Seit sie gestorben
Seit sie gestorben, ist mir Eins gewiß:
Daß es ein Ewiges muß geben;
Denn über meines Herzens Riß
Fühl' ich ein ew'ges Leiden schweben,
Seit sie gestorben.
Seit sie gestorben, bin ich stolz und kühn: -
Ich weiß es nun, was Herzen tragen;
Was sind mir fürder alle Mühn?
Was gibt es ferner noch zu wagen,
Seit sie gestorben?
Seit sie gestorben, lebt im Herzen mir
Ein Bild der heiligsten Verklärung,
Bin ich ein Baum, den für und für
Die Heil'ge schützet vor Zerstörung,
Seit sie gestorben.
Seit sie gestorben, ist ein fester Wall
Von Einsamkeit um mich gezogen:
Vergebens ist der Ueberfall
Der Freuden, die mich rings umwogen,
Seit sie gestorben.
Seit sie gestorben, hat die tiefste Ruh
Sich heimisch in mein Herz gesenket,
Die Seele schließt die Augen zu
Und ahnt und träumt mehr, als sie denket,
Seit sie gestorben.
(Band 1 S. 7)
_____
An Therese
1.
Uns trennen keine
Fernen, keine Meere,
Und keine Lasten eines harten Spruchs -
Uns trennt das Leben mit der ganzen Schwere
Des hergebrachten, alten, schalen Fluchs.
So bleibe du in deines Hauses Kreisen,
In seiner frommen Stille schlummre du!
Ich will die Welt kometenhaft durchkreisen
Und fliehn und kommen, ohne Rast und Ruh.
Du bist das Gold, das zwischen Felsenrissen
Ausgespendet durch die Nacht sein mildes Licht;
Ich bin das Eisen, das, zum Dolch geschliffen,
Ins Feindesherz auf seiner Irrfahrt bricht.
So lebe wohl! Ich sehe bald dich wieder!
O, daß der Trennung Weh ich fühlen muß,
Daß mir im Herzen klingen Scheidelieder
Bei jedem Wiedersehn und seinem Kuß!
Enträthselt ist mir nun die alte Klage
Vom tiefsten Weh im höchsten Liebesglück:
Du gabst mir goldne, glückdurchstrahlte Tage -
Nun sie entflohn, bleibt Nacht und Schmerz zurück.
2.
Ich liebe dich, und
Das ist Alles,
Was dir mein Herz gestehen kann.
Ich rede kurz, - ich bin ein Mann,
Was braucht es auch des längern Schalles!
Und noch zu viel - o, könnt' ich schweigen
Und mich verschließen fort und fort
Und dir aus keinem einz'gen Wort
Das Innre meines Herzens zeigen.
Wild ist der Sturm und wild mein Leben
Und trüber, als es ahnt dein Herz;
Ach, groß genug ist schon dein Schmerz,
Was sollst du noch für Andre beben?
So ruheschön wie eine Hütte
Ist selbst im Leid dein Herz zu sehn.
Es soll auflodernd nicht vergehn
In meiner Liebe Flammenmitte.
Und nie verzieh' ich's meinem Herzen,
Wär' ich's, der frech heraufbeschwört
Den Geist, der dich unwürdig stört
In deinen großen heil'gen Schmerzen.
(Band 1 S. 9-10)
_____
Wiedersehen
Ich sehe dich wieder
So schön als je,
Nach Jahren wieder
Mit gleichem Weh.
Die Wange bleicher
Von Leidens Hauch;
Dein Herz ist weicher
Und meines auch.
Dieß Aug, das wilde
Gebrannt in Gluth;
Wie Sterne milde
Es glänzt und ruht.
Der Mai verschwunden,
Des Lebens Mai;
Doch seine Wunden
Sind auch vorbei.
Was wild geschieden,
Kommt still zurück
Mit Ruh und Frieden
Als sanftres Glück.
Wohl ist es bleicher,
Wie dein Gesicht,
Doch labungsreicher,
Wie Abendlicht.
Ich hab' dich wieder
So schön als je -
Nach Jahren wieder
Mit sanfterem Weh.
(Band 1 S. 10-11)
_____
An die Todte
Ich möchte bitter weinen,
Daß du gestorben bist;
Und doch will es mir scheinen,
Daß es so besser ist.
Es wär' dein schöner Glaube
Zerfallen in der Welt,
Gleichwie im Herbst zu Staube
Des Frühlings Rose fällt.
Dich hätte jeder Kummer
Leicht wie ein Rohr gebeugt;
Wohl dir in deinem Schlummer,
Wo selbst das Träumen schweigt!
Von meinem heißen Lieben,
Das nun für ewig dein,
Wär' nur dir übrig blieben
Des Treubruchs Schmerz allein.
Ich möchte bitter weinen,
Daß du gestorben bist;
Und doch will es mir scheinen,
Daß es so besser ist.
(Band 1 S. 11-12)
_____
Von Ihr
Fern von Gottes Herzen,
Ihrem Heimatland,
Ist die Seele einsam
In die Welt gebannt.
Ein geheimes Trauern
Winkt ihr himmelwärts,
Aber sie verstehet
Nicht den eignen Schmerz.
Bis das Lied des Himmels,
Bis sich niedersenkt
Liebe - und die Sehnsucht
Nach der Heimat lenkt.
Liebe ist der Seele,
Was dem Alpenkind
Der verlornen Berge
Ferne Lieder sind.
Darum ist der Seele
Einz'ge Ruhefrist,
Wenn sie ruht, wo einzig
Ihre Heimat ist.
(Band 1 S. 12-13)
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Doppelter Frühling
So will es mir wieder
Das Herz zersprengen
Mit Licht und Blüthe
Und tausend Gesängen?
Den ganzen Himmel
Mit Mond und Sonne,
Den ganzen Wald
Mit singender Wonne,
Den rauschenden Strom
Mit schäumender Welle,
Den lachenden Berg
Mit lächelnder Quelle -:
Wie soll sie nur alle
Das Herz umfassen,
Die kaum vom Himmel
Sich bändigen lassen?
So will es mir wieder
Das Herz zersprengen
Mit Licht und Blüthe
Und tausend Gesängen?
Zu tausend Gesängen
Und Licht und Blüthe
Kommt noch ein Drängen
In meinem Gemüthe.
Zwiefachen Lenz
Wie kann ich verschmerzen?
Den Frühling auf Erden,
Die Liebe im Herzen?
(Band 1 S. 13-14)
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Fons amoris
So tief ist der Liebe Bronnen,
Daß ihn völlig auszutrocknen
Nicht vermag der Strahl der Sonnen.
So tief ist der Liebe Bronnen,
Daß kein Meister noch den Abgrund
Seiner Tiefe hat ersonnen.
So tief ist der Liebe Bronnen,
Daß er in den Millionen
Bächen noch nicht ausgeronnen.
Mich gemahnt aus alten Tagen,
Wie des Liebesquells ich denke,
Eine lieblichste der Sagen.
Einst - es war in alten Zeiten,
Eh man sah der Liebe Meister
Ueber diese Erde schreiten -
Einstens an der Wüste Schwelle,
Im gelobten Morgenlande,
Glänzte eine Wunderquelle:
Wer da kam mit frommem Willen,
Sieh, dem sprang sie froh entgegen,
Und es konnt' die Krüge füllen.
Aber die der Wundergabe
Nicht geglaubt, die wurden nimmer
Theilhaft ihrer süßen Labe.
Täglich kamen da in Zügen
Mädchenschaaren aus den Zelten
Mit den hohen Wasserkrügen.
Einstens, sieh, da war verschwunden
Jeder Tropfen, als sie wieder
Kamen in den Abendstunden.
Und sie sprachen: "Seht, die Quelle
Ist versickert, und sie sprechen
Von der ewig frischen Welle."
Fürder sprachen sie: "Den Gluthen
Heißer Sonne sind erlegen
Die gepries'nen Wunderfluthen."
Und sie sprachen dann zum Dritten:
"Will vielleicht die Stolze, daß wir
Um ihr bittres Wasser bitten?"
Und sie stellten lachend nieder
Ihre Krüge und begannen,
Laut zu singen häm'sche Lieder.
Und sie tanzten hin und wieder,
Unbedacht, daß in den Zelten
Durstig harrten ihre Brüder.
Doch ein Greis, der an dem Bronnen
Saß, um seine alten Glieder
In des Abends Strahl zu sonnen,
Sprach zu ihnen: "Eure Seelen
Sind des Trankes nicht bedürftig,
Denn er würde nimmer fehlen."
Kaum hatt' er es ausgesprochen,
Sieh, da kommt ein müder Pilger
Aus der Wüste hergekrochen.
Matt zu Tode läßt er sinken
Seine Glieder, und er beugt sich,
Sehnend aus dem Quell zu trinken.
Sieh, aus tiefem Grunde springt es
Frisch hervor, wie junges Leben,
Und wie Liebeslieder klingt es.
Und die Mädchen, näher tretend,
Sehn's und fallen staunend, gläubig
Auf ihr Antlitz nieder, betend.
Wie aus einem Trinkpokale
Sprudelt es hervor mit Rauschen
Und ergießt sich in die Thale.
Und am andern Morgen blühet
Jede Stelle in der Wüste,
Die noch gestern war verglühet:
Wo der Quell den Sand nur küßte,
Sproßten Blumen aus dem Boden,
Und verschwunden war die Wüste.
(Band 1 S. 146-148)
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Verdacht
1.
In deinem Herzen
ruht Verdacht,
Und deine Seele ist gekränket
Wie eine Blume, die die Nacht
Mit einem bösen Thau getränket.
Du glaubst mir nicht - du traust mir nicht! -
O, sprich es aus, das Wort der Klage!
Und deine Seele wird am Licht
Genesen wie die Blum' am Tage.
Ein Wölklein machet im Revier
So traurig alle Bäume flüstern -
Ein Wölklein zwischen dir und mir
Kann mir die ganze Welt verdüstern.
2.
Sie sprach es aus,
das Wort der Klage,
Dann lag sie weinend mir am Herzen,
Dann folgten glückbeseelte Tage
An Wonnen reich und sel'gen Schmerzen.
So schickt der Himmel seinen Regen
Herab mit klagender Geberde,
Doch seiner Klage folgt der Segen
Und folgt der Frühling auf der Erde.
(Band 1 S. 188)
_____
Intermezzo
(Tagebuchblätter)
Hat je ein Herz
so heiß geliebt wie meines?
Ich glaub' es wohl - reich ist der Götter Huld.
Gelitten doch durch schmerzliche Geduld,
Durch Mißtrauen, Furcht, durch fremd' und eigne Schuld,
Durch Trennung, Eifersucht - das hat wohl keines.
(Nach Gaston de Foy)
An *
(Als Widmung der "Schatten")
Du hast noch nicht
den stillen Mann vergessen,
Den du gekannt, geliebt im fremden Land,
Dem es genügte, wenn er durfte pressen
Die heiße Lippe auf die theure Hand -
Für den Glück voll Tiefen unermessen
Dein Anblick war, so oft er vor dir stand,
Der dich als Lohn für Alle auserkoren,
Was er, der Menschheit lebend, schön verloren.
Durch dich gewann ich meine Heimat wieder,
Die bis dahin mir unersetzlich schien -
Umweht vom Klange deiner süßen Lieder,
Lernt' ich zuerst dem alten Gram entfliehn -
Die "goldnen Eimer" gingen auf und nieder,
Die aus der Brust verborgne Schätze ziehn -
Mich selbst erkannt' ich, weil ich dich erkannte,
Und mich besaß ich, weil ich mein dich nannte.
Du gabst mir neu des Liedes Macht zurück;
Ich weiß, wozu? - um Kränze zu erwerben
Und dich zu krönen mit des Ruhmes Glück.
Bald wird mein Dasein neuer Frühling färben;
Zusammentrag' ich emsig Stück für Stück
Die blühnden einst, jetzt todten Blumenscherben,
Und neu beginn' ich meines Lebens Mühn -:
Bald wird es blühn, für dich allein nur blühn.
Nicht darf ich deinen theuren Namen nennen,
Mein Hoffen wäre dann zu schnell verflossen,
Zu heiß auch würde meine Lippe brennen,
Die Lippe, die du küssend mir geschlossen.
Was soll es auch, das jubelnde Bekennen?
Hat denn das Glück mitfühlende Genossen?
Ein heil'ger Klausner ist es, gleich dem Leiden,
Und freudig will mit dir die Welt ich meiden.
So bleibe treu! - Ich schlinge in Gedanken
Den Arm um deinen Leib und drücke fest
Dein Haupt an mich - und wenn auch Thränen sanken
Auf deine Stirn - erschrick nicht - nur ein Rest
Sind des Gefühls sie, jenes wehmuthskranken,
Der Hoffnungsarmuth, die nicht ganz mich läßt.
So halt' ich dich - jetzt mag die Welt zerbrechen -
Ich halte dich und halte dein Versprechen.
(Band 1 S. 197-198)
(Paris, den 1.
Dezember 1850)
Denk' ich daran
- mich faßt ein Schauer -
Gekommen ist es und gegangen -
Gekommen mit der Liebe Prangen -
Gegangen mit der Täuschung Trauer -
Ein dichtes Lied soll drüber hangen.
I.
Präludium
Was ich gefühlt bis
zu der Stunde,
Da ich, du Holde, dich erkannt -
Das Ahnen war's nur einer Wunde,
Ein Stammeln nur aus Kindermunde -
Ein Feuer war's, das nicht gebrannt.
Und was ich sang in alten Zeiten
Vom Loos, das mir in Liebe fiel -
Es war ein leichtgesinntes Gleiten
Hin über die geweihten Saiten
Von einem heil'gen Harfenspiel.
Mein Lied, es war der Liedergeister
Vorüberwehnde, flücht'ge Gunst -
Nun greif' ich in die Saiten dreister,
Ich weiß, ich bin ein sichrer Meister
Der Liebes- und der Liederkunst.
(Band 1 S. 199)
II.
Mich drücket eine
Sorge:
Ob dein ich werth? -
Ob ich von dir nicht borge,
Was mich vor mir verklärt?
Doch bring' ich Dank, du Holde,
Dir gern zurück -
Ich strahl' in deinem Golde,
Mein Licht, mein Tag, mein Glück!
Wie eine Wolke bin ich,
Die Licht durchquillt -
Auf stille Lieder sinn' ich,
Sie tragen all' dein Bild.
Daß sie als fromm mich kennen -
Du thatest Das -
Daß sie jetzt gut mich nennen -
Du nahmst mir allen Haß.
O, welch ein neues Leben! -
Wie ein Gebet,
Das mit entzücktem Beben
Durch unsre Seele geht.
(Band 1 S. 199-200)
III.
Wie in den ersten
Jugendtagen,
So frisch, so wohl ist mir zu Muth -
Wie lustig, ha, die Pulse schlagen,
Wie gährt und schafft und treibt mein Blut!
Mir ist's, als wie der Birk im Maien -
Es locht in Wurzel, Zweig und Schaft,
Der Lenz in ihr will sich befreien,
Der süße Wein aus seiner Haft.
O, könnt' ich brechen und zersprengen
Die Rinde, die mein Herz umzieht,
Könnt' ich hinaus den Frühling drängen,
Als Blut, als Liebe oder Lied!
(Band 1 S. 200)
IV.
Du meine Rose,
holdes Ja,
Das ich von ihr empfangen,
Als ich vor mir sie stehen sah
Mit schamgefärbten Wangen -
Du meine Rose, fahl und todt
Liegst du vor mir zur Stunde
Und sprichst von deiner Todesnoth
Mit krankem, blassem Munde.
Stirb hin, stirb hin - vergänglich sind
Der Liebe süße Zeichen,
So magst auch du, wie Fromme, lind
Vergehen und verbleichen.
Vergänglich ist jedweder Kranz,
Des Lenzes Blüthentriebe -
Vergänglich ist der Frühling ganz -
Unsterblich ist die Liebe!
(Band 1 S. 201)
V.
O, spiel mit
Grabgedanken nimmer,
Sie sind dir fremd und unbekannt -
Die Welt mit ihrem heitern Schimmer,
Sie ist dein wahres Vaterland!
Du gleichest nicht der Trauerweide,
Die thränend sich auf Gräber senkt -
Du bist ein Baum im Frühlingskleide,
Der Blüthenfreudenbanner schwenkt.
Du gleichest nicht der Leidensblume,
Die aus betrübtem Boden stammt -
Du bist im Frühlingsheiligthume
Die Rose, die zum Himmel flammt.
Froh mußt du durch das Leben wandern,
Ein doppelt Glück in deiner Brust -
Das eigne Glück und das des Andern,
Den ich beneide schmerzbewußt.
Dich kann die schöne Welt nicht missen -
Gestöret wär' ihr reiner Klang,
Wie einer Harfe, der zerrissen
Nur eine einz'ge Saite sprang.
Darf denn dem Lenz die Rose fehlen? -
Die Perle dem urheil'gen Meer? -
Wie traurig wären unsre Seelen,
Gingst du nicht unter uns einher.
(Band 1 S. 201-202)
VI.
Was soll dieß
Sehnen?
Was sollen die Thränen? -
Ich bin's nicht gewohnt!
Die weichen Gefühle,
Dieß wogend Gewühle -
Ich bin's nicht gewohnt!
Hin durch die Wälder,
Quer durch die Felder
Zieh' ich im Morgendampf -
Wild im Walde,
Thier auf der Halde,
Euch künd' ich Krieg und Kampf.
Hart will ich scheinen,
Leben im Sause,
Mag ich auch weinen
Stille zu Hause.
Haß will ich schieben
Vor Wort und Geberden:
Und doch mag auf Erden
Keine Seele so lieben.
(Band 1 S. 202-203)
VII.
So liebend strahle
dein Geschick
Auf dich hernieder wie mein Blick;
Daß es so viel des Glücks dir gönnte,
Als ich durch dich besitzen könnte.
(Band 1 S. 203)
VIII.
Du leichter Kahn,
mein Herz, mein Herz,
Ich hielt dich für ein starkes Schiff,
Gewaffnet gegen Sturm und Riff;
Jetzt treiben mit dir ihren Scherz
Und wiegen dich die Liebeswellen,
Die wild und wilder dich umschwellen.
Bin ich auch nicht der feste, starke,
Der Lootse auf der leichten Barke,
Halt aus und steure hafenwärts -
Mein ganzes Glück und meine Ruh
Und meine Zukunft schaukelst du,
Du leichter Kahn, mein Herz, mein Herz!
(Band 1 S. 203)
IX.
Und kommst du nicht
am Tage,
So komm im Traum zu mir;
Gewiß, gewiß, ich sage
Dir tausend Dank dafür.
Komm immer so wie heute,
Da ich entschlummert kaum,
Wie holdes Brautgeläute
Erklang mein ganzer Traum.
Wohl sind noch meine Lider,
Wie ich erwache, feucht -
Doch komme immer wieder:
Vor Glück weint' ich vielleicht.
Ich fleh' es, wie mit Kosen
Der Nachtigall Gebet
Vom jungen Frühling Rosen
In kalter Nacht erfleht.
O, komm mit aller Plage,
Die du mir schon gebracht,
Und kommst du nicht am Tage,
So komm im Traum der Nacht.
(Band 1 S. 204)
X.
Ich sah das Meer
von jeglichem Gestade,
Dort, wo es wild sich gegen Scheeren bäumet,
Wo's um Atlantis, das versunkne, schäumet,
Wo's um die Grotte lispelt der Najade.
Doch dieses hier, das von dem Dünenpfade
Bescheiden nur und schmucklos ist umsäumet,
Das schönste ist's, wie meine Seele träumet,
Dieweil es dir gedienet hat zum Bade.
So war geliebt von Hellas' freud'gen Söhnen
Der Strand von Naxos, der auch schmuckberaubte,
Weil er einmal die Schönste sah der Schönen.
Und wenn, wie ich, die Welt an Schönheit glaubte,
Sie würde diesen Strand mit Tempeln krönen
Und stehn vor dir mit tief gebeugtem Haupte.
(Band 1 S. 204-205)
XI.
Du kamst zu spät -
trotz deiner Hoheit Glanz
Wird dir genug der Huld'gung nicht gezollt;
Jahrtausende sind seit der Zeit entrollt,
Die deine Huld verstanden hätte ganz -:
Seit jener Zeit, die wie ein Rosenkranz
Ums Haupt der Weltgeschichte strahlet hold,
Der Zeit, die uns die Zeit nur heißt von Gold,
Der Zeit des Perikleischen Griechenlands.
In marmornen Arkaden von Athen
Seh' ich dich thronen, von dem Volk verehrt,
Das nicht wie wir mit stumpfem Aug gesehn.
Schönheitssophisten seh' ich dir bekehrt,
Um deinen Thron die Jünger lauschend stehn
Des Weisen, der der Anmuth Regeln lehrt.
(Band 1 S. 205)
XII.
Das schönste Lied
ward nie gesungen,
Die schönste Wahrheit nie gesprochen:
Wohl dürfen Herzen stürmisch pochen,
Doch schweigen müssen unsre Zungen.
(Band 1 S. 205)
XIII.
O, eile nicht so
schnelle
Von uns, so schroff und kalt,
Hat denn des Lebens Welle
So zwingende Gewalt?
Darf Liebe nicht befehlen?
Muß sie ihr Glück sich stehlen?
Des Frühlings Rose eilet,
Der Stern versinkt in Nacht -
Doch das Bedauern weilet,
Die Thräne rinnet sacht.
"Leb wohl!" ist leicht zu sprechen,
Doch Herzen können brechen.
Und bist du nicht zu halten,
Du Stern, in deinem Lauf,
Dann ruf' ich die Gewalten
Des Himmels zürnend auf,
Daß sie dich ohn' Erretten
An unsre Nähe ketten.
Rauscht nieder, Wolkengüsse,
Zerwühlet Weg und Bahn,
Braust auf, ihr Ström' und Flüsse,
Zerreißet Brück und Kahn,
Die wollen ohne Rühren
Die Theure uns entführen.
Verlisch, o Sonnenhelle,
Dann bleibt ein Stern der Nacht,
Du schauriger Geselle,
O Winter, komm mir Macht -
Uns rettet dein Getose
Zum ersten Mal die Rose.
(Band 1 S. 205-206)
XIV.
Leb wohl, leb wohl!
auf Wiedersehn!
Der Regen fällt, die Stürme wehn,
Die Thräne sinkt, der Gram erwacht,
Mein ganzes Glück versinkt in Nacht -
O Gott, wie kannst du von mir gehn!
Verlaß mich nicht! - vergiß mich nicht!
Du bist mein Tag, du bist mein Licht,
Du meine Zukunft und mein Kranz,
Du bist mein Herz, mein Leben ganz,
Du bist mein herrlichstes Gedicht.
Was soll ich noch auf Erden hier?
Was soll ich noch, getrennt von dir?
O höre, höre das Gebet,
Das meine tiefste Seele fleht:
Verlaß mich nicht und bleibe hier!
(Band 1 S. 207)
XV.
Ich muß es dir
nicht laut erst sagen,
Was du an meinem Blick erkannt,
Erkannt an meines Herzens Schlagen,
Am zagen Drucke meiner Hand.
Nicht gerne sprech' ich heil'ge Worte,
Die schon entweihend Jeder schwor:
Ist auch versperrt des Tempels Pforte,
Doch bricht das ew'ge Licht hervor.
Das Eine nur vernimm und glaube,
Du Zweiflerherz, das nicht vertraut,
Laß froh die Blume blühn und raube
Den Lenz ihr nicht, der sie bethaut:
Ja, ich bekenn' es, daß schon wilde
Gefühle mich durchtobt, durchgellt,
Und daß manch jugendlich Gebilde
Mir schon zu Füßen liegt zerschellt.
Doch Alles, was bis jetzt ich fühlte,
War wie ein hinterlist'ger Bach,
Der unter mir den Grund durchwühlte
Und meiner Jugend Wurzeln brach -
Ein Katarakt, der wild betäubend
Sich stürzte in sein schnelles Grab,
Und brausend, perlend, rauschend, stäubend,
Doch keinen Regenbogen gab.
War wie ein Sturm, der durch die Blüthen
Erst sanft, wie Schlummerlieder, kreist -
Dann aber plötzlich und mit Wüthen
Das Dach von meiner Hütte reißt.
Und jetzt, du Theure, wie verschieden,
Wie anders ist's, wie ruhevoll,
Wie reich an unbegränztem Frieden,
Wie fern von allem Sturm und Groll.
Was jetzt die Seele mir beweget,
Ist wie der See - so tief und klar -
Dort bleibt es sicher eingeheget,
Dort bleibt es leuchtend - immerdar.
O, könnte man's den Andern weisen,
Und könnt's ein Menschenauge schaun,
Sie würden seine Schönheit preisen -
Du aber kannst hier Hütten baun.
Ich schwöre nicht, weil ich nicht schwöre,
Daß heilig sei, was heilig ist,
Daß ich mir selber angehöre -
Weil du es weißt, was du mir bist.
Nur wenn ich trüb von dir mich wende
Und geh' in meine Einsamkeit,
Leg' ich aufs Herz die beiden Hände,
Und jeder Pulsschlag ist ein Eid.
Und wenn ich dann dich wieder sehe,
Wenn ich von fern' dich schaue nur,
Ist jeglicher Moment ein Wehe,
Und jedes Wehe ist ein Schwur.
Ob ich dich je besitzen werde?
Ich frage nicht! - was liegt an mir?
Dir aber leuchte diese Erde -
Ich, Theure, ich gehöre dir!
(Band 1 S. 207-209)
XVI.
Wie ein Ruf von
einem Sterne
Klang dein Lied, das seelenvolle, mir,
Und ich folgte diesem Ruf, und ferne
Liegt die Erde hinter mir und dir.
Nicht beklag' ich's, daß ich sie verloren,
Karges Glück entschwand mir nur mit ihr;
Aber du, der ich mich zugeschworen,
Gib jetzt Seligkeiten mir.
(Band 1 S. 209)
XVII.
Du sagst, ein Jahr
ist bald dahin. -
Bedenk des Wortes trüben Sinn.
Die Monde fliehen wohl, die Jahre,
Doch Liebe auch, die wandelbare.
Das Jahr, das einst in Blüthe stand,
Das Jahr wirft Eise an den Strand,
Sieht Blumen blühn und sich entfärben
Und Herzen lieben und ersterben.
Doch nein! Du kommst mir treu zurück:
Zu deiner Heimat, deinem Glück
Wirst du von heil'ger Macht getrieben -
Und Dieses alles ist mein Lieben.
(Band 1 S. 209-210)
XVIII.
Ich strebe nach
Ruhm, um dich zu kränzen,
Ich dürste nach Glück, um dich zu beglücken,
Ich schmachte nach neuen Jugendlenzen,
Um dich mit ihren Blumen zu schmücken.
Ich möchte einherziehn vor deinen Pfaden,
Um ihre Dornen aufzulesen -
Ich möchte mit allem Leid mich beladen,
Daß du von jedem mögest genesen.
Doch weh dem Geschick! - in Einsamkeiten
Vergeh ich mit meinem Wünschen und Sehnen.
Ich darf für dich nicht tragen und streiten,
Ich habe für mich nur heimische Thränen.
Wie gerne mit dir auf einsamem Kahne
Fortzög' ich hinaus - wie gerne, wie gerne! -
Allein auf leuchtendem Ozeane,
Geleitet nur von dem Liebessterne!
(Band 1 S. 210)
XIX.
Ich stolzer Mann!
seit Jahr und Jahren
Hab' ich mich stark und fest gewähnt -
Mein altes Herz, das viel erfahren,
Hat sich gequält nicht und gesehnt.
Der Menschheit hatt' ich mich verschrieben,
Ihr großes Leiden war mein Leid,
Allein die Menschheit wollt' ich lieben
Und leben nur in ihrem Streit.
Gerüstet mit dem schönen Zorne,
Hinstrebt' ich nach dem Einen Ziel -
Geschmückt mit meinem Kranz von Dorne,
So zog ich schweigend ins Exil.
Wie einsam war ich, wie verlassen,
Wie wehte rauh des Schicksals Wind
Auf meinen menschenleeren Straßen!
Da fand ich dich, du theures Kind.
Du standst an meinem Pfad, o Blume,
Und tief zu dir herabgebückt,
Als wie vor einem Heiligthume,
Sprach ich: Beglückt, wen sie beglückt!
So blickt der dunkle Schwan der bleichen
Seelilie in die Augen tief,
Die aus geheimnißvollen Reichen
Die Sonne in den Frühling rief.
O, dieser Tag! - er sei gesegnet,
Gepriesen sei er tausendmal!
Mit ihm ist mir mein Glück begegnet,
Mein Glück mit aller seiner Qual.
O, laß mich ewig dran gedenken,
Wie Alles sich so schön begab;
Wie Taucher sich zur Perlen senken,
Sink' in Erinnrung ich hinab.
Ein Abend war's - ich trat ins Zimmer -
Da war von Fraun ein schöner Kranz -
Doch mir verschwand ihr ganzer Schimmer,
Mein Ostertag, vor deinem Glanz.
Geheimnißvoll an dich gebunden,
Gebannt durch deinen dunklen Blick,
Hab' ich es schnell und tief empfunden,
Daß mir begann ein neu Geschick.
Ein neues Leben, neuer Kummer,
- Der Kummer, der das Glück enthält -
Aufsprang mein Herz aus seinem Schlummer
Und sah, daß schön sei diese Welt.
Des Augenblicks, des tiefgetränkten,
Auch du empfandest seine Macht,
Und deine blassen Lider senkten
Sich still vor deines Auges Nacht.
Zum Freunde kehrt' ich mich mit Fragen,
Zugleich die Freundin fragtest du -
Ich fragte schon mit Furcht und Zagen -
Und du? - du fragtest nicht mit Ruh.
Dann sangest du - o, nicht verhehle,
Daß mir du sangst von Glück und Schmerz -
Aus meinem Busen floh die Seele
Und küßte dich auf Lipp' und Herz.
Mir klang dein Lied wie eine Mahnung,
Daß liebeleer mein Lenz verrann,
Zugleich wie hoffnungsreiche Ahnung,
Daß ich noch glücklich werden kann.
Der Winter schmolz, das Eis zerthaute,
Ich wußte nicht, wie mir geschehn,
Und als ich dir ins Auge schaute,
Sah ich den Frühling auferstehn.
Was waren all die Huldigungen,
Die dir die Andern dargebracht -
Für sie war nur ein Lied erklungen,
Mir Auferstehung aus der Nacht.
Die Freunde kamen dann und riethen,
Nicht kalt vorbei zu gehn, wo klar
Die Götter mir ein Schicksal bieten,
So schön, so reich, wie keines war.
Verblendete, die nicht bedachten,
Daß, unberührt vom ganzen All,
Geheimnißvoll in tiefen Schachten
Sich einsam bildet der Krystall.
(Band 1 S. 210-213)
XX.
Dunkle Augen,
Blasse Wangen -
In den Augen
Zitternd hangen
Weiche Zähren -
Süß Begehren,
Sie, die süßen,
Aufzuküssen,
Füllt mein Herz.
Laß sie sinken
Ohne Reue -
Laß mich trinken
Deiner Treue
Flücht'ge Zeugen -
Laß mich beugen
Auf dich nieder -
Ach, wann wieder
Küss' ich dich? (Band
1 S.
213)
XXI.
Geh hin, geh hin!
Mein frommster Segen
Zieht pilgernd fort mit dir ins ferne Land;
Wohin du kommst, auf allen Wegen
Legt er aufs Haupt dir seine weiße Hand.
Du schläfst - er wacht an deinem Bette,
Du wachst - er folgt dir als ein Cherub nach,
Du betest - und die schwere Kette
Des Grames bricht: - er war es, der sie brach.
Dich drücket Schuld - er hat Erbarmen,
Du klagst dich an - er mildert deine Reu,
Du wankst - er hält dich in den Armen,
Du wirst mir treulos, und er bleibt dir treu.
(Band 1 S. 214)
XXII.
Welche Mißgunst hat
zur Plage
Armer Liebe dich erdacht?
Welcher Gott erschuf dich, sage,
Nacht der Trennung, lange Nacht?
Ohne Mondlicht, ohne Sterne,
Ohne Lied der Nachtigall,
Drückt auf alle Näh' und Ferne
Deiner Nebel dunkler Schwall.
Ungesehn und still wie Geister,
Die von Stern zu Sterne ziehn,
Wandelt nur die blasse Sehnsucht,
Leise klagend, her und hin.
(Band 1 S. 214)
XXIII.
Wie die Blume sich
verschließet
In der Nacht, in der Nacht,
Hat mein Herz, seit du mich ließest,
Seine Augen zugemacht.
Nicht in Schlaf ist es versunken -
Ach, es wacht, ach, es wacht!
Aber es betrachtet trunken
Seiner Liebe reiche Pracht.
Wie verschwindet mir die ganze
Weite Welt, weite Welt
Vor dem unerreichten Glanze,
Den dieß Herz gefangen hält.
Und so bleib' ich, bis du, Treue,
Wiederkehrst, wiederkehrst
Und der Erde Glück aufs Neue
Und die Welt mich lieben lehrst.
(Band 1 S. 215)
XXIV.
Zwischen ihrer
stillen Gasse,
Zwischen meiner lauten Straße
Auf dem Wege in der Nacht -
Ach, wie viele schöne Lieder
Kamen da und gingen wieder,
Wild bewegt und traurig sacht.
Zwischen ihrer stillen Gasse,
Zwischen meiner lauten Straße
Auf dem Wege, früh und spät -
Ach, wie manche süße Thränen
Mit wie vielen holden Plänen
Sind zerronnen und verweht.
Zwischen ihrer stillen Gasse,
Zwischen meiner lauten Straße
Auf dem Wege stürmt' es oft -
Stürme zu! - mit allen Plagen
Bin bereit ich mich zu schlagen -
Ich war froh - ich hab' gehofft.
Zwischen ihrer stillen Gasse,
Zwischen meiner lauten Straße
Auf dem Wege Schnee und Eis -
Aber warm war mir zu Muthe,
Feuer war in meinem Blute,
Ach, ich liebte sie so heiß.
Zwischen ihrer stillen Gasse,
Zwischen meiner lauten Straße
Traurig Beide gehen wir -
Alles stürmt in mir zusammen,
Thränen, Hoffen, Eis und Flammen -
Abschied nehm' ich jetzt von ihr.
(Band 1 S. 215-216)
XXV.
(Nach Petöfi)
Das Blatt der Blume
muß verwehn,
Ich muß von meinem Liebchen gehn,
So Gott mit dir,
Du schönste Zier,
Du Täubchen mein.
Der Mond verbleicht in dunkler Nacht,
Was hat uns Beide blaß gemacht? -
So Gott mit dir,
Du schönste Zier,
Du Täubchen mein.
Vom Thaue leuchten Zweig und Ried,
Von Thränen unser Augenlid,
So Gott mit dir,
Du schönste Zier,
Du Täubchen mein.
Noch wird ein Frühling auferstehn,
Für uns vielleicht ein Wiedersehn -
So Gott mit dir,
Du schönste Zier,
Du Täubchen mein.
(Band 1 S. 216-217)
XXVI.
Wie lacht der Tag,
der sie entführt
Aus meinen treuen Armen,
Die Sonne leuchtet ungerührt,
Der Himmel ohn' Erbarmen.
Der Himmel wird, wie hier, so dort
Mit blauem Aug sie grüßen,
Die Sonne sie an jedem Ort
Mit warmem Strahle küssen.
Trotz alternder Novemberzeit
Ist Lenz auf allen Wegen,
Kein Wölklein fühlt mit mir das Leid,
Es fällt kein Thränenregen.
Was sollten auch die Wolken hie
Zergehn als Thränenregen?
Sie ziehn ihr nach, mit Thau für sie
Die Blumen dort zu pflegen.
So muß ich auch durch die Natur
Daran erinnert werden,
Daß ich mit meinem Schmerze nur
Ein Eremit auf Erden.
(Band 1 S. 217-218)
XXVII.
Die Sonne sinkt,
Die Wolke wird blaß,
Die erst geblüht wie Rosen -
Mein Glück versinkt,
Mein Auge wird naß,
Meine Wange wird blaß,
Die erst geblüht wie Rosen.
Die Sonne versank -
In dunkler Nacht
Seh ich die Wolk' entgleiten -
Mein Herz ist krank -
O, könnt' ich sacht
In meiner Nacht
Verschwinden für alle Zeiten.
(Band 1 S. 218)
XXVIII.
Ich fühl's, daß mir
im Herzen Abend werde:
Die schönen Töne, die es noch durchschwingen,
Sind nur die Abendglocken, die verklingen,
Und Dämmerung verhüllt mir meine Erde.
Die Feuer lösch ich still auf meinem Herde,
Und noch ein Abendlied will ich mir singen,
Mein Tagewerk ergeben zu vollbringen,
Und habe nimmer klagende Beschwerde.
Ob auch der trauervolle Rest nur Schlummer,
Den Klagesänge vom erlebten Kummer
Wie Abendroth und Morgenroth umsäumen:
Du bist mir doch mein Abendstern geblieben,
Mich hat genug beglückt mein einsam Lieben,
Ich hab' genug geliebt, um schön zu träumen.
(Band 1 S. 218-219)
XXIX.
Du fragst, warum
versenkt in Schweigen
Bei dir mein Herz?
Die Liebe liebt nicht, sich zu zeigen,
Und schamhaft ist der Schmerz.
Was soll das Wort? - Kann ich erfragen,
Warum aus dir
Viel Wonnen mir entgegentagen?
Warum du theuer mir?
Was soll die Rede? - Kann ich sagen,
Welch schmerzlich Glück
Und welche glückerfüllten Plagen
Dein Auge strahlt zurück?
Kann ich erfragen, wo die Bahnen
Zum Paradies,
Die ich, trotz vorwurfsvollem Mahnen,
Für dich allein verließ?
Fürwahr, ich suche sie vergebens;
Sie liegen wüst.
Sei still, wenn dich im Sturm des Lebens
Ein stummer Wandrer grüßt.
(Band 1 S. 219)
XXX.
Ich schäme mich vor
euch, ihr Fenster,
Daß ich nun wieder
Hier in der Stunde der Gespenster
Schmerzwandle auf und nieder.
Ich schäme mich vor ihren kalten
Und dunkeln Augen,
Daß sie mich wieder festzuhalten
Und trüb zu machen taugen.
Ich schäme mich vor meinem Herzen,
Das sich gestählet
Und stark gemeint vor diesen Schmerzen
Und nun sich wieder quälet.
Ich schäme mich vor jedem Steine
Und vor den Lichtern,
Die niedersehn mit spött'schem Scheine -
Nicht vor den Angesichtern!
Nicht vor den Menschenangesichtern,
Die gern sich überheben,
Ich steh, fürwahr, vor höhern Richtern,
Die mir noch nie vergeben.
(Band 1 S. 219-220)
XXXI.
Und denk' ich jetzt
daran,
Daß du mir bist verloren,
Weil dich von mir ein Wahn,
Ein Wahn getrennt der Thoren -
So kann ich meinen Schmerz
Entsagungsstill doch pflegen
Und darf mein krankes Herz
Zum Schmerz der Menschheit legen.
Dann hab' ich mit das Leid
Von Tausenden erfahren
Und stehe da geweiht
An heiligen Altaren.
Doch fehlt mir aller Trost,
Seh ich, wie mein Gemüthe
In deiner Seele Frost
Erstarrt zur eis'gen Blüthe.
Es ist nicht so viel Schmerz
In aller Welt geblieben,
Als birgt ein einzig Herz,
Das nicht vermag zu lieben.
(Band 1 S. 220-221)
XXXII.
Geh du zurück in
deinen Frieden,
Du meiner Liebe bleicher Geist:
Ich halte dich für abgeschieden,
Ob auch mein Herz dich lebend heißt.
Was bist du wieder mir erschienen
Und hast mein Träumen aufgewühlt,
Daß ich aus deinen kalten Mienen
Mein ganzes, altes Leid gefühlt?
Kamst du ans Lager, um zu hören,
Ob noch mein Herz in Liedern klingt? -
Du hörtest, wie's zu Trauerchören
Sich gleich der Todtenglocke schwingt.
Und kamst du wieder, um zu wissen,
Ob meine Seele noch verletzt? -
Gib dich zur Ruh! - o, sieh dieß Kissen,
Ob es von Thränen nicht benetzt?
Geh du zurück in deinen Frieden,
Ins Thal der Todten kehr' zurück.
Ich halte dich für abgeschieden,
O, gönne mir dieß schwache Glück.
(Band 1 S. 221)
Epilog
Ein welkes Veilchen
find' ich hier,
Kaum kann ich mich erinnern,
Wer hat es einst gegeben mir? -
Doch klingt's in meinem Innern.
Es singt und klingt in meiner Brust,
Und lächelnd auferstehet
Ein altes Glück, mir unbewußt -
Ich bin so liebumwehet!
Ob ich es auch nicht finden kann,
Wie ich es einst empfangen,
Doch bin von einem holden Bann
Gefaßt ich und gefangen.
Ob auch Erinnerung zerstiebt,
Im Herzen eingeschrieben
Bleibt doch, daß ich einmal geliebt -
Es ist genug geblieben.
(Band 1 S. 222)
_____
Vorwurf
So hast du nie erwogen,
Was ich dir war und bin,
So bist du fortgezogen
Und sagtest nicht, wohin.
All die alten Liebesboten,
Blumendüfte,
Frühlingslüfte,
Wolken, die im Sturme fliegen,
Blätter, die die Winde wiegen,
Mondschein mit den milden Strahlen,
Nachtigallen, die mit Singen
In die Ferne Grüße bringen,
Grüße zu viel tausend Malen -
All die alten Liebesboten
Und mein Sehnen und mein Ahnen,
Alles hab' ich aufgeboten,
Dich zu suchen aller Bahnen.
Eine Blume sollte Liebe sein,
Die sich stets im Garten findet -
Und sie ist ein Vögelein,
Und sie ist der Mondenschein,
Der in dunkler Nacht verschwindet.
(Band 1 S. 275-276)
_____
Gruß
Denk' ich dein und will ich dich
In Gedanken grüßen,
Seh' ich stets und immer mich
Knieend dir zu Füßen.
So zu jeder, jeder Zeit,
Wachend und im Schlafe -
Süße Unterthänigkeit -
Bin ich nur dein Sklave.
Raff' ich mich aus träger Ruh,
Scheint es meiner Seele,
Als ob ihr von ferne du
Schicktest die Befehle.
Wecken mich um Mitternacht
Töne sanften Goldes,
Weiß ich, daß du just gedacht
Liebliches und Holdes.
Du bist mir ein süßer Schall,
Den der Weltgeist singet;
Selig, wer als Wiederhall
Solchen Lieds verklinget.
Lebe wohl! - Durch weiten Raum
Wollt' ich nur dich grüßen;
Bebe nicht, siehst du im Traum
Mich zu deinen Füßen.
(Band 1 S. 276-277)
_____
Lied
Ein Schloß ist halb verborgen
Im grünen, grünen Wald,
Es glänzt so rosig im Morgen
Wie des Glückes Aufenthalt.
Es glänzet im Mondenscheine,
Da singet die Nachtigall,
Da tönen die alten Steine
Nachzitternd im Wiederhall.
Nach jenem weißen Schlosse
Blick' ich von ferne hinan,
Trab' ich auf schnaubenden Rosse,
Geh' ich als Pilgersmann.
Nicht sagt es die lichte Mauer,
Die Fenster, die sagen es nicht,
Daß dort ein Leben in Trauer
Wie hier mein Herz zerbricht.
(Band 1 S. 277)
_____
Begegnung
Ich seh' zum ersten Mal dich heute,
Ich seh' dich heut zum letzten Male,
Doch tönt's um mich wie Brautgeläute,
Wie Lied und Tanz im Hochzeitssaale.
Ob wir uns wieder trennen müssen,
Ich fühl' es doch, daß unsre Seelen
Sich wie zwei Neuverlobte küssen,
Daß sie auf ewig sich vermählen.
(Band 1 S. 278)
_____
O, zieh mich nicht so mächtig an
O, zieh mich nicht so mächtig an,
Unwiderstehlich,
Sonst bricht der uns verhängte Bann
Und meine Kraft allmählich.
O, sieh mich nicht so lieblich an,
So unermessen,
Den Schwur, den ich mir selbst gethan,
Ich könnt' ihn sonst vergessen.
Zerbrochen ist, zerbrochen sei
Zu dir die Brücke;
Weh mir, erwacht in mir der Schrei
Nach dir und nach dem Glücke.
Ich gehe traurig neben dir
Und bin zufrieden;
Reichst du die Hand zum Bunde mir,
O Gott! - sind wir geschieden.
(Band 1 S. 278-279)
_____
Gewährung
Ich bin nicht einer jener Schmetterlinge,
Die fliehn von Liebesgruß zu Liebesgruße:
Ein Falter bin ich, der im Flammenkusse
Sich gern versengt das Herz und auch die Schwinge.
Drum wehre nicht, daß ich so vorwärts dringe
Nach deiner Flammen sel'gem Ueberflusse,
Und glaube mir, daß ich im Gluthgenusse
Verbrannten Fittigs mich zum Opfer bringe.
Jetzt lieb' ich dich, dann werd' ich auch dich kennen;
Gewährung ist des Weibes Offenbarung,
Mein Glück werd' ich mit trauten Namen nennen.
Dann kommt der Dank fürs Glück, das du gegeben;
Er ist der Treue ewig frische Nahrung,
Sie ist der Liebe, was der Stab den Reben.
(Band 1 S. 294)
_____
Räthsel
(1858)
Nur wenig lernte sie, uns alles Schöne
Und Große, Tiefe kann sie doch begreifen:
Brauchst ihrer Seele Lyra nur zu streifen,
Und ein Konzert erschallt erhabner Töne.
Sie thut, daß Gut und Böses sich versöhne,
In Stürme webt sie Regenbogenstreifen;
Sie macht ein Glück mit einem Lächeln reifen
Und hebt das Unglück, daß es selbst sich kröne.
Sie kann nicht rechnen, messen und erwägen,
Doch ist gerecht ihr Lobspruch und ihr Tadel,
Doch waltet rings um sie der Ordnung Segen.
Und wohnte sie auch nicht im hehren Leibe,
Die Anmuth gäb' ihr doch der Schönheit Adel -
Mit Einem Wort: ich spreche hier vom Weibe.
(Band 1 S. 294-295)
_____
An L ***
Nur dir, nur dir - o, nimm es gütig hin -
Nur dir gehört, was ich ersinn' und schaffe,
Dir, was ich dichte, trachte, was ich bin,
Dir, was ich auf dem Weg zusammenraffe.
Zu Füßen dir, als meiner Eignerin,
Breit' ich die Beute, breit' ich meine Waffe,
Daß ich besitze, daß ich neu erringe,
Ich fühl' es, weil ich dir die Gabe bringe.
Fühlst du, wie wohl es thue, zu bewahren
Ein süß Geheimniß, das kein Blick erspäht,
Darüber hin mit Monden und mit Jahren
Die Zeit verhüllend wie mit Wellen geht?
Der Wasserlilie gleicht's, der wunderbaren,
Die aus des Sees wohl'gem Grund ersteht,
Die still und schüchtern erst in Tiefen bebet,
Bis sie ihr glänzend Haupt ins Licht erhebet.
Bei Andern lernt' ich, wie sich schnell verzehrt,
Wenn noch so schön, das wechselvolle Neue:
Ich danke dir - denn du hast mich gelehrt
Des eignen Herzens Kraft und seine Treue.
Und ich, der ich durchs Leben unbeschwert
Dahinging, der ich nie gekannt die Reue,
Jetzt fühl' ich, rückwärts schauend, sanfte Trauer,
Daß ich die Eine nicht gekannt - die Dauer.
Nun kenn' ich sie, und wie bin ich beglückt!
Wie Wanderer ihr Kleinod still im Kleide,
So trag' ich hin und warm an mich gedrückt
Mein heimlich Glück, von dem ich nimmer scheide.
Mein Leben glüht - die Welt ist mir entrückt;
Ein einsam Zelt in gränzenloser Haide,
Und du und ich allein im weißen Zelt -
Im weiten All: Dieß meine ganze Welt!
Bist du zufrieden? - Siehe, tausend Quellen
Des Glückes fühl' ich mir im Herzen fließen;
O, gönne mir, bis auf die letzten Wellen
Sie dir zu Füßen jubelnd auszugießen.
Mein Athem stockt, und meine Pulse schwellen,
Die Fesseln reiß' ich ab, die mich umschließen -
Ich stammle nur - wie schnell die Ruh zerstiebte -
Ich stammle nur: du Theuere! - Geliebte!
(Band 1 S. 341-342)
_____
An die Entfernte
Im Traum erschienst du mir heut Nacht -
Wenn du's vermagst, o, thu's nicht wieder:
Mein Kissen war, als ich erwacht,
Von Thränen naß und wund die Lider.
Und als ich hin am Morgen ging,
Lag noch auf mir der nächt'ge Schauer -
Und wie ein schwarzer Schleier hing
Um meine Seele dunkle Trauer.
Du hast daran gethan nicht recht,
Daß fort du zogst auf viele Meilen -
Du weißt es, wie die Andern schlecht
Mich von den trüben Stunden heilen.
Nie soll die Liebe ziehn so fern,
Daß ihre segensvollen Sorgen
Den Schmerz, gefühlt beim Abendstern,
Nicht heilen könnten schon am Morgen.
(Band 2 S. 456)
_____
An Bertha
Weil ich die Andern besungen,
Willst du auch ein Gedicht;
Allein die Andern sind verklungen -
Du, Bertha, du verklingest nicht.
Du bist das Glück, von dem ich schweige,
Man prahlt mit wahren Schätzen nie,
Dich, Bertha, hinter Rosenzweige
Versteck' ich dich der Poesie.
Mein Weib! und Mutter meines Kindes!
Genügt dir dieser Titel nicht?
All Anderes ist Schall des Windes -
Der Name ist ein reich Gedicht.
(Band 2 S. 469)
_____
Fülle nicht mit Hochmuth meine Seele
Fülle nicht mit Hochmuth meine Seele,
Zeige nicht, wie dein Gemüth
Und dein Angesicht erblüht.
Wenn ich dir von meiner Lieb' erzähle.
Hebst du doch bei jedem Liebesworte,
Das dir alte Zweifel raubt,
Hoch und lächelnd auf dein Haupt,
Wie die Blume thut am sonn'gen Orte.
Bin ich wahr und wirklich deine Sonne?
O, so wisse denn, daß nicht,
Auszuspenden frohes Licht,
Sei den Sonnen allerhöchste Wonne.
Herrlich ist es wohl, so groß zu prangen
Und zu leuchten gluthentflammt;
Doch es ist ein schöner Amt,
Thränen küssen, die an Blumen hangen.
(Band 2 S. 471)
(London, 16. Mai
1862)
_____
Aus: Moritz
Hartmann's Gesammelte Werke
Erster und zweiter Band
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1874
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_Hartmann_(Publizist)