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Alfred Grünewald
(1884-1942)
Verzeichnis der Gedichte:
Der Späher
Wir müssen uns finden. Dein Weg ist der meine.
Wir suchen nach Feuer. Wir stoßen auf Steine.
Wir sind in Freuden und Fluch verbunden.
Wir blühen und bluten aus gleichen Wunden.
Nichts auf der Welt kann uns ewig trennen.
Doch möcht ich dich noch im Frühling erkennen.
Viel hundert Leben muß ich beschleichen.
Immer mach ich dir Zeichen.
(S. 26)
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Epistel
Du brachtest dem der Freude schon Entwöhnten
dein freudig Wesen dar: ein Gastgeschenk,
und Macht ward dir gegeben als sein Dank.
Ein Jahr verging in schönem Sich-Verstehn.
Rückschauend darf ich uns Erprobte nennen.
Wie vieles doch geschah in deinem Zeichen!
Was mich bewegte, ward dir anvertraut,
fast ohne Wort, wie Welle rührt an Welle;
und sich verströmend war es dein und mein. -
Die Macht, der ich mich fügte, gab ich selbst
in deine Hand. Doch manchmal faßt mich Bangen.
Gedenk, was dir verliehn, und bleib, ein Gast,
mir zugetan mit offner Seele, gastlich;
weil du von lichtrer Art als ich. Ein Hort
war mir dein Lächeln. Und so bleib getreu,
daß nie dein Angesicht sich mir verdunkle.
Denn wer mit einem Blick zu trösten weiß,
vermag mit einem Blick auch zu verwunden.
(S. 30-31)
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Der Zweite
Schreckt dich die Lampe? Ich will sie verschleiern.
- Fühle, das Zimmer ist wieder traut.
Komm, wir wollen Vergessen feiern.
Hörst du der Grille verlorenen Laut?
Draußen verwischte das Dunkel die Stätten.
Brücken versanken, die dich bedroht.
Von deinen Händen fielen die Ketten,
und du folgst nur dem eignen Gebot.
Alles weiß ich von deinem Weinen.
Heimat ward Fremde. Dann warst du allein.
Sieh, meine Seele ist offen der deinen.
Laß meine Seele dir Heimat sein.
(S. 31)
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Es ist ein leerer Platz
Es ist ein leerer Platz am Tisch.
Es ist ein leerer Platz im Haus.
Wir aber gehen ein und aus
und schreiten rüstig, schreiten frisch.
Für unser Aug ist Himmel da.
Die Sonne unsre Stirne bräunt.
Wind weht uns an und ist uns Freund.
Vergaßen wir, was uns geschah?!
Ein stummer Schrei durch Fernen gellt.
O Liebe, halte horchend still.
Du weißt, was er verkünden will.
Ein leerer Platz ist in der Welt.
(S. 33)
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Ich sagte: wir
Ich sagte: wir, und sage
nun: ich. Und das ist schwer.
Nach liebevollem Tage
kam Dunkel liebeleer.
Du mußtest talwärts gehen,
entschwandest meinem Blick.
Was immer uns geschehen,
war einiges Geschick.
Nun ist, was ich noch halte,
als wär es nicht mehr mein.
Wie fremdes Gut verwalte
ich all mein Einsamsein.
(S. 33)
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Nie vergißt mein Traum
Träum ich auch jede Nacht von dir,
und träum ich dies: du bist noch hier,
wird mir kein Trost: denn nie vergißt
mein Traum, daß du gestorben bist.
Ich fühle bang, ich darf dir's nicht
verraten. - Liebes Angesicht,
scheinst du mir jetzt auch so wie eh,
sah ich dich doch schon weiß und weh.
Dein Auge, das mich jetzt beglückt,
ich hab es dir schon zugedrückt.
(S. 34)
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Stimme der Verzauberten
Wenn Gesichte dir zerfließen
und die Schatten sich vereinen,
deine Lieder dich verließen
und die Nacht, ein schwarzes Weinen,
alle Himmel dir verdüstert,
daß die Sterne nicht mehr sind:
wenn dein Beten sich verflüstert
und die Worte nichts mehr meinen,
wach ich wieder auf im Wind,
will ich wieder dir erscheinen.
(S. 35)
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Morgenfeier
Die ihr noch in Jugendgluten
flammet, euch sei Ruhm und Rang.
Euch, den Hellen, Hochgemuten,
töne freudvoll mein Gesang.
Die Beschwörung eurer Schöne
gibt den Worten Maß und Zucht.
Der ich heilgem Werke fröne,
euch gelob ich seine Frucht.
(S. 37)
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Vision
Wir sehn dich ganz im Hellen wandeln,
so schwebend wie auf Wellen wandeln.
Und wie sich jetzt die leisen Töne
zum süßen Lied im Schwellen wandeln,
sehn wir mit Staunen dir zur Seite
die heiligen Gazellen wandeln.
(S. 37)
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Präludium
In der Jugend heitrem Glanze,
mit Gebärden flink und zier,
regst du dich in leichtem Tanze,
zeigst dich allen, zeigst dich mir.
Kind, wie deine Schritte schweben,
wie dein Auge loht und lacht!
Weckest mich zu neuem Leben,
mich gemahnend meiner Macht:
daß ich nicht mehr länger säume,
da mein Herz ja schon begann.
Ein Gebieter meiner Träume,
schau ich deine Schönheit an.
(S. 37-38)
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Zur Laute
Braunhaar ist schön, und Blondhaar ist schön;
und auch die kupfernen Locken, die lieb' ich,
zärtlich Gestammel und Silbergetön
lachender Lippen. Den Sanften verschrieb ich
feurig mein Herz - und den Kecken nicht minder.
Liebe die Törigen, liebe die Schlauen,
lieb' die verzagten, die schüchternen Kinder.
Augen, die braunen, und Augen, die blauen,
wecken mir beide ein himmlisch Gelüsten.
Ach, und die weißen, die elfischen Hände,
und auch die goldnen, von Sonne geküßten,
wollt' ich versengen mit Küssen ohn' Ende.
Lieb' die Verschwiegnen und jene, die plaudern,
liebe die Zierlichen, liebe die Ranken,
Stürmische lieb' ich und solche, die zaudern.
Allen schon hab ich ein Lied zu verdanken.
(S. 38)
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. . .
Der Jugend Reiz macht Götter selbst begehrlich,
und Lippen ohne Flaum sind leicht versehrlich.
Doch jener Knabe dort, ein Held der Spiele,
dem Spiel entwachsen schon - ihr fändet schwerlich
ein Antlitz, stolzer, fröhlicher denn seines -:
er scheint gefährdet minder denn gefährlich.
(S. 39)
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Lied im Frühling
Wieder streif' ich durch die Straßen
müden Herzens, müden Schrittes.
Daß du schiedest! - Und ich litt es,
war mein Leid auch sonder Maßen.
Lächle wieder, Strahlenauge!
Ach, wie blickt das meine trübe,
nun ich mich von neuem übe,
zu erspähen, was mir tauge.
Du vielleicht, mit deinen schlanken
Beinen? Komm doch näher, Lieber,
daß ich, taumelnd wie im Fieber,
überschreite alle Schranken!
Oder du, die blonden Haare
in die sanfte Stirne hangend?
Sieh mich einsam und verlangend
nach der Anmut deiner Jahre!
Oder du und du und jener?
Kommet einzeln, kommet alle!
In die offnen Arme falle
der Ersehnte dem Ersehner!
(S. 39)
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Dithyrambus des Sehnsüchtigen
Wenn mich schwarze Schollen drücken,
nach der zugemeßnen Frist,
wähnet nicht, daß mein Entzücken
dann mit mir vergangen ist.
Denn verfiel ich auch der Erde,
kann mein Schauen nicht vergehn.
Und mit Sternenaugen werde
ich die Lieblichen erspähn.
(S. 40)
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. . .
Verliebter Mund will stets den einen Namen sagen.
Und wenn die Lippen dir zur Nacht erlahmen, sagen
ihn immer noch und dann im Traum
des Herzens Schläge.
Wer wollte beten, Freund, und wollt' nicht Amen sagen!
(S. 41)
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Gleichnis der Liebenden
Gerne erinnern wir uns,
ausruhend auf sonnigem Gipfel,
des steiler werdenden Steiges,
der uns - ein sachter Verführer -
allmählich zur Höhe gelockt.
Also gedenken wir gerne,
Erfüllung genießend und spendend,
der ersten Lächeln und Blicke
und ihres zagen Erwiderns:
des süßen Beginnes der Lust.
(S. 41)
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Lieblicher Verrat
Wie du bist? - Was kann es taugen,
solche Fragen je zu stellen?!
Bist du nicht in deinen Augen?!
Bist du nicht in deinem hellen
Lachen?! Deine Hände, Kind,
Bürgen deiner Zartheit sind.
Magst du dich mir auch verschweigen,
horchen lernt ich um so feiner.
Magst dich bar der Güte zeigen,
sieh, als deines Neins Verneiner
gibt ein scheuer Blick sich preis;
und so weiß ich, was ich weiß.
Länger nicht mehr auf der Suche
will ich sein nach deinem Herzen.
Denn gleichwie in einem Buche
- deine Augen sind zwei Kerzen -
les' ich bei so mildem Licht
im geliebten Angesicht.
(S. 41-42)
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Trennung nach erstem Besuch
Kann es denn sein, daß ich dich wiedersehe?!
Dies Zimmer war verzaubert. Deine Nähe
gab leise Glorie jedem Ding und war
schon fast Erinnerung. Dein helles Haar
berührte diese Kissen. Fänd ich doch
die Schmiegung deines schönen Hauptes noch!
Dies Glas, das eingereiht im Schranke steht,
du trankst daraus. Welch heiliges Gerät!
Du hieltest dieses Buch in deinen Händen.
Nur zitternd kann ich seine Seiten wenden.
Durch jene Türe tratst du schüchtern ein.
Der Spiegel fing dein Bild. O blieb' es mein!
Dort saßest du und dort. - Ich fass' es kaum:
Altäre standen im vertrauten Raum.
(S. 42)
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Dithyrambischer Herbst
Dem Herbst obsiegtest du, mein schöner Gast,
da du die Tage dunkelnden Verzichtes
mir mit der Helle deines Angesichtes
so übergoldet, überfrühlingt hast.
Durch Gärten, des Septembers nicht bewußt
in ihres Laubes unverletztem Prangen,
bin ich, ein Märzbegnadeter, gegangen,
der Lieder liebevollstes in der Brust.
(S. 43)
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Frühes Gespräch
Welch ein Präludium! Entzückte Geige
hebt an mit überstürzter Melodie,
verstummt betörend. Schweigen wie noch nie,
erfüllt von allem, was ich dir verschweige,
wird nun beredt gleich zartem Fingerzeige.
Wie schön dein Lächeln schwand und neu gedieh!
Wie mir dein Blick, halb zürnend, schon verzieh!
Vor deiner Anmut geht mein Herz zur Neige.
Ich bin besiegt und bin doch allgewaltig.
Ich bin verwandelt in mein tiefstes Ich.
Im Rausch der Reden, den ein Wort ernüchtert,
und schwelgend auch im Schweigen schau ich dich.
Und meinem Staunen scheinst du vielgestaltig:
gelassen, kühn und wie ein Kind verschüchtert.
(S. 43)
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. . .
Was ängstigt dich? Meinst du, ich will entfliehen?
Nur rasten will ich nach der langen Fahrt.
Die Stimmen, die nach Zeiterlöstem schrein,
beruhigt eine schöne Gegenwart.
Mein Tag und meine Nacht sind dir verliehen;
denn dein Erwachen war mir aufgespart.
Die Wünsche, aus Erfüllung mir gediehen,
sind immer nur um deine Huld geschart.
O wende nicht dein Antlitz! Meine Seele
sucht keine Fernen. Nur dein Licht erhellt,
was dunkel ist. Die Wege, die ich wähle,
sind deinem Wandeln sehnsüchtig gesellt.
Wie wird jetzt unser Leben sein? Erzähle!
Denn deine Rede weissagt eine Welt.
(S. 44)
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. . .
Wie damals unsere Gespräche waren!
Freuden und Sorgen mußtest du bekennen
und mir die Namen deiner Freunde nennen.
Du kanntest viele Spiele und Gefahren.
Oft kam ein tiefres Licht in deine klaren,
enthüllten Blicke. Sanftestes Entbrennen
wies deine Wange. Glanz, der nicht zu nennen,
lag ausgebreitet über deinen Haaren.
Gedenkst du, Knabe, noch des Anbeginnes,
da unsrer Rede Fäden sich verbanden
und viele Dinge neue Deutung fanden?
Und die Beglückung ihres süßen Sinnes
uns weit entführte auf den schönen Fährten,
und Träume kamen, die den Tag verwehrten.
(S. 44-45)
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Bekenntnis
Ewige Rätselworte: Du und Ich.
Umpanzert sind wir, jeglichem verschlossen.
Ist dieses Bild, das lang mein Blick beschlich,
nicht aus des Blickes Fülle nur erflossen?
Ist es kein Trug? Bist du ein Wesen, sprich,
aus deinen Wurzeln in den Tag gesprossen?
Fand ich in allen Freuden nicht nur mich,
in allen Tränen, die ich dir vergossen?
Muß ich ein ganzes Leben dir verleihn
mit meiner Liebe, die dir weinte, lachte?
Werd ich nicht einst dein großer Schuldner sein,
weil ich dich meinem Traum gefügig machte?
Ich bin der Nie-Gestillte, Nie-Erwachte.
O liebe mich! Du mußt mir viel verzeihn.
(S. 45)
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Erlebnis
In des Sommers reifer Lust
überkam dich Herbst. Du neigtest,
wissend und doch unbewußt,
Haupt und Blick. Im Schreiten zeigtest
du mit ausgestreckter Hand
auf ein Beet mit hellen Blüten;
standest plötzlich wie gebannt,
und mit Worten, die sich mühten,
sprachst du bittend: "Sing die Weise,
die du einmal mich gelehrt."
"Welche?" fragt' ich abgekehrt.
"Von der Demut", klang es leise.
(S. 45-46)
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Genesung
Aber heut ist dies alles nicht mehr!
Und ich bin bei dir und bin in Frieden.
Und deine Blicke fragen nie: Woher?
Und mein Gestern ist von mir so sehr geschieden,
daß nichts von all dem Grauen zu mir findet.
Ich bin erblindet
und ward wieder sehend.
Um neues Leben flehend,
kam ich zu deiner Güte.
Und was in mir in Enge war und geschändet,
besudelter Traum, gebrochene Blüte,
wurde reines Gefühl, das sich verschwendet.
Deine Hände heilen,
was jemals wund in mir war.
Bald ist meine Seele wie Sterne klar.
O laß mich weilen!
(S. 46)
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Erhebung
Last ward mir beschieden,
daß ich lächeln lerne.
Unrast gab mir Frieden.
Dunkel gab mir Sterne.
Sonne geht zur Rüste.
Abend tritt ins Zimmer.
Der dich niemals küßte,
sieh, er küßt dich immer.
(S. 46)
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Epilog
Dich preisen in beflügelten Gedichten
ist Dankes nicht genug, der dir gebührt.
Ich nahm auf meine Seele hohe Pflichten,
denn deine Reinheit, Kind, hat mich gerührt.
Mach, daß ich würdig bleibe meiner Lieder.
O nimm sie hin! So gibst du mir sie wieder.
(S. 47)
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Geheimnis
Als sie mich fragten, woher ich kam,
verriet ich keinem, von dir.
Und als sie mir sagten: "Du glühst wie in Scham!",
kühlt' ich die Wangen mir.
Und als sie staunten: "Was macht dich so froh?",
tat ich dem Lächeln Gewalt.
Doch als sie raunten: "Was zitterst du so?",
sprach ich: "Die Nacht kommt bald."
(S. 49)
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. . .
Habt ihr doch auch dieses Antlitz gesehn!
Und ihr könnt leben, als sei nichts geschehn?
Fühltet ihr keiner die stürzenden Sphären?
Gott mußte alle Himmel verheeren,
eh' er den letzten in Schauer erschuf.
Höret ihr nicht den unendlichen Ruf?
Stimme von Anfang. Urworte der Väter.
Gott ward am strahlenden Werke zum Beter.
(S. 49)
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Des Rätsels Lösung wirst du niemals finden,
daß dir allein ein Antlitz göttlich leuchtet
und dir im Schauen schier die Sinne schwinden,
indes umnachtet bleibt der Blick der andern,
die nichts von allem, was du fühlst, empfinden.
(S. 50)
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Flüchtender Eros
Ich trage Tod. Mein Leben brennt.
Ihr fürchtet meine Feuer.
Mein Lachen, das ihr gut erkennt,
ist blutig wie das Firmament,
wenn Nacht, das Ungeheuer,
im Niederflug die Welt entflammt.
Ich trage Tod und ziehe
von Herz zu Herz. Ich bin verdammt.
Ich bin die Qual, der ihr entstammt.
Ich bin der Feind und fliehe.
(S. 50)
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Alte Weise
O du mein Liebstes auf der Welt,
mög Gott sich mild uns zeigen!
Gehetzt von Haß, von Schmach umstellt,
so wurden wir uns eigen.
Wie war die Nacht so weh und arm,
als wir uns Liebe klagten!
Der Herr sich unser doch erbarm
und aller so Verjagten!
(S. 50)
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Schwermut
Vollstreckt ist alles, seit ich dich gesehn.
Was soll mit meinem Leben noch geschehn?
Mit meinem Leben, deiner Liebe bar.
Sinnlose Worte: morgen, übers Jahr ...
Mein Herz verwelkt. Es stockt der Strom der Zeit
und steht als Mauer vor der Ewigkeit.
Mein Leid sehnt sich nach Ewigkeit und Licht
und findet aus dem Erdendunkel nicht.
Zu fest bin ich an Zeitliches gebunden.
Ein Blinder, schau ich in erstarrte Stunden.
(S. 51)
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Klage des Minos
Nun ist des Lebens Gold verwirkt.
Es losch die Fackel der Epheben.
Der Tanz zerstob. Erinnyen heben
ihr fahles Haupt. Ich bin umzirkt.
Ich hab kein Weilen, keine Flucht.
Es ebbt mein Blut. Die Pulse stocken.
Ich hab kein Dürsten mehr, doch trocken
ist mir der Gaum. Des Wahnes Wucht
treibt mich umher in irrem Trott.
Mein Tag verrinnt wie Sand im Siebe.
Warum versiechte so die Liebe
in meinem Herzen, strenger Gott?
(S. 51)
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Die Ungeliebten
Aus tiefster Schlucht hob meiner Tränen See
sich heiß empor, und seine Welle stieg
zu meinen Augen. - Deine Seele schwieg
vielleicht noch immer; aber meinem Weh
war deines nahe, zwar noch dicht verhüllt.
Doch brach ein Licht aus ihm, das es verriet.
Mein Schmerz hat lang vor deinem Schmerz gekniet,
und im Verweigern hast du sanft erfüllt.
Hoch über mir dein Antlitz, und doch ganz
in mir gespiegelt. Dunkel und im Glanz
von unerlöstem Feuer. Wer befreit
zu schöner Flamme die gebundnen Funken?
Sternloser Himmel! Deiner Sterne trunken,
flüchtet mein Leben in die Dunkelheit.
(S. 52)
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Der Gast
Gott hat es nicht gewollt,
daß ich am Tag dich fand.
Nur mattes Abendgold
beglänzte noch das Land.
Der Schein war bald verweht,
erloschen dein Gesicht.
Ich sprach: "Du kamst zu spät,
und ich erkenn dich nicht."
(S. 52)
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Auf den Wegen, die verschneit sind
und im Dämmern dämmerweit sind,
wo die nächtigen Gedanken
des Verlassenen Geleit sind,
triffst du, einsam dich ergehend,
auch Beglückte, die zu zweit sind.
(S. 53)
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Des Traumes goldne Schleier sind zerrissen.
Die Saiten einer Leier sind zerrissen.
Die andern fühlen nicht das Leid der Frühe;
und nur die Herzen zweier sind zerrissen.
(S. 53)
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Sakrament vom Schnee
Laß in dein Narrenherz den Winter ein.
In Gärten schwärmtest du mit Ungestümen
und wolltest lächelnd deine Blumen rühmen.
Da ließ der andern Lachen dich allein.
Doch oft im Dunkel wuchs aus deiner Pein
ein großer Glanz und lag auf allen Beeten.
Und plötzlich sahst du Wege, nie betreten,
und Garten, Nacht und Himmel waren dein.
Aus solchen Nächten aber hob die Frühe
sich drohend auf und sog an deiner Kraft.
Und matter wurde deiner Wünsche Spiel.
Laß Winter sein und sprich zu Schnee: Erblühe!
Der Lenz war nur unsel'ge Wanderschaft.
Lösch aus dein Herz. Schon schimmert dir das Ziel.
(S. 56)
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Melancholie
Tor, du bautest im Traum Tempel von starrem Stein.
Säulen, ragend und licht, mit vergoldetem Knauf,
trugen griechisch Gebälk. Aber im Tympanon
glänzte golden ein Name dir.
Denn Vergötterung war, Träumer, dein Teil. Wer sang,
so ihn Schönheit bezwang, Hymnen, selig wie du!
Doch nun stürzt das Gebäu, und dein Gesang versiegt.
Stumm und gnadenlos graut der Tag.
(S. 59)
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Aus: Alfred
Grünwald Lass meine Seele dir Heimat sein
Eine Auswahl
Zusammengestellt und eingeleitet
von Oskar Jan Tauschinski
Herausgegeben von Hans Weigel
Verlag Jungbrunnen Wien München 1990
Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Grünewald
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