Ewige Liebe
Du warst nur immer auf Besuch -
Du warst nie ganz bei mir.
War alles bloß ein süßer Fluch,
Und alles bang und irr.
Dein Herz war nie zu Haus bei mir,
Die Liebe hielt nur Rast.
Mein Glück, mein Leben gab ich dir -
Es war dir bloß ein Gast.
So wie ein Glas, aus dem man trinkt,
Man wieder bald vergißt,
Wie eine Saite, die noch klingt,
Obwohl kein Lied mehr sprießt,
So wie ein halb gelesnes Buch -
Die Tür fiel längst schon zu.
Du kamst nur immer auf Besuch . . .
Du letztes Märchen, du!
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 10)
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An Mary
Blüht an diesem alten Herzen
Noch ein neues Lieben hin?
War bisher nur Trug und Scherzen,
Hatte alles keinen Sinn.
Brach das Herz in tausend Stücke -
Ach was lag schon viel daran,
Du mit deinem süßen Blicke
Fängst die Märchen wieder an,
Kleiner Mai im Schnee geboren,
Lieber Stern im grauen Haar!
War mein Irren nicht verloren,
Weil dein Herz mein Frühling war.
Letztes Rot um welke Gärten -
Kleiner Traum vorm Schlafengehn . . .
Wenn die Zaubermusik rauschet,
Bleibt das Herz für ewig stehn . . .
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 16)
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Der Spiegel
Von all deinen goldenen Spiegeln,
Hat keiner dein Bild so bewahrt,
Als mein Herze, drin ruhst du noch immer,
So schön und unbejahrt.
Da drin wirst du nie verlöschen,
Da hast du kein graues Haar,
Da bliebst du das schönste Mädchen -
Da gibt es kein: Es war!
Doch an mein Herz denkst du nie mehr,
Drin sähst du die liebste Frau:
Da schaust nur mehr in die Spiegel,
Drin du verbittert und grau . . .
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 18)
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Des Sommers erstes, welkes Blatt . . .
Ich wollte dir noch einmal, einmal sagen,
Du warst mein schönster Mai, mein liebstes Glück!
Und immer noch in diesen bittern Tagen,
Denk ich der lieben Märchenzeit zurück.
Was soll das Glück auch lang schon bei uns bleiben . . .
Den Namen schrieb ich, der ins Herz gebrannt!
Ich wollt dir einmal noch viel Liebes schreiben -
Da fiel ein welkes Blatt mir auf die Hand . . .
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 15)
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Lesendes Mädchen
Zu ihren Füßen sank ein Rosenblatt.
Es war des Sommers Glanz und Prunken satt.
Zu ihren Füßen fiel mein ganzes Herz,
Trunken von ihrem Glanz und voll vom Schmerz.
Sie hob das Blatt mit lieber Hand und legt
Es in ein Buch, das oft ihr Herz bewegt -
Mein Herzblatt, doch in seinem Kinderwahn
Sie ging vorbei und schaut es nicht mal an.
Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 19)
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Venus
Armes Spielzeug der Lust -
Heut noch als silbernes Wort
An unsrer Golemsbrust,
Morgen vergessen, verdorrt!
Rausch! schon mit Ekel gewürzt;
Arme Tiere der Lust . . .
Goldener Reiter, der stürzt -
Toter Vesuv, verrußt!
Schatten von Teufel und Gott -
Abfall von Sternen und Meer,
Ewigen Glückes Schaffott -
Wenn nur das Herz nicht wär!
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 20)
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Der liebe Augustin
Mein Herz es klopft, mein Herz es klopft,
Als ob ein Hausknecht Teppich klopft.
Das Herz, der alte Esel bockt,
Das Herz, das alte Pumpwerk stockt,
Mein Herz, es prasselt, rasselt als
Ein altes Fallbeil übern Hals,
Wie Pestgaleerenruderschlag,
Galgenaufzimmern früh vor Tag.
Wer hackt da Holz in tiefer Nacht?
Es ist mein Herz bloß, das so kracht!
Verstorben alle Melodie -
Der Metzger kommt zu jedem Vieh.
Mein Herz, voll Schimmel ganz vergraut,
Hart wie ein alter Klöppel haut,
Wie einer einen Sarg zuklopft -
Unnütz die Not bei Gott anklopft;
So wie ein leckes Schiff hinkeucht,
Wie Rinder würgen, die verseucht.
Das Herz wie eine Hündin weint
Und ist in Wehmut ganz versteint.
Kein Efeu um sein steinern Bild -
Der Trauer Pest zerfraß es wild.
Mein Herz, es schreit, mein Herz, es schreit,
Wie Kinder arm im Sterbekleid.
Mein Herz, es schnarrt wie tausend Narrn,
So wie ein alter Schinderkarrn;
Mein Herz, der arme Totenwurm,
Ächzt wie ein alter Glockenturm . . .
So wie ein Hausknecht Teppich klopft -
Kein Engel, der ihm Balsam tropft!
Das Unglück rauscht, das Unglück rauscht -
Keine Mutter auf deine Schritte lauscht . . .
Wenn's Herz - ach, einmal Ruhe hätt
In deinem alten Puppenbett -
O wär's ein roter Abendtand
In deiner kleinen Kinderhand . . .
Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 22-23)
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Land der Zauberei
Immer in Sehnsucht leben -
Immer zu Tode betrübt;
Immer steht man daneben,
Ewig war man verliebt!
Immer in Sehnsucht verwarten,
Immer enttäuscht und verbrannt,
Draußen vorm Tor und vorm Garten -
Hans ohne Glück, ohne Land!
Ewig in Sehnsucht verkümmern;
Ewiger Gletscher voll Eis:
Himmlisches rosiges Flimmern -
Strahlt ihm die Sonne zum Preis!
Ewig in Sehnsucht leben,
Wenn auch das Leben vergrollt -
Aber die Wunder weben
Teppiche silbern und gold.
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 36)
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Lindenblüten
Sommer . . . schon Zwölf - wer da noch traurig ist!
Wo alle Linden, Birken sich so hold verschenken . . .
Man sinkt berauscht aus süßen Gartenschänken
Und weiß bloß eins, daß alles Zauber ist.
Und plötzlich fallen mir die Mädchen ein,
Die seltsam all ihr Herz an uns verglühten,
So keusch, so zart wie diese Lindenblüten.
O, ihrer Schenkel heiliger Abendschein!
Sie waren keusch, doch ließ die Sehnsucht sie
Auflodern wild wie ein Johannisfeuer -
Und strahlten wild zum tollsten Abenteuer,
Verzuckten sanft wie eine süße Melodie,
So keusch, so zart wie diese Lindenblüten . . .
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 51)
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Liebe am Nachmittag
Wie eine Mutter Strümpfe strickt
Für den verlornen Sohn,
Wie eine Schwester Briefe schickt
Mit Veilchen und mit Mohn.
Wie eine müde Mädchenhand,
Die nächtens bebt und friert,
Wie abgepflückter Blumen Tand,
Die spielend man verliert;
So wie ein altes Puppenstück,
Ein neues Kinderkleid -
So war mein Herz, so war mein Glück,
In all der schönen Zeit.
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 56)
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Die Zecher
Zwei Gäste kamen spät abends,
Als schon ganz weiß mein Haar;
Der eine war wieder die Liebe,
Der andre die Trauer war.
Ich habe sie fürstlich empfangen,
Die Liebe und den Wahn,
Und kredenzt ihnen all meines Lebens
Ganze Schmerzen und Gram.
Und als wir bis morgens gezecht . . . da
Ward plötzlich die Träne zum Glück!
Was mach ich bloß mit so viel Liebe -
Was mach ich mit so viel Glück?
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 65)
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Sehnsucht
So wie die Bienen ganz von selber kommen -
Sie sind es, die die ersten Rosen suchen . . .
Des Herzens Urwald schreit nach deinen Sommern,
Wie müde Kinder um den Heimweg frugen -
Und du willst nie von meiner Schwermut wissen?
Doch an die Rosen glaub ich sehnsuchtsvoll,
Und an die Bienen in der Heimat Linden. -
Ein großes Herz bricht Wände aus Demanten
Und Menschenherzen gibt es schön geschliffen:
Silberne Spiegel, die nur Heilige kannten -
O blüh mein Herz! und alles Andre folgt
Von selber - so wie Bienen auch die Rosen finden . . .
Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 77)
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Weil du endlich da bist
Ach, meine Kammer war ein Henkerskarren,
Das arme Herz lag stündlich am Schaffott.
Da schienen nimmer Sonne, Mond und Sterne,
Da gab es keinen Teufel, keinen Gott . . .
Nun ruh ich aus von all den schwarzen Zeiten -
Ach, meine Kammer ward zum Paradies.
Und alles Leid blühst du zu weißen Rosen,
Und alles Weh singst du zum Kinderlied.
In meiner Kammer ist nun lauter Frühling,
Um meine Kammer glänzt dein Heiligen-Schein.
Mein Herz schluchzt wild wie eine tolle Amsel -
Nun werd ich nie mehr, nie mehr traurig sein!
Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 80)
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Undine
Liebe sieht immer noch das Falsche echt,
Und betet ewig an, was einmal echt -
Und sieht das Blut rot, das seit Jahren tot,
Und fühlt die Hand noch und das letzte Wort;
Und ist wie Wind, der immer weht und spielt . . .
Singt alle Treue aus den Sagen-Büchern -
Liebe bringt stets auch ihre Narren mit;
Wie jene blauen Falter, die dich einst
Für eine Blume hielten und dir hold
In Scharen folgten, weil du zaubervoll
Und lieblich nur wie eine schönste Blume -
Und du nur hast mich erst zur Welt gebracht! -
An deinem Fenster stehn noch meine Rosen.
Auch früher, damals war die Welt mein Zimmer,
Und nun ist deine Kammer mir die Welt -
Des Herzens Ätna glost in Silber-Nebeln,
Das Schiff schäumt schön den heitern Fluß hinab . . .
Und alles Namen wie zur Kinderzeit;
Die Seele einer Birke deine Seele,
Dein schönes Herz ihr grünes leichtes Herz,
Ihr holdes Rauschen, Tändeln, ach dein Leben;
Dein Antlitz, so als sei die Sonne drauf,
Mit einem Veilchenstrauß hold eingeschlafen;
Und alles Leid, wie einer, der versunken
Und tief im Schatten alter Linden sitzt,
Auf deren Blätter lauter Sonne liegt;
So wie ein alter Spiegel, der einst süß
Dein Lächeln, glücklich, hell mir widerspiegelt . . .
Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 92-93)
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Schönes Leben
In deinen Augen lieg ich wie im Bett,
Wenn alles still und wenn man leise betet;
Wie eine reife Beere sanft zur Erde fällt,
So sinkst du mir an's Herz, so reif, so voll,
Bin ich bei dir, ist jeder Tag Geburtstag,
Und Gärten duften wie in Kinderzeiten . . .
Die Biene schwelgt verzückt im Morgentau.
Der Venus goldne Silbertauben girren.
Die Hummeln hängen matt im weißen Klee.
Der Sehnsuchts-Rappe bäumt sich wieder wild.
Ich hab mein altes böses Herz nicht mehr
Ich hab ein andres Herz in meiner Brust
Und muß mich langsam wieder an das Glück gewöhnen.
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 104)
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Abend
Das Leben hat bloß Einsamkeit,
Und manchmal einen Kuß -
Und daß du immer wieder nichts
Als Abschied nehmen mußt.
Der Frühling geht, der Sommer geht,
Und beide kehren wieder;
Doch hat das Glück dich angeweht,
So kommt es niemals wieder.
Bloß eine kleine Melodie,
Die pfeifst du dann beim Wein -
O Rosmarie! o Rosmarie!
Was ließt du mich allein . . .
Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 113)
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Die alte Bank am Bach
Du alte Bank! da saß ich einst mit ihr -
Wie schön und hell war damals doch die Zeit.
Jetzt liegt das letzte Birkenlaub auf dir,
Und bald, ach, bist du wieder eingeschneit.
Denn einmal warst du auch im weißen Kleid,
Und doch war Frühling, denn sie stand bei mir . . .
Du alte Bank! käm einmal noch die Zeit,
Und wär ich wieder glücklich noch mit ihr!
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 116)
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Küsse . . .
Wie Rosen in Champagner schwimmen . . .
Durch meine Adern strömen lauter Gondeln mit Engeln
Und lauter blaugoldne Farben regnen durch mein Blut -
Da hast du wie ein Kind gelacht.
Du warst so schön!
Und doch wirst du heut nacht
Mit einem Andern schlafen gehn . . .
Ach, über dein blaues Kleid
Rollte ein Edelstein,
Kalt und stolz sprang er von deinem Hut,
Am Boden lag er: - ein Tropfen leuchtendes Blut
Von meinem Herzen -
Aus: Haringer Das
Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 118)
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Verlognes Herz
Da lag ein Fetzen lang bei mir herum,
Ich wußte lange nicht von Wem, Woher . . .
Sie hatte nichts als dieses arme Tuch
Und schenkt es mir - weil ihr das Herz so schwer.
Da hockte ich mich hin und schrieb getrost:
Dein Tuch liegt jede Nacht an meiner Brust,
Und wenn ich Armer einmal glücklich war:
Dann war es deine Liebe, deine Lust -
Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 134)
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Verwunschenheit
O Gott! und da mich Keine liebt, die lebt:
Schick eine Tote leise an mein Bett.
Der Frühling findet alle toten Ecken -
Mein armes Herz fand nie ein blauer März.
O schick den Mann im Mond, daß er mit mir
Süß plaudert um der letzten Sehnsucht Feen.
Schick die geringste, ärmste treue Tote -
Schick eine Frau aus andern, dunklern Welten!
Wenn diese große Erde Niemand hat;
O hör mich Heiliger der toten Fraun -
Du Teufel der Gespenster, hör mich doch.
Da dieses Leben keine Hand für mich,
Laß eine Hand aus jenem andern Land
Still in mein totes Leben hinein tasten.
Laß, daß sich leis der alte Bauernkasten
Nun öffnet, und silbern die Weiße Frau
Raus tritt, um mich Verlassensten zu lieben.
Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 141)
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Erste Liebe
Nun bin ich alt. Der Jugendträume Blüten -
Der Herbst des Lebens hat sie längst verglüht;
Nur meines Liebesfrühlings Erste Rose
Noch unverwelkt im armen Herzen blüht. -
Du liebes Kind im rot und weißen Kleide,
Mit braunen Locken; hold und süß und mild
Lächeln mir deine Augen immer Hoffnung . . .
Und immer trag im Herzen ich dein Bild.
Nun bist auch du wohl alt und müd geworden -
Doch jener Mai, so hell und schön und rein,
Ist stets um mich, daß fast ich glauben möchte,
Du müßtest heut noch jenes Mädchen sein.
Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 144)
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November
Geh nicht ganz von mir, geh nicht ganz von mir -
Mein Herz starb für dich, für dich allein,
Blüh wieder grün meine schwarze Tür
Eh ich mich elend verwein.
Magst du auch arm und verlassen sein,
Bist du erst wieder bei mir,
Funkeln die Stern zum Märzfenster herein,
Küssen die traurige Tür.
Aber mein Gott, gib nicht jetzt mir dies Glück,
Laß es erst schnein eh ich scheid,
Wenn mich ein Meer lang kein Veilchen anblickt,
Da keine rosige Zeit;
Ach, dann laß süß an der schwarzen Tür
Den Abend verscheiden wie Gold -
Geh nicht ganz von mir, geh nicht ganz von mir,
Eh mein Leben und Sterben verrollt.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 10)
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Erinnerung
Weiß du noch, mein totes Lieb . . . es war ein Abend im Mai,
Du schlossest den Laden, dein Prinzipal sagte dir gute Nacht,
Wir standen dann bang vor den Schauläden und
wünschten uns Geld wie Heu,
Du kauftest Wurst und Brot, und wir haben alle Welt ausgelacht,
Dann gingen wir zum Stadttor hinaus
in den blühenden Sterngarten,
Du holtest an der Schänke Bier und Zigaretten,
Du konntest nicht die junge Kellnerin erwarten,
Dein lieb's Kinderplaudern wollte mein Leid
in den schönen Abendhimmel betten.
Du träumtest von einem kleinen Bubi, der Marlitt, einem neuen Kleid
Plötzlich bemerktest du im grauen Strumpf ein winziges Loch.
Mein Herz verglühte zu silbern Bergfeuern
an deiner goldnen Mädchenzeit,
In meiner Seele armer Lampe flackerte sommerschwül
deiner Küsse Docht.
Ach, mein Lieb! nun zierst du wohl süß
das Abendrot einem andern,
Ich hatte ja keine Existenz, war so arm,
da ist's doch selbstverständlich, daß man ein Ende macht,
Aber ich werd's nie, nie vergessen,
unser süßes Abendwandern,
Deine heiße Liebe, deine gütigen Worte
in dieser einzigen himmlischen Nacht.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 11)
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. . . du kaufst mir nicht mehr weiße Rosen . . .
Du kaufst mir nicht mehr weiße Rosen,
Die Zeit der Blumen ist vorbei,
Kein Stern erstrahlt uns Hoffnungslosen,
Du kleines Samstagsglück im Mai!
Wie sind wir alt und schlecht geworden,
Kein Vogel singt uns wieder gut,
Sagt niemand mehr uns schöne Worte,
Vorbei der Augen Sommerglut.
O Gott, was blieb uns nichts für'n Winter,
Ach, so ein kleiner Abendbrief,
Wir blieben ja die dummen Kinder,
Weil keiner uns zum Heimgehn rief.
Nun blüht kein Licht mehr durch die Gärten,
Die Musik spielt uns nimmer müd,
O Herz, du toter Gast auf Erden,
Dir blieb kein kleines Mädchenlied.
Ein Leierkasten stimmt mich traurig,
Da denk ich deines Kinderleids,
Nun kaufst du nicht mehr weiße Rosen,
Die Zeit der Blumen ist vorbei.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 17)
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Irene
Eine alte Frau wirst du sein . . . in dorren Fingern,
Müd vom Stricken und Blättern in der Legend'
Hältst du meinen letzten Abendbrief und weinst,
Streichelst irr 's rote Kätzlein. Draußen
Rinnt Regen, denkst an den lustigen Heimweg
Vom Schulhaus und des sterbenden Bruders Lächeln.
Ein alte Frau wirst du sein, und traurig
Der Abendwege denken mit mir zum Thumsee,
Der silbern Alleen zu Salzburg, der weißen Träume,
So blüht ein kleins Wort von mir nun nach vielen Jahren auf;
Eine Güte, die tot war, erwacht zu Kristall und Rosen,
Aber die Bank vor eurem Haus zerbrach, die Vöglein singen
Unsre Seele zu lauter Wehmutsgräbern.
Die Nachmittage schicken uns Totenbrief und Heimweh.
Eine alte Frau wirst du sein, da ich gestorben lang . . . mein letzter
Brief
Blüht in deinen alten Morgenhänden schwarze Abendröten.
Wie lang, mein totes Lieb, wünscht du noch Sterben, klagst
Über der Kinderzeiten Mohn und Veilchensterne.
Ach, wie lieb warst du, wie ein Vorfrühlingshimmel abends um acht,
Manchmal wild wie ein junges Pferd, ein dumms Hündlein.
Nun blühst du wieder wie eine Hyazinthe im Keller,
Und an der Seele zerbrochner Mauer grünt dein goldnes Gras.
Eine alte Frau wirst du sein . . . den kleinen Enkeln strickst du,
Leis trippelst du im alten Garten, sprichst mit Vogel und Hund.
Eine alte Frau wirst du sein und weinen, weinen - und die Tochter
Seufzt zum Mann: laß die Alte . . . sie denkt ihrer toten Liebe . . .
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 18)
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Im Frühling
Da bin ich im Herbst gegangen
Und mein Herz war so fröhlich und blau.
Mädchen vorüber sangen,
Und die Sonne spielt purpurn durchs Laub.
Nun lächeln ins Zimmer die Knospen -
O Mai! ach, ich leb nicht mehr gern,
Und das Gold deiner Hand ist erloschen,
Und mein Herz ist so blind und so schwer.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 22)
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Rondel
Du letzte Sonne, blasser Schelm! Im Zimmer
Weint mich ein ungeträumter Traum zu dir.
Marie, die alte Laube schluchzt noch immer,
Als stände ein lieber Engel vor der Tür.
Du letzte Sonne streichelst unsern Särgen
Kein Knabenrot, kein blaues Maiding mehr,
Dein Schleier kost der Sünden Heimatberge -
Mach uns dies letzte Sterben nicht so schwer.
Marie! Der alte Abend lockt noch immer
Also stände ein lieber Engel vor der Tür -
Du letzte Sonne, blasser Schelm! Im Zimmer
Weint mich ein ungeträumter Traum zu dir . . .
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 23)
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Kuckuckslied
Als wär ich noch ein kleiner Junge,
So lockt der Tag mirs Herz heraus,
Dies Herz, das ach, so oft zersprungen,
Nun ziehst du seine Uhren auf,
Und immer, ewig sie dann schlagen
Von dir und deiner Laune Mohn,
Da wuchs mein Leid zu Gold und Sagen,
Der Sorge Flieder wuchert blond.
Daß so viel Frühlingswünsche schliefen!
Daß so viel Winter Sommer schnein,
Ewig dich Namenlose riefen,
Nun kamst du wie ein alter Wein;
Man trifft ihn oft in kleiner Schänke,
Und später denkt man schmerzlich sein,
Wie einer Liebsten Maigeschenke - - -
Herz! träum nicht, du bist allein . . .
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 48)
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Letztes Liebeslager
Bald hab ich kein Geld mehr,
Dann gehst du von mir,
Ach, wie ist die Welt leer,
Ein' Armenhaustür.
Keine Märzwünsch mehr brennen,
Kein Lied dich mehr gilbt,
Keine Brief dich umrennen,
Schwarzleid dich umstülpt.
Keine Küsse mehr rosen,
Keine Schulter dir reift,
Meerstürm dich zerstosen,
Kein Herz dich umgreift.
Bald hab ich kein Geld mehr,
Ist mein Dorfglück vorbei,
Und das Herz wird bloß kälter,
Vergrämt und wie Blei.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 49)
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Sehnsucht
Und wenn ich so müd und verkümmert bin,
Der Menschen Treiben mich schwärzt,
Wandre ich elend nach Salzburg hin,
Bin wieder knabenverschmerzt.
Grün blühn die Sterne und purpurn der Mond,
Frauen novembern August,
Mädchen zerrosen an Gottes Balkon,
Dämmern in silberner Lust.
Bliebst du doch ewig bei mir so verbannt,
Ach all das andre ward Stein,
Bin ich todwund und so heimatkrank
Blühn deiner Tür'n Zauberein;
Bronnen die Fenster, was tief ich gesucht,
Zithern des Knaben April,
Pflückten die Stunden mich draußen zerflucht
Mohnst du mich herbstlich und still.
Du mein Gebet, mein Gespiel, ach, mein Grab -
Schläferst die glanzlose Zeit,
Rissen auch Menschen und Stern mich hinab -
Du hast's ja wieder verschneit.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 51)
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Das Regenlied
Ich schlaf bei fremder Sommerfrau
Und träum du wärst bei mir -
Ins Zimmer tropft Oktoberblau,
Ich schlaf bei linder Sommerfrau -
Hab Heimweh wild nach dir.
Mein Herz brennt grün und kann nit schrein,
Zerrinnt in Bettlerei,
Erinnrung duftet Winterwein -
Mein Herz brennt rot und kann nit schrein -
Ein Falter lenzt vorbei!
Wie Kinder süß im Totenkleid -
Ein Zweig noch blüht im Glas -
Dein Kuß mir bang Karfreitag bleit,
Wie Kinder süß im Osterkleid -
Wir sprachen dies und das . . .
Ich schreib an fernen Wandersmann
Und träum du wärst am Tisch,
Die Musik weint noch Frühlingswahn,
Ich schreib an guten Schmerzensmann
Und denk ich schrieb an dich!
Am Bett, wo keine Rosen mehr,
Spinnt noch ein Lied von dir -
Mein Fenster bitt dich nimmer her,
Am Sarg, wo keine Astern mehr,
Kniest du und träumst von mir.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 61)
_____
Bußpsalm
Da haben wir das letzte Geld verlumpt,
Schenk mir noch einmal deinen goldnen Mund.
Sing noch ein Lied aus erster Liebe Leid,
Schon schneit uns ein die schwarze Menschenzeit!
Laß uns von Rosen, silbern Festen träumen -
Wir schweigen ja noch unter Lindenbäumen . . .
Du wirst dich nimmer süß zu lieben Blumen bücken,
Mein totes Herz mit goldnen Alpen schmücken,
Ich werd dir nie das schöne Herbstkleid kaufen,
Dich nimmer blau mit alten Sternen taufen.
Wir schwelgen nimmer Auto, grüne Bar -
Kein Gott taut noch ein graues Mai - Es War.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 64)
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Zwei Briefgedichte
I.
So gehn wir fremd aneinand vorbei
Und warn uns so gut einst und warn uns so treu,
Da blickt sich eins nach dem andern um,
Wie ward unsre lodernde Liebe stumm.
Da denk ich der schönen alten Zeit,
Die ganze Welt im Mädchenkleid,
Du armes Lieb, warum ach warum
Ward unser jauchzend Sehnen so stumm,
Hast du vergessen die schwärmende Zeit,
O Lieb, ich spür's, wie dein Herze schreit,
Wie dich das Herbstland traurig macht,
Nun kam für uns beide die lange Nacht,
Wo wir uns schmerzlich der Stunden erinnern,
Unsre Seelen wie Waisenkinder wimmern,
Ach wie ist nun das Leben so bitter und schwer,
Und wie warn unsre Herzen voll Sommer und Stern.
II.
Auch andre Leben rinnen einsam in den Tod.
Ach Gott, wär dieser schwere Tag schon vorüber,
Ein Meer von Tränen über meine arme Seele stürzt,
Ich kann die schöne Zeit, mit dir o Lieb, nicht vergessen,
Eines Baums letzter Apfel fällt . . . hier ist
Das Haus, wo ich einst stundenlang geharrt. Dies
Müde Wandeln heut, o Gott, soll ein Beten sein!
Beim Mondschein, schrei ich dies elende Gedicht. Ein Mädchen
Singt süß in die Nacht, schimmern im Aug
Der Kindheit nie geweinte Tränen auf. Eine einsame Rose
Denkt wie du. Ein Greis
Klaubt spielend Kastanien auf. Ein Eichhörnchen
Zwei Nüsse verliert. In der kleinen Klosterkirche
Bist du wieder, wo
Deine erste Liebe gebetet. Mähd
Uns die Hoffnung . . . ich find keine Himmel mehr im Mirabell.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 190-191)
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Sonett an die Treue
Kind, ich hab schon Lieder auf deine Untreu geschrieben,
Und nun sitzen wir wieder so fröhlich beisammen,
Silbern glänzen uns wieder Gottes sternige Kammern,
Und der alte Mond will wieder sein altes schönes Knabenlied üben.
Orangne Bar, du grüner Trauerampeln blonder Sekt,
Blaues Kinderdonnern brauner Junigeigen -
O Lieb, heut nach Mitternacht wirst du dich so mutterlieb wieder neigen,
O du kleiner Vogel, der im dunkeln Gezweig meiner Seele
verjubelt und Gottes rote Veilchen neckt.
So laß uns einmal wieder Gott und die Welt vergessen,
Sieh, schon rauschen des letzten Sterbens Sommerzypressen,
Einmal laß uns noch dumme Kinder sein und glücklich weinen -
Wenn auch morgen für uns keine Sterne mehr scheinen.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 224)
_____
Die Wiese
Gott meiner ersten Liebe, einmal streu noch letztes Glück.
Sieh! wie dein Wandeln verdämmert.
Leise läutet ein Zug der Schwermut ab.
Kein Vorfrühlingswind harft über die blaue Terrasse des Abendgebirgs.
Gott meiner ersten Liebe, einmal wandle mich wieder zum Kind!
O ihr Spitäler ewiger Mitternacht.
Du Blumenstock des Unglücks.
Blick ich zum Fenster nunter; Verzweiflung regnet.
Kein weißer Sonntag lächelt, kein Kirschenhut
Mit gelben Liedern.
O ihr edlen Toten der Güte des Scheidens,
Kehrt ein in mein rotes Krankenzimmer.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 225)
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Erinnerung an die Agnes Mayr
Nie vergiß, o mein Herz, diesen blauen Vorfrühlingsabend,
Unser erstes Wandeln im Mirabell. Du rettest die Schnecken
An sanfte Wiesen. Der Mond hing über unsre Kinderklagen.
Du sprachst: nicht alle Menschen sind schlecht und tatst
Meine arme Seele wieder von den Toten auferwecken.
Dann wollten wir ins Theater gehn, aber sie spielten nichts Gescheits,
So haben wir uns das Puppenspiel vom Doktor Faust angeschaut.
O von welch edler Anmut warst du im Hotelgarten,
spielst mit magdlichem Reiz!
Ach, deiner Küsse Maigewitter hat all meine zerbrochnen Himmel
wieder schön aufgebaut.
O, und dort drunten an der kleinen Salzachbank,
Wo viel andre Verliebte goldne Küsse verschwuren -
Du warst ein Lied, das Eichendorff oder Johann Strauß
in die schöne Nacht hinein sang,
Aber vom Dom und von Nonnthal schlugen die Mitternachtsuhren.
O wie sanft strich deine Mutterhand über meine heiße Stirn.
Wir wollen morgen eine Wandrung ins Gebirge tun.
Du lächelst verträumt heim. Ach, Gott weiß,
wie bald ich dich wieder verlier . . .
Aber ich lief so glücklich durch die alten Gassen
und pfiff und konnte nicht ruhn.
Also der Tag so silbern anbrach und du weiße Rose
am Fenster gewunken -
O, ich hab wieder Seeligkeiten für graue Jahre des Wehs getrunken,
Ach und am Walde lagerten wir treu und bereit,
Für einander zu sterben in schwarzer und glücklicher Zeit!
Du warst mein Zuhaus, mein grüner Spätsommerabendtisch.
Ich fand auf dieser kleinen Welt kein Versteck als dich,
Aber mein arms Kind, warum hast du deiner Mutter,
deinen Freundinnen mehr geglaubt?
Sie warn ja vielleicht nicht wie ich so voll Tod
und Schwermut bestaubt,
Weißt du denn nicht, wo zwei treue Liebende stehn,
Die muß die böse Welt wieder auseinanderwehn.
Aber im ewigen Angedenken an unsre Lieb die verschneit,
Schreib ich Dir bei verlöschender Lampe
dies armselige Gedicht und mein Herz stirbt vor Leid.
Ich grüße dich, ob dich auch in der Allee,
in einem kleinen Hotel,
In einer Frühlingsbar ein Kommis, ein Schreiber quält.
O vertanz nur blutend unsre Erinnerungen -
Alles, was auf Erden geschah, ist in die Welt hinaus verklungen!
Nichts blieb uns als Traurigkeit und manchmal ein graues Haar,
Das uns vorweint wie schön, wie selig, wie lieb
ein kleins Stündlein mit einem guten Kinde war.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 230-231)
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Die Erdbeeren
Und wenn du vergessen,
Wie oft wir uns nah,
So blick in dein Album -
So bin ich noch da.
Ein schön weißes Blatt
Meinen Namen einsargt,
Und wenn du verbittert,
Weil dies Leben so hart,
So blick meinen Namen -
Dies Blättlein Papier,
Viele Tränen, viele Tränen
Hab'n Platz neben mir -
Und die alten schönen Zeiten
Lächeln traurig dir zu,
Und ich bin schon verstorben
Und lieb dich immer noch, du.
Aus: Die Dichtungen von Haringer
Gustav Kiepenheuer Verlag Potsdam 1926
(Kraus Reprint 1973) (S. 234)
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Opfer des Knaben
Der alte Weidenbaum spielt in der Sommerglut,
Seine müden Hände greifen in ihre goldne Flut
Und die Blätter rauschen traumselig - blühn jung im Tod.
Aber meine Zweige bangen in dunkler Nacht -
Dein Strahl süße Sonne hat sie ja nicht bedacht -
Warum gingst Du von mir wo mein glühend Herz
ich Dir zitternd bot?
Aus: Jakob Haringer Die Kammer
Regensburg Franz Ludwig Habbel 1921 (S. 9)
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Trauer
Trug mir Dein Bild herb befruchtenden Strahl,
Floß auch in lächelnder Wildheit die Qual -
War ganz der Sünde das Letzte geweiht:
Einmal blieb Frühling und jauchzendes Leid!
Blühten die Augen auf tändelndem Grund,
Sang mir Dein Trügnis die Gnade gesund -
Warst Du mein Leben - mein Brot und mein Wein -
Sollst auch im Weh die Erlösende sein.
Aus: Jakob Haringer Die Kammer
Regensburg Franz Ludwig Habbel 1921 (S. 11)
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Lied am Abend für meine Geliebte
Was ist ein Frauenlächeln für seltsam Ding!
Und gibt es Worte für dunkle Zypressen?
Was ist die Sonne - ihr Glauben das Kind umfing,
Was ist ein Frauenweinen für seltsam Ding?
Hast Du die Lieder der Schwermut schon ganz vergessen?
Noch blühn die Flammen im Herzen und sternen das Land
Und suchendes Ringen wächst steilen Bergen vor . . .
O wilder Schein! löst Du die Runen im Sand - -
Soll ich sie klären? Der ich den Weg verlor . . .
Bald bin ich einsam schluchzend vorm goldnen Tor -
Vergessen harrend - wer läßt mich Toten ein?
Aus: Jakob Haringer Die Kammer
Regensburg Franz Ludwig Habbel 1921 (S. 12)
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Für eine Gespielin
O Lieb, beblümte Wege die wir einst gegangen,
Vielleicht umschneeit die Sonne ihre Lauben
Und schöne Kinder springen um die Fahnenstangen.
Aus Deinen Händen flattern weiße Tauben.
Erinnerst Du Dich früher Bergsteigwanderungen?
Im dunklen Busch der Tau uns überraschte.
Ach Blütenlieder süß der Nachtigall entklungen -
Hell tanzt Freund Mond als uns Maimorgen haschte.
O Lieb wir sind verlorn und viele Jahre kamen,
Uns zu bezaubern doch wenn wir erwachten
Sah schale Armut was die wilden Winde nahmen -
Wie schwer sie uns mit grauem Haar bedachten.
Was hätte - war das Schicksal treu - der Tag gespiegelt?
O Sommergärten leis von Gott beschienen.
Schmerzwelten rasten. Glück ja eilt vom Sturm beflügelt;
Die Einfalt sinnt: sie kann das Herz erdienen.
Und Seelen hoffen, achten kaum leer bitterm Hassen -
Lustaugen fiebern matt, unnütz ebbt unser Handeln,
O Lieb könnt ich noch einmal Deine Hände fassen!
Mit Dir die alten Wege wieder wandeln.
Aus: Jakob Haringer Die Kammer
Regensburg Franz Ludwig Habbel 1921 (S. 20)
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Abendlied
Aus Liebe nur ward ich ein Narr.
Der Regen spielt im Dämmerlicht,
O armes Herze brich mir nicht!
Kam nicht viel Lust und Sonnenschein -
Warum mußt Du verschlossen sein?
Schon fällt das Laub, der Nebel singt -
Im Traum verweht mein Tag verklingt -
Aus Liebe nur ward ich ein Narr.
Der Regen spielt. Wär mein Herz gesund,
Sternselig blüht die Trauerstund,
Bald rinnt der Sand zum letztenmal
Durch Rosenbusch und Mondenstrahl.
Ach müde Seele bist nicht bang?
Leis fing ich Dir den süßen Sang:
Aus Liebe nur ward ich ein Narr!
All was ich suchte, was ich fand
Trug bittres Leid schien gleißend Tand -
der Regen spielt im Dämmerlicht,
Du armes Herze brich mir nicht!!
Im Traum verweht mein Tag verklingt -
Schon fällt das Laub - der Nebel singt
Aus Liebe nur - aus Liebe nur -
ward ich ein Narr!
Aus: Jakob Haringer Die Kammer
Regensburg Franz Ludwig Habbel 1921 (S. 25)
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Kinderstunde
Wir sprachen wie uns die Welt betrogen,
Wie sie uns elend und einsam gemacht:
Wir haben uns Beide was vorgelogen
Und uns besser und schlechter gedacht.
Daß wir selig ins Knie gesunken
Ist natürlich, kleins Mädel schau
Und daß wir nicht immer Wein getrunken
Und der Himmel auch nit allweil blau.
Das haben ja alle Hände getragen,
Aber eh mein Herz drüber bricht
Möcht ich Dir gern noch was Liebes sagen . . .
Und ich pflück Dir die letzten Vergißmeinnicht . . .
Aus: Jakob Haringer Die Kammer
Regensburg Franz Ludwig Habbel 1921 (S. 61)
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Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Haringer