Jubel, Grämen schon erfuhr,
Drum hat dein Bild sich unauslöschlich tief
In meine Seele eingeschrieben;
Und aus der Nacht, aufathmend, liedumtönt
Entgegen fliegt sie dem Morgenroth.
(S. 11-12)
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Je trüber die Wolken kommen

Je trüber die Wolken kommen,
Je heller ist's im Herzen hier;
Denn deine schönen Augen
Sie leuchten noch in mir.

Je lauter die Stürme brausen,
Je gottvertrauter ist mein Gemüth;
Denn deine süße Stimme
Wie ein Lied durch die Oede zieht.

Doch glänzt die reiche Erde
Im goldnen Abendsonnenschein,
Dann dunkeln alle Schatten
Der Sehnsucht mir herein.
(S. 12)
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Wie kommt's, daß meine Freunde

Wie kommt's, daß meine Freunde auf den Gassen
Mich heimlich spottend einen Träumer schelten?
Sie haben Recht: von dieser Welt verlassen
Lebt meine Seele in entfernten Welten.

Kein Wunder wär's, wenn ich, von Schwermuth trunken,
Waldblumen trüg' im Haar und Wiesenhalmen,
Im übernächt'gen Auge irre Funken
Und auf dem Mund halb hingesungne Psalmen.

Wie viel hast du nun schon an mir verschuldet,
Wie viel hat all mein Leben dir zu danken!
Du wirst's erfahren, wenn du einst geduldet:
Ein Gott belächelt, doch beschirmt die Kranken.
(S. 12-13)
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Wie schön ist doch die Straße

Wie schön ist doch die Straße, wo du wohnest!
Sind's wüste Höhlen auch und Trödelbuden,
Garküchen, Schenken, laut von Schacherjuden,
Sie trügen alle gern dich auf den Händen.
Du spieltest hier, fingst Ball an diesen Wänden -
Wie schön ist doch die Straße, wo du wohnest!

Wie lieb ist doch die Amme, die dich führet!
Ist auch die gute zänkisch, voller Launen,
Zahnlos und welk und häßlich wie Alraunen,
Doch du vertraust ihr all' die unbewachten
Gedanken, deine Träume und dein Trachten -
Wie lieb ist doch die Amme, die dich führet!

Wie rührend ist die Welt, seit ich dich liebe!
Ist's auch ein dumpfes Chaos, reich an Wähnen,
An Leidenschaft und Larven, Trug und Thränen:
Ein athmend Räthsel schuf Natur dein Bildniß,
Als einz'ge Blume dieser öden Wildniß -
Wie rührend ist die Welt, seit ich dich liebe!
(S. 13)
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Wo deinen Namen ich noch hörte nennen

Wo deinen Namen ich noch hörte nennen,
Hat Ehrfurcht ihn umschlungen
Bei Alten und bei Jungen,
Und Augen sah ich in Begeistrung brennen.
Wie Alles um dich her durch dich erblühte,
Durch deine reine Seelengüte,
Erzählten deine Schwestern. Schöner schienen
Sie selber mir, als ob in ihren Mienen
Nur deiner Hoheit ferner Abglanz glühte.

Gesunkner Sonne gleich in Abendstunden,
Wenn auf der müden Erden
Die Schatten länger werden,
So bist du mir nun mondenlang verschwunden.
Nacht ist's um mich, mag auch der Tag begnaden
Die Welt wie sonst; nur wie sich Monde baden
Im Wiederscheine von verborgnen Sonnen,
So wandl' ich still im Nachglanz deiner Wonnen
Auf schattenhaften, liebelosen Pfaden.
(S. 13-14)
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Auf dem Jahrmarkt

Auf dem Jahrmarkt unterm Leinwanddache
Saß ich still beim Wein im Regenschauer,
Neben mir in stolzer Bretterbude
Klangen Becken, brüllten wilde Bestien,
Edle Löwen aus der gelben Wüste
Und Hyänen, scheckig, zähnefletschend;
Sie gedachten ihres heißen Landes
Und der scheuen, schlanken Antilopen
Und der Gräber, die sie aufgewühlt.

Da gedacht' ich dein und wie es wäre,
Wenn du irgend durch ein biblisch Wunder
Mein geworden wärst als Zeltgenossin,
Die Geschmack an dem Nomaden fände
Und am Brunnen ihm zu trinken gäbe.
Gern dann wollt' ich hüten Laban's Schafe
Und im Traum auf Jakobsleitern wandeln,
Hätt' ich eine Lea auch zu fürchten,
Nicht so zahm betrüg' ich mich, wie er.

Käm' ich dann zu dir am Sommerabend,
Brächt' ich dir zwei wilde Wüstenblumen
Und Maiskolben von dem eignen Felde,
Oder einen seltnen bunten Vogel,
Den mein Pfeil erreicht' im Sonnenfluge,
Setzte mich dann still zu deinem Herde
Und gedächte jener heißen Jahre
In der Wüste, an den Heldengräbern,
Wo ich oft mit Schatten sprach bei Nacht.

Und du brächtest mir die goldne Schale,
Fragtest mich, warum ich lang geschwiegen,
Nur mit frommen Wünschen dich behütend,
Nur mit stillen Blicken auf dir ruhend,
Auf den feinen Armen, feinen Fingern,
Die mir solch ein Netz gewoben haben,
Fragtest mich, warum ich stets noch schwiege -
Ach, ich schwieg nur, weil ich Gott gedanket,
Daß er's also wunderbar gefügt.

Kämen dann die Mütter und die Muhmen,
Säh'n sie blühend dich wie Jordansrosen,
Und die jungen Hirten an dem Wege
Flüsterten geheim, wenn du vorbeigingst,
Neideten mir meine seltne Beute.
Doch wenn alte Freunde höflich kämen,
Edle Junggesellen, Stammesfürsten,
Würden sie zum Jahresfest geladen
Unsrer Liebe, unsres Ehebunds.

Jahrestag der Liebe - güt'ge Götter,
Eiskalt läuft mir's über Haut und Rücken,
Denn der Regen trieft schon durch die Leinwand,
Und zum Teufel Traum und Wein und Wüste!
Bin ich doch in Nürnberg auf dem Volksfest,
Und die edlen Bestien hör' ich brüllen
Und das Landvolk an den Buden feilschen -
Da auf einmal ist mir's klar geworden,
Daß man - Spielzeug viel in Nürnberg macht.
(S. 14-15)
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Nun ziehen herauf die Sterne all'

Nun ziehen herauf die Sterne all',
Im Thale läuten die Glocken;
Nun weht herab die träumende Nacht
Uns Thau und Blüthenflocken;
Am Bergrand schwimmt der blasse Mond,
Die Nachtfahrt anzutreten,
Du aber, mein Herz, sei fromm und still,
Nun ist es Zeit zum Beten.

Du Liebeshüter, du leuchtender Mond
In der Blumennacht des Maien,
Hast mitgeküßt, hast mitgeweint
Die Thränen von manchen Zweien.
Soll ich dir singen mein eignes Leid
Und alle verschwiegnen Gefühle,
So horche den Wipfeln, sie rauschen's all'
Und die Wellen im Rade der Mühle.

Die Pfade dunkeln, nun ruht das Thal,
Und küßt du mein Kind im Traume,
So grüß sie von mir zehntausendmal,
Vom Bach am Waldessaume,
Vom Rosenbusch und vom Schlehendorn,
Die haben's mit angesehen -
Nun fallen die Blätter der Rosen schon,
Nun reifen die stachlichen Schlehen.

Doch der Liebe naht kein Sturm noch Frost,
Du weinst nun, daß ich ferne.
Die Sterne glühen, drum sei getrost,
Meine Lieb' überdauert die Sterne.
Noch umsingen die Lerchen den heiligen Platz,
Wo wir einst frühmorgens geschieden -
Gott verzeih' dein Grollen, herzlieber Schatz,
Und schenk' uns Beiden Frieden!
(S. 17-18)
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Dein Bild will ich bewahren

Dein Bild will ich bewahren
Wie sanfter Träume süßen Trost,
Nun ich hinausgefahren
In Sorgen und Gefahren,
Und nur den Schmerz erloost.
Stand ich an deiner Seiten,
Verstohlen Hand in Hand gedrückt,
Wie schwanden Raum und Zeiten,
In goldene Sonnenweiten
Waren wir selbst entrückt.

Besorgsam und bedächtig
Hat man uns flüsternd nachgeschaut.
Sie wußten nicht, wie mächtig,
Wie rein und gottandächtig
Ein Herz dem andern traut.
Was kann nun Trübes kommen?
Wenn Alles auch in Staub verweht,
Ein Trost ist mir erglommen:
Mein Wort hat Gott vernommen,
Deine Seele ist mein Gebet.
(S. 19-20)
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Die weite Welt ist nun zur Ruh'

Die weite Welt ist nun zur Ruh',
Das Mondlicht kommt verstohlen
Und küßt die müden Augen zu.
Schatten kommen, so kommst auch du,
Schwebend auf leichten Sohlen.

Wie seh' ich dein Auge leuchten klar
Und Thränen darin stehen!
Ich weiß nicht, wie es geschehen war,
Das aber weiß ich immerdar,
Daß Leides uns geschehen.

Noch fühl' ich das Beben deiner Hand,
Als wir im Sommer schieden.
Der Winter kam, und der Winter schwand;
Ich wandre in fernem fremden Land
Und finde nimmer den Frieden.

Die ganze Seele füllt' ich dir aus,
Wärest du jetzt mein eigen;
Doch du schlummerst fern im grünen Haus,
Nachtfalter flattern herein, heraus,
Und im Garten wandelt das Schweigen.
(S. 20-21)
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Im lärmenden Tag, im stürmenden Drang

Im lärmenden Tag, im stürmenden Drang
Die Stunden kommen und gehen;
Ein süßes Geheimniß schon jahrelang
Blieb leuchtend darüber stehen.

Im rauschenden Wald, am rollenden Meer,
Am Freundesherde, dem warmen,
Wandelt' es lächelnd neben mir her,
Umschlang mich mit weichen Armen.

Und sinken die Nebel in dunkler Luft
Auf todtenstiller Haide,
So spielt es und singt wie im Sonnenduft
Mitten im nächtigen Leide.

Droben die Sterne, drunten die Seen,
Rings trauernde Einsamkeiten -
Fühl' ich in mir deine Seele wehn,
Wandl' ich in Ewigkeiten.
(S. 21)
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Sehnsucht

Sehnsucht, auf den Knieen
Schauest du himmelwärts.
Einzelne Wolken ziehen,
Kommen und entfliehen,
Ewig hofft das Herz.

Liebe, himmlisch Wallen
Goldener Jugendzeit!
Einzelne Strahlen fallen
Wie durch Pfeilerhallen
In das Leben weit.

Einsam in alten Tagen
Lächelt Erinnerung;
Einzelne Wellen schlagen
Rauschen herauf wie Sagen:
Herz, auch du warst jung!
(S. 22)
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Die Luft ist still, und die Nacht ist hell

Die Luft ist still, und die Nacht ist hell
Von blitzendem Mondenlichte.
Da steigen die alten Zeiten herauf
Und kosende Traumgesichte.
Wie vom Waldgebirg ein Wehen rauscht
In den Wipfeln hin und wieder,
So rauschen empor aus der Zeitenflut
Verklungene alte Lieder.

Es ragen Marmorgestalten still
An rauschenden Gartenbrunnen.
Sie denken zurück an das goldene Rom
Und an stürmende Gothen und Hunnen.
Sie beten zu Göttern, die längst entflohn,
Und haben doch keine Thränen -
Sie waren wohl selber Götter einst
Und kannten Lieben und Sehnen.

Mir tönt ein altes, ein theures Lied
Aus deutscher Liebessage,
Das mahnte Manchen an Treu' und Tod
Und verschwundene Jugendtage:
Ich hab' dich geliebet, ich lieb' dich noch heut,
Dich Eine in Lust und Wehen;
Dich werd' ich lieben in Ewigkeit,
Gäb's auch kein Wiedersehen!
(S. 22-23)
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Aus: Junge Myrthen (1859)



Aequinoctien

Gleich den Tagen nun die Nächte.
Stürme brausen thalhernieder,
Stürme toben auch im Herzen,
Scheuchen mir die Ruhe wieder.

Sah wohl schon die Schatten länger
Und die Strahlen bleicher werden.
Winterkündend war der Sturm mir,
Laub und Blüte sank zur Erden.

Heute sagen still zwei Augen:
Sieg dem Lichte soll es sein!
Diesmal sind es Frühlingsstürme;
Neue Liebe zog herein.
(S. 57)
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Ein treues Herz

Weißt du ein Herz dir schlagen,
Das treugesinnt dir ist,
In deinen trübsten Tagen
Fühlst du, wie reich du bist.

Es kommt wie Sonnenlächeln
Dir in der tiefsten Nacht,
Wie milden Westwinds Fächeln
In eisiger Winterpracht.

Wem solch ein Schatz beschieden,
Kann nicht verloren sein.
Du wandelst still in Frieden
In Sturm und Wetterschein.

Fern über rollenden Meeren
Winkt dir ein sichres Land,
In drohenden Feindesheeren
Beschirmt dich Geisterhand.

Sie zieht mit leisen Sorgen
Doch endlich dich zurück,
Wo deine Jugend geborgen,
Gegründet ist dein Glück.

Bis zu den spätsten Tagen
Fühlst du, wie jung du bist,
Weißt du ein Herz dir schlagen,
Das treugesinnt dir ist.
(S. 65)
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Erfüllung

Ist es denn Wahrheit, daß dein süßer Mund
An meinem hing in innigem Umfangen?
Ein heil'ges Feuer lodert noch zur Stund'
Um Seel' und Leib, mir brennen Stirn' und Wangen.
Auf diesen Schultern lag dein Lockenhaupt,
Du wolltest deine Thränen mir verhüllen.
Gott sah herab, an den die Liebe glaubt,
Gott, der die Sehnsucht krönte mit Erfüllen.

Und noch einmal und inniger umschlang
Mein Arm dich, holde Seele, wonnetrunken.
Dein Auge weinte; doch die Seele sang,
Daß zwischen uns der letzte Bann gesunken.
Aus warmer Nacht klang eine Glocke fern,
Und heimlich Grüßen kam aus allen Weiten,
Denn meinem Schwure leuchtete dein Stern -
So an dir halten will ich Ewigkeiten.

Mit deinen Thränen, die der Himmel sieht,
Sind glückverheißend alle Zukunftsmühen.
Wenn Mond um Mond, wenn Jahr um Jahr entflieht,
Nie soll mir diese Stunde je verglühen.
Auf diesen Schultern lag dein Lockenhaupt,
In diesen Armen will ich dich bewahren:
Du hast in deiner Jugend mir geglaubt,
Du sollst es auch dereinst in grauen Haaren.
(S. 67)
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Armuth der Weisheit

Ihr alten Bücher, glänzend noch bei Nacht
In Gold und Leder und voll weiser Lehren,
Ihr redet mir von einst'ger Kaiserpracht,
Bringt Platon, Sirach, Epikur zu Ehren.
Ihr baut mir eine Welt aus euren Blättern,
Und Geister steigen auf aus euren Lettern.

Ach, ich ersehne nur im Mondenschein
Ein lebend Herz, und eure Geister machen
Mich bitter fühlen, daß ich bin allein,
Fern der Geliebten, fern dem holden Lachen
Des Mädchenmunds - o Plato, Epikur,
Dagegen seid ihr arme Schelme nur!
(S. 68)
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Lied

Die Nächte stürmen, doch die Seele singt:
Du bist doch mein!
Ich habe dich erworben,
Und aller Jahre herbe Pein,
In diesem Herbst ist sie dahingestorben.

Die Stürme brausen, doch die Sehnsucht schweigt.
An deiner Brust
Ist selig Ruhn und Bleiben.
Die Rosen wilder Jugendlust,
Sie mögen welk in diesen Stürmen treiben.

Die Tage fliehen, doch die Treue bleibt.
Still steht die Zeit,
Wie auf sich selbst besonnen.
Bei dir erlöst von Zeit und Leid,
Athm' ich die Ewigkeit und ihre Wonnen.
(S. 68)
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Verschneite Wege

Flocken fallen über Nacht tief und weit und breit,
Daß die Weg' und Straßen all' morgen sind verschneit.
Qualgedanken über Nacht fallen schwer mich an,
Daß das Herz auch seinen Weg nicht mehr finden kann.
Fiel' auch Schnee noch tausendfach, Sonne scheint aufs Neu',
Nachtgedanken scheucht hinweg dein Lieb' und Treu',
Und das Herz geht alten Pfaden seiner Liebe kühn -
Sonne meiner Liebe, laß Rosen darauf blühn!
(S. 69)
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Hand in Hand

Hand in Hand auf lichten Höhen,
Tief im Schattenthal zu schreiten -
Sanfter Tage Dämmerstunden,
Sturmesstille Winterweiten -
Nimmer glaubt' ich euch so lieblich,
Nimmer glaubt' ich mich so jung.
An verflossne Jugendzeiten
Starb nun die Erinnerung.

Keinen Herzenswunsch zu hegen,
Als zu lauschen Mädchenworten,
Keinen Pfad bei Nacht zu kennen,
Als zu stillen Gartenpforten -
Nimmer schien mir das so köstlich,
Bis ich küßte deinen Mund.
Alle Rosen, die verdorrten,
Blühen wieder auf zur Stund.

Stolze Freiheit, Jugendhochmuth,
Wohin ist dein Siegesprangen?
Hingestorben bist du müde
In ein einzig süß Verlangen.
Trugst du hoch im Sturm den Nacken,
Lern die Demuth nun im Glück.
Weich von Mädchenarm umfangen,
Schau in Flammen nicht zurück.
(S. 69-70)
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Demuth des Glücks

Ach, alle Tage will ich nun voll Demuth gehn,
Daß mir so Liebes ist auf Erden noch geschehn.
Ich sah schon Tannen hoch und stolz im Waldeshag,
Sie sanken jäh im Blitzesstrahl, im Wetterschlag.
Ich sah schon Menschen, glückliche von Jugend auf:
In Leid und Thränen endete ihr Lebenslauf.
Was hab' ich Großes, Rühmenswerthes denn gethan,
Daß nun zur holden Wahrheit ward ein Traumeswahn,
Daß du von mir genommen hast der Jahre Pein,
Daß mir das Aug' voll Thränen steht, gedenk' ich dein?
Nichts war ich werth, nur Dornen säten meine Mühn,
Nun seh' ich Rosen reich auf allen Pfaden blühn.
Dein Werk nur ist's, du meiner Seele Morgenlicht,
Daß alle Schatten weichen mir vom Angesicht.
In ew'ger Demuth will ich nun auf Erden gehn,
Um dich die Schicksalsstürme all mit Lust bestehn.
(S. 70)
_____



Lied

Kein Stern ist in Wolken zu sehen,
Alle Sterne trag' ich in mir.
Kein Laut durch die Oede will wehen,
Alle Hymnen tönen in mir.
Nur Nacht und Winter draußen,
Schauernd, unheimlich und wüst,
Doch Nacht und Winter schwanden,
Seit ich den Mund dir geküßt.
(S. 70)
_____



Serenade

Keine düstren Sorgenträume
Dulde mehr in deiner Nacht.
Morgensehnen, Morgenthränen
Bringt des Tages junge Pracht.

Sanft und ruhig sollst du schlafen,
Alle Genien ruf' ich her,
Dir zu singen, dir zu bringen
Traumeswonnen süß und hehr.

Schwingt ein Dämon seine Flügel
Ueber deinem theuren Haupt,
Scheucht den Düstern schon ein Flüstern
Deiner Liebe, daß sie glaubt.

Heiter lächelnd sollst du wandeln
Wie im Morgensonnenglühn:
Deinen feuchten Augen leuchten
Auen, wo die Myrthen blühn!
(S. 71)
_____



Ewige Jugend

Wohl alle Tage, wenn ich bei dir bin,
Umschleiert mich ein Frühling ew'gen Lebens
Und ew'ger Jugend. Jahre fliegen hin,
Den Zaubertrank, ich trank ihn nicht vergebens.

Und wenn du morgen welktest bleich und krank,
Die schöne Stirn gefurcht von Gram und Sorgen,
Das Aug' ist mir gefeit von jenem Trank,
Das Leben mir ein ew'ger Hochzeitsmorgen.

Und wandelst du dereinst mit greisen Frau'n
Müd und gebeugt in silberweißem Haare,
Ich bin geweiht, dich stets als Braut zu schau'n,
Ohnmächtig überfluten uns die Jahre.

Ja, wie der Wein, der alt an Glut gewann,
So glüht der Zauber mächt'ger mit den Zeiten:
Du kannst nicht altern. Was ein Gott begann,
Wird göttlich dauern in den Ewigkeiten.
(S. 71-72)
_____



Verschollenes Glück

Ich weiß ein Märchen, daß ein Wandrer kam
Zum Waldesgrund, da läutet' es wie Glocken,
Und eine Blume fand es wundersam
Und schmückte traumvoll seine braunen Locken.
Als er zurück zu Menschen kam voll Gram,
Bestaunten ihn die Leute tief erschrocken:
Die Welt war älter um viel hundert Jahre,
Und Keiner kannt' ihn mit dem Kranz im Haare.

So bist du meine Zauberblume auch,
Und von des Traumes Bann bin ich umfangen.
Ich weiß nicht mehr, was bei den Menschen Brauch,
Mir ist, als wären hundert Jahr' vergangen.
Ein Fremdling bin ich worden, denn ein Hauch
Des Alters weht in dieser Welt, der bangen.
Nur ich bin jung und fremd im blütenvollen
Lenzschmuck des Glückes wie vor der Welt verschollen.

Drum kehr' ich nun auf immer heim zu dir
Und meinem Märchenglück im Waldesgrunde.
Vergessen will ich sein. Mir sprudelt hier
Des Lebens Quell und Heil für jede Wunde.
Dein Auge feuchten Strahles über mir,
Ein Flüstern weggeküßt von deinem Munde -
So mögen mir Jahrtausende verschwinden,
Zur Welt den Rückweg will ich nimmer finden!
(S. 72-73)
_____



Neuer Frühling

Und wieder kommt der Frühling reich und golden
Und doch wie anders unter Blütendolden!
Gedenkst du noch der fremden Jahre, da
Ich täglich dich von ferne sah,
Da alles Glück nur erst ein schüchtern Hoffen,
Ein Traum, ein Bangen, stets vom Schreck betroffen?
Nun halt' ich dich am Herzen warm und weich,
Wie fremd ward mir die Welt, so schön und reich!
Mag brausen Wald und Flut in Wolkenstürmen,
Mir läutet's wie Festglockenklang von Thürmen.
Mag kommen Winter und der Wälder Tod,
Mir leuchtet jeder Morgen frühlingsroth.
Einst waren jene Stürme mir Gefährten,
Die einz'gen Freunde, die in Leid bewährten
Vertrauten, die mich jugendfrisch geheilt
Und meine stillen Freuden einst getheilt.
Was sind mir Stürme nun und Mondesnächte,
Als fremde Oeden, blinde Riesenmächte,
Die unverstanden walten! Du allein
Bist mir der Frühling, Sonn- und Mondenschein,
Du bist die Welt mir, strahlenhell voll Frieden,
Bist mir ein Jenseit, erdenabgeschieden:
Selbst dunkle Schattenwelten will ich kühn
Mit dir durchwandern, und sie werden blühn.
(S. 73)
_____



Zweifel des Glücks

Warum so zagend in der Seligkeit,
Du stürmisch Herz, als wenn ein Schicksal käme,
Dir erst verlockend allen Zweifel nähme,
Um unerwartet dann zu nahn mit Leid?
O was sind Lieder, alles Glück zu malen,
Zum erstenmal im Leben reich erfüllt!
Die holde Psyche gab sich unverhüllt -
Noch küss' ich dich im Geist zu tausendmalen.

Sei nicht so ernst, sieh mich nicht zweifelnd an.
Noch ungewohnt, noch fremd bin ich im Glücke,
Entschlafnen gleich auf einer Jenseitsbrücke,
Dem Bettler gleich, der in des Rausches Bann
Vom Felde ward ins Königschloß getragen,
Den Herrn zu spielen dort drei Tage lang
Im Purpurkleid bei Festspiel und Gesang -
Ein Göttertraum von goldnen Wonnetagen.

So ist's auch mir. Zu sel'gem Glanz entrückt,
Blieb doch die Furcht, an öden Sumpfeslachen
Einsam ein Bettler wieder zu erwachen,
Und dennoch wär's ein Trug, der mich beglückt.
Das Eine weiß ich doch in späten Jahren,
Daß einmal wich der Schleier meiner Wehn;
In dir hab' ich ein wahres Glück gesehn;
Es war kein Traum, daß wir verbunden waren.

O Götter, die ich nie um Glück gefleht,
Noch ist die Blume mein und ihre Seele.
Gebt mir dies Glück, dies Kleinod sonder Fehle,
Um ihretwillen höret mein Gebet!
Gebt mir die Welt, und wäre sie vergiftet,
Wir baden sie in unsrer Liebe Meer,
Denn von ihr lassen kann ich nimmermehr;
Nun helft, ihr Mächte, die es angestiftet!
(S. 74-75)
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Verschwiegene Sorge

Schöner wirst du jetzt mit jeden Tage,
Und die Lockenhärchen an der Stirne
Fluten reich um deine tiefen Augen.
Voller blüht die Wange, blühn die Lippen,
Wie die Rosen, auf am Junimorgen.
Nur die feine Blässe auf der Stirne
Ist durchsichtig worden, und die Seele
Leuchtet auf dem Antlitz dir von innen,
Wie verborgne Sonne auf den Sternen.

Dennoch blick' ich oft in Nachtgedanken
Spähend auf zum Himmel dir zu Häupten,
Bangend, ob ein Schicksalsstern, ein düstrer,
Ueber dir und deiner Zukunft stände,
Weil du mich geliebt so unbedachtsam,
Mich, den Sohn des Unglücks von Geburt an.
Glücklicher und klüger warst du sicher,
Hättest einen Schönern du gewählt dir,
Einen reichen Edelmann des Landes,
Oder einen sichren wohlversorgten
Bürger bei der Stadt und bei der Zunftbank.
Hüte dich ein Gott und seine Allmacht,
Daß dich deine Liebe nicht verderbe!

Lieber geb' er Nacht und Stürme wieder,
Gebe mir den Tod selbst, eh ich schuldvoll
Dich in meine Unglücksbahnen ziehe.
Sollst du aber einst mein eigen werden,
Muß die Liebe solche Allmacht üben,
Glück in deinem Stern uns zu beschwören,
Daß dein Leben wolkenlos verfließe,
Wie ein Rosentraum am Junimorgen.
(S. 75-76)
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Aus: An die Verlorene (1857-1859)


Wer mag der Liebe Dauer wohl ermessen

Wer mag der Liebe Dauer wohl ermessen,
Die einmal in der Brust gepocht?
Ach, Alles that ich nun, dich zu vergessen,
Und hab' es dennoch nicht vermocht!

Wohl Tagelang vergißt sein Leid der Kranke,
Doch plötzlich wieder schreckt es ihn.
So will zuweilen heimlich der Gedanke
An dich in das Vergessen fliehn.

Doch plötzlich neuerstarkt wie Frühlingsföhne
Umrauscht er mich mit Flügelschwung.
Dein Bild taucht neu empor in Zauberschöne
Verklärender Erinnerung.

Dein Bild schwebt vor mir her in lichter Wolke,
Es grüßt mich aus dem Becher Wein,
Es plaudert auf dem Markt mit mir im Volke,
Es singt mich in den Schlummer ein.

Und wie der Kranke mählich lernt ertragen
Sein Leid als treue Lebenslast,
So will auch ich dein Bild nicht mehr verjagen;
Es sei mein liebster, stillster Gast.

Denn keine Krankheit ist so starke Treue.
Doch wie im Lenz die Narbe schmerzt,
So zaubert mir dein Bildniß stets aufs Neue
Den Frühling vor, den ich verscherzt!
(S. 87-88)
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Der Tag wird kommen, der das Räthsel löst

Der Tag wird kommen, der das Räthsel löst,
Das einen Abgrund zwischen uns erschlossen.
Kein Balsam, den die Zeit in Wunden flößt,
Sind solche Thränen, die der Schmerz vergossen.

Ich klage dich nicht an. Du bist im Recht.
Ich kann nur klagen, daß ich dich verloren,
Nicht weil den Schild ich fortwarf im Gefecht,
Nein, weil sie Gift dir gossen in die Ohren.

Ein Riese war mein Muth und ohne Grau'n.
Doch wie ein Wandrer, der durch Wildnißföhne
Hinschreitet, sah ich dich herniederschau'n
Medusengleich voll Grauen und voll Schöne.

Lang stand ich dort in starrer Geistesruh',
Gelähmt und hoffend, bangend, ob ein Andrer
Einst glücklicher die Räthsel löst, die du
Wie jene Sphinx aufgabst dem fremden Wandrer.

Dann wehe dir! Er schleudert dich hinab
Von deiner Höhe in des Abgrunds Schlünde
Und setzt dann weiter seinen Wanderstab,
Läßt liegen dich in Ohnmacht und in Sünde.

Dann kommt der Tag, der deine Räthsel löst,
Die einen Abgrund zwischen uns erschlossen:
Kein Balsam sind die Thränen, die vergossen,
Den sonst die Zeit in alle Wunden flößt.
(S. 88)
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Wenn über Nacht dir eine Thräne kommt

Wenn über Nacht dir eine Thräne kommt,
Dann denke mein;
Auch wenn es nichts mehr meiner Sehnsucht frommt
In ferner Meere Wetterschein.

Wenn über Tag ein Maienstrahl dir lacht,
Dann denke mein;
Auch wenn ich dulde in der tiefsten Nacht
Des Kummers und der Seelenpein.

Wenn dir ein Traumbild Saitentöne bringt,
Dann denke mein;
Auch wenn um mich die Eisenfessel klingt
In der Galeerensclaven Reihn.

Dann denk an ihn, der nimmer dich vergaß!
Er zürnt dir nicht;
Du bliebst allein - in alle deinem Haß -
Sein Sternen- und sein Sonnenlicht.

Daß er auf Erden einmal dich gesehn,
Umhaucht ihn lind,
Wie ew'ge Jugend, ew'ges Frühlingswehn,
Wenn eisig alle Fluren sind.
(S. 89)
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Sie sagten oft, du seiest streng und kalt

Sie sagten oft, du seiest streng und kalt
Und deine junge Seele zugeschlossen
Für jeder Liebe sonnige Gewalt.

Wie Amazonen auf unbänd'gen Rossen
Mit Löwentrotz hinstürmen in die Schlacht,
Noch trotzig ernst, selbst durch die Brust geschossen;

Wie vor dem Parthenon in Erzespracht
Athene blickt in blaue Meeresweiten
Und unbewegt ihr Heiligthum bewacht;

Und wie im wilden Wald zu Römerzeiten
Dem Cäsar einst ein riesig Weib erschien,
Ihm Wehe rufend, vor dem Weiterreiten:

So bist du trotzig, amazonenkühn,
Bewegungslos und ehern gleich Athenen,
Und wie Velleda's deine Augen glühn.

Ich aber weiß: schon Ströme herber Thränen
Sah manche Nacht von deinem Auge thau'n,
Und sturmvoll glühte auf ein tiefes Sehnen.

Ein dunkles Räthsel bliebst du, selbst den Frau'n,
Nur Schein ist deine Ruh' und deine Scheue,
Du bist nicht stolz, noch herbe, noch voll Grau'n.

Aus Vorsicht nur, aus Mädchenfurcht vor Reue
Schirmst du die Brust mit ehernem Gewand,
Denn bei den Männern suchst du keine Treue.

Falschheit allein, Begier und Sinnenbrand
Beherrscht die Welt, entwerthet die Juwele
Und streckt nach Heiligstem die Räuberhand.

In Masken drum verbirgst du deine Seele,
Ein Isisbildniß, vor sich selber bang,
Als ob's ein süßes Räthsel sich verhehle.

Bis einst es einem Glücklichen gelang,
Deß Muth von allen Göttern aufgewiegelt,
Daß er als Sieger diese Burg bezwang.

Heil dem, der diese Mädchenbrust entsiegelt,
Die Göttlichkeit und Wildheit wunderbar
In ihren Tiefen sanft vereinigt spiegelt!

Dann wird das Waldweib mit gelöstem Haar
Zur scheuen Nymphe. Aus Athenes Helme
Lacht Aphrodite. Tödtliche Gefahr -

Sie droht allein vom Pfeile kleiner Schelme.
(S. 89-91)
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Es mußte wohl so kommen, weil wir Menschen sind

Es mußte wohl so kommen, weil wir Menschen sind.
Ich weiß es wohl, weil Göttlichkeit ich dir geliehn
Und dich verehrt wie ein erhabnes Himmelsbild,
Drum blicktest du mit Scheue auf den Gläubigen,
Besorgt vor jenem Tage, da sein trunkenes
Gemüth ernüchtert inne ward, daß sein Idol
Ein irdisch Wesen und ein Weib wie Alle sei.
Ach, zu gerecht nur hast du mich zurückgeschreckt,
Und nur mich selber klag' ich an des Uebermuths.
Das Bildniß deines Götterthums, das ich verehrt,
Wohl war es herrlich, doch nur eigner Schöpfung Werk.
Doch seit du mich verstoßen hast, seit jenem Tag
Verließ dich auch dein Himmelsbild, dein zürnendes.
Mir aber blieb's in allem Grame treugesellt
Und flüsterte bei Nacht mir süße Tröstungen,
Indeß dich Schlaf umfangen hielt; doch hoheitvoll
In stolzer Ruhe blickt' es, wenn du fröhlich warst.
So büß' ich nun. Weil dich mein Herz vergöttert hat,
Bin ich verlobt dem wesenlosen Geisterbild,
Unselig und voll Sehnsucht nach dem Erdenglück,
Wo warmes Blut lebendig durch die Pulse stürmt.
Doch warten will ich Jahre lang, bis du dereinst
In Eifersucht erglühen wirst auf dein Idol.
Dann soll es wieder dein sein und mit Zauberkraft
Dein sterblich Theil verklären zur Unsterblichkeit.
(S. 92)
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Abschied

Endlich Entscheidung - und ewig verloren,
Ewig verstoßen - O still, ihr Klagen
Traumentnüchterter Treugelübde!
Warum athmet ihr frei nicht auf nun,
Daß es erreicht und gewichen der Zauber,
Leben gewann die Marmorgöttin,
Leben - um euch hinwegzuschleudern,
Als zu menschlich, zu arm und arglos,
Und versank dann wieder in Stille
Lächelnder Hoheit, himmlischer Ruh'.

Lebe denn wohl, und keine Klage,
Keiner verlorenen Jahre Reue
Soll deinen ehernen Frieden stören,
Keines verblutenden Herzens Vorwurf,
Soll deinen Namen den Menschen nennen.
Töne der Laute - treulose Lieder,
Euch selbst lehrte sie Widerstreben,
Daß ihr euch fügen nicht wollt zum Klange.
Besser, ihr sterbet stolz im Schweigen,
Eh ihr sclavisch den Gram besingt!

Sei auch glücklich. Und wer dich liebet,
Einst und heute - er soll mir Freund sein,
Bruder und treuer Wandergefährte.
Lieben will ich ihn, leiten und schützen,
Will, wenn auch ihn du von dir gestoßen,
Trösten seinen betrogenen Glauben.
Wen die ewigen Mächte verlassen,
Der erhebt sich nimmer zum Lichte,
Doch wen Menschen zertreten haben,
Den erhebt ein gütiger Gott.
(S. 93-94)
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Durch Wildniß schweif' ich hingesunkner Trümmer

Durch Wildniß schweif' ich hingesunkner Trümmer;
Wie konnte solche Herrlichkeit vergehn,
Die in jahrtausendaltem Schimmer
Im Tod noch lächelt stolz und jugendschön?

O still! Wenn selbst des Glaubens Säulen sanken,
Ein Hauch, ein Schatten höchste Seligkeit,
Vergänglich sind die leuchtendsten Gedanken -
Weit schneller stürzt das Leid noch als die Zeit.

Nun schlagen wohl daheim die Nachtigallen,
Wie auch vordem im Mondenschein,
Doch dieser Liebe Tempel ist zerfallen,
Und in Ruinen denk' ich dein.

Ich denke dein, wie einer Zaubermäre,
Die uns die Muhme einst am Spinnrad sang;
Von Kindesaugen perlte manche Zähre
In Mitleid und in Schauer bang.

Dann gingen wir zur Ruh' und träumten weiter
Von jenen Fee'n. So kommst auch du
Im Traum zuweilen jugendschön und heiter
Und segnest mich mit längst entbehrter Ruh'.
(S. 97-98)
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Ob du mich je geliebt, ich weiß es nicht

Ob du mich je geliebt, ich weiß es nicht,
Ob Lästerzungen deine Gunst mir stahlen,
Ob du mir je gezürnt, ich weiß es nicht,
Das weiß ich nur, daß hoffnungslos die Qualen.

Ob ich den Keim zertreten unbewacht
Der leisen Neigung, die mir schüchtern blühte,
Ob du mich haßtest wie den Geist der Nacht,
Wie einen Dämon, den die Höll' umglühte,

Ich weiß es nicht. Das Eine weiß ich klar:
Daß du mir tausendmal im Traum erschienen,
Daß du mein Sein, mein Denken Jahr um Jahr
Beherrschtest, als ein Sclave dir zu dienen,

Zu dir zu beten, wie ein Kranker, wund
An Leib und Seele, betet zur Madonnen,
Daß sie ihn fröhlich mache und gesund,
So reich an Wundern wie die Frühlingssonne.

Das Eine weiß ich, daß ich nie gewagt,
Mich gegen deine Schönheitsmacht zu wehren,
Noch wie ein Mann verlangend, unverzagt
In derber Liebesglut dich zu begehren.

So löst der Zweifel sich in Trauer auf,
Daß nun die Zukunft ew'ge Trennung fodert.
Du bleibst, was du mir warst, im Lebenslauf,
So lang ein Athem diese Brust durchlodert:

Ein holdes Bild dereinst'ger Seligkeit,
Ein unerreichbar Ziel für kühnes Streben
Und eine Bürgschaft, daß im Erdenstreit
Ein Götterstrahl durchleuchte dieses Leben.
(S. 98-99)
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Noch jeder Tag, da ich dich sah

Noch jeder Tag, da ich dich sah,
Hat mir ein goldnes Lied gebracht.
Gedacht' ich dein in Sturm und Nacht,
War mir die hohe Göttin nah
Und hat mich heimlich angelacht
In aller Pracht.

Umflossen war die ganze Welt
Von rothem Morgensonnenlicht,
Wenn mir dein theures Angesicht,
Dein Auge meinen Pfad erhellt.
Wie zaubervoll, wie herzensschlicht,
Du weißt es nicht.

Ob's nur ein Wahn, ob's nur ein Traum,
Der wie ein Zauber mich gefeit,
Entscheide du's! Wie lange Zeit
Der Zauber blieb - ich weiß es kaum,
Das aber weiß ich: Lieb' und Leid
Will Ewigkeit.

Und wunderbar: der Zauber blieb.
Seitdem zerrissen ist das Band,
Glüht reiner nur der heil'ge Brand.
Statt Myrthen wilde Rosen trieb
Der Baum, an dem dein Name stand,
Der nie verschwand.
(S. 99)
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Als ich dich liebte, liebt' ich auch die Gotteswelt

Als ich dich liebte, liebt' ich auch die Gotteswelt,
Und alle Menschen schienen mir erhabener.
Seit du mich aufgegeben, - wie vom Blitzesstrahl
Getroffen sank die reiche Welt zu Trümmerschutt.
Ob Nacht, ob Tod hereinbricht, ew'ge Wintersnoth -
Was liegt daran? - ob alle Menschen Larvenschwarm,
Ob jede Tugend Lügenwerk und Heuchelei,
Ob jede Größe Anmaßung und Hochmuthswahn,
Wie kann ich's prüfen herzumnachtet, muthgelähmt,
Da du der Seele Flügel mir gebrochen hast
Und weggeblasen dieses Daseins Zauberduft?
Ach, diese Welt begreift allein der Glückliche!
(S. 100)
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So sollen sich die Wege scheiden

So sollen sich die Wege scheiden
Von heute an auf immerdar.
Nie wieder lacht der Stern uns Beiden,
Der uns begleitet manches Jahr.

Du hast's gewollt. Du hast zerrissen
Der Herzen kaum gewobnes Band.
So lösch auch nun in Finsternissen
Des Angedenkens letzten Brand.

Du hast's gewollt. Der Jahre Schweigen
Sprach jedem Muth der Treue Hohn.
Ich weiß es nicht, wem du zu eigen,
Und wem du sparst der Liebe Lohn.

Du hast's gewollt. Durch Nacht und Wüste
Bin ich gepilgert mit Geduld,
Als wenn ich Treu' und Liebe büßte
Wie eines schweren Wahnes Schuld.

Nun leuchten gnädig andre Sterne
Auf meinen Pfad an Dornen reich.
Ich fand ein Herz. Die graue Ferne
Lacht mir in Lenz und Licht zugleich.

Du hast's gewollt. Dem Leidverirrten
Hat Gott ein neues Glück verliehn;
Er kränzt sein Haupt mit jungen Myrthen
Und hat sein Mißtraun ihm verziehn.

So müssen sich die Wege scheiden
Von heute an auf immerdar.
Dir dank' ich diesen Lohn der Leiden,
Die Gott getröstet wunderbar.
(S. 100-101)
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Du kehrst nun in das Märchenreich zurück

Du kehrst nun in das Märchenreich zurück,
Aus dem du morgenklar gekommen.
Wer dich geschaut, ein heimlich Glück
Hat er auf seine Fahrt mit sich genommen.

Mir bist du nun ein goldner Morgentraum,
Ein süßer, ewig unvergessen.
Solch heil'gen Frieden giebt kein Baum
Voll Myrthen selbst, als trauernde Cypressen.

Und deine Schönheit strahlt geheimnißvoll
Hinfort auf alle meine Lieder,
Ich hab' geschaut, was Keiner soll:
Die Sonne meiner Seele sank mir nieder.

Doch alle Zukunft liegt im sanften Glanz
Von deinem süßen Zauberbilde,
Gleichwie im Mondenlichte ganz,
Das wiederstrahlt verschwundne Sonnenmilde.
(S. 101-102)
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Manchmal erklingen hör' ich's leise

So wild im Sturm die Lebensreise
Hinflutet sonder Ruh' und Rast,
Manchmal erklingen hör' ich's leise:
Du hast mich nie im Ernst gehaßt.

Die Menschen nur so klug und weise,
Sie löschen gern, was heilig brennt.
Manchmal erklingen hör' ich's leise:
Wir sind von Fremden nur getrennt.

Und trägt ein Traum im Strahlengleise
Die Seele hoch, von Gram betrübt,
Manchmal erklingen hör' ich's leise:
Du hast mich dennoch still geliebt.
(S. 102)
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Was ist Vergangenheit?

Was ist Vergangenheit?
Nur eine einz'ge Nacht aus vielen Nächten.
Wie leuchtende Sterne nur die Tage schimmern,
Die heil'gen Tage,
Da ich dich sah vorüberwandeln.

Was ist die Zukunft nun?
Ein einz'ger Tag aus vielen dunklen Tagen,
Wo sonnenhell nur jene Nächte strahlen,
Die heil'gen Nächte,
Da du zu mir kommst im Traume.
(S. 102)
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O sage nicht, du hast mich nie geliebt

O sage nicht, du hast mich nie geliebt!
Dein Herz spricht anders und des Auges Scheue.
Wenn je ein Engel Täuschungen vergiebt,
Verschweigt er auch die Thränen stiller Reue.

In deinen Mienen streng, in deinem Stolz,
In deinem Zorne hab' ich es gelesen,
Daß deines Herzens Panzer längst zerschmolz,
Daß deine Seele dennoch mein gewesen.

Warum sonst ständst du heute, meinem Glück
Und meinem Herde grollend, fremd und ferne?
Du schaust in einst'ge Flammen starr zurück,
Ach, Flammen sind es längst enteilter Sterne!

O glaube nicht, die Liebe sei so blind;
Sie ist allwissend, selbst wenn sie betrogen,
Sie blickt in Tiefen, die verschlossen sind,
Und sieht versunkne Kronen in den Wogen.

O glaube nicht, die Liebe würde Haß!
Sie ist unsterblich, selbst wenn sie erschlagen.
Ihr lichter Schatten, leuchtend, mondesblaß,
Bleibt mir gesellt in diesen Erdentagen.

Auf lebenslang - auch dich noch lebenslang
Wird unerreichbar sie getreu begleiten,
Gleichwie ein Gruß, ein zaub'rischer Gesang
Von unverstandnen goldnen Jugendzeiten.
(S. 103)
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Zwar, ich bin glücklich; dir dank' ich es nicht

Zwar, ich bin glücklich; dir dank' ich es nicht,
Mahnendes , trauerndes Traumgesicht.
Zwar, ich bin ruhig; die Saiten sind stumm,
Narben des Herzens sagen, warum.
Zwar ich genas; doch weh den Gesunden,
Schmerzen im Frühjahr die alten Wunden!

Wieder auf Straßen im Sonnenschein
Weiß ich dich wandeln blaß und allein,
Weiß ich dich weinen - ich sehe dich nicht,
Fühle dich nahn, wie die Blinden das Licht,
Höre dich schreiten durch mein Zimmer
Nachts im bleichen Mondesschimmer.

Nieder beugst du dich lächelnd lind,
Gleich als wolltest du küssen mein Kind,
Gleich als wolltst du mein Glück verzeihn,
Doch du lächelst so herbe voll Seelenpein,
Wendest dich stolz, und ich sehe dich beben,
Weinend und lautlos weiterschweben.
(S. 104)
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O könnt' ich segnend meine Hand -

O könnt' ich segnend meine Hand
Dir auf die blasse Stirne legen,
Daß keine Zeit, die neidisch schwand,
Zerstören mag den Zaubersegen,
Den Zauber heil'ger Liebesweihe!
Er festigt gegen Welt und Tod
Und schwingt im ewigen Lenzesmaie
Die Seele auf zum Morgenroth.

O könnt' ich hülfreich deinen Pfad
Durch deines Lebens Dornen hauen,
Ihn ebnen sanft zum Meergestad,
An dem des Glückes Wogen blauen!
Ich wollte nichts, als im Gelingen
Dich einmal strahlend, glücklich sehn;
Dann mag die Brandung mich verschlingen,
Dann mag mein Bild in dir verwehn!

O könnt' ich mit dem Myrthenkranz
Der Liebe selbst dein Haupt dir krönen,
Der fremden Liebe - die dich ganz
Mit Wonne füllt und mit Versöhnen!
Dann wären ruhig alle Stürme,
Und scheidend gäbst du deine Hand
Dem Freunde. Wie Geläut der Thürme
Kläng' dir mein Brautlied durch das Land.
(S. 104-105)
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Es kommt der Tag, ich seh' ihn ferne leuchten

Es kommt der Tag, ich seh' ihn ferne leuchten
Da du als Freundin trittst zu meinem Herd,
Da alles Leid, das uns die Zeit beschert,
In Thränen schmilzt, in wonnefeuchten.

Es kommt der Tag, es kommt die goldne Stunde,
Da du mein Weib umarmst mit Schwesterblick,
Da du dich neidlos freust an meinem Glück,
Die Kleinen hebst zu deinem Munde.

Als guten Genius sollen sie dich ehren,
Die meiner Jugend Sommersonne war.
Noch steht in meiner Seele dein Altar,
Noch rauscht's herauf aus jenen Meeren.

Dann wird erzählt dereinst an Winterfeuern
Gebeugten Nackens und das Haupt beschneit
Von jener Jugend Zauberherrlichkeit,
Und Enkel werden sie erneuern.
(S. 105-106)
_____



Eurydice

Manchmal sinket dein Bild zurück in die Fluten der Lethe,
Und die Wellen der Zeit führen mich selber hinweg.
Tiefer gähnt die verschlingende Kluft der geschiedenen Bahnen,
Kaum noch dämmert dein Bild, wie ein verwehender Traum.
Ach, es beschleicht mich die Furcht, als könnten die Strahlen verschwinden
In der Erinnerung Nacht, wie ein erlöschender Stern.
Selbst dein Name verklingt wie Götternamen der Vorzeit,
Und kein Echo der Brust hallt den geliebten zurück.
Aber ein einziger Tag - ein Wiedersehen nach Jahren
Ruft die Stürme zurück, wühlet die Tiefen empor.
Aber ein einziger Blick aus deinen Augen, wie wogt da
Neue Zaubergewalt himmlischer über mich her!
Gleichwie ein seltenes Edelgestein, das im Lichte gebleicht war,
Wieder an Feuer gewinnt, wenn es verschlossen im Schrein,
Also gewannst du an Zauber und Reiz im Strome der Lethe,
Und was Andre geheilt, hat mich nur tiefer versehrt.
Holder verklärt in der schauernden Nacht der lethäischen Wogen,
Steigt die Göttergestalt heiliger Liebe herauf,
Steiget herauf wie ein Schatten zuerst blutlos von dem Hades,
Doch an des Liebenden Blut trinkst du dich blühend und warm,
An dem Blute der Lieder, sie quellen aus Wunden der Seele,
Gleichwie es Orpheus geschah, als die Geliebte ihm starb.
Aber wie Orpheus singend erlöst die Beweinte vom Orcus,
Also trägt dich mein Lied rosig zum Lichte zurück.
(S. 106)
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Wieder naht in meinen Träumen

Wieder naht in meinen Träumen
Deine rührende Gestalt.
Würd' ich auch im Zeitenschäumen,
Ungezählte Jahre alt,

Unvergessen blieb dein Bildniß,
Mich umtönt ein Klagechor,
Daß ein Eden ward zur Wildniß,
Daß den Himmel ich verlor.

Wie ein Genius lichter Tugend
Schwebst du, doch dein Auge loht:
Flammen sind es einst'ger Jugend,
Ein verdämmernd Abendroth.

Magst du fliehen, magst du schweigen
Auch im Leben ernst und kalt,
Bleibt in Träumen doch mein eigen
Deine rührende Gestalt.
(S. 109)
_____

 

Aus: Gedichte von Julius Grosse
In neuer, durchgesehener und vermehrter Auswahl
mit einer Zuschrift von Paul Heyse
Berlin G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung 1882
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Grosse

 

 


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