Andreas Gryphius (1616-1664) - Liebesgedichte

Andreas Gryphius

 

Andreas Gryphius
(1616-1664)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 

LXV.
An eben selbige

Doch grünt die frische lieb, ob blum und baum erbleicht,
Die liebe, die sich mir in einem krantz verehret,
Dem bild der ewigkeit, die durch kein end auffhöret
Und keiner zeiten grimm, ja nicht dem tode weicht.
Ihr keuschestes gemüth, das reinem silber gleicht,
Mein licht! hat ihr geschenck mit perlen noch vermehret,
Die, wenn das rauhe saltz der wellen sich empöret,
Kein scharffer schlag der see, kein schäumend fleck- erreicht.
So bleibt ihr hoher geist doch rein in trüben schmertzen,
Ihr geist, den rechte treu aus unverfälschtem hertzen
Durch ihrer seuffzer west in meinen cörper schickt.
Ich wil zwar ihr gemüth aus dem geschencke schätzen,
Diß wort doch, das sie ließ auf dieses silber etzen,
Ist, was den krantz recht ziert und mich allein erquickt.
(Sonette Das fünfte Buch S. 194-195)
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LXVIII.
An Eugenien

Ich finde mich allein, und leb in einsamkeit,
Ob ich schon nicht versteckt in ungeheure wüsten,
In welchen tygerthier und wilde vögel nisten.
Ich finde mich allein, vertiefft in herbes leid;
Auch mitten unter volck, das ob der neuen zeit
Des friedens sich ergetzt in jauchzen-vollen lüsten,
Find ich mich doch allein. Wir, die einander küssten
In unverfälschter gunst, sind leider nur zu weit.
Ich finde mich allein und einsam und betrübet,
Weil sie so fern von mir, mein alles und mein ich,
Ohn die mir auf dem kreys der erden nichts beliebet.
Doch tritt ihr werthes bild mir stündlich vor gesichte.
Solt ich denn einsam seyn? Ihr bild begleitet mich.
Was kan sie, wenn ihr bild mein trauren macht zunichte!
(Sonette Das fünfte Buch S. 196)
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LXIV.
An Eugenien

Ich lebe, wo man den mit recht kan lebend nennen,
Der sonder geist verfällt in bitter-süße pein.
Die seel ist außer mir und sucht den glantz allein
Der augen, die mir nur zu angenehme brennen.
Was kan in meiner nacht ich als die stern erkennen?
Holdseligst! ihr gesicht, der wunder-helle schein,
Erleuchtet diß gemüth, das (geht die welt schier ein)
Kein schwefel-lichter blitz wird von dem vorsatz trennen.
Lasset nord und wetter toben! weil mir diese rosen blühen,
Schreckt mich keiner winter rasen. Lasst die heiße sonn entfliehen,
Mir ist die abend-lufft weit lieber als der tag.
Ob die zunge nicht mehr schwatzet, die nie ein end-urtheil spricht,
Treugt doch der entfärbten wangen lieblich abendröthe nicht.
Die redet mir zu wohl, die schweigend reden mag.
(Sonette Das fünfte Buch S. 194)
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XXI.
An Eugenien

Schön ist ein schöner leib, den aller lippen preisen,
Der von nicht schlechtem stamm und edlem blut herrührt;
Doch schöner, wenn den leib ein' edle seele ziehrt,
Die einig sich nur lässt die tugend unterweisen;
Vielmehr, wenn weisheit noch, nach der wir offtmals reisen,
Sie in der wiegen lehrt; mehr, wenn sie zucht anführt
Und heilig seyn ergetzt, die nur nach demuth spür't;
Mehr, wenn ihr keuscher geist nicht zagt für flamm und eisen.
Diß schätz ich rühmens wehrt, diß ist, was diese welt,
Die aller schönheit sitz, für höchste schönheit hält,
Und das man billich mag der schönheit wunder nennen.
Wer dieses schauen wil, wird finden, was er sucht
Und kaum zu finden ist, wenn er, o blum der zucht!
O schönste! wenn er euch wird was genauer kennen.
(Sonette Das dritte Buch S. 110)
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LXIX.
An eben selbige

Sie, dennoch sie, mein licht! sie wil beständig seyn.
Ob die zeit sich gleich verändert und die sonne sich versteckt
Und die wüsten felder trauren und das feld mit schnee bedeckt,
Sie dennoch (wie sie schreibt) geht kein verändern ein.
Die bäume sind entblößt, das wasser hart als stein,
Der palläste göldne spitzen sind mit grauem reiff befleckt,
Aller blumen welcke blätter, die durchbeiste kält erschreckt.
Nur ihre rose steht in frischem glantz allein;
Warum doch wil ich hier verziehen,
Wo nichts denn unlust ist und kalte winter-lufft,
Weil sie mir noch, mein licht! zu ihren rosen rufft?
Ade! ich muss von hinnen fliehen.
Wer länger schmachten wil in scharffer frostes-pein,
Wenn ihm der frühling rufft, muss es nicht würdig seyn.
(Sonette Das fünfte Buch S. 196-197)
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LXVI.
An eben selbige

So fern, mein licht! von euch, so fern von euch gerissen,
Theil ich die trübe zeit in schmertzen und verdruss
Und wünsch all augenblick, dass mir des himmels schluss
Erlaub, euch bald voll lust und unverletzt zu grüßen.
Mein trauren kan ja nichts (wie hoch es auch) versüßen,
Als ihr, o meine lust! Wie dass mit schnellem fuß
Ich denn mein werthes heyl bestürtzt verlassen muss,
Indem ich einig mag die keusche schönheit küssen?
Ihr Parcen, die ihr uns das tag-register setzt,
Ach führt mich wieder hin zu dem, was mich ergetzt!
Warum doch suchet ihr mich von mir selbst zu scheiden?
Mein leib, ich geh es nach, sitzt ja in diesem land;
Die seele geb ich dir zu fester treue pfand,
Bey welcher ich voll ruh, ohn welch' ich stets muss leiden.
(Sonette Das fünfte Buch S. 195)
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VIII.
An Eugenien

Wenn meine seel in euch, mein licht! wie kan ich leben,
Nun das verhängnis mich so ferne von euch reißt?
Wie kan ich fröhlich seyn, wenn ihr mir euren geist
Nicht für den meinen woll't (den ihr gefangen) geben?
Man sieht mich hier, doch nur als ein gespenste schweben,
Als ein verzaubert bild, das sich beweglich weist
Durch fremder künste macht. Diß, was man sterben heißt,
Kan meine schmertzen wol, nicht meine flamm' auffheben.
Klagt euch das hertze nicht, das ihr in bande legt,
Wie scharff die geißel sey, die meine glieder schlägt?
Doch nein! es ist zu schwach, sein elend auszusprechen.
Es weiß nichts mehr von mir, es kennt euch nur allein;
Es freu't sich seiner angst und wünschet diese pein
Der bande, durch ein band, das ewig sey, zu brechen.
(Sonette Das vierte Buch S. 134)
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Alle Gedichte aus: Andreas Gryphius Lyrische Gedichte
Herausgegeben von Hermann Palm
Gedruckt für den litterarischen Verein in Stuttgart
Tübingen 1884
 

siehe auch Teil 2

 




Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Gryphius

 

 


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