Friedrich Hebbel (1813-1863) - Liebesgedichte

Friedrich Hebbel



Friedrich Hebbel
(1813-1863)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Sturmabend

Rausche nur vorüber, Wind!
Wühl' im Laub und knicke,
Während ich mein süßes Kind
An die Brust hier drücke!
Nestle aus dem dunklen Haar
Ihr die junge Rose,
Wirf sie ihr zu Füßen dar,
Während ich hier kose.

Eine Todesgöttin, tritt
Sie die zarte Schwester
In den Staub mit stolzem Schritt
Und umschlingt mich fester;
Läßt dir willig gar das Tuch,
Das ihr, wenn ich neckte,
Sonst noch niemals dicht genug
Hals und Busen deckte.

Rausche, Wind! Wir seh'n die Zeit
So, wie dich, entfliehen,
Doch bevor sie Asche streut,
Wagen wir zu glühen!
Lockend vor mir, rund und roth,
Ihre Feuerlippe!
Zwei Schritt hinter mir der Tod
Mit geschwungner Hippe.
(Band 6 S. 143-144)
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Vorwärts

Steine, sie liegen hier,
Liebchen, im Wege dir,
Klotzig herum!
Gerne ja bückt' ich mich,
Schaffte sie fort für dich,
Würd' ich bloß krumm;
Aber, ich seh's genau,
Du auch, du würdest grau,
Wär' das nicht dumm?
Lebenslang würd' es ja
Währen, so viel sind da,
Vorwärts darum!

Siehst du, wie das uns frommt,
Wie man hinüber kommt,
Lustig und schnell?
Rings schon der kühle Wald,
Duftige Beeren bald,
Drüben ein Quell
Weiter drum, weiter noch,
Gehst du auf Moos ja doch
Jetzt bis zur Stell'!
Heisa, nun ruhen wir,
Hätt' ich zwei Flügel, hier
Kappt' ich sie schnell!
(Band 6 S. 146-147)
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Schiffers Abschied

Hier steh'n wir unter'm Apfelbaum,
Hier will ich von dir scheiden,
Hier träumte ich so manchen Traum,
Hier trägt sich auch ein Leiden.

Hier sah ich dich zum ersten Mal,
In winterlicher Oede!
Wie war der Baum so nackt und kahl,
Wie warst du kalt und spröde!

Doch bald ergrünte Zweig nach Zweig,
Und alle Knospen trieben.
Da sprang dein Herz, den Knospen gleich,
Da fingst du an, zu lieben.

Wie ist er jetzt von Blüten voll!
Wie wird er reichlich tragen!
Doch, wer ihn für dich schütteln soll,
Das wüßt' ich nicht zu sagen.

Hei! Wie dich säuselnd jener Ast
Mit rothem Schnee bestreute,
Als ob er schon die schwere Last
Der künft'gen Früchte scheute!

Wenn über's Meer der Herbstwind pfeift
Und an dem Mast mir rüttelt,
So denke ich: sie sind gereift,
Und er ist's, der sie schüttelt!

Und muß mein Schiff vor seinem Braus
Gar an ein Felsriff prallen,
So ruf' ich noch im Scheitern aus:
Die schönste will nicht fallen!
(Band 6 S. 148)
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Ein nächtliches Echo

Blitzend
Zieh'n die Sterne auf am Himmelsrand,
Spritzend
Senkt der Thau sich auf das durst'ge Land.

"Liebe!"
Singt der Knabe in die Nacht hinein.
"Liebe!"
Klingt es wieder aus dem Myrthenhain.

Säuselnd
Schleicht der Wind durch die gewürzte Luft
Kräuselnd
Jeden Blütenzweig voll Hauch und Duft.

"O Traum!"
Ruft der Knabe aus in süßem Schmerz.
"O Traum!"
Hallt's zurück, als hätt' die Nacht ein Herz.

Knabe
Glaubt entzückt, was Seel' und Sinn ihm füllt,
Habe
Schmeichelnd sich in Luft und Duft gehüllt.

"Komm! Komm!"
Quillt es ihm aus heißer Brust hervor.
"Komm! Komm!"
Spielt es lind und weich ihm um das Ohr.

Seine
Seufzer giebt der Wald ihm treu zurück,
Keine
Himmlische Gestalt erscheint dem Blick.

"Nur Schall!"
Ruft er endlich, und er ruft nicht mehr.
"Nur Schall!"
Klingt es hinter dem Verstummten her.
(Band 6 S. 150-151)
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Lied

Komm, wir wollen Erdbeer'n pflücken,
Ist es doch nicht weit zum Wald,
Wollen junge Rosen brechen,
Sie verwelken ja so bald!

Droben jene Wetterwolke,
Die dich ängstigt, fürcht' ich nicht;
Nein, sie ist mir sehr willkommen,
Denn die Mittagssonne sticht.

All die sengend-heißen Stralen,
Die uns drohen, löscht sie aus,
Und wenn sie sich selbst entladet,
Sind wir lange schon zu Haus!

Tändelnd flecht' ich dann die Rosen
In dein dunkelbraunes Haar,
Und du bietest Beer' um Beere
Meinen durst'gen Lippen dar.
(Band 6 S. 151-152)
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Scheidelieder

1.
Kein Lebewohl, kein banges Scheiden!
Viel lieber ein Geschiedensein!
Ertragen kann ich jedes Leiden,
Doch trinken kann ich's nicht, wie Wein.

Wir saßen gestern noch beisammen,
Von Trennung wußt' ich selbst noch kaum!
Das Herz trieb seine alten Flammen,
Die Seele spann den alten Traum.

Dann rasch ein Kuß vom lieben Munde,
Nicht Schmerz getränkt, nicht Angst verkürzt!
Das nenn' ich eine Abschiedsstunde,
Die leere Ewigkeiten würzt.


2.
Das ist ein eitles Wähnen!
Sei nicht so feig, mein Herz!
Gieb redlich Thränen um Thränen,
Nimm tapfer Schmerz um Schmerz!

Ich will dich weinen sehen,
Zum ersten und letzten Mal!
Will selbst nicht widerstehen,
Da löscht sich Qual in Qual!

In diesem bittren Leiden
Hab' ich nur darum Muth,
Nur darum Kraft zum Scheiden,
Weil es so weh' uns thut.
(Band 6 S. 153-154)
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Schön Hedwig

Im Kreise der Vasallen sitzt
Der Ritter, jung und kühn;
Sein dunkles Feuerauge blitzt,
Als wollt' er zieh'n zum Kampfe,
Und seine Wangen glüh'n.

Ein zartes Mägdlein tritt heran
Und füllt ihm den Pocal.
Zurück mit Lächeln tritt sie dann,
Da fällt auf ihre Stirne
Der klarste Morgenstral.

Der Ritter aber faßt sie schnell
Bei ihrer weißen Hand.
Ihr blaues Auge, frisch und hell,
Sie schlägt es erst zu Boden,
Dann hebt sie's unverwandt.

"Schön Hedwig, die du vor mir stehst,
Drei Dinge sag' mir frei:
Woher du kommst, wohin du gehst,
Warum du stets mir folgest;
Das sind der Dinge drei!"

Woher ich komm'? Ich komm' von Gott,
So hat man mir gesagt,
Als ich, verfolgt von Hohn und Spott,
Nach Vater und nach Mutter
Mit Thränen einst gefragt.

Wohin ich geh? Nichts treibt mich fort,
Die Welt ist gar zu weit.
Was tauscht' ich eitel Ort um Ort?
Sie ist ja allenthalben
Voll Lust und Herrlichkeit.

Warum ich folg', wohin du winkst?
Ei, sprich, wie könnt' ich ruh'n?
Ich schenk' den Wein dir, den du trinkst,
Ich bat dich drum auf Knieen
Und mögt' es ewig thun!

"So frage ich, du blondes Kind,
Noch um ein Viertes dich;
Dies Letzte sag' mir an geschwind,
Dann frag' ich dich Nichts weiter,
Sag', Mägdlein, liebst du mich?"

Im Anfang steht sie starr und stumm,
Dann schaut sie langsam sich
Im Kreis der ernsten Gäste um,
Und faltet ihre Hände
Und spricht: Ich liebe dich!

Nun aber weiß ich auch, wohin
Ich gehen muß von hier;
Wohl ist's mir klar in meinem Sinn:
Nachdem ich dieß gestanden,
Ziemt nur der Schleier mir!

"Und wenn du sagst, du kommst von Gott,
So fühl' ich, das ist wahr.
Drum führ' ich auch, trotz Hohn und Spott,
Als seine liebste Tochter
Noch heut' dich zum Altar.

Ihr edlen Herrn, ich lud verblümt
Zu einem Fest euch ein;
Ihr Ritter, stolz und hoch gerühmt,
So folgt mir zur Kapelle,
Es soll mein schönstes sein!"
(Band 6 S. 172-174)
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Die Spanierin

"Flasche, wunderbar versiegelt,
Deinen Glutwein trink' ich jetzt,
Daß er meinen Geist, beflügelt,
Nach Hispania versetzt!

Daß ich jenen Hügel schaue,
D'rauf er wuchs und Feuer sog,
Und das Felsenhaupt, das graue,
Das sich auf ihn niederbog.

Und das Mädchen, das ihn streifte
Mit des Flammenauges Stral,
Daß er doppelt schneller reiste,
Wenn sie kam aus ihrem Thal.

Das sich oft in seinem Schatten
An den Reben still entzückt,
Und zuletzt die feuersatten
Für ein Festmahl ausgedrückt."

Wie aus einer Ader, schäumend
In den Becher rinnt der Wein,
Hastig trinkt der Jüngling, träumend
Blickt er dann in's Glas hinein.

Eine dunkle Rebenlaube
Sieht er vor sich, heimlich, dicht,
Traube drängt sich d'rin an Traube,
Doch das Mädchen sieht er nicht.

"Trinke mehr!" Er ruft's beklommen,
In die Wangen tritt sein Blut,
"Trinke Alles! Sie soll kommen,
Ob sie auch im Grabe ruht!"

Eben schlägt die zwölfte Stunde,
Und er leert das letzte Glas.
Da, wie aus des Bechers Grunde,
Steigt ein Mädchen, ernst und blaß.

"Könnt' ich weinen - spricht sie - Armer,
Noch als Geist beweint' ich dich,
Denn du Blühend-Lebenswarmer
Bist nun bald so kalt, wie ich.

Diese Laube, diese Reben
Siehst du, auch den kleinsten Sproß,
Aber nicht das süße Leben,
Das sie dämmernd einst umschloß.

Nicht, wie ich mich schlafend stellte,
Als ich ihn von fern geseh'n,
Nicht, wie es das Herz mir schwellte,
Als er sprach: Hier bleib' ich steh'n!

Nicht, wie bald ich seinem Sehnen
Meine höchste Huld erwies,
Auch nicht meine starren Thränen,
Als er endlich mich verließ.

Alle diese Reben blühten,
Als er mich zuerst umfing,
Und die reifen Trauben glühten,
Als er treulos von mir ging.

Da, im rachedurst'gen Muthe,
Preßt' ich sie, den Zauberspruch
Murmelnd, und von meinem Blute
Mischt' ich d'rein und sprach den Fluch.

Nun, ein letztes Angebinde,
Schickt' ich ihm den dunklen Trank,
Dann, daß er mich nie mehr finde,
Stach ich mich in's Herz und sank.

Doch, mein Werk blieb unvollendet,
Meinen Wein, der ihn bedräut,
Hat er über's Meer gesendet,
Und du Armer trankst ihn heut'.

Weh', nun wirst du dich verzehren,
Wie es ihm beschieden war,
Wirst des Mädchens noch begehren,
Das schon Staub seit manchem Jahr;

Wirst auf Erden Nichts erwerben,
Als die Glut, d'rin du erstickst,
Wirst, ach wirst nicht einmal sterben,
Ehe du mein Grab erblickst!

Willst du mir zur Seite schlafen?
In Sevilla!" - Sie entschwebt,
Und der Jüngling geht zum Hafen,
Ob ein Schiff den Anker hebt.
(Band 6 S. 176-178)
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Ein frühes Liebesleben

1. Die Jungfrau
O süßes, süßes Jungfraunbild!
In Engelfrieden hingegossen!
Noch Kind, und doch so göttlich abgeschlossen!
Demüthig, sicher, stolz und mild!

O Jungfraunbild, dich mögt' ich nicht -
Es wär' mir, wie ein Raub - umfangen,
Ich mögte vor dir niederknie'n und hangen
An deinem Himmelsangesicht.

Dann läg' ich stumm in heil'ger Scheu,
Du aber würdest fromm erglühen,
Und still und kindlich bei mir niederknieen
Und sinnen, wo die Heil'ge sei.
(Band 6 S. 199-200)


2. Kampf
Oft, wenn sie still an mir vorüberschwebt
Und lächelnd beut des holden Grußes Segen
Und mild und treu den frommen Blick erhebt,
Da träume ich, beseligt und verwegen,
Die Liebe sei's, die Gruß und Blick durchweht,
Und auch die kühnste Hoffnung will sich regen.

Doch bange Zweifel kehren bald zurück,
Und zu mir sprech' ich dann mit Reue:
Wie wär' nicht mild und treu ihr Gruß und Blick?
Sie ist ja selbst die Milde und die Treue!
Und schneller, als es kam, verweht mein Glück,
Und alle Wunden bluten mir auf's Neue.
(Band 6 S. 200)


3. Sieg
Zum ersten Male ist sie heut' gegangen
Als junge Christin zum Altar des Herrn;
Die dunklen Worte, die vorher erklangen,
Sie hielten ihr die ganze Erde fern;
Ein Todesschauer bleichte ihre Wangen
Und fast verglimmte ihres Auges Stern,
Denn, wer nicht würdig ißt und trinkt, so spricht
Gott selbst, der ißt und trinkt sich das Gericht.

Und dennoch hat sie heut' sich mir ergeben,
Wo jegliche Empfindung ihr's verbot;
Sie wagte einmal, ihren Blick zu heben,
Da sah sie mich und wurde wieder roth;
Nun nahte sie sich dem Altar mit Beben
Und nahm nur noch mit Angst das heil'ge Brot,
Und als sie auch verschüttete den Wein,
Da jauchzte ich: sie ist auf ewig mein!
(Band 6 S. 200-201)


4. Glück
Wie man das Heilige berührt:
Man will ihm selbst nicht geben,
Es ist genug, daß man es spürt,
So küßt' ich sie mit Beben,
Und that der Mund
Nicht Alles kund,
So brachte sie's zu Ende
In frommem Sinn
Zum Vollgewinn
Durch einen Druck der Hände!
(Band 6 S. 201)


5. Der Tod
Die Glocken hast du noch gepflückt,
Die uns den Lenz verkünden,
Doch nicht, vom schweren Schnee gedrückt,
In Farben sich entzünden.

Auch hast du dir zum Sonntagsstrauß
Die Veilchen noch gewunden
Und ihren Duft im Gotteshaus
So süß, wie nie, gefunden.

Ein frischer Maienblumenkranz
War dir in's Haar geflochten,
Als dir in deinem letzten Tanz
Die zarten Schläfe pochten.

Die Rosen treffen dich schon bleich
Im Kreise deiner Schwestern:
Der weißen bist du heute gleich,
Der rothen glichst du gestern.

Doch kommen sie zur rechten Frist,
Um deinen Sarg zu decken,
Und was du warst und was du bist,
Noch einmal zu erwecken!

Die Nelken blühen mir allein
Und können mich nur freuen,
Um sie bei hellem Mondenschein
Dir auf das Grab zu streuen.
(Band 6 S. 201-202)


6. Spuk
Ich blicke hinab in die Gasse;
Dort drüben hat sie gewohnt!
Das öde, verlassene Fenster,
Wie hell bescheint's der Mond.

Es giebt so viel zu beleuchten;
O holde Stralen des Lichts,
Was webt ihr denn gespenstisch
Um jene Stätte des Nichts.
(Band 6 S. 202)


7. Nachruf
O du, die ungern mir voran gegangen,
Wirst du wohl noch des Erdentraums gedenken?
Und fühlst du wohl, den Flug zurück zu lenken,
Zuweilen noch ein flüchtiges Verlangen?

Gewiß! Du kennst ja meiner Seele Bangen,
Wirst einen letzten Gruß ihr gerne schenken,
Dann aber wirst du auf dein Grab dich senken,
Denn dieß, du weißt es, hält mich stets gefangen.

Doch wenn du nun in nächtlich-heil'ger Stille
Hernieder schwebst, ein Lüftchen deine Hülle,
Was wird mir deine Gegenwart verkünden?

Ach, dieses, daß sich Gram und Wehmuth legen,
Daß Funken sich von neuer Wonne regen,
Denn deine Nähe nur kann sie entzünden.
(Band 6 S. 203)


8. Süße Täuschung
Oft, wenn ich bei der Sterne Schein
Zum Kirchhof meine Schritte lenke,
Und mich so tief, so ganz hinein
In jene sel'ge Zeit versenke,
Wie wir zusammen Hand in Hand
Hier wandelten in stillem Wehe,
Da ist es mir, als ob das Band
Noch immer heiter fortbestehe.

Wir gehen fort und immer fort
Und schau'n die Gräber in der Runde,
Du hast für jegliches ein Wort
Und sprichst es auch mit sanftem Munde,
Du sprichst vom frühen Schlafengeh'n
Und von der Eitelkeit der Erde
Und von dem großen Wiederseh'n,
Das Gott uns nicht versagen werde.

Und kommt zuletzt dein eigen Grab,
So rufst du aus: wir müssen scheiden!
Der Vater ruft die Tochter ab,
Wir wußten's längst, und wollen's leiden!
Und ruhig wandle ich hinaus,
Wie einst aus deines Vaters Garten,
Wenn er dich heimrief in das Haus,
Du aber sprachst, ich solle warten.
(Band 6 S. 203-204)


9. Nachts
Die dunkle Nacht hüllt Berg und Thal,
Ringsum die tiefste Stille;
Die Sterne zittern allzumal
In ihrer Wolkenhülle;
Der Mond mit seinem rothen Schein
Blickt in den finstern Bach hinein,
Der sich durch Binsen windet.

Ich schreite in die Nacht hinaus,
Entgegen jenem Schimmer,
Der aus dem forstverlornen Haus
Sich stiehlt mit schwachem Flimmer.
Jetzt lischt's mit einmal aus, das Licht,
Ich seh' es, doch mich kümmert's nicht;
Je dunkler, um so besser.

Du glaubst, zum Liebchen schleich' ich mich?
Die könnt' ich näher haben:
Nach jenem Kirchhof weis' ich dich,
Dort liegt sie längst begraben.
Dieß aber ist das kleine Haus,
Da ging sie ehmals ein und aus
In seligen süßen Stunden.

Nun thut's mir wohl, den Weg zu geh'n,
Wo ich mich oft entzückte,
Das kleine Fenster anzuseh'n,
Wo ich sie sonst erblickte;
Die Bank zu grüßen, wo sie saß,
Den Busch, von dem sie Beeren las,
Die Blumen, die sie noch pflanzte.
(Band 6 S. 204-205)


10. Offenbarung
Auf deinem Grabe saß ich stumm
In lauer Sommernacht;
Die Blumen blühten rings herum,
Die schon dein Grab gebracht.
Und still und märchenhaft umfing
Ihr Duft mich, süß und warm,
Bis ich in sanftem Weh verging,
Wie einst in deinem Arm.

Und meine Augen schlossen sich,
Vom Schlummer leicht begrüßt;
Mir war, als würden sie durch dich
Mir leise zugeküßt.
Still auf den Rasen sank ich hin,
Der deinen Staub bedeckt,
Doch ward zugleich der inn're Sinn
Mir wunderbar geweckt.

Was ich geträumt, ich weiß es nicht,
Ich ahn' es nur noch kaum,
Daß du, ein himmlisches Gesicht,
Mir nahe warst im Traum.
Doch, was dies flücht'ge Wiederseh'n
In meiner Brust geschafft,
Das kann die Seele wohl versteh'n,
Die glüht in neuer Kraft.

Du hast der Dinge Ziel und Grund
An Gottes Thron durchschaut,
Und thatest kühn mir wieder kund,
Was dir der Tod vertraut.
Und wenn das große Lösungswort
Auch mit dem Traum entschwand,
So wirkt es doch im Tiefsten fort,
Gewaltig, unerkannt!
(Band 6 S. 205-206)


11. Nachklang
Ach, zauberische Huldgestalt,
Die nie vergessen läßt!
Du hältst mit ewiger Gewalt
Mich noch im Tode fest!
Du spielst, ein sanftes Abendroth,
In meine Brust hinein,
Und bist du allenthalben todt,
Dort wirst du's nimmer sein.
(Band 6 S. 206)
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Auf eine Unbekannte

Die Dämmerung war längst herein gebrochen,
Ich hatt' dich nie geseh'n, du tratst heran,
Da hat dein Mund manch mildes Wort gesprochen
In heil'gem Ernst, der dir mein Herz gewann.
Still, wie du nahtest, hast du dich erhoben
Und sanft uns Allen gute Nacht gesagt,
Dein Bild war tief von Finsterniß umwoben,
Nach deinem Namen hab' ich nicht gefragt.

Nun wird mein Auge nimmer dich erkennen,
Wenn du auch einst vorüber gehst an mir,
Und hör' ich dich von fremder Lippe nennen,
So sagt dein Name selbst mir Nichts von dir.
Und dennoch wirst du ewig in mir leben,
Gleichwie ein Ton lebt in der stillen Luft,
Und kann ich Form dir und Gestalt nicht geben,
So reißt auch keine Form dich in die Gruft.

Das Leben hat geheimnißvolle Stunden,
D'rin thut, selbst herrschend, die Natur sich kund;
Da bluten wir und fühlen keine Wunden,
Da freu'n wir uns und freu'n uns ohne Grund.
Vielleicht wird dann zu flüchtigstem Vereine
Verwandtes dem Verwandten nah' gerückt,
Vielleicht, ich schaudre, jauchze oder weine,
Ist's dein Empfinden, welches mich durchzückt!
(Band 6 S. 206-207)
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An Hedwig
(Eine Holsteinische junge Schauspielerin)

Es war in schöner Frühlingszeit,
Als ich dich fand bei Spiel und Scherz,
Da drängte all' die Lieblichkeit
Sich lind, wie nie noch, an mein Herz.

Du selber warst dem Frühling gleich,
Der nur verspricht, doch nicht gewährt,
Drum ward ich nicht vor Sehnsucht bleich
Und von Entzücken nicht verklärt.

Es war der Morgen vor dem Fest,
An dem man nur noch Träume tauscht,
Das Weh, das keinen Stachel läßt,
Die Freude, welche nicht berauscht.

Wie nur noch grün der Rosenstrauch,
Doch auch schon grün die Nessel war,
So gleichen sich die Stunden auch,
Die uns beglückten, wunderbar.

Nach manchem Tag kam dann der Tag,
Der uns, vielleicht auf ewig, schied;
Ich trug es, wie man's tragen mag,
Wenn man den Frühling scheiden sieht.

Nur selten stieg dein holdes Bild
Mir auf in der erstarrten Brust,
Doch, ward ich einmal weich und mild,
So war ich gleich mir dein bewußt.

Und dieses fühl' ich: blick' ich einst
Von meinem Sterbebett zurück,
So ist, daß du mir noch erscheinst,
Mein letzter Wunsch, mein letztes Glück.

Du warst mein Lebensengel, sei
Denn du mein Todesengel auch,
Dann mischt noch in den Herbst der Mai
Den überquellend-vollen Hauch.

Am Morgen, wo der Mensch ersteht
Für seinen schweren Tageslauf,
Und Abends, wenn er schlafen geht,
Da schaut er gern zum Himmel auf!
(Band 6 S. 208-210)
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Liebesprobe

Laß den Jüngling, der dich liebt,
Eine Lilje pflücken,
Eh' dein Herz sich ihm ergiebt,
Um ihn zu beglücken.

Wird kein Tropfe von dem Thau
Dann durch ihn vergossen,
Der sie tränkte auf der Au,
Sei der Bund geschlossen.

Wer so zart die Blume bricht,
Daß sie nicht entwallen,
Sorgt auch, daß die Thränen nicht
Deinem Aug' entfallen.
(Band 6 S. 210)
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Tändelei

Ich schaute dir in's Auge schnell,
Du blicktest gar zu mild,
Und lieblich sah ich, klar und hell,
Darin mein eig'nes Bild.

In eine wunderbare Flut
Von Farben war's getaucht,
Von Licht und Glanz die Zauberglut
Darüber hingehaucht.

Da wurde dir das Auge feucht,
Und perlenklar und rein
Trat eine Thräne, schnell erzeugt,
Licht in das Licht hinein.

Mein Bild, als wär's mit Flut und Wind,
Es kämpfte frei und frank
Mit deiner Thräne, bis es lind
In ihrem Schooß versank.

So dir im Auge, wundersam
Sah ich mich selbst entsteh'n,
Und, als die stille Thräne kam,
Noch schöner mich vergeh'n.
(Band 6 S. 211)
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Einziges Geschiedensein

Schlummernd im schwellenden Grün
Liegst du, wo Lüfte dich fächeln!
Mädchen, was spiegelt dies Lächeln,
Spiegelt dies zarte Erglüh'n?

Ach, wie beschleicht es mit Schmerz
Kalt mir den innersten Frieden!
Gänzlich, wie nie noch, geschieden
Fühlt sich von deinem mein Herz.

Was, wie ein göttlicher Hauch,
Jetzt dich durchzittert, das Leben,
Eh' du erwachst, wird's entschweben,
Nimmer erfreut es mich auch.
(Band 6 S. 212)
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Neue Liebe

O Blitz, der aus dem Tiefsten springt
Und mir durch jede Faser zuckt,
Der mich mit neuer Glut durchdringt,
Die sonst mein Inn'res still verschluckt;
Ich grüße dich viel tausend Mal
Und frag' nicht: bringst du mir Genuß?
Denn du befrei'st mich von der Qual,
Daß ich mich selber lieben muß.
(Band 6 S. 212)
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Sie seh'n sich nicht wieder

Von dunkelnden Wogen
Hinunter gezogen,
Zwei schimmernde Schwäne, sie schiffen daher,
Die Winde, sie schwellen
Allmälig die Wellen,
Die Nebel, sie senken sich finster und schwer.

Die Schwäne, sie meiden
Einander und leiden,
Nun thun sie es nicht mehr, sie können die Glut
Nicht länger verschließen,
Sie wollen genießen,
Verhüllt von den Nebeln, gewiegt von der Flut.

Sie schmeicheln, sie kosen,
Sie trotzen dem Tosen
Der Wellen, die Zweie in Eines verschränkt,
Wie die sich auch bäumen,
Sie glühen und träumen,
In Liebe und Wonne zum Sterben versenkt.

Nach innigem Gatten
Ein süßes Ermatten,
Da trennt sie die Woge, bevor sie's gedacht.
Laßt ruh'n das Gefieder!
Ihr seht euch nicht wieder,
Der Tag ist vorüber, es dämmert die Nacht.
(Band 6 S. 212-213)
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Auf ein erröthendes junges Mädchen,
das ich im Louvre sah

Ich ließ mein Auge auf dem deinen ruh'n,
Da ward zur Purpurflamme dein Gesicht;
Du warst ein Kind, ein Mädchen bist du nun,
So weig're auch die Mädchenfrucht mir nicht.

Dein Mund ist reif jetzt für den ersten Kuß,
Er gleicht der Herzenskirsche, die zersprang
Vor aller Feuersäfte letztem Schuß,
Und nun verspritzt, was sie so heiß durchdrang.

Ich hab' ein Recht auf ihn, ich hab' in dir
Die Glut, die ihn gezeitigt hat, geweckt,
Drum raub' ich ihn mit kecker Lippe mir,
Wie Vögel Beeren, die kein Laub mehr deckt.

Vielleicht vollendet dieser Kuß mein Glück,
Du wirst durch ihn dir deiner ganz bewußt,
Und wie du Mädchen wardst vor meinem Blick,
So wirst du auch noch Weib an meiner Brust!
(Band 6 S. 213-214)
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Ich und Du

Wir träumten von einander
Und sind davon erwacht,
Wir leben, um uns zu lieben,
Und sinken zurück in die Nacht.

Du tratst aus meinem Traume,
Aus deinem trat ich hervor,
Wir sterben, wenn sich Eines
Im Andern ganz verlor.

Auf einer Lilie zittern
Zwei Tropfen, rein und rund,
Zerfließen in eins und rollen
Hinab in des Kelches Grund.
(Band 6 S. 214)
_____



Letzter Gruß

Jungfraunbilder, früh' erblichen,
In dem Haar den Myrthenkranz,
Dämmernd-schwebende Gestalten,
Steigen auf bei Mondenglanz.

Wollt ihr mit den weißen Händen,
Die den Knaben nie gedrückt,
Halb verwelkte Rosen brechen,
Weil kein Fröhlicher sie pflückt?

Wollt ihr mit den kalten Lippen,
Die kein Jüngling warm geküßt,
Aus den Blütenkelchen trinken,
Die der Schmetterling vergißt?

Oder wollt ihr still erkunden,
Wenn ihr, wie im Traum, euch zeigt,
Ob euch aus dem treusten Herzen
Noch ein letzter Seufzer steigt?

Eine tritt zu mir an's Lager,
Ach, ich träumte nicht von ihr,
Aber, abendroth-umgossen,
Steht sie jetzt, wie einst, vor mir.

Immer lächelnd, immer freundlich,
Und erst in dem letzten Schmerz
Preßte sie, zusammen sinkend,
Ihre Hand auf's arme Herz!

Ach, ihr Herz war wie ein Siegel:
Erst als es gebrochen war,
Wurde mir sein schaurig-süßes,
Himmlisches Geheimniß klar!
(Band 6 S. 214-215)
_____



Stanzen auf ein Sicilianisches Schwesterpaar

Mit deinem Auge, deinem seelenvollen,
Schaust du mich an, als wär's zum letzten Male;
Dann seh' ich eine dunkle Thräne rollen,
Kaum noch durchblitzt von seinem frommen Strale;
Mir ist, als bräch' es, und ich muß mir grollen,
Daß ich dir meine heil'ge Schuld nicht zahle;
Ich sehe deine Seele, wie ertrinken,
Ich schaud're d'rob, und lass' sie doch versinken!

O! fluch' mir nicht! Ich bin ja selbst gebunden,
Und weiß, daß ich an dir gefrevelt habe;
Von deiner stolzen Schwester trag' ich Wunden,
Und diese werd' ich tragen bis zum Grabe;
Und wenn mein Blick in den entfloh'nen Stunden
An deinem Blicke hing zu süßer Labe,
So war es nur, weil schon in deinem Wesen
Der Schattenriß des ihren steht zu lesen.

Mir war's ein eig'nes schauriges Vergnügen,
Mich halb noch frei von ihrem Bann zu fühlen,
Und doch an diesen mystisch-tiefen Zügen,
Die auch in dir schon dämmern, mich zu kühlen,
Dich aber mußte solch ein Blick betrügen,
Er mußte dir das weiche Herz zerwühlen,
Es that sich auf, mein Bild hinein zu lassen,
Und statt zu jauchzen, sahst du mich erblassen.

Mir ist, als ob erblichne Huldgestalten,
Die schon zum Theil nicht mehr auf Erden weilen,
Mich still umschweben, und die Hände falten,
Und mich beschwören, dein Gefühl zu theilen,
Als könnt' ich ihnen dann noch Treue halten,
Wenn ich versuchte, deine Brust zu heilen:
Als Schwester bist du ihnen wohl erschienen;
Denn ihnen gleichst du an Gestalt und Mienen.

Umsonst! Es sei mit Allem jetzt gebrochen,
Was ich geliebt, und ewig lieben müßte,
Und mag darob auch mancher Busen pochen,
Es schmerzt mich, daß ich je ein Mädchen küßte.
Denn, wäre diese mir nicht zugesprochen,
So glaub' ich nicht, daß ich mir Süß'res wüßte,
Als jeglichem Ersatz zu widerstreben;
Drum hat das Schicksal ihn voraus gegeben.

Es kann mir jetzt den höchsten Wunsch versagen,
Und dieses wird, ich weiß es schon, geschehen;
Ich ward in einen fremden Kreis verschlagen,
Wie sollte ich in ihm nicht untergehen;
Die Welt des Mährchens, die aus alten Tagen
Zu uns herüber klingt, will neu erstehen,
Einst liebt' ich, was ich längst im Traum umfaßte,
Jetzt, däucht mir, muß ich lieben, was ich haßte.

Was sind sie, ihre dunklen, schwarzen Augen,
Was sonst, als Nacht, die in den Brand gerathen?
Und keine Ahnung sagt mir, ob sie taugen
Zu andern noch, als mörderischen Thaten;
Sie können Seelen aus dem Busen saugen,
Die zwar auch keinen süßren Tod erbaten,
Doch zweifl' ich, ob sie milde blicken können,
Und mehr noch, ob sie mir ihr Mildes gönnen.

Gleichviel! Und soll ich Nichts von ihr erwerben,
Und ist sie in des Todesengels Händen
Ein Dolch, der, um mich sichrer zu verderben,
Mit Gold und Perlen muß mein Auge blenden,
So schmück' ich sie doch köstlich noch im Sterben
Und will den ganzen Dichterschatz verschwenden,
Ihr für die That, dem Tode mich zu weihen,
Den höchsten Glanz im Leben zu verleihen!
(Band 6 S. 215-217)
_____



Ein Bild aus Reichenau

Auf einer Blume, roth und brennend, saß
Ein Schmetterling, der ihren Honig sog,
Und sich in seiner Wollust so vergaß,
Daß er vor mir nicht einmal weiterflog.

Ich wollte seh'n, wie süß die Blume war,
Und brach sie ab: er blieb an seinem Ort;
Ich flocht sie der Geliebten in das Haar:
Er sog, wie aufgelös't in Wonne, fort!
(Band 6 S. 230)
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Eine Pflicht

Schönheit, wo ich dich erblicke,
Huldige ich deinem Licht,
Und wie ich mich selbst erquicke,
So erfüll' ich eine Pflicht.

Hast du je dich selbst genossen,
Wenn man dich nicht erst genießt?
Bleibst du nicht in dich verschlossen,
Wenn man sich vor dir verschließt?

Ja, durchschauert es nicht leise
Auch die lieblichste Gestalt,
Wenn in einem blöden Kreise
Ihr versagt die Allgewalt?

Aber wenn sie, Lust erweckend,
Dieser Lust sich selbst erfreut,
Und, des Zaubers Macht entdeckend,
Den sie übt, ihn still erneut:

Hebt sich da ihr Blick nicht freier,
Weil er fremdes Feuer trinkt?
Fällt die Angst nicht, wie ein Schleier,
Erst bemerkt, indem er sinkt?

Drum ein ungetrübter Spiegel,
Schönheit, werd' ich stets dir sein;
Der Vollendung Sternensiegel
Kommt dir durch dein Bild allein!
(Band 6 S. 235)
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In das Album meiner Frau

In deiner Seele unbeflecktem Adel,
In ihrer Unschuld, wurzeln deine Schwächen,
Und was die Meisten vor gemeinem Tadel
Bewahrt, das ist ihr innerstes Gebrechen.

Es könnte Einer dir das Leben rauben,
Und wäre dir schon halb dein Blut entquollen,
So würdest du ihm noch im Sterben glauben,
Er hätt' dir bloß die Ader öffnen wollen.

Will die Natur die Schönheit rein entfalten,
So darf sie Nichts von ihrem Feind ihr sagen,
Sie kann nur dann das Herrlichste gestalten,
Doch muß sie seinen Untergang auch wagen.

Oft wünscht' ich dir zu deinem vollen Frieden,
Du mögtest in der Brust des Feindes lesen,
Doch weiß ich wohl, es wird dir nicht beschieden,
Denn dieser Mangel trägt dein ganzes Wesen!
(Band 6 S. 239)
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Rose und Lilie

Die Rose liebt die Lilie,
Sie steht zu ihren Füßen;
Bald lös't die Glut ihr schönstes Blatt
Es fällt, um sie zu grüßen.

Die Lilie bemerkt es wohl,
Sie hätt' das Blättlein gerne;
Der Wind verweht's, und Blatt nach Blatt
Jagt er in alle Ferne.

Die Rose doch läßt nimmer ab,
Läßt immer neue fallen;
Sie grüßt, und grüßt sich fast zu Tod,
Doch keines trifft von allen.

Das letzte fängt die Lilie
Und thut sich dicht zusammen.
Nun glüht das Blatt in ihrem Kelch,
Als wär's ein Herz voll Flammen.
(Band 6 S. 259-260)
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Der beste Liebesbrief

Hat sie's dir denn angethan
Im Vorüberschweben,
So verfolge rasch die Bahn
Zu dem neuen Leben.

Hasche dir den Schmetterling
Auf dem Rosenhügel,
Nimm ihm mit dem blauen Ring
Seinen weißen Flügel;

Borge von der Biene dann
Dir den Honigrüssel,
Der zum Griffel dienen kann,
Wie zum Blumenschlüssel;

Laß das Blatt nun ohne Scheu
Durch die Lüfte schnellen:
Ist dir Amor hold und treu,
Wird's der Wind bestellen.
(Band 6 S. 285)
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Sonette

An eine Römerin

Ich hab' als Kind gespielt im fernen Norden,
Dann bin ich weit und breit herum gekommen,
Und habe schon das dritte Meer durchschwommen,
Nun ruh' ich aus an seinen Blüten-Borden.

Dir ist ein schlichtes Mädchen-Loos geworden,
Wie eine Blume bist du still erglommen,
Dann hat, wie die der Strauß, dich aufgenommen
Als frischen Schmuck der fromme Jungfrau'n-Orden.

Nun geh'n wir Beide Hand in Hand zusammen,
Wie Gärtnerin und Schiffer traulich wallen,
Im kühlen Schatten dicht verschlung'ner Aeste;

Ich spreche dir von Sturm und Meeresflammen
Und schmücke dich mit Perlen und Korallen,
Du pflückst mir still der Gold-Orangen beste.
(Band 6 S. 308)
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An eine edle Liebende

Du meinst in deiner Seele Dämmerweben,
Dir sei das Tiefste so gelös't in Liebe,
Daß dir nichts Eig'nes zu bewahren bliebe,
Drum willst du ganz und gar dich ihm ergeben.

O, thu es nicht! Es giebt ein Widerstreben,
So rein von jedem selbstisch-rohen Triebe,
Daß sich das Höchste still zu Nichts zerriebe,
Erschlösse dieß ihm nicht ein ew'ges Leben.

Und könntest du, im Edelsten erglommen,
Auch deines Wesens Form vor ihm vernichten -
Die Elemente bleiben, die sie waren!

So wird dein Opfer niemals ganz vollkommen,
Du kannst nicht völlig auf dich selbst verzichten,
Drum sorge du, dich ganz zu offenbaren!
(Band 6 S. 317)
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Die Schönheit

Das Loos der Götter ist auch dir gefallen;
Denn du bist schön, du brauchst dich nur zu zeigen,
So wird sogar von Lippen, welche schweigen,
Wenn Jeder jauchzt, dir Lob und Preis erschallen.

Denn, die als unerreichbar vorschwebt Allen,
Die Harmonie, ist deinem Wesen eigen,
Wie sollte dich, wo du erscheinst, ein Reigen
Von trunkenen Verehrern nicht umwallen!

Zwar werden wir's nur schmerzlicher empfinden,
Wie viel uns mangelt, wenn wir auf dich schauen,
Allein du bist uns doch verwandt geblieben;

Drum dienst du, uns dem Höchsten zu verbinden,
Wir stehen ihm nicht länger fern mit Grauen,
Es tritt uns nah' in dir, wir können's lieben!
(Band 6 S. 318-319)
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Die Verschmähte

Du liebst mich nicht! Wie sollt' ich länger leben!
Die Hoffnung, endlich in dein Herz zu dringen,
Erhielt mich, doch es wird mir nie gelingen!
Ich fühl's, und dieses muß den Tod mir geben.

Er naht mir schon, ich seh' ihn ohne Beben,
Er wird zurück mich zu der Mutter bringen;
Doch kann ich nicht den letzten Schmerz bezwingen,
Und mit mir selbst erst wird er ganz verschweben!

O, wär' ich, statt mit buntem Staub umkleidet,
Als stummes Traumbild vor dich hingetreten,
Du hättest heiß das Dämmernde umschlossen!

Ich ward dir dadurch, daß ich war, verleidet,
Du hättest sonst mich selbst von Gott erbeten,
Und ich in deinem Wunsch mein Glück genossen!
(Band 6 S. 319)
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Mann und Weib

Dem Weibe ist ein schönes Loos beschieden,
Was sie auch hat, sie hat es ganz und immer,
Sie freut sich an des fernsten Sternes Schimmer,
Allein sie schließt sich ab in klarem Frieden.

Der Mann wird nie so sehr vom Glück gemieden,
Als er es meidet, denn er faßt es nimmer,
Gleichgültig, wird es besser, wird es schlimmer,
Er hört nicht auf, das Dasein umzuschmieden.

Ihr ist es, wie ein zugeworf'ner Faden,
Sie hält sich d'ran, und schaudert vor den Wogen,
Die unten dräu'n, und trinkt des Himmels Lüfte.

Er widersteht nicht, sich im Meer zu baden,
Und forscht, vom hellen Leben abgezogen,
Ob Gott sich nicht verbirgt im Schooß der Grüfte.
(Band 6 S. 321)
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Das Heiligste

Wenn Zwei sich in einander still versenken,
Nicht durch ein schnödes Feuer aufgewiegelt,
Nein, keusch in Liebe, die die Unschuld spiegelt,
Und schaamhaft zitternd, während sie sich tränken;

Dann müssen beide Welten sich verschränken,
Dann wird die Tiefe der Natur entriegelt,
Und aus dem Schöpfungsborn, im Ich entsiegelt,
Springt eine Welle, die die Sterne lenken.

Was in dem Geist des Mannes, ungestaltet,
Und in der Brust des Weibes, kaum empfunden,
Als Schönstes dämmerte, das muß sich mischen;

Gott aber thut, die eben sich entfaltet,
Die lichten Bilder seiner jüngsten Stunden
Hinzu, die unverkörperten und frischen.
(Band 6 S. 322)
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Das Geheimniß der Schönheit

Was ist es, das an alle Deine Schritte
Uns fesselt und das Herz uns schwellt,
Und uns zugleich in diese reine Mitte
Von heil'ger Scheu und süßer Neigung stellt?

Zwar scheinst Du, wie aus einer lichtern Sphäre
In uns're Nacht hinab getaucht,
Als ob der Duft in dir verleiblicht wäre,
Den still der Lotos in die Lüfte haucht.

Doch ist's nicht dieser Zauber, der uns bindet,
Uns trifft ein höherer durch ihn,
Bei dem die Seele schauernd vorempfindet,
Wie alle Welten ihre Bahnen zieh'n.

Du magst dein Auge senken oder heben,
Den Reigen führen oder ruh'n,
So spiegelt sich das allgemeine Leben,
Dir selbst Geheimniß, ab in Deinem Thun.

Du bist der Schmetterling, der auf den Flügeln
Den Schlüssel zu der Schöpfung trägt
Und sie im Gaukeln über Au'n und Hügeln
Vor'm Stral der Sonne aus einander schlägt.

Du folgst nur einem flüchtigen Verlangen,
Nur einer Wallung der Natur,
Wenn wir mit trunk'nen Blicken an Dir hangen,
Als zög' ein neuer Stern die erste Spur.

Du pflückst in einer kindlich-leichten Regung
Dir Blüte oder Frucht vom Baum
Und weckst durch eine liebliche Bewegung
In uns den frühsten Paradieses-Traum.

Heil uns, daß Du in unbewußtem Walten,
Wenn Du auch selbst nur spielen willst,
Durch Deiner Schönheit leuchtendes Entfalten
In uns das ewige Bedürfniß stillst.
(Band 6 S. 404-405)
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Auf ein sehr schönes junges Mädchen

Wohl lächelt mir Dein rother Mund,
Wohl reizt mich Deine Huldgestalt,
Doch such' ich nicht mit Dir den Bund,
Denn Du bist jung, und ich bin alt.

Dir würde ein Antinous,
Der aller Götter Liebling ist,
Noch zagen unter'm ersten Kuß,
Ob er sich nicht zu viel vermißt.

Kein Mädchen-Auge schloß der Tod,
Du erbtest seinen reinsten Blitz,
Und Deiner Wangen sanftes Roth
Ist jedes Lächelns holder Sitz.

Wie wagt ich's wohl, mich Dir zu nah'n,
Der zürnenden Natur zum Hohn,
Du stehst im Anfang Deiner Bahn,
Ich seh' das dunkle Ende schon.

Wär' ich ein König, baut' ich Dir
Das schönste Haus mit Thurm und Wall
Und setzte Dich hinein zur Zier,
Wie eine Ros' in den Kristall.

Doch, da ich nur ein Dichter bin,
Mit leichtem Kranz und Pilgerstab,
So segn' ich Dich in frommem Sinn
Und wende mich für ewig ab.

Nun stehst Du in der Engel Hut,
Bis einst die Liebe Wache hält,
Denn sie beschirmen Dichter-Gut,
Bis es in reine Hände fällt.
(Band 6 S. 426-427)
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Sehnsucht
An L.

In der Ferne liegt das vergangene Glück,
Und Stürme umbrausen das Leben,
Und nächtliche Finsterniß dunkelt den Blick -
Umsonst sieht er vorwärts, umsonst zurück -
Nichts, nichts kann Ruhe mir geben.

Wohl stralt mir entgegen ein heiterer Stern,
Eine Rose wohl sehe ich glühen,
Doch die Hoffnung ist mir auf ewig fern -
In Nacht und Nebel weilt sie nicht gern -
Auf immer seh' ich sie fliehen.

Wohl prangt in der Ferne ein liebliches Bild,
Doch nimmer werd' ich's umfangen;
Es stralt so heiter, so engelmild,
Doch Orcane umbrausen mich furchtbar wild,
Nie werd' ich die Holde erlangen.

Du Holde, du Göttliche, gieb mir Gehör,
Gieb Hoffnung mir flehendem Armen -
Dann fürcht' ich die Stürme des Lebens nicht mehr -
Durch Nacht und Nebel schreit' ich einher,
An Deiner Brust zu erwarmen.

Und würfen sich Welten in meine Bahn -
Ich würde die Welten erfliegen;
Dich Hohe, Himmlische, zu umfah'n -
Zu den Wolken flög' ich, zum Himmel hinan -
Die Hölle selbst würd' ich besiegen.
(Band 7 S. 9-10)
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Liebe
Meinem Freunde Heinrich August Theodor Schacht

Freund, Dir lächelt die Welt! Nimmer mit wilder Wuth
Brach der Leidenschaft Sturm noch Dir die Blume ab,
Die im heiligen Busen
Sorgsam fromm sich Dein Geist erzog.

Unschuld nährt sie ja sanft, träufelt auf sie herab
Thau, wie aus goldenem Horn, stärkender Kühlung voll,
Tithons hehre Geliebte
Auf ein schmachtendes Veilchen geußt.

Bist Du selig, mein Freund? Schau' doch die Rose an - -
Halb zersprengt' sie die Knosp', aber mit eh'rner Macht
Hüllt die göttliche Schöne
Noch der engende Körper ein.

Das Dein Leben, o Freund! Nimmer im Lichte schon,
Nur im Dämmerungsschein schauest Du seinen Geist,
Siehst ihn ferne nur blinken,
Kostest noch nicht den Göttertrank.

Aber, lispelt Dir einst! "Theurer, ich liebe Dich!"
Mit melodischer Stimm' himmlisch Dein Mädchen zu,
Beut von Morgenrothslippen
Dir den keuschen Verlobungskuß:

Dann mit ewiger Glut flammt Dir die Sonne auf,
Dann in's durstige Herz saugst Du die Seligkeit,
Dann beneiden die Engel,
Die Du nimmer beneidest, Dich.

Wie der Lilie Duft sich in dem linden West
Mit dem Aethergedüft, welches der Ros' entströmt,
Mischt - empor zu der Sonne
Schwebt der dankende Wohlgeruch -

So vereinet die Lieb' Seele mit Seele ganz,
Hebt den Schleier der Zeit, schwingt, wie den Duft der West,
Wonneglühende Seelen
Zu dem Throne Jehovahs auf.
(Band 7 S. 36-37)
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Melancholie einer Stunde

Was Du Dir je ersehntest und erträumtest
Von Himmelswonnen und von Erdenlust -
Womit die dunkle Zukunft Du umsäumtest -
Als Mädchen sinkt's Dir an die Brust!

Doch Laura, die in dieser Stunde
Dir Treue schwur für Zeit und Ewigkeit,
Lehrt morgen Dich die arge Kunde
Von einer Ewigkeit Vergangenheit.

Glückseliger - und bist Du auch betrogen,
So war's das Mädchen nur, die Liebe nicht, die trog -
Dir hat kein Schicksal falsch gewogen, -
Du warst es selber, der sich wog.

Und mag auch den Betrug die Hölle würzen,
Und mag er in das kalte Grab
Dein junges Leben auch hinunterstürzen -
So steigst Du doch nicht kalt hinab!

Doch, anders kann das Ding sich fügen -
Was Dich als holde Braut entzückt,
Wird Weib, will Putz und Kinder, sie zu wiegen -
Das ist's, was durch Dich selbst Dich selbst entrückt.

Da wird Dein Herz sein eig'ner Todtengräber -
Nicht Liebe, nur - ein Weib ist Dein:
Das Leben wird zur vorgeworfnen Träber -
Dein Stolz befiehlt - Du schluckst sie ein!

Und zogst Du endlich nach so vielen Nieten
Das einz'ge, letzte Loos, darfst Du zu Bette geh'n,
So möge Gott Dir einen Himmel bieten,
Du - hast nicht Lust, ihn anzuseh'n!
(Band 7 S. 98-99)
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Die Liebhaber

Das Mädchen
Erster Liebhaber
Zweiter Liebhaber

Morgens
Erster Liebhaber
Was dem Menschen-Aug' die hehre Sonne,
Holdes Mädchen, das bist Du für mich!
Als den Inbegriff jedweder Wonne,
Stralen werfende, verehr' ich Dich!
Und das Auge ist ja gern zufrieden,
Wenn es Sonnen-Anblick nur genießt,
Und ein Jeder weiß, daß ihm hienieden
Nicht die Seligkeit des Himmels fließt;
Darf ich drum nur anderthalb Minuten,
Süßer Engel, täglich Dich beschau'n -
O, dann werden mich die reinsten Fluten
Aus dem ersten Wasser schon bethau'n!


Zweiter Liebhaber
Schnödes, Geist zerstörendes Empfinden! -
Nicht zum Wunsche kann es Dir gedeih'n!
Nimmer, nimmer, schnürst Du mich in Windeln,
Gleich wie den lebend'gen Seufzer, ein.
Nein! Was hilft es mir, am Bach zu stehen,
Wenn ich meinen Durst nicht löschen kann -
Tantal konnte auch ja Früchte sehen,
Dennoch Höllenqualen litt der Mann.
Schönste, die mit reizenden Geberden
Vor mir steht, ein Engel zart und fein -
Meine Göttin kannst Du freilich werden,
Aber - ich muß auch Dein Himmel sein!


Das Mädchen
Oftmals hörte ich zur Warnung sagen,
Die Bewunderung sei flaue Kost:
Jener soll als Wasser mir behagen,
Dieser dann dazu als frischer Most.
(Zu dem ersten Liebhaber)
Bin ich gleich zur Sonne, wie ich glaube,
Zu gering - ich will es Ihnen sein!
(Zu dem zweiten Liebhaber)
Komm heut' Abend in die Gartenlaube -
Dieser Schlüssel führet Dich hinein!
(Zu dem ersten, der sich stumm auf die Knie geworfen)
Sie erkälten sich ja so, mein Bester,
Stehen Sie doch auf, ich bitte Sie!
(Zu dem zweiten Liebhaber)
Mutter ist verreis't, und meine Schwester
Fehlet in Rossinis Opern nie!
(ab)


Erster Liebhaber
Hörtest Du das Schöpfungswort der Wonne,
Erde, und Du jubilirst nicht auf?
Hast Du es vernommen, träge Sonne,
Und Du bleibst in dem gewohnten Lauf?
Gras und Blumen, könnt ihr ruhig stehen?
Spürst Du Nichts vom Orpheus-Ruf, o Hain?
Bach und Fluß, ihr wollt nicht schneller gehen,
Zeugen meiner Seligkeit zu sein?
Schläfrige Planeten, bunte Sterne,
Die noch keinen Glücklichen geseh'n -
Alle Wißbegierde ist euch ferne -
Könntet sonst nicht so phlegmatisch steh'n!
(ab)


Zweiter Liebhaber
Dieser Tag, der eben angefangen,
Trägt das allerfreundlichste Gesicht:
Nie ist mir ein schön'rer aufgegangen,
Und, fürwahr, ein gleicher auch wohl nicht!
Auf heut' Mittag lud zu einem Schmause
Mich ein Freund, bei dem der beste Wein
Reichlich fließt - von da zum Kaffeehause
Können es nicht fünfzig Schritte sein;
Billard soll den Nachmittag mir kürzen,
Bis die liebe Komödie beginnt,
Und des Abends Ueberrest zu würzen,
Schickt mir Amor dann sein liebes Kind.


Abends
Garten. Vor einer Laube. Die gehörige Quantität Mondschein.
Erster Liebhaber, angekündigt von einem affectirten Seufzer,
tritt langsam hervor
Diese schlichte Laube ist die Schaale,
Die den Kern des Weltalls, Sie, verschließt!
Waget es für heut' zum letzten Male,
Augen, daß ihr Himmelsbrot genießt.
(Er blickt in die Laube und fährt zurück)
Ha, was seh' ich? Nein - ich muß mich täuschen!
(Er blickt wieder hinein)
Wehe! weh'! sie ist es, ist es selbst!
(Er wüthet auf die herkömmliche Weise gegen sich)
Busen, Busen - lasse dich zerfleischen,
Der du über's ärmste Herz dich wölbst!
Gott! im Himmel, habe doch Erbarmen,
Sende eilig doch den Tod herab -
Nun ich sie geseh'n in fremden Armen,
Hat für mich nur einen Arm das Grab!
(Mädchen und zweiter Liebhaber treten aus der Laube)


Das Mädchen
Ha! zu schlimmer Stunde, sollt' ich meinen,
Trat Ihr Fuß in diesen Garten ein:
Abends pflegt die Sonne nicht zu scheinen,
Und ich sollte Ihre Sonne sein!


Erster Liebhaber
Mädchen - mich mit Worten und Geberden
Zu verhöhnen - Du entsiehst Dich nicht?
Wohl! noch giebt es einen Strick auf Erden,
Und im Himmel giebt's ein Weltgericht!
(stürzt ab)

Das Mädchen
Ewig sollte mich es doch betrüben,
Falls er heute noch die Würmer speis't!


Zweiter Liebhaber
Ohne Furcht, die nur im Geiste lieben,
Tödten auch allein sich nur im Geist!
(Band 7 S. 101-105)
_____



Romanze

"Mädchen, Mädchen, weine nicht! -
Viele Thränen bleichen Deine Wangen -
Deine Schönheit ist dann bald vergangen;
Reizlos und entstellt,
Ein zertret'nes Blumenfeld,
Ist Dein Angesicht!"

"Aus meinem Leben
Die Rose ist hin -
Was sollte der Blätter
Betrügliches Grün?"

"Mädchen, Mädchen, weine nicht!
Muß doch in des Heißgeliebten Krone,
Die ihm Gott im Himmel gab zum Lohne,
Jede Thräne Dein
Eine scharfe Dorne sein,
Die ihn gräßlich sticht!"

Da hemmte sie eilig
Der Thränen Lauf,
Und blickte freundlich
Zum Himmel hinauf.
(Band 7 S. 106)
_____



Trennung

Wir schreiten lange stumm und still
Zusammen durch das Leben;
Wenn auch das Herz sich öffnen will,
So schließt sich's doch mit Beben.
Wir pressen schweigend Hand in Hand,
Das Auge perlt von Thränen,
Da wird erkannt, doch nicht genannt,
Was wir mit Angst ersehnen.

Doch naht sie, ernst und finster, nun
Die bange Trennungsstunde,
Da kann das Herz nicht länger ruh'n,
Springt auf, wie eine Wunde.
Dann sind wir Armen schnell vereint
In schmerzlich süßem Triebe,
Und Jeder frägt, und Jeder weint:
Du hattest so viel Liebe?

Tief sind wir in den süßen Tausch,
Ach, allzutief, versunken,
Wir haben uns in wildem Rausch
Die Seelen zugetrunken.
Man fühlt, was Mensch dem Menschen ist,
Dann aber soll man scheiden,
Und in der Stund', wo man's ermißt,
Muß man's auf ewig meiden.
(Band 7 S. 114-115)
_____



Frage und Antwort

"Was ist die Liebe? Sag' es mir,
Der Du so Vieles weißt!
Du bist ein Dichter: frage an
Bei Deinem Dichtergeist!"

Ich weiß es wohl, doch kann ich's nicht
In Worten Dir vertrau'n:
Ein Mittel giebt es: liebe mich,
Da wirst Du's deutlich schau'n!
(Band 7 S. 115)
_____



Liebesgeheimniß

Du nennst die Liebe ein entzückend Träumen,
Ich nenne sie ein schmerzliches Erwachen;
Wir fühlen uns in öden Schlummers Räumen
Gekettet an unwürdig-nicht'ge Sachen,
Wir schauern, es ergreift uns, ohne Säumen
Frei für das hohe Leben uns zu machen,
Allein, wir Armen sind gar fest gebunden,
Bald ist der Muth, das Sehnen auch, entschwunden.

Ein müder Pilger kommt aus weiter Ferne,
Er streckt sich hin, zu dumpfem Schlaf ermattet.
Durch milden Blütenregen weckt' ihn gerne
Der Baum, der still und freundlich ihn beschattet.
Halb wacht er schon. Da leuchten alle Sterne,
Ihn kühlt ein Hauch, mit dem ein Duft sich gattet,
Der ganze Himmel neigt sich auf ihn nieder,
Er seufzt: ein Traum! und schließt die Augen wieder.
(Band 7 S. 145-146)
_______



Auf eine Verlassene

Und wenn Dich Einer schmähen will,
So zeig' ihm stumm Dein schönes Kind,
Das macht die Seele weit und still,
Das schmeichelt allen Sinnen lind.

Wenn er in ihrer sanften Glut
Dies frische Paar der Wangen schaut,
So ahnt er, daß die reinste Flut
Des holden Lebens sie bethaut.

Und wenn er in dies Auge blickt,
So neigt er sich in heil'gem Graus,
Und wähnt, im Innersten durchzückt,
Gott selber schaue stumm heraus.

Und küßt er diese Lippen dann,
Von allem Höchsten still durchbebt,
Da frag' Du leise bei ihm an,
Ob er vergebe, daß es lebt.
(Band 7 S. 160)
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Aus: Friedrich Hebbel Sämtliche Werke
Historisch-kritische Ausgabe
besorgt von Richard Maria Werner
Sechster Band: Dramen VI. Demetrius (1864)
Gedichte I. Gesamt-Ausgabe. 1857 - Gedichte II.
Aus dem Nachlaß. 1857-1863
Siebenter Band: Gedichte III. Nachlese 1828-1859
Berlin B. Behr's Verlag 1904
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Hebbel

 

 


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