Soldatenliebe
Steh' ich in finstrer Mitternacht
so einsam auf der fernen Wacht,
so denk' ich an mein fernes Lieb,
ob mir's auch treu und hold verblieb?
Als ich zur Fahne fort gemüßt,
hat sie so herzlich mich geküßt,
mit Bändern meinen Hut geschmückt
und weinend mich ans Herz gedrückt!
Sie liebt mich noch, sie ist mir gut,
drum bin ich froh und wohlgemuth;
mein Herz schlägt warm in kalter Nacht,
wenn es ans treue Lieb gedacht.
Jetzt bei der Lampe mildem Schein
gehst du wohl in dein Kämmerlein,
und schickst dein Nachtgebet zum Herrn
auch für den Liebsten in der Fern!
Doch, wenn du traurig bist und weinst,
mich von Gefahr umrungen meinst;
sey ruhig, bin in Gottes Hut,
er liebt ein treu Soldatenblut.
Die Glocke schlägt, bald naht die Rund'
und löst mich ab zu dieser Stund';
schlaf' wohl im stillen Kämmerlein
und denk' in deinem Träumen mein.
(S. 59)
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Amor der Räuber
(Nach dem
Italienischen)
Die Unschuld saß in grüner Laube,
sie hielt ein Täubchen in dem Schooß;
und Amor kam: Gib mir die Taube,
ein Weilchen nur gib deine Taube.
Die Unschuld ließ sie lächelnd los,
doch hielt sie Täubchen an dem Band,
das sich um Täubchens Flügel wand.
Doch kaum hat er die weiße Taube,
so schneidet er den Faden ab;
und höhnisch lachend mit dem Raube
entflieht der Räuber aus der Laube
und nimmer kehrt der lose Knab':
und als ihr Täubchen nimmer kam,
ward sie dem Räuber ewig gram.
(S. 71)
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Stille Liebe
O dürft' ich fragen, was aus ihrem Auge
oft so entzückend mir entgegenstrahlt,
was, wenn ich schnell mich ihrer Seite nahe,
die Wangen ihr mit hoher Röthe malt!
Ahnt sie, was meine Lippen ihr verschweigen,
was meine Brust mit stiller Sehnsucht füllt?
Hofft' ich zu kühn? Ist es der Strahl der Liebe,
der so entzückend ihrem Blick entquillt?
Warum hat doch ihr Händchen so gezittert,
als ich ihr gestern guten Abend bot,
und als ich ihr recht tief ins Auge schaute,
was machte sie auf einmal doch so roth?
Sie hat die Rose, die ich ihr gegeben,
so sorgsam ins Gebetbuch eingelegt;
warum wohl? da sie sonst so gerne Rosen
am Busen und am Sommerhütchen trägt.
Warum schwieg sie auf einmal heute stille
und wußte nicht mehr, was ich sie gefragt?
Hat sie gemerkt, was ich ihr gerne sagte?
Ich hab' ihr's doch mit keinem Wort gesagt.
O hätt' ich Muth! dürft' ich Luisen sagen,
was mich so still, was mich so tief beglückt!
O dürft' ich fragen, was aus ihrem Auge
oft so entzückend mir entgegen blickt!
(S. 72)
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Trost
Die Mißgunst lauscht auf allen Wegen,
daß sie der Liebe Glück verräth,
doch treue, zarte Liebe geht
auf tausend unbewachten Stegen;
ein Druck der Hand , ein flücht'ger Blick,
sagt mir der Liebe süßes Glück.
Und zog ich auch in weite Ferne,
es zog mit mir mein stilles Glück,
denn schau ich nicht der Liebe Blick,
so blick' ich auf zum Abendsterne;
wie ihres Auges stille Glut
strahlt er ins Herz getrosten Muth.
Und wallen meine Tage trüber
und dringt kein Trost von ihr zu mir,
und dringt mein Sehnen nicht zu ihr,
kein Wort von ihr zu mir herüber,
mein stilles Glück ist nicht getrübt,
ich weiß ja doch, daß sie mich liebt.
Drum klag' ich nicht in weiter Ferne,
weil Neid der Liebe Weg belauscht,
wenn auch nicht Wort mit Wort sich tauscht,
mir strahlt ein Trost im Abendsterne;
aus seinen milden Strahlen quillt
mir meiner Liebe trautes Bild.
(S. 73)
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Sehnsucht
Die Sonne grüßt Tubinga's Höh'n,
der Berge Morgennebel fallen,
und leichte Frühlingslüfte weh'n,
im Thal die Heerdenglocken schallen,
des Neckars sanfte Welle quillt
an der Gestade Rebenhügel,
es taucht die alte Burg ihr Bild
in seinen silberreinen Spiegel.
Wie wär' der Morgen doch so schön,
könnt' ich mit dir mich da ergeh'n!
Und reger wogt's am Ufer hin,
wenn Mittag zu den Schatten ladet,
wenn sich durch frisches Blättergrün
die Sonne in dem Strome badet;
der Hirte zieht den Linden zu,
der Winzer steigt vom Berge nieder,
und in des kühlen Strandes Ruh
erwachen ihre Kräfte wieder;
am Neckarstrand ruht' ich so gerne,
wär' nicht Luise in der Ferne.
Der Abend senket seinen Strahl,
die Heerden ziehen von den Weiden,
und fernhin durch das holde Thal
die Dörfer zu der Ruhe läuten;
da kommen Mädchen Hand in Hand
den Wiesenplan heraufgezogen;
es wölbt für sie am grünen Strand
der Lindengang die hohen Bogen;
doch jenen Linden fehlt das eine,
ich wandle ohne sie - alleine!
Auf geht des Mondes Silberstrahl,
er malt den Berg mit falbem Glanze,
er ruft die Geister in das Thal,
er leuchtet ihrem Reigentanze;
ihr Berge all' von Duft umhüllt,
du Thal am Strome auf und nieder,
du wärst so hold, du wärst so mild
dir weiht' ich meine frohsten Lieder -
du wärst so schön im Abendscheine
schlüg sie ihr Aug' hin in das meine.
(S. 74-75)
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Ihr Auge
Ich weiß wo einen Brunnen
voll hellem Himmelsthau,
es glänzt der Strahl der Sonnen
aus seines Spiegels Blau;
er ladet klar und helle
zu süßer Wonne ein,
es winkt aus seiner Quelle
der Sonne milder Schein.
Mir war, als sollte drunten
in seiner klaren Flut
das arme Herz gesunden
von seinem bangen Muth.
Ich tauchte freudig nieder,
ins klare Blau hinab,
mein Herz das kam nicht wieder,
fand in dem Quell sein Grab.
Kennst du den süßen Brunnen
so klar und silberhell?
Kennst du den Strahl der Sonnen
aus seinem blauen Quell?
Das ist des Liebchens Auge,
ihr süßer Silberblick, -
aus seiner Tiefe tauche
ich nie zum Licht zurück.
(S. 76)
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Serenade
Wenn vom Berg mit leisem Tritte
Luna wandelt durch die Nacht,
eil' ich zu des Liebchens Hütte,
lausche, ob die Holde wacht.
Seh ich dort die Lampe glühen
in dem stillen Kämmerlein,
möcht' ich, wie der Lampe milder Schein,
spielend um die zarten Wangen ziehen.
Mit des Lichtes schönsten Strahlen
zög' ich um mein liebes Kind,
Farben wollt' ich um sie malen,
wie sie nur am Himmel sind;
sänke Schlummer ihr aufs Auge,
löschte sie des Lämpchens Schein,
wär' ihr letzter, süßer Blick noch mein,
und ich stürbe sanft in ihrem Hauche.
Nimmer darf ich um sie weben,
wie der Lampe milder Schein,
doch mein Lied darf zu ihr schweben,
darf der Liebe Bote seyn.
Schwebt denn, Töne meiner Laute,
zu des Liebchens Kämmerlein,
wieget sie in süße Träume ein,
und dann flüstert: "Denke mein, du Traute!"
(S. 77)
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An Emilie
Zum Garten ging ich früh hinaus,
ob ich vielleicht ein Sträuschen finde?
Nach manchem Blümchen schaut' ich aus,
ich wollt's für dich zum Angebinde;
umsonst hatt' ich mich hinbemüht,
vergebens war mein freudig Hoffen;
das Veilchen war schon abgeblüht,
von andern Blümchen keines offen.
Und trauernd späht' ich her und hin,
da tönte zu mir leise, leise,
ein Flüstern aus der Zweige Grün,
Gesang nach seel'ger Geister Weise;
und lieblich, wie des Morgens Licht
des Thales Nebelhüllen scheidet,
ein Röschen aus der Knospe bricht,
das seine Blätter schnell verbreitet.
"Du suchst ein Blümchen!" spricht's zu mir,
"so nimm mich hin mit meinen Zweigen,
bring' mich zum Angebinde ihr,
ich bin der wahren Freude Zeichen.
ob auch mein Glanz vergänglich sey,
es treibt aus ihrem treuen Schooße
die Erde meine Knospen neu,
drum unvergänglich ist die Rose."
Und wie mein Leben ewig quillt
und Knosp' um Knospe sich erschließet,
wenn mich die Sonne sanft und mild
mit ihrem Feuerkuß begrüßet,
so deine Freundin ewig blüht,
denn ob der Rose Schmerz verglüht -
der Rose Leben ist geblieben."
(S. 80-81)
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Logogryph
Kennst du das Wort, das Herzen mächtig bindet?
Kennst du der Liebe trauliches Symbol;
das feste Band, das sich um Freunde windet,
des Fürsten Heil, des Vaterlandes Wohl?
An Stärke muß ihm Stahl und Eisen weichen;
doch hat es einen mächt'gen stillen Feind;
streichst du des hohen Wortes erstes Zeichen,
hast du die finstre Macht, die ich gemeint.
So lang die Welt steht, liegen diese beiden
im Kampf um höchstes Leid und höchste Lust;
halt fest am Ganzen, laß sie nimmer streiten
in deiner stillen und zufriednen Brust.
(S. 86)
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Aus: Wilhelm
Hauff's sämmtliche Werke
mit des Dichters Leben von Gustav Schwab
Neu durchgesehen und ergänzt
Erster Band Dritte Gesammtausgabe letzter Hand
Stuttgart Verlag der Fr. Brodhag'schen Buchhandlung 1840
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Hauff