Franz Hermann von Hermannsthal (1799-1875)
- Liebesgedichte

 


Franz Hermann von Hermannsthal
(1799-1875)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




An die Ferne Geliebte

Südlich laue Lüfte wehen
Ungewohnten Balsam mir,
Aber ach, sie weh'n und kommen
Von dir nicht, und nicht zu dir!
Freudig heit're Töne schallen
Rings um mich in frohem Chor;
Doch nach deiner Stimme Zauber
Lauscht umsonst mein sehnend Ohr!

Freundlich spielen dort die Wellen
Auf dem blauen Ozean,
Aber dich, du Holde, bringen
Sie nicht her auf eb'ner Bahn!
Offen sind der Tempel Hallen,
Heil'genbilder strahlen d'rin,
Aber den lebend'gen Engel
Sucht umsonst mein treuer Sinn!

O, wie ist es hier so herrlich,
Denk' ich, Ferne, nicht an dich!
O, wie wird es hier mir enge,
Mahnt an dich die Liebe mich!
Drückend sind mir dann die Lüfte,
Klage wird der Luftgesang,
Und der weite Tanz der Wellen
Macht die Brust mir schwer und bang.

Tragt, ihr Wellen, mich in Frieden,
Oder tragt in Sturm mich fort!
Nach dem Sturm winkt Himmelsruhe
Mir bei ihr in sich'rem Port.
Bläht die Segel auf, ihr Lüfte,
Pfeilschnell fliege hin, mein Schiff,
Denn mir ist, als hört' ich drüben
Ihre Stimme, die mir rief!

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 8-9)

_____



Ihr Auge

Wie glänzt mit Zauberscheinen
Dein Blick so wundermild,
Madonna's, jener Reinen,
Entzückend Ebenbild.
Gehorsam ist dein Streben,
Und Demuth ist dein Ziel,
So leuchtest du durch's Leben,
Wie Mondlicht klar und still.

Gehorsam ist dein Streben,
Du sanfter Morgenstern?
Dir will ich mich ergeben,
Dir folg' ich froh und gern.
Du ringst ja nicht nach Kronen,
D'rum sind sie alle dein,
Und göttlich ist's zu wohnen
In deinem milden Schein.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 10)

_____



Die Sprache der Liebe

Als ich noch in's Aug' ihr blickte,
Wie der Himmel blau und klar,
Als ich noch in ihrer Nähe
Seliger als selig war;
Ach, da griff ich in die Saiten,
Doch die Saiten klangen nicht,
Weil der Liebe höchste Wonne
Nur mit sel'gen Blicken spricht.

Jetzt, da ich von ihr geschieden,
Da umsonst sie sucht mein Blick,
Da mein sehnend Herz vergebens
Klaget um entschwund'nes Glück;
Greif' ich wieder in die Saiten,
Doch die Saiten klingen nicht,
Weil der tiefste Schmerz der Liebe
Nur mit stillen Thränen spricht.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 14)

_____



Das Mädchen am Bache

Stand ein junges, bleiches Mädchen
Sinnend an des Baches Rand,
Pflückte dann die schönsten Blumen
Seufzend wie mit Geisterhand,
Wand ein Kränzchen aus den Blumen,
Wand so zierlich es und fein,
Blickte nieder in die Wellen,
Warf das Kränzchen dann hinein.

"Warum pflückst du diese Blumen,
Mädchen mit dem Engelsglanz?
Warum windest du aus ihnen
Künstlich einen bunten Kranz?
Warum schenkst du ihn den Wellen,
Die so kalt ihn weiter zieh'n,
Aber nicht in sel'ger Freude
Über dein Geschenk erglüh'n?"

""Ach, die Freude seines Lebens
Machte solch ein Kränzchen aus,
Das er oft von Baches Rande
Träumend nahm mit sich nach Haus.
Nun er in den Wellen schlummert,
Werf' ich meinen Kranz hinein;
O, sie werden ihn wohl finden,
Werden bringen ihm, was sein!""

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 16)

_____



Fügung

Ich wüßte, was ich thäte,
Wenn ich ein König wär':
Ich winkte der Geliebten
Zu meinem Throne her,
Ich führte sie die Stufen
Hinauf mit sel'ger Hand,
Und wänd' um ihre Stirne
Das diamant'ne Band.

Ich wüßte, was ich thäte,
Wenn ich ein Bauer wär':
Ich winkte der Geliebten
In meine Hütte her,
Ich nähme sie zum Weibe,
Und sicher, weit und breit
Wär' in dem Lande keiner
Mir gleich an Seligkeit.

Und bin ich nur ein Dichter,
So weiß ich, was ich thu':
Ich flüst'r' ihr meine Liebe
In süßen Liedern zu.
Kein Reich nenn' ich mein eigen,
Kein Feld, auch noch so klein;
Doch kann ich sie gewinnen,
So ist der Himmel mein.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 17)

_____



Entschlummern

Also bist du fort von mir,
Und ich bin allein.
Sprich, wie soll ich fern von dir,
Heißgeliebte, seyn?

Schwebe, schwebe licht und mild,
Schwebe her um mich.
Tröste mich als Traumgebild,
Und ich tröste dich.
Lieblich ist der Träume Land
Ringsum ausgeschmückt,
Glück, das kam und wieder schwand,
Wird darin erblickt.
Grüne Gärten, süßer Duft,
Leise rinnt der Bach,
Nachtigallen, linde Luft,
Blaues Himmelsdach,
Kühle Lauben, wo ich dich
Oft, Geliebte, fand,
Wo dein Arm, Geliebte, mich
Oft in Lieb' umwand;
Leise klingt es, leise klingt's,
Grüner schwillt der Pfad,
Heller rauscht es, süßer singt's,
Die Geliebte naht!


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 24)

_____



Während des Sturmes

Draußen stürmt's, die Bäume zittern,
Blatt auf Blatt fällt rauschend hin;
Hochgeschwellt siehst du des Stromes
Wilde Wellen zürnend flieh'n.
Manche Blume, die noch gestern
Gar so lieblich duftend stand,
Sucht dein Auge heut vergebens,
Sie ergriff des Sturmes Hand.

Tose, Sturm! Du schreckst mich nimmer,
Bannst mich nicht in's enge Haus.
Will ich, nun so werd' ich bleiben,
Freut's mich, so geh' ich hinaus.
Draußen ist der Sturm zu tragen,
Draußen schafft er gar mir Lust;
Aber einen möcht' ich stillen,
Diesen Sturm in meiner Brust!


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 25)

_____



Trost und Qual

Wenn die Andern spielen, lachen,
Und recht innig sich erfreu'n,
Kann ich nicht mit ihnen halten,
Denn ich denk', o Ferne, dein.

Aber wenn die Andern weinen,
Weint mit ihnen wohl mein Herz,
Und ich denke: ihr habt euren,
Und ich habe meinen Schmerz.

Sieh, dann nahet der Gedanke,
Tröstend, und doch quälend, mir:
Diesen Schmerz in deinem Busen
Theilt ein Engel still mit dir.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 27)

_____



An die ferne Geliebte

Andern ist's zu Nacht verdunkelt,
Wenn das Auge nicht erfunkelt,
Das ihr stilles, kleines Leben
Mild mit seinem Strahl erhellt,
Und mit allen ihren Wonnen,
Ihren Menschen, Blüthen, Sonnen,
Kann sie ihnen Schmerz nur geben,
Die verkannte, reiche Welt.

Mich, seitdem ich dich umschlungen,
Hat so mächt'ge Lust durchdrungen,
Daß mir, nah' dir oder ferne,
Überall die Sonne scheint!
Ewig selig, frei von Schmerzen,
Trag' ich dich in meinem Herzen,
Wenn nach dem verhüllten Sterne
Trostlos mancher and're weint.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 35)

_____



Auf dem Balle

Alle kann ich sie umschlingen,
All die Schönen in dem Kreise,
Nach der Töne süßer Weise
Kann ich, wie die Freude selber, springen,
Alle kann ich sie umschlingen,
Nur mit dir, mein Lebenslicht,
Meine Selma, wag' ich's nicht.

"Zürnst du mir, Geliebter,
Daß du so mich fliehst,
Daß du mir im bunten Reigen
Deine Hand so schnell entziehst?"

Würd' ich deinen Leib umschlingen,
Nimmer könnt' ich mich bezwingen,
Durch den Saal erkläng' es laut:
Dieser Arm umfaßt die Braut!


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 36)

_____



Liebesjubel

Schweigen soll ich, soll's nicht sagen,
Soll dich tragen
Ohne Jauchzen in der sel'gen Brust?
Küssen soll ich Mund und Wangen,
Dich umfangen,
Keinem andern sei's bewußt?
Daß die Luft, die eingeengte,
Mir zersprengte
Meine übervolle Dichterbrust?
Echo, höre meine Lieder,
Gib sie wieder,
Und mein Himmel sei der Welt bewußt!

Wen ich finde, hoch und nieder,
Fremde, Brüder,
Alle drück' ich jubelnd an mein Herz!
Muß von meinem reichen Leben
Ihnen geben,
Meine Lust wird sonst mein Schmerz.
Wolken, die am Himmel rollen,
Hochgeschwollen,
Thau'n hernieder in des Landes Herz;
Nahe sind nur sie der Sonne,
Doch zur Wonne
Treibt ihr Thau die Blumen himmelwärts.
Schweigen soll ich? Engelschöne,
Meine Töne
Gab mir Gott zu deinem Preis allein;
Meinen Arm, dich hoch zu heben,
Du mein Leben,
Und zu rufen: Sie ist mein!
Meine Stimme, zu verkünden:
Engel finden
Ist nicht Himmlischen gegönnt allein;
Ich bin auch dazu erkoren,
Erdgeboren
Bin ich, und doch ist ein Engel mein!


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 37-38)

_____



Abschied

Das Mädchen
Ach, du ziehst nun in die Ferne,
Welt und Menschen wirst du schauen,
Schöne Mädchen, holde Frauen
Werden blüh'n vor deinem Blick;
Besser, als die du verlassen,
Schöner, als die fern geblieben,
Von gewalt'germ Geist getrieben,
Werden sie dein Herz mir rauben,
Und du kehrst mir fremd zurück!

Der Jüngling
Sprich, lieb' ich denn deine Schönheit,
Deinen Geist nur, deine Blüthe,
Nur dein kindliches Gemüthe,
Blätter deiner Blume bloß?
Nein, o Mädchen, dich, die Ganze,
Wie du bist mit deinem Wesen,
Hat mein Herz sich auserlesen;
Bist du zweimahl nicht auf Erden,
Kehr' ich treu in deinen Schooß.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 39)

_____



Vom Berge

Hier auf der Höhe,
Wo über dem Haupte
Nahe die Wolken
Vorüberrauschen,
Wo blaue Gipfel
Aus der Ferne herüber
In nächtliche Schlünde schauen,
Hier ist meine Seele
Laut von Jubel,
An Wünschen still;
Aber der Eine,
Mich immer begleitende,
Regt sich im Busen:
Wärst du, Geliebte,
Du Herrliche, hier!

Hier an deiner Hand zu stehen,
Hier an deiner Brust zu ruhen,
Hoch über den andern,
Welche nicht lieben!
Hier ein Blick aus deinem Auge!
Hier ein Seufzer des Entzückens
Aus dem schönheitstrunk'nen Busen!

Rauscht vorüber,
Rauscht zusammen,
Ihr Wolken!
Verhüllet mich!
All die leuchtende Herrlichkeit
Wird mir zum Schmerze!
Einsam steh' ich, und einsam
Breit' ich die sehnenden Arme aus!

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 44-45)

_____



Liebeslieder

Die Lieder sind geschrieben,
Die Lieder stehen da,
Wo aber ist die Liebe,
Die aus den Liedern sah!

Die Lieder hatten Leben,
Und Farb' und Angesicht,
Nun aber ist ein jedes
Ein Schatten, ein Gedicht.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 62)

_____



Ewige Sehnsucht

Lieb' ist eng mit Leib verbunden,
Ohne sie das Leben leer.
Und so kann man nimmermehr,
Wie's auch immer fällt, gesunden.
Lieb' ist eng mit Leib verbunden,
Ohne sie das Leben leer.

Keine Gabe wird gewonnen,
Sehnsucht nur der Brust zu Theil,
Sehnsucht nach der Liebe Pfeil,
Oder nach des Pfeils Verschonen.
Keine Gabe wird gewonnen,
Sehnsucht nur der Brust zu Theil.

Hielt ich nicht mein Glück geborgen,
Als ich die Geliebte fand?
Doch die alte Sorge schwand,
Und gab Raum den neuen Sorgen.
Ach, mein Glück war nicht geborgen,
Als ich die Geliebte fand!

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 90)

_____



Das stille Herz

Als ich um Liebe betteln ging,
Wie war ich da unselig!
Wie flossen meine Thränen da
So bitter und unzählig!

Verrathen ward ich jeden Tag,
Mit kaltem Hohn begossen,
Und jeden Tag recht in das Herz
Mit scharfem Dolch gestoßen.

Und als ich betteln ging um Glück,
Wie war ich zu bedauern!
Wie mußt' ich mich vergebens nicht
Bald winden und bald kauern.

So Tag als Nacht war ich gehetzt,
Geprellt zu allen Stunden,
Mir ward kein anderer Gewinn,
Als an der Sohle Wunden.

Nun such' ich Liebe nimmermehr,
Des Glückes Fluch und Segen,
Nun ist mir wohl! kann mich zu Lust
Und Qual nicht mehr bewegen.

Nun wandl' ich als ein stummer Geist,
Und habe Freud' und Schmerzen
Erwürgt mit meiner eig'nen Hand
In meinem stillen Herzen.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 99-100)

_____



Ghasele 3.
Es ist für mich die höchste Wonne, bei dir zu seyn,
Mir aller Freuden Blüth' und Krone, bei dir zu seyn.
Ich sehne mich, wie sich die schmachtende Blume sehnt
Nach einem Liebesblick der Sonne, bei dir zu seyn.
Ich sehne mich, ob ich in wilder Gebirge Grau'n,
Ob ich in schönen Gärten wohne, bei dir zu seyn.
Ich sehne mich aus meiner Hütte hinaus nach dir,
Nicht minder sehnt' ich mich vom Throne, bei dir zu seyn.
Mein Mund soll willig schweigen, stumm soll mein Auge seyn,
Nur gönne mir zum sel'gen Lohne, bei dir zu seyn.


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 108)

_____



Ghasele 5.
Die Nacht ist uns herabgestiegen wundermild.
In Schlummer will die Welt sie wiegen wundermild.
Die düstern Wolken hat des Mondes Blick gewußt
Mit mächt'gem Zauber zu besiegen wundermild.
Leis' athmend weht die Luft, und läßt vom Blumenbeet
Die süßen Wohlgerüche fliegen wundermild.
Sie ruft die Kühlung auf, und heißt die liebliche
Sich an die heiße Stirn' anschmiegen wundermild.
O wonnevolle Nacht, dich preist wohl jeder Mund,
Ob er auch dumpf bisher geschwiegen, wundermild.
Mich aber lockst du nicht; die Sturmnacht pries' ich wohl,
Könnt' in Suleika's Arm ich liegen, wundermild.


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 110)

_____



Ghasele 6.
Gleichwie im Lenz der Vogel singen muß,
Die Rebe um den Stamm sich schlingen muß,
Gleichwie die Sonnenblume dem Gestirn
In heißer Lieb' entgegenringen muß,
So wie der Zephyr, der den Hain durchstreift,
Auf seinen Flügeln Düfte bringen muß,
So wie die Nachtigall, vom Mond erweckt,
Auf Tönen sich zum Äther schwingen muß,
Und wie die Wolke, die um Sterne schwimmt,
Ihr helles Silberlicht verschlingen muß, -
So meine Laute, die dein Hauch berührt,
In süßem Zwang stets dir erklingen muß.


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 111)

_____



Ghasele 7.
Unwillig frag' ich, ob ich's leiden soll,
Ob ich dich immer wieder meiden soll,
Ob ich mit einem flücht'gen Liebesblick
Auf lange Tage mich bescheiden soll;
Warum mein Herz, von langer Sehnsucht wund,
An einem Hauch von Lust sich weiden soll.
Doch flüstert mir ein Geist, daß ich um dich
Mit Schild und Speer zum Kampf mich kleiden soll,
Gleich spricht der bess're Geist aus deinem Blick,
Daß ich in Liebe von dir scheiden soll.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 112)

_____



Ghasele 10.
Sie sprach bei'm Scheiden: "Vergiß mein nicht!
In Lust und Leiden vergiß mein nicht!"
Ihr Seufzer klang, da die Stunde schlug,
Mich lang zu meiden: "Vergiß mein nicht!"
Die Thräne bath, die dem Aug' entquoll,
Den Schmerz zu weiden: "Vergiß mein nicht!"
Die Augen blickten mir's ferne zu,
Die holden beiden: "Vergiß mein nicht!"
Ihr ganzes Wesen war aufgelöst
In ein bescheiden: "Vergiß mein nicht!"
Mir ist, sie könn' es in der Nacht
In Sterne kleiden: "Vergiß mein nicht!"

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 115)

_____



Ghasele 11.
Was hilft's, du göttlich Weib, den Mund mir streng zu zügeln,
Und mit dem ernsten Blick die Lippe mir zu siegeln?
Was dir die Luft verschweigt, muß dir das Licht verkünden,
Und meine Liebe dringt zu dir auf Blickes Flügeln.
Ja, wär' ich blind, so ganz hat Liebe mich durchdrungen,
Sie müßt' in Hauch und Hand, auf Stirn' und Brust sich spiegeln.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 116)

_____



Ghasele 13.
In Zwiespalt ist dein Aug' mit deinem Munde;
Dein Auge gibt mir süße Liebeskunde,
Doch schnellst du von den Lippen scharfe Pfeile,
Und siehst mit feuchtem Auge meine Wunde.
Dein Aug' ist eine spiegelklare Quelle,
Doch trübt der Wind, dein Mund, sie bis zum Grunde.
O wäre doch dein Mund mit deinem Auge,
Wo nicht, mit deinem Mund dein Aug' im Bunde!
Sprich aus mit Aug' und Mund Haß oder Liebe,
Daß ganz ich sterbe, oder ganz gesunde.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 118)

_____



Ghasele 14.
Verschweigen soll ich, was mein Herz bewegt,
Und wie es dir in Lieb' entgegenschlägt?
Wer spricht zur Blume: "Keime nicht empor,"
Wenn sich des Frühlings milder Athem regt?
Wer spricht zum Espenbaume: "Rausche nicht,"
Wenn seine reichen Zweige Sturm durchfegt?
Wer spricht zur munt'ren Well': "Erglänze nicht,"
Wenn sie die Sonn' auf ihrem Spiegel trägt?
Wer spricht zur Muschel: "Bleib' am Grund verbannt,"
Wenn sie die Perl' in ihrem Schooße hegt?
So ford're nicht, daß ich dir schweigen soll;
Ein Gott hat Lieder mir in's Herz gelegt,
Und meine Liebe, zürne, wenn du kannst,
Den Liedern deinen Nahmen eingeprägt.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 119)

_____



Ghasele 15.
Der Welt soll ich's verschweigen,
Daß du mir ganz zu eigen?
Mich däucht, sie muß es hören
Aus unserm sel'gen Schweigen,
Mich däucht, sie muß es sehen,
Wenn wir uns fremd verneigen,
Es wissen, wenn mein Arm dich
Umschlingt im frohen Reigen,
Mich däucht, die Vögel singen's
Melodisch von den Zweigen.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 120)

_____



Ghasele 17.
Wähnend, daß er mir entgehe, ruhte dein Blick auf mir.
Zitternd, daß ich ihn erspähe, ruhte dein Blick auf mir.
Ach, ich sah ihn, fühlt' ihn ja, und hätt' ich ihn nicht geseh'n!
Heilend meines Busens Wehe, ruhte dein Blick auf mir.
Sel'ge Blindheit übernahm ich, ihn nicht zu scheuchen, gern,
Wie ich so geblendet stehe, ruhte dein Blick auf mir.
Doch das unfolgsam Aug' erhebt sich, und sucht umsonst; -
Nimmer, sehend, daß ich sehe, ruhte dein Blick auf mir.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 122)

_____



Ghasele 18.
Liebewerbende bisher verlacht' ich;
Ach, um dich, wie gern die Werbung macht' ich!
Liebe schmäht' ich kühn; daß die Geschmähte
Mir noch Göttin werde, nimmer dacht' ich.
Alle Dienerei ist mir zuwider;
Dir, Geliebteste, zu dienen tracht' ich.
Stets war mir ein Gräuel seufzend Sehnen;
Ach, daß du mich anblickst, darnach schmacht' ich!
Ja, ich war in tiefem Schlaf begraben,
Deinem Anhauch, Göttliche, erwacht' ich!
Bin ein and'res Wesen, was ich haßte,
Lieb' ich, was ich liebte, das veracht' ich.


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 123)

_____



Ghasele 19.
Für deine Frage suchst du ein Orakel.
Gebund'ne Gräser, wähnst du, sei'n Orakel.
"Sie liebt mich, liebt mich nicht, liebt mich ein wenig."
So zupftest du aus Blumen dein Orakel,
Die Karte wird dir, und der Flug der Vögel,
Und mancher and're Tand, zum Schein-Orakel.
Vertraue nicht so trüg'rischen Propheten,
Und laß dir, Freund, empfehlen mein Orakel:
Was dir nicht sagt das Auge der Geliebten,
Das offenbart dem Frager kein Orakel.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 124)

_____



Ghasele 20.
Schweigt von Liebe, schweigt ihr kalten Seelen;
Meint ihr doch, die Liebe sei ein Wählen.
Wollt ihr Liebe doch, als wären's Gulden,
In den Säckel des Verdienstes zählen.
Ihr verwahrt die Liebe wie Dukaten,
Daß euch ja Unwürd'ge sie nicht stehlen.
Auf den Markt zieht ihr mit eurer Liebe;
Waare gegen Waar', es kann nicht fehlen.
Nie habt ihr gehört den Mund der Liebe
Dunkelschöne Mährchen euch erzählen;
Nie habt ihr geseh'n der Liebe Blicke
Mehr noch, als sie zeigen, euch verhehlen,
Nie den Bund, den tief geheimnißvollen,
Wenn die Liebe sich, der Haß vermählen.
Ach, ich schwör's bei deinen Flammenaugen,
Die mit scharfem Frost mich grausam quälen,
Liebe strömt hervor aus meinem Busen,
Wie das Lied aus Nachtigallenkehlen.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 125)

_____



Ghasele 21.
Ich hülle meine Liebe umsonst in dichte Schleier,
Verbirgt sie sich dem Auge, so tönt sie von der Leier.
Der Dichter sei bescheiden, und schweige noch so schüchtern,
Doch wirbt für seine Liebe das Lied, der kecke Freier.
Zwar auch des Liedes Zunge verschweiget deinen Nahmen,
Doch fühlst du dich als Göttin der trunk'nen Dichterfeier.
Der Richter, der die Fessel des Schweigens mir geschmiedet,
Dein Blick, o würd' er endlich mein freundlicher Befreier!
Mein Lied ist eine Taube, die ich mit Blättchen sende,
Doch scheut sie keinen Schützen, und zagt vor keinem Geier.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 126)

_____



Ghasele 22.
Wie um den Stab die Reben sich ranken,
Schlingen um dich sich meine Gedanken.
Schlänge nur so die seligen Arme
Auch um den Leib sich dir, um den schlanken!
Öffne der Arme liebenden Hafen,
Sieh auf der Sehnsucht Woge mich schwanken!
Hebe mir auf die rettenden Hände,
Die durch Berührung heilen den Kranken!
Wär' ich von jenen, welche die Sehnsucht
Jagend verjagten, trinkend vertranken!
Ach, meine Lieder sind wie ein Spiegel,
Blicke hinein, du strahlst aus dem blanken.
Vers ist mein Schwert, das Lied ist mein Panzer;
Laß dich erkämpfen! Öffnet die Schranken!
Doch du beschwörst, ich könne wohl Herzen,
Nimmer dein Herz dem Liede verdanken.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 127)

_____



Ghasele 23.
Was hab' ich, dich zu gewinnen, gestrebt, wie Vieles
gewagt, und vergebens.
In Liedern hab' ich elegisch geseufzt, in Ghaselen
geklagt, und vergebens.
Nach deinen Wünschen hab' ich geforscht bei deinen
Winken und Blicken,
Nach deinen Launen bei deinen Brau'n mich
angefragt, und vergebens.
Ich stand vor dir, ein muthiger Leu, zu jeglichem
Kampfe gerüstet,
Der Gefahr ein Fels, nur deinem Zorn, du Strenge,
verzagt, und vergebens.
In Blick hab' ich, und in Wort und That dir, und
in jeglichem Pulsschlag,
In der Blässe der Wang', in der Wange Gluth, wie ich dein,
dir gesagt, und vergebens.
Du legtest lächelnd dafür mir an's Herz des
Prometheus nagenden Geier;
Unsägliche Pein! bald hofft' ich das Herz zu Tode
genagt, und vergebens.
Doch als ich, ein Mann, den Schmerz gezähmt,
und ruhig in's Auge dir blickte,
Da fiel es dir ein, mich zu lieben einmahl, da hat's
mir getagt, und vergebens.
Schon war es zu spät, mein Auge war zu sehr gewöhnt
an die Nacht schon;
Und liebst du mich nun, so fühlst du die Qual, die lang
mich geplagt, und vergebens.
Mein Leben zieht wie der Mond in der Nacht, und
wandelt wie ruhige Jamben,
Das lange genug daktylisch gestürmt, anapästisch
gejagt, und vergebens.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 128-129)

_____



Ghasele 25.
Die Schätze, die sie hat, vertheilt die Liebe.
Die Müden stützt, die Kranken heilt die Liebe.
Wenn dich die Welt verläßt, die ungetreue,
An deinem Busen treu verweilt die Liebe.
Du mußt dich nicht als Einsamen beklagen,
In deine off'nen Arme eilt die Liebe.
Komm, roher Edelstein, hell sollst du glänzen,
Mit mildem Zauberfinger feilt die Liebe.
Aufthut das gold'ne Thor des Paradieses,
Sei's mit demant'nem Schloß verkeilt, die Liebe.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 131)

_____



Ghasele 26.
Jedweden bittern Schmerz erfand die Liebe,
Und jede Qual des Busens bannt die Liebe.
Zum Eden schmückt die Liebe dir die Öde;
Dich treibt in Flucht von Land zu Land die Liebe.
Die Liebe hält dir mehr, als sie versprochen;
Zur Treue zwingt kein theures Pfand die Liebe.
Die Liebe wacht, d'rum schlummerst du so ruhig;
Gleich schleudert in dein Haus den Brand die Liebe.
Die Liebe haucht, und du bist neu geboren;
Dich tödtet mit der eh'rnen Hand die Liebe.
Die Liebe führt dich mild durch duft'ge Haine;
Mit blut'ger Faust stürzt dich vom Rand die Liebe.
Die Liebe floh dich spröd', als du sie suchtest;
Du flohst, und dir zur Seite stand die Liebe.
Die Liebe schenkt, wie's Fürsten nicht vermögen;
Dir weigert den geringsten Tand die Liebe.
Die Liebe weckt die Stürme, die dich treiben;
All deine Stürme überwand die Liebe.
Die Liebe lehrt dich wundersüße Lieder;
Mit Schweigen deine Zunge band die Liebe.
Zum Seher hat die Liebe dich begeistert;
Dir streut in's trübe Auge Sand die Liebe.
Es gibt und nimmt den Himmel und die Hölle,
Den Tod, das Leben, den Verstand die Liebe.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 132)

_____



Ghasele 27.
Was ich von Liebe Buntes je gesungen,
Sind wohl nicht lauter treue Huldigungen.
Gefangen hat mich manches schöne Auge,
Und braun' und blonde Locke mich umschlungen.
Die stille Sanftmuth hab' ich angebethet,
Doch blieb ich d'rum vom Trotz nicht unbezwungen.
Mit dir hab' ich der Kunkel mich befreundet,
Mit dir mich zu den Sternen aufgeschwungen.
Dir ist der Sieg durch Hand und Mund und Auge,
Und dir durch Ton und Wort und That gelungen.
Was frommte mir der Treue fester Panzer,
Der Liebe scharfer Pfeil ist durchgedrungen.
Setzt' ich vor jedes Lied den rechten Nahmen,
So wäre der Kalender bald durchsprungen.
D'rum, hab' ich mir auch nicht beständ'gen Himmel,
Hab' ich mir wechselreichen doch errungen.
Was kümmert mich der Spott, deßhalb erfahren
Von manchen abgeschmackten Lästerzungen!
Habt ihr als Knechte Einer strengen Schönen
Euch starr und stumm und taub und blind verdungen,
So hat mein Herz, gleich einer Äolsharfe,
Vom Athem jeder Schönheit froh geklungen.


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 133)

_____



Ghasele 28.
Das Herz, fürwahr, ist eine Runenschrift,
Die der Gelehrte kaum zu lesen trifft.
Das Senkblei dringt hinab zum Meeresgrund;
Wer hat sich auf des Herzens Grund vertieft!
Dieß kleine Feld trägt Blume neben Dorn,
Und Wunderbalsam neben Schlangengift.
Bald ist's der Kompaß, der das Schiff regiert,
Und bald das Schiff, das ohne Kompaß schifft.
Wo sind die Lettern heut, die gestern ihm
Das Leben einschrieb mit demant'nem Stift!
Wie Argus habt ihr euer Herz bewacht;
Ein Traum berückt' es euch, dieweil ihr schlieft.
Weil heute mir dein Herz in Liebe schlägt,
Ist Treue mir für morgen nicht verbrieft.

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 134)

_____



Ghasele 29.
Zerschlägt ihn immerhin, doch strahlt der Edelstein
In jedem Splitter noch mit angebornem Schein.
In Tropfen löset auf das endlos weite Meer,
Der Tropfen wiederglänzt den ganzen Äther rein.
Zertrümmert den Apoll von Belvedere nur,
In Trümmern wird er noch des Genius Zeuge seyn.
Zerreißt der Rose Kelch in Blätter, jedes Blatt,
Der ganzen Blume Duft enthaucht es euch allein.
Zerstückt ein liebend Herz mit noch so scharfem Schwert,
Es wird euch, auch zerstückt, all seine Liebe weih'n.


Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 135)

_____



Ghasele 38.
Die Thoren nur geloben ew'ge Liebe,
Und suchen, arg verschroben, ew'ge Liebe.
Ein Traum, ein Schatten ist, ein Luftgebilde.
Vom Augenblick gewoben, ew'ge Liebe.
Der Seifenblase gleich an Glanz und Dauer,
Wie bald ist nicht zerstoben ew'ge Liebe!
Du schwörst, du kannst für die Geliebte sterben?
Es fordert and're Proben ew'ge Liebe!
Wie käm' in's Menschenherz, in dem beständig
Die raschen Pulse toben, ew'ge Liebe!
Ein Vorhang deckt, geheimnißvoll und heilig,
Den keine Hand gehoben, ew'ge Liebe.
Hiernieden ist die Heimath ew'ger Sehnsucht,
Es wohnt im Blauen droben ew'ge Liebe.
Zwar werd' ich nimmer finden hier und geben,
Doch ewig will ich loben ew'ge Liebe!

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 144)

_____



Ghasele 54.
Wie Hauch von ew'gem Frühling weht das Leben,
Und Blüthen endlos reift und säet das Leben.
Den Kuß gewährend harrt, wie die Geliebte,
Mit off'nen Götterarmen, seht! das Leben.
Mit Duft und Licht, mit Traum, mit That und Schlummer,
Zu jeder Brust um Liebe fleht das Leben.
In frischer Regung gährt, wie der Champagner
Stets in dem Becher Perlen bläht, das Leben.
Aus Tag und Nacht, aus Kluft und Erd' und Himmel,
Allgegenwärtig üb'rall, späht das Leben.
Ein Band ist, das durch alle tausend Sonnen
In magischer Verschlingung geht, das Leben.
Wir sind die Götter, und als schöne Hebe,
Mit vollem Nektarbecher, steht das Leben.
Schenk' ein! schenk' ein! Ich bringe dir den Becher!
Mein Jubel preist, wie mein Gebeth, das Leben!

Aus: Gedichte von
Franz Hermann von Hermannsthal
Wien Gedruckt bei Carl Gerold 1830 (S. 160)

_____



Ghasele 1.
Dich, seinen Lenz, festlich zu begehen,
Will dich dein Sänger mit Liedern umwehen.
Ich bin der Mond, du bist die Sonne,
Blickst du mich an, muß die Nacht mir vergehen.
Du bist der Engel, ich lieg' im Grabe,
Rufst du mich an, so werd' ich erstehen.
Ich bin der Blinde, du bist die Heil'ge,
Rühre mein Auge an, und es wird sehen.
Du bist der Zephyr, ich bin die Harfe,
Hauchst du, so tön' ich in lieblichem Wehen.
Ich bin der Schuld'ge, du bist der Richter,
Fragst du mich: "Liebst du mich?" muß ich gestehen.
Du bist die Freiheit, ich lieg' im Kerker,
Laß mich, o laß mich zur Freiheit erstehen!
Mir, dem Verstoß'nen, bist du sein Eden,
Aber ich werde mein Eden erstehen.

Aus: Ghaselen, alte und neue
von Franz Hermann von Hermannsthal
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. 1872 (S. 7)

_____



Ghasele 2.
Es ist die Sprach' ein Meer und die Verse sind Perlen drin,
Als Taucher stürz' ich mich die Fluten mit muth'gem Sinn;
Den Schmuck der Perlen hol' ich und fasse sie zierlich an,
Und reiche zum Geschenk dir die blendenden Schnüre hin.
Ein Garten ist die Sprache, wo Verse als Blumen steh'n,
Als Rosen, Veilchen, Tulpen, Narcissen und Rosmarin;
Und bunte Blumen pflück' ich und wind' eine Krone draus,
Dich krön' ich mit der Krone, geliebteste Königin.

Aus: Ghaselen, alte und neue
von Franz Hermann von Hermannsthal
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. 1872 (S. 7)

_____



Ghasele 10.
Schön singt die Nachtigall, und weiß es nicht;
Mild glänzt des Mondes Strahl, und weiß es nicht;
Der Marmor trägt des edlen Künstlers Geist
Als hehres Siegesmal, und weiß es nicht;
Die Wolke thaut, sie stärket und belebt
Die Blumen sonder Zahl, und weiß es nicht;
Des Liedes Zauber dringt ins wunde Herz
Und lindert seine Qual, und weiß es nicht -
So ist Suleika edel, schön und gut,
Und ist es ohne Wahl, und weiß es nicht.

Aus: Ghaselen, alte und neue
von Franz Hermann von Hermannsthal
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. 1872 (S. 11)

_____



Ghasele 13.
Dir ist, du Kalte, nur ein Scherz der Liebe selige Wehmuth,
Doch seh' ich dich, so füllt mein Herz der Liebe selige Wehmuth.
Zwar dich zu fliehen schwur ich mir, doch dacht' ich
deiner im Schwure,
Drum schmelzte des Entschlusses Erz der Liebe
selige Wehmuth.
Den frostigen Blick, mit Zwang erlernt, allmächtig
scheucht ihn von hinnen,
Wie Frühlingsglanz den Schnee im März,
der Liebe selige Wehmuth.
Und bötet ihr vom Lethe mir, ich tränke nimmer Vergessen,
Mich fesselt mit zu süßem Schmerze der Liebe selige Wehmuth.
Trübt sie den Blick und lehrt sie gleich
den Mund nur Seufzer und Klagen,
Doch trägt die Seele himmelwärts der Liebe selige Wehmuth.

Aus: Ghaselen, alte und neue
von Franz Hermann von Hermannsthal
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. 1872 (S. 13)

_____



Ghasele 17.
Wie gerne schmückt' ich dich mit Gold und Edelsteinen,
Mit allen jeder Frau so lieben Tändelei'n!
Wie gerne möcht' ich dir zu prächtigem Geschenk
An seidne Schnüre dicht die schönsten Perlen reih'n!
Wie gerne hüllt' ich dich, wär' ich Khalifen gleich,
In Kleider von Kaschmir aus fernem Osten ein!
Nie träte, wär' ich Schach, den rauhen Grund dein Fuß,
Es sollten Boden dir nur Blum' und Teppich sein.
Was dich erfreuen mag, ich lauschte heut dir's ab,
Und morgen fändest du's erfreut in deinem Schrein.
Was zierlich ist und schön, vorhanden scheint es mir,
Um dich zu schmücken mit hellem Verklärungsschein.
Doch, freute dich mein Lied und meine Liebe nicht,
So hätt' ich Nichts zur Lust, zum Schmucke dir zu weih'n.

Aus: Ghaselen, alte und neue
von Franz Hermann von Hermannsthal
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. 1872 (S. 15)

_____



Ghasele 24.
Nun schau' ich anders in die Welt hinein,
Seit ich erschaut dies Wundermägdelein.
Nun weiß ich erst, wozu die Sonne da,
Ihr huldigen ist ihr Beruf allein.
Weil gern ihr Blick am Himmelszelte weilt,
Drum schimmern Nachts die Sterne, groß und klein.
Weil gern mit zarter Hand sie Kränze flicht,
So stellt der Frühling jetzt so früh sich ein.
Weil sie nicht Wolken und Gewittern hold,
Ist Tag und Nacht der Himmel jetzt so rein.
Ich selber weiß, weshalb ich singen kann:
Ich soll ihr treuer Minnesänger sein -

Aus: Ghaselen, alte und neue
von Franz Hermann von Hermannsthal
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. 1872 (S. 18)

_____



GHasele 25.
Vor diesem Bilde steh' ich nun,
Mir ist, sie wieder seh' ich nun,
Vor diesem Bild in tiefster Brust
Fühl' alles alte Weh' ich nun.
Den letzten Lebenshauch vielleicht
Vor diesem Bild verweh' ich nun;
Die letzte Probe meines Muths
Vor diesem Bild besteh' ich nun.
Ein Wunder, wie Pygmalion,
O Kypris, heiß erfleh' ich nun.
Ach, wie zu einem Gnadenbild,
Zu diesem Bilde fleh' ich nun,
Und alle meine Lieb' und Pein
Vor diesem Bild gesteh' ich nun.
Doch stumm, wie sie, verharrt das Bild,
Und so in Weh vergeh' ich nun!

Aus: Ghaselen, alte und neue
von Franz Hermann von Hermannsthal
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. 1872 (S. 19-20)

_____



Ghasele 27.
Gebändigt endlich ist der Schmerz, verstummt die Klage nun,
Doch ach! es sind verschwunden auch die schönsten Tage nun!
Ein reicher Lenz war meine Qual, ein starrer Winter ist's,
Den ich, da meine Brust geheilt, so schwer ertrage nun.
Wie flammend stürmte, war sie streng, des Busens Leben auf!
Es hält dies Leben frostige Ruh' im Sarkophage nun!
Wie süße Antwort gaben mir sonst Vogel, Hain und Quell,
Doch hab' an Vogel, Hain und Quell ich keine Frage nun.
Erhab'nes Leid ertrug ich sonst, das sich im Lied ergoß,
Doch drückt das Leben jetzt nur als gemeine Plage nun.
Das Glück, von Liebesschmerz geheilt in kalter Brust zu sein,
O flöh' es mich so gern, als ich dem Glück entsage nun!

Aus: Ghaselen, alte und neue
von Franz Hermann von Hermannsthal
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. 1872 (S. 20)

_____


 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Hermann_von_Hermannsthal

 

 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite