Die Metamorphose des Philosophen
Nun bin ich endlich überwunden,
Die Liebe siegt in meiner Brust:
Ich fühle, was ich nie empfunden,
Ich fühle unbekannte Lust.
Es heben sich ganz fremde Triebe,
Das Herz schlägt stärker, wallt empor:
Aus all dem scheint der Sieg der Liebe,
Scheint, Amor! deine Macht hervor.
Ich, der ich sonst mit dürren Gründen
Der Liebe meinen Spott bewieß,
Ich mußte nun ein Mädchen finden,
Durch das sich Amor rächen ließ.
Denn er, der größte aller Götter
Ward zornig, und erbittert sich,
Und sprach zur Doris: straf den Spötter,
Bestrafe ihn, und räche mich!
Das Mädchen eilt, den Gott zu rächen,
Und es gelingt durch einen Blick:
Ich sahe sie - und wollte sprechen,
Und konnte nicht - und wich zurück.
Beschämt schlug ich die Augen nieder,
Und sahe sie verstohlen an:
Und kühn hob ich die Augen wieder,
So weit man sie erheben kann.
Ich fühlte Wollust, und Entzücken,
Vermischt mit Thränen, und mit Schmerz:
Denn Amor schoss aus ihren Blicken,
Aus ihren Augen in mein Herz.
Ich liebte - und seit dieser Stunde
War ich mir selbsten nimmer gleich.
O Amor! welche tiefe Wunde!
Wie gut gelang dir dieser Streich!
Putz, Schminke, tausend Eitelkeiten,
Was jemals nur mit kluger Hand
Das Herz der Schönen zu bestreiten
Ein witziger Franzos erfand,
Dieß mußte mir zum Siege dienen;
Denn jederman gestehet es:
Die Gunst der Mädchen zu gewinnen
Hilft uns kein Aristoteles.
Sie ruft, so bald sie mich erblicket:
Seht doch die artigste Figur!
Wie gut sich diese Miene schicket
Zu Dosen, Stock, und Ring, und Uhr!
Wie artig ist der Putz gewählet!
Und alles stehet ihm so fein:
Wie doch das Kleid den Mann beseelet!
Bald dürfte ich bezaubert sein.
So gut ist der Versuch gelungen,
Den ich auch zweimal noch gewagt,
Bis Doris endlich ganz bezwungen
Mir ihre Liebe zugesagt.
Ich war durch jedes Wort entzücket,
Durch jeden Wink - und ich vergaß,
Da sie mich zärtlich angeblicket;
Den Plato, und Pythagoras.
Der lose Bub und Pfeil, und Bogen
Besiegt nun die Philosophie.
Ist Doris mir im Ernst gewogen,
Wie glücklich bin ich nicht durch sie!
Doch ein Verdacht stört meine Freude,
Es scheinet mir - ich lauf Gefahr,
Daß ihre Gunst von meinem Kleide,
Und nicht von mir die Wirkung war.
(S. 111-114)
_____
An Doris
Wie heiter ist der Tag? Wie schnell entflieh'n die Stunden,
Die wie bei holdem Sonnenschein
Der Lust, und guten Freunden weihn;
Wie bald ist alle Lust, und selbst der Mensch verschwunden?
Komm Doris! willst du hier im kühlen Schatten liegen,
Süß schallet Philomelens Lied,
Daß von der Stirn der Gram entflieht,
Und alles um uns her haucht Anmuth und Vergnügen.
Hörst du den Westenwind leisrauschend sich erregen,
Wie sanft er deinen Busen kühlt,
Wie er mit deinen Locken spielt,
Die um die Schultern her sanft flatternd sich bewegen.
Dich dienet die Natur zur Grazie zu schmücken,
Sie führet dich auf ihrer Bahn,
Und legt dir ihren Schimmer an,
Und lehret dich die Kunst, die Herzen zu entzücken.
Welch' angenehmer Schall, welch' angenehmes Rauschen!
So Doris rauschet hier der Bach:
Dort spricht das Echo Doris nach,
Und Vögel horchen dort, die unsre Lust belauschen.
Mein Engel willst du nicht die frohen Lieder hören,
Die dein Verehrer für dich singt,
Und wenn ihm der Gesang gelingt
Willst du nicht einen Kuß zum Lohne ihm gewähren?
(S. 114-116)
_____
Die Macht der Liebe
Der Liebe Macht ist allgemein,
Wir sehn sie in dem Jüngling lachen,
Im Graubart fromme Minen machen,
Sie lehrt den Mann zufrieden sein.
Sie kann uns, wenn uns Kummer plaget,
Und Gram an unsrer Seele naget,
Mit holder Zärtlichkeit erfreun.
Seht dort, wie viel Geront verspricht:
Er will noch eine Sonn entdecken,
Doch plötzlich kömmt ein Gegenlicht.
Es winkt ihm Chloris - - er frohlocket,
Er kennt sich nicht - - er spricht, und stocket,
Und denket an die Sonne nicht.
Als ich noch Doris nicht gekannt,
Schwur ich: ich wollt' mein kurzes Leben
Der stillen Einsamkeit ergeben:
Doch als ich gegen sie entbrannt,
Hat mir die Welt, und dann vor allen
Mein Mädchen besser noch gefallen,
Als mein bevor erwählter Stand.
Schon wird der düstre Himmel blau,
Ich seh gemach die Nacht entweichen,
Da eilet zwischen dichten Sträuchen
Der Schäfer früh beim Morgenthau.
Die Schäferin geht ihm zur Seiten,
Und lächelnd will sie ihn begleiten
Bis hin in die beblümte Au.
Wie freudig haben sie gelacht!
Die Liebe führt sie durch die Felder:
Sie hat im Schatten jener Wälder
Verliebten stille Lust gebracht.
O Liebe! du kannst Kraft, und Leben,
Vergnügen, Lust, und Freude geben,
O Liebe! groß ist deine Macht.
(S. 116-118)
_____
Die Bäche
Sanfte, klare Bäche!
Fliest durch diese Fläche,
Fliest durch diese Flur:
Murmelt meine Klagen,
Sagt ihr meine Plagen,
Zeigt mir ihre Spur.
Zeigt mir ihre Hütte,
Mahlt mir ihre Schritte,
Wie die Göttin gieng;
Da ich in dem Haine
Bei dem Mondenscheine
Ihren Kuß empfieng.
Kommet Finsternisse,
Daß ich wieder küsse,
Komm' erwünschte Nacht!
In der dunkeln Ferne
Glänzt das Licht der Sterne
Schon in stiller Pracht.
Wart ich dann vergebens?
Freude meines Lebens!
Kommst du nimmermehr?
Eilt ihr Zephyrwinde,
Bringt sie mir geschwinde
In die Arme her.
Sanfte, klare Bäche,
Die ihr durch die Fläche,
Durch die Fluren fließt;
Murmelt meine Klagen,
Sagt ihr meine Plagen,
Weil sie mich vergist.
(S. 118-120)
_____
Lotte
Hier im Buchenhaine,
Wo die Quelle fliest,
Hat die liebe kleine
Lotte mich geküst.
Da küßt' ich sie wieder,
Sank im Rasen nieder,
Träume eingewiegt,
Daß sie bei mir liegt:
Daß die Nacht der Bäume
Mich, und sie versteckt,
Daß - - doch was ich träume,
Hab' ich nie entdeckt.
Wills auch itzt nicht sagen:
Soll mich Lotte fragen - -
Lotten sagt' ichs doch,
Früg sie heute noch.
Ach! an meinen Wangen
Fühlt' ich, welch ein Traum!
Lottens Lippen hangen,
Und dort jener Baum,
Wo sich Tauben gatten,
Gab uns seinen Schatten,
Dieser Baum ist mir
Wohl der liebste hier.
Es giebt viele Mädchen
Schön, und schlank von Leib,
Selbst in unserm Städtchen
Kenn ich manches Weib,
Manches, das die Wette
Gern gewaget hätte,
Die mit Helm und Schild
Pallas einst verspielt.
Doch ich liebe keine,
Lotten nur allein,
Sie soll, wie ich meine,
Meine Gattin sein.
Ja das soll sie werden,
Denn auf dieser Erden
Such, und wünsch' ich mir
Gar nichts ausser ihr.
Als ich jüngst mit Beben
Mich zu ihr gewandt,
Ihr die Hand zu geben,
Drückt sie mir die Hand:
Sagt zum erstenmale,
Daß ich ihr gefalle,
Saget es - - und flieht
Weg mit schnellem Schritt:
Flieht durch Strauch, und Steine,
Fliehet weit von mir:
Und ich - ach! ich weine
Ganz verlassen hier.
Doch hier kömmt ein Bothe
Von der lieben Lotte
Freude im Gesicht:
Nein ich weine nicht.
Dort, im Buchenhaine,
Wo die Quelle fliest,
Wo die liebe kleine
Lotte mich geküst,
Dort wird, müßt ihr wissen,
Sie mich wieder küssen,
Und von ohngefähr
Etwa wohl noch mehr.
(S. 120-123)
_____
Die Betäubung
Ich küsse sie - und ach! sie flieht in größter Eile,
Sie flieht, und sieht sich nimmer um:
Und ich - ich stehe hier wie eine Marmorsäule
Gedankenlos, und stumm.
Hält eine Zaubermacht die Füsse mir gebunden?
Bei Gott! sie soll mir nicht entfliehn.
Ich Thor! sie ist ja schon vor meinem Aug verschwunden:
Dort - seht - dort floh sie hin.
Folg' ich? - doch werd' ich sie in ihrem Lauf erreichen?
Sie ist schon eine Meile weit.
Ihr muß der Wirbelwind, der Strom an Schnelle weichen,
Und an Geschwindigkeit.
Wenn sie auch über Meer die leichten Schritte hebet,
Und durch die blauen Fluthen setzt;
So wird ihr zarter Fuß, der in den Lüften schwebet,
Nicht von der Fluth benetzt.
Und wenn sie über Fels, und reife Saaten eilet,
So wird ihr Fußtritt nicht verspürt:
Man merket keine Spur, wo sich ihr Schritt verweilet,
Wo sie das Gras berührt.
So wart' ich also hier, bis mich der Gram verzehret,
Und sterbe - ach! für Leid, und Harm.
Doch seht die flüchtige - seht - wie sie wiederkehret?
Komm - komm in meinen Arm.
(S. 133-135)
_____
Pythias an Damon
Mein Freund! ein Mädchen, das du liebst,
Dem du dein ganzes Herz ergiebst,
Muß bei dem hell'sten Sonnenschein
So schön, wie eine Venus sein.
Daß selbst der Weise, und der Held
Bezaubert ihr zu Füßen fällt,
Daß jeden, der sie angeblickt,
Die schimmernde Gestalt entzückt.
Der Reiz, der aus den Augen strahlt,
Der sich in jeder Mine mahlt,
Der Busen, den der Zephyr kühlt,
Worinn dein Auge lüstern wühlt.
Der von geheimer Lust bewegt,
So zärtlich, so empfindsam schlägt,
Ihr Antlitz, das verräth'risch lacht,
Dieß alles sei für dich gemacht.
Sie sei, wie man sie wünschen kann,
Gefällig, und dir zugethan,
So zärtlich lieb' sie dich, so schön,
Wie Paris sich geliebt gesehn.
(S. 135-136)
_____
Damon an Phytias
Nicht nur, wie du sie mir gemahlt,
Von so entzückender Gestalt,
Sie müßte auch im Witze sein,
Sie müßte eine Sappho sein.
Ihr Anblick zeige jederzeit
Vergnügen, und Zufriedenheit:
Es sei ihr jedes Schicksal gleich,
Mein Herz nur sei ihr Himmelreich.
Die Unschuld sei in ihrer Brust,
Und keines Fehlers sich bewußt
Sei sie so rein von Trug, und List,
So rein das Gold von Flecken ist.
Sie sei's hernach, die mich entzückt,
Wenn mich der Schmerz zu Boden drückt,
Sie sei's, die meinen Geist erhebt,
Wenn Gram, und Schwermuth ihn umschwebt.
Ein Druck der Hand - ein Blick - ein Kuß,
Und ihre Gunst - und ihr Genuß,
Ihr für mich zärtliches Gefühl
Sei meiner Wünsche letztes Ziel.
Die Schilderung - gefällt sie dir?
Ja so ein Mädchen wünsch ich mir.
Allein man sagt mir überall:
Mein Mädchen sei ein Ideal.
Freund! kennst du so ein göttlich Kind?
So komm, und bring sie mir geschwind:
Ich schwör' dir's zu - ich liebe sie,
Doch wette ich - du kommest nie.
(S. 136-138)
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Amors Besuch
Am ersten Jenner
Euch Mädchen! soll mein Lied ertönen,
Euch sing ich heut.
Gott Amor schickt mich zu den Schönen
Im Feierkleid.
Er ist ein guter muntrer Knabe,
So from, wie ihr:
Und alle Freude, die ich habe,
Die gab er mir.
Ich bin ihm auch noch stets verbunden,
Und werd' es sein:
Denn ich hab' alle frohe Stunden
Von ihm allein.
Zwar ließ er mir mein Mädchen sterben,
Was wollt' ich thun? -
Er ließ mich doch die Schwester erben,
Die lieb' ich nun.
Merkt itzt, was er mir aufgetragen,
Und höret ihn.
Ich sage nur, was ich zu sagen
Beordert bin.
Heut als ich noch im Bett gelegen
Fest zugedeckt,
Hat Amor etwas ungelegen
Mich aufgeweckt.
Er setzt sich bei dem Bette nieder:
Ich wurde wach;
Und riebe mir die Augenlieder,
Indem er sprach:
Steh auf, dich zierlich anzukleiden
Zum neuen Jahr,
Und bring vom Gotte süßer Freuden
Die Wünsche dar.
Zu erst nun geh ich zu Nanetten
Die für mich brennt,
Und bring' von allen Amoretten
Ein Kompliment.
Dann geh ich weiter zu Klarissen,
Die manche Nacht
In Hoffnung ihren Freund zu küssen
Beim Mondschein wacht.
Ich wünsch', er soll ihr bald erscheinen
In holder Tracht:
Gott Amor denkt sie zu vereinen
Noch diese Nacht.
Ich wünsch' der spröden Henriette
Mehr Zärtlichkeit,
Und wünsch' der feurigen Jeanette
Mehr Sprödigkeit.
Ich wünsch' mit Amorn in die Wette,
So viel ich kann:
Und wünsch der hungrigen Lisette
Bald einen Mann.
Der kleinen Blonden, die sich grämet
So tief betrübt,
Weil sie sich zu gestehen schämet,
Daß - - daß sie liebt.
Der bring ich Trost vom Gott der Liebe,
Und wünsch' ihr heut:
Daß sie zur Stillung ihrer Triebe
Schon morgen freit.
Auch geb' ich allen frommen Schönen
In unsrer Stadt,
Die noch der Liebe Macht versöhnen,
Den guten Rath:
Ergebet euch - das Widerstreben
Bringt wenig Ruhm;
Einst müßt ihr euch doch uns ergeben
Zum Eigenthum.
(S. 138-142)
_____
An meine Geliebte
Kaum war noch jugendliches Pflaum
An meinem Kinn zu sehen,
Gab schon mein Herz der Liebe Raum,
Und ihrem süßen Flehen:
Ich fühlte, daß ein sanfter Brand
In meinem Blut sich regte,
Wenn meines Mädchens weiche Hand
Sich in die meine legte.
Es schlich durch meine Adern sich
Ein unbekanntes Feuer,
Begeisterte, und weckte mich
Zum Spiele meiner Leier.
Ich griff die Leier muthig an,
Sang meines Mädchens Namen,
Sang meinen jugendlichen Wahn,
Und meine ersten Flammen.
Doch damals hatte mich noch nicht
Dein Engelsblick entzücket,
Das beste Mädchen hatt' ich nicht
Noch an mein Herz gedrücket:
Noch schmeckt' ich nicht die Seligkeit,
In taumelndem Vergnügen
Voll innigster Zufriedenheit
An deiner Brust zu liegen.
Doch seit dem holden Augenblick
Daß dich mein Aug erblicket,
Und daß ein günstiges Geschick
Mein Herz mit dir beglücket;
Fühl' ich erst meine Lebenszeit
Belebet sich verneuen,
Mit dir in süßer Zärtlichkeit
Des Daseins mich zu freuen.
(S. 142-144)
_____
An eben dieselbe
Mädchen! wenn dein armer Freund
Still an deiner Seite weint,
Sag, ob ihms dein Herz vergiebt,
Daß er dich so brünstig liebt:
Wenn sein helles Aug sich trübt,
Sag, ob ihms dein Herz vergiebt?
Mädchen! sieh den armen Freund,
Der an deiner Seite weint,
Weil er trotz des Schicksals Schluß
Dich so brünstig lieben muß:
Sag, ob ihms dein Herz vergiebt,
Daß er dich so brünstig liebt?
Hätt' er niemals dich erblickt,
Wär er ruhig, und beglückt;
Seit du ihm sein Herz geraubt,
Ist er jeder Lust beraubt:
Sag, ob ihms dein Herz verzeiht,
Daß er seines dir geweiht?
Hätt' er niemals dich erblickt,
Wär er weniger beglückt,
Denn erst mit dem Augenblick,
Dich zu sehn, begann sein Glück:
Er ist ruhig, und beglückt
Erst seit daß er dich erblickt.
(S. 144-145)
_____
Roderich und Trudchen
oder die Seufzerallee
Ein Jüngling, edel from und klug,
Gebildet zum Entzücken,
Der hohen Stolz im Busen trug,
Und Feuer in den Blicken:
Ein Mädchen schön wie Morgenroth,
In ihrem Aug Verlangen,
Den Blick scharf wie der Liebesgott,
Und Scham auf ihren Wangen:
Die liebten sich in Reinigkeit
Seit ihren ersten Jahren,
Weil sie von langer Ewigkeit
Zusam geschaffen waren.
Gewisse Geister hat die Hand
Des Zeus dem Nichts entrissen,
Die, wenn sie einmal sich gekannt,
Sich ewig lieben müssen.
Der Seele ähnliches Gefühl,
Und Liebe zu dem Schönen,
Sind Bänder, die der Eltern Will',
Und Macht nicht kann zertrennen.
Vielleicht, daß sich in fernem Land
Für mich ein Mädchen findet,
Das sich auch durch ein ähnlich Band
Dereinst mit mir verbindet:
Wie Trudchen, die von Sympathie
Für ihren Rodrich glühet,
Weil ihrer Seelen Harmonie
Sie aneinander ziehet.
Wer mahlt mit Amors Pinsel mir
Das Feuer ihrer Triebe,
Den Zauber schwärmender Begier,
Den Taumel erster Liebe!
Wer mahlt mir Trudchens Widerstand,
Und ihr geheim Verlangen,
Den Jüngling, den sie artig fand,
Als Gatten zu umfangen!
Oft, wenn sie sich aus Sittsamkeit
Aus Rodrichs Arm gerissen,
Wünscht sie doch, einst ihn ungescheut
Nach Herzenslust zu küssen.
Wie oft, indem sie sich besann,
Ob sie zuviel erlaubet,
Ward ihr vom schönen jungen Mann
Manch warmer Kuß geraubet.
Nicht fern von ihrer Vaterstadt,
Wo sich in dichten Bäumen
Manch liebender verlohren hat
In angenehmen Träumen:
Da war ein Hain, wo manche Nacht
Sich Rodrich unbelauschet
Mit Trudchen, wo kein Argus wacht,
In süsser Lust berauschet.
Oft wenn sie durch das Paulusthor
Leis aus der Stadt gegangen,
Stieg mancher Seufzer leis empor
Von brünstigem Verlangen.
Da schleichen sie - still - Hand in Hand
In dichtbelaubte Aeste:
Und Trudchens flüchtiges Gewand
Durchsäuseln sanfte Weste.
Sie flieht vor jedem West davon,
Sie glaubt des Vaters Grämen,
Und seiner Stimme Donnerton
Darinnen zu vernehmen.
Ach Rodrich! dürft ich - - ich wär dein
Trotz Adel und Geblüte:
Ach! möcht ich doch gebohren sein
In einer Schäferhütte!
Es gieng mit Rodrichs Ahnen schief:
Nicht Helm, nicht Speer, nicht Eisen,
Er hatte statt dem Adelsbrief
Ein Herz nur aufzuweisen:
Ein Herz aus feinerm Thon gemacht,
Das nur für Trudchen brennet,
In stiller banger Mitternacht
Nach ihr allein sich sehnet.
Ihr Vater ach! aus dummen Wahn,
Ihr Bündniß zu zerreissen,
Hat einem alten Rittersmann
Sein Töchterchen verheissen.
Es wurde Trudchen kund gethan,
Sie sollte sich bereiten,
Den alten wakern Rittersmann
Ins Ehbett zu begleiten.
Und Trudchen widersetzet sich,
Und wagt es, zu gestehen:
Sie könnte gegen Roderich
Die Untreu nicht begehen;
Sein Herz der reinsten Triebe voll
Sei mehr als Speer und Wappen.
Der Vater schwöret rasend toll
Bei seinem besten Rappen:
Der Schurke der entehret mich,
Ich muß die Schande rächen,
Ich will dem Hunde Roderich
Heut Arm, und Beine brechen.
Als Abends Trudchen leise schlich,
Im Haine ihn zu küssen,
Fand sie schon ihren Roderich
Im Taumel hingerissen.
Er eilt zu ihr voll Zärtlichkeit,
Und unter tausend Küssen
Beklaget er sich, daß er heut
Zu lange warten müssen.
Er mahlt mit starkem Pinsel ihr
Die Unruh seiner Seele,
Wie in Erwartung und Begier
Sein armes Herz sich quäle.
Ach Rodrich! seufzet Trudchen, ach!
Ach! - solltest du es wissen:
Des Himmels Zorn, ach Rodrich ach!
Hat - unser Band zerrissen.
Zerrissen - nein, das hat er nicht:
Gott! der mir dich gegeben,
Wenn Trudchen ihre Treue bricht,
So ende ich mein Leben.
End' es: doch stirb von meiner Hand,
Du Schänder meiner Ehre!
Zerrissen ja ist euer Band
Mit blankem Mordgewehre.
So spricht aus tückschen Hinterhalt
Des tollen Vaters Stimme.
Bald zeigt sich seine Marsgestalt
In ihrem ganzen Grimme.
Er springt auf unsern Rodrich los,
Und schicket seine Seele
Mit einem einzgen Degenstos
Hinab zu Plutons Höhle.
Erstarrt steht Fräulein Trudchen da,
Will noch den Leichnam küssen,
Will es - doch eh sie sichs versah,
Ward sie von ihm gerissen.
Man führt sie mit Gewalt und Zwang
Hinweg von diesem Jammer.
Sie aber weinet Tage lang
Einsam in ihrer Kammer.
Und in der stillen Mitternacht
Schleicht sie vom Gram gewecket,
In schwarzer langer Trauertracht,
Mit einem Flor bedecket:
Schleicht aus des Vaters Hause fort,
In dicht verwachsnen Gründen
Den Hain, und in dem Hain den Ort,
Wo Rodrich starb, zu finden.
Da reisset sie von neuem auf
Des Herzens tiefe Wunden,
Läßt ihren Thränen freien Lauf
In langen schweren Stunden.
Sie weinte tausend Jahre lang
Bis zwischen grünen Büschen
Im heilgen Hain ein Bach entsprang,
Die Gegend zu erfrischen.
Wo ihres Rodrichs Asche ruht,
An der geliebten Stelle
Entstand aus Trudchens Thränenfluth
Die reinste klarste Quelle.
Die Quelle fleust noch durch den Hain:
Ihr langsam traurig Gleiten
Hüllt unsern Geist in Schwermuth ein,
Füllt ihn mit Bangigkeiten.
Die Luft durchsäuselt mancher Laut,
Der tief zu seufzen scheinet,
So bang, als wenn die junge Braut
Um den verlobten weinet.
Denn Trudchens ganzer Körper ward
In Seufzer aufgelöset,
Nicht wie ein Leib gemeiner Art
In seiner Gruft verweset.
Die Seufzer, die sind Körperchen
Dem Aether zu vergleichen,
Die mit den buntsten Fittigen
Die Gegend hier durchstreichen.
Will ich die Thrän' vom schmerzlichen
Benetzten Augen wischen,
So hör ich diese Seufzerchen
Sich in die meinen mischen,
Hier wein' ich, will mein Mädchen mir
Der Liebe Kuß verneinen.
Ich weine - und die Gegend hier
Scheint auch mit mir zu weinen.
Von zärtlicher Melancholie
In Schwermuth hingerissen,
Laß ich müd von des Lebens Müh
Des Kummers Zähre fließen.
Doch nicht allein der Zärtlichkeit
Wein' ich hier stille Zähren:
Ich wein' sie auch der Menschlichkeit,
Wenn Menschen sie entehren.
Wenn über Ungerechtigkeit
Bedrängte Wittwen klagen,
So flieh' ich fort, mein stummes Leid
Den Bäumen hier zu sagen.
Wenn ich auf niederträchtge That
Den Richter trotzend finde,
So eil ich aus der bösen Stadt
In diese werthen Gründe.
Da wein' ich oft beim Mondenlichte,
Wenn schon die Sterne prangen:
Ach! weine - daß die Menschen nicht
Als Brüder sich umfangen.
Daß sie auf ihr Verderben sich
Mit blinder Wuth befleißen,
Und Brüder Brüdern jämmerlich
Das Eingeweid zerreißen.
Daß sie sich ihres Daseins Pein,
Und Drang nicht zu versüssen,
Nicht ihres Lebens froh zu sein,
Sich nicht zu freuen wissen.
Wenn aber alle Menschen sich
In einen Bund vereinen:
Recht innigst, und recht brüderlich,
Dann höre ich auf zu weinen.
(S. 146-159)
_______
Aus: Herrn W. Hann
Vermischte Versuche
in der Dichtkunst
von ihm selbst gesammelt
und mit den nöthigsten Anmerkungen erläutert
Wien gedruckt beo Anton Lorenz Zenz 1782
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wenzel_Hann