Wilhelm Ritter von Hertz (1835-1902) - Liebesgedichte

Wilhelm Ritter von Hertz



Wilhelm Ritter von Hertz
(1835-1902)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 





Umbrische Nächte

Tandem venit amor, qualem texisse pudore,
Quam nudasse alicui, sit mihi fama minor.
Tibull

I.
Du hattest unter Kuß und Kosen
Der Stirne Lorbeer mir entlaubt,
Und kränztest nun mit wilden Rosen
Bachantisch lächelnd mir das Haupt.

Erst ward im Träumen und im Sehnen
Mein Aug' so trüb, mein Herz so krank,
Da war es, daß mir unter Thränen
Die Harfe dumpfen Klangs entsank.

Und als, die Schwüre zu erwidern,
Dem Kuß sich bot dein Angesicht,
Da schwoll mein Herz von tausend Liedern,
Allein die Harfe rührt' ich nicht.

Doch diese Nacht, die Nacht der Wonnen,
Will ich im Jubelklang vergehn!
Heut' soll die Gluth von tausend Sonnen
Aus meinen gold'nen Saiten weh'n.

Drum reich' die Becher, reich' die Kränze!
Mir führt die trunk'ne Hand Properz.
So klingt's und blüht's in keinem Lenze,
Wie in des sel'gen Dichters Herz.
(S. 8-9)
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II.
Wenn Mitternacht den Dom der Sterne
Betritt mit schweigendem Gebet;
Wenn aus des Aethers kühler Ferne
Ein leiser Schöpferodem weht;

Wenn sich der Erde Busen wieder
In bräutlichem Entzücken wiegt,
Und an des Schläfers nackte Glieder
Sich Cynthia verstohlen schmiegt, -

Dann rühret mir ein Himmelssegen
Mit Zeugungswonnen Geist und Leib,
Dann pocht mein Herz mit Götterschlägen
An ein erbebend irdisch Weib.

Dann fühl' ich Weihegluthen thauen
Ambrosisch um mein duftend Haar,
Dann wird mir im prophet'schen Schauen
Der Schöpfung Räthsel offenbar.

So weht aus fremder Welt herüber
Ein halb verlorner Sphärenlaut.
Der Geist der Liebe geht vorüber:
O neig' dein Haupt, du Dichterbraut!
(S. 10-11)
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III.
An deinem süßen Herzen
Ruh' ich in stiller Stund',
Es feuchtet meine Schläfen
Dein athemwarmer Mund.

Mich wiegt ein Himmels-Garten;
Da blühen wunderbar
Zwei weiße Rosenbüsche
Mit Knospen purpurklar.

Im traumsel'gen Schweigen
Die Rosenwogen wall'n,
Mir aber ist, als hör' ich
Viel tausend Nachtigall'n.

Nun wollen Lieder brechen
Aus stürmendem Herzensgrund -
Du aber legst die Finger
Mir mahnend auf den Mund.
(S. 12)
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IV.
Komm, laß mit Myrthen dir umlauben
Der Wangen rothgeküßtes Licht!
Und frage nicht nach meinem Glauben,
Du kleiner Träumer, frage nicht!

Ob ich zum Himmelsbürger tauge,
Lehrt dieses Busens Heiligthum;
Es predigt mir dein dunkles Auge
Ein heitres Evangelium.

Und seit du meine Augenlider
Mit nektarfeuchtem Kuß geweiht,
Schau' ich die schöne Gottheit wieder
In aller ihrer Herrlichkeit.

Ihr Tempel ist der ew'ge Aether,
Dein Marmorleib ist ihr Altar,
Dort bringe ich, ein trunk'ner Beter,
Der Liebe Flammenopfer dar.
(S. 13)
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V.
Blick' ich in dein braunes Auge,
In die dunkle Märchenwelt,
Wird von seltsam süßem Grauen
Mir oft leis das Herz geschwellt.
Ward dir nie die schaur'ge Kunde
Von den stillen Geisterseen?
Wo den lustgelockten Wandrer
Niederzieh'n die Wasserfeen.

Blick' ich in Dein braunes Auge,
Lockt's mich wie ein Zaubersee,
Todessehnsucht zieht mich nieder,
Und mir wird so geisterweh.
Schweigend senk' ich dann die Stirne
Ahnungsvoll in Furcht und Schmerz, -
Und Du küssest ängstlich fragend
Mir das traumbewegte Herz.
(S. 14)
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VI.
Ich bin erwacht von wilden Träumen,
Du aber schlummerst sanft und mild.
Schon will ein Grau die Wolken säumen,
Doch schweigend liegt noch das Gefild.

Da ruht dein Leib! – In sanfte Wellen
Ist aufgelöst der Glieder Pracht,
Die freien Locken überquellen
Des Busens Glanz mit Wolkennacht.

Noch schmieget sich an deine Wangen
Ein lächelndes Erröthen an;
Denn wo ein Glück vorbeigegangen,
Da zeichnen Rosen seine Bahn.

Vom Himmel naht ein leises Rauschen,
Der Frühling wandelt durch die Welt;
Dein süßes Herz laß mich belauschen,
Das hat ein schön'rer Lenz geschwellt!

Schon drängt er seine Blüthenfülle
Auf dein erglühend Angesicht,
Und deiner Augen zarte Hülle
Durchbricht sein morgenhelles Licht. –

Blick' auf, mein Lieb! die Wolken prangen,
Horch auf! die jungen Stürme weh'n;
Dein blühend Herz halt' ich umfangen, -
O laß mich deine Augen seh'n!

Du schlägst sie auf und senkst sie wieder,
Der Morgen röthet das Gefild. -
So drückte an die heißen Glieder
Pygmalion sein Marmorbild!
(S. 15-16)
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An Irenion

Dein Antlitz ist kein heißer Tag,
Es ist ein milder Mondenschein;
Dein Herz bewegt kein wilder Schlag,
Der Friede Gottes schließt es ein.

Mein Auge glüht, mein Auge ist wild,
Sein einz'ger Friedensstern bist du,
Und Grimm und Schmerz, der in mir quillt,
Legt sich an deiner Brust zur Ruh'.

Und ring' ich wund im Wetterdampf
Mit fremden Neid und eignem Wahn,
So wehet mich durch Qual und Kampf
Dein süßer Odem kühlend an.

Drum kommt ein Bild mir oft im Traum,
Als seist mein Todesengel du,
Und leitest mich durch dunkeln Raum
Dem Licht der Heimath lächelnd zu.
(S. 34)
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Scheidende Liebe

Und weil ich denn von dannen muß,
Und all' mein Glück vergangen,
So laß dich mit bethräntem Kuß
Ach, einmal noch umfangen!

O blick' mir nicht so sehniglich
Hervor aus deinen Thränen!
Es soll hinfort kein Auge sich
Nach dem Verlornen sehnen.

Und wie noch einmal Herz an Herz
Im süßen Wahn sich stillet,
So ruhe auch der herbe Schmerz,
Der dir vom Auge quillet.

O decke deiner Augen Licht
Mit deinen beiden Händen,
Und ich will auf dem Weg mich nicht,
Nicht einmal rückwärts wenden.

Und bin ich hinter'm Bergessaum,
Wo fahle Bäume winken,
So denk', du wachest auf vom Traum, -
Und laß die Hände sinken!
(S. 35-36)
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Sternbotschaft

Ich saß in finstrer Trauer,
Mir war das Herz so schwer, -
Da kam aus dunkler Ferne
Einsam ein Stern daher.

Er glänzt wie eine Thräne,
Die stille Sehnsucht weint,
Die wie ein Blick der Hoffnung
Aus treuen Augen scheint.

Den lichten Friedensboten,
Ich hab' ihn wohl erkannt: -
Herzlieb, aus weiter Ferne
Hast du den Stern gesandt?
(S. 37)
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Mein Herz

Mein Herz ist ein stiller Tempel,
Eine Domhall' düster und hehr,
Da knieen wie bleiche Beter
Die trüben Gedanken umher.

Es hauchen unsichtbare Orgeln
Gar wundertiefen Klang,
Es wallet von Geisterlippen
Ein dumpfer Schlummergesang.

Und unten in Grabeshallen,
Da schlafen im Sterbekleid
Die alten Tage der Liebe
Aus ferner, schöner Zeit.
(S. 38)
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Lied der verlassenen Liebe

Lieblos ist mein Lieb geworden,
War mir treu doch manchen Tag.
Wehe, wie an allen Orten
Frühlingslust erblühen mag!
Hoffnungsgrün umrankt die Erden,
Und mein Herz will traurig werden.

Wuchsen darum dir die Flügel,
Amor, schadenfroher Knab'? -
Ach, der Liebe zart'ste Hügel
Wurden meiner Liebe Grab.
Ihre Sprache redet nimmer
Jenes Auges sel'ger Schimmer.

Und des Glückes warmer Bronnen,
Ach, ihr Mund, er ist noch roth, -
Doch die Schwüre sind zerronnen,
Doch die Küsse, sie sind todt.
Um die vielumfangnen Glieder
Rauschen stolze Falten nieder.

Doch wie man im Lenz mit Thränen
Nach geliebten Gräbern wallt,
So umschwebet all' mein Sehnen
Ihre liebliche Gestalt. -
Und doch kann kein Frühlingsweben
Eine Blüth' mir wiedergeben.
(S. 39-40)
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Einkehr

In der Schenk' beim grünen Anger,
Hei, wie geht's da lustig her!
Guter Wirth, hier laß mich rasten!
Herz und Ränzel ist mir schwer.
Tanz und Jubel in der Stube,
Die Trompeten heben an.
Nur ein alter Harfenspieler
Singt dem fremden Wandersmann.

Harfner, laß die frohen Lieder,
Spiel' mir trübe Melodei!
Heimathlos bin ich auf Erden,
Lust und Liebe ist vorbei.
Wenn's im Frühling klingt und blühet,
Ach, da liebt ja Jedermann! -
Maientraum und Frauenminne
Hat mir Uebles angethan.

Wandr' ich durch die fremden Städte,
Glänzt wohl grüßend manches Haus,
Blumen blühn an blanken Fenstern,
Frohe Mädchen schau'n heraus. -
Mit dem Stabe auf der Schulter,
Mit dem Hute im Gesicht
Schreit' ich schweigend dann vorüber
An dem schönen Traumgesicht.

Eine welke Blume trag' ich
Auf dem staubbedeckten Hut.
Harfner, weißt du, alter Harfner,
Wie verrathne Liebe thut?
Greif' noch einmal in die Saiten,
Greif' mir ernsten, tiefen Klang!
Ach, da draußen auf der Haide
Tönt nur heller Lustgesang.
(S. 42-43)
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Die Verlassene

Ob er wohl in der Welt so weit
Noch manchmal mein gedenkt,
Wenn ihn in Liebesseligkeit
Sein holdes Weib umfängt?

Wenn sie ihm nach des Tages Drang
Sein Kind entgegenhält,
Umweht ihn nicht ein sanfter Klang
Aus ferner Blumenwelt?

O könnt' ich leicht wie Wolkenschaum
Durch seinen Schlummer weh'n,
Und wie ein alter, schöner Traum
In's liebe Herz ihm seh'n!

Ich wollt' ihm wie ein Engel leis
Weghauchen Reu' und Schmerz, -
Und eine Thräne still und heiß
Hinweinen auf sein Herz.
(S. 44)
_____



Fernsicht

Auf des Berges höchstem Scheitel
Steh' ich allezeit so gerne,
Wandersehnsucht, Wunderahnung
Zieht mich nach der lichten Ferne.

Und im Herzen hör' ich's rauschen,
Jubelschlag von Adlerschwingen,
Und es wähnt die trunkne Seele,
Durch's Unendliche zu dringen.

Doch wie bald wird's bang' und öde,
In dem schwindlich weiten Raume,
Und nach einer Stelle flücht' ich
An der Berge blauem Saume.

Schwimmen doch wie sel'ge Inseln
Wollig weiche Wolken drüber,
Und nach deinen lieben Augen
Fliegt mein mildes Herz hinüber.

Ja, ich seh' dich grüßend wallen
Durch die fernen Lichtgefilde,
Und mein Wähnen und mein Träumen
Wird mir zum lebend'gen Bilde.
(S. 45-46)
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Mein Engel hüte dein

Daz iuwer mîn engel walte!
Alter Gruß

Und willst du von mir scheiden,
Mein herzgeliebter Knab',
Soll Alles Dich begleiten,
Was ich von Freuden hab'.
Mir bleibt, wenn du geschieden,
Mein traurig Herz allein;
Fahr' hin, mein Lieb, in Frieden!
Mein Engel hüte dein!

Ihm ward zur Hut gegeben
Mein Glück und meine Ruh';
Ach, Glück und Ruh' und Leben,
Herzlieb, das bist ja du.
Und bist du mir geschieden,
Flieht auch der Engel mein;
Fahr' hin, mein Lieb, in Frieden!
Mein Engel hüte dein!

O daß er dir verschwiege,
Was dich betrüben mag,
Wie ich verlassen liege
In Sehnsucht Nacht und Tag!
Mein Bild soll mit dir gehen
Im alten Freudenschein,
Fahr' hin, auf Wiedersehen!
Mein Engel hüte dein!
(S. 47-48)
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So bange nicht!

Wenn meine Arme dich umweben,
Mein Auge glüht, - so bange nicht!
Wenn deines Busens Blumen beben,
Kaum aufgeblüht, - so bange nicht!
Wenn sich der Knospe reifes Leben
Erschließen muß, - so bange nicht!
Und zwinge ich dein Widerstreben
Im Flammenkuß, - so bange nicht!
Es hat die Welt dir nichts zu geben,
Vor ihrem Hohn erbange nicht!
Mag denn ihr Sinn am Staube kleben,
Nach ihrem Lohn verlange nicht!
Laß an mein stolzes Herz dich heben,
Und wein' mir auf die Wange nicht!
Es stört die Sterne, die dort schweben,
Der Erde Lauf im Gange nicht!
(S. 53)
_____



Der erste Kuß
An Irenion

Denkst du noch, mein süßes Mädchen,
Denkst du noch der sel'gen Stunde,
Da ich mit verschämtem Munde
Dich zum ersten Mal geküßt?

War am lieben Winterabend,
Wo der heil'ge Christ gekommen,
War in deinem warmen Stübchen,
Und an's Fenster schneiten Flocken,
Und der Schneewind blies im Giebel.

An das duft'ge Weihnachtsbäumchen
Steckten emsig wir die Lichter,
Hängten wir die süßen Gaben,
Pfefferkuchen, goldne Nüsse
Und von Glasschaum manche Kugel.

Draußen vor der Kammerthüre
Lauschte leis ein kichernd Völkchen,
Schwesterlein und kleine Brüder;
Doch die Thür war fest verschlossen.

Hinter'm Christbaum stand mein Mädchen,
Vor dem Christbaum stand ich selber,
Und wir waren ganz allein;
Ich ein wilder, blonder Knabe,
Du ein schüchtern zartes Kind.

Aber durch die grünen Zweige
Spannen sich verstohl'ne Strahlen,
War der Schein von all' den Lichtlein,
War der Schein von deinen Blicken,
Und das Auge gieng mir über.

Ach, wir hatten von der Liebe
Noch kein einz'ges Wort gesprochen,
Wußte jedes doch von selber,
Wie herzlieb es war dem andern.

Und du tratest vor das Bäumchen,
Mein vollendet' Werk zu schauen,
Schautest aber nicht auf's Bäumchen,
Schautest nur in meine Augen,
Und ich faßte deine Hände.

Stille war's im engen Stübchen,
Doch aus unsern warmen Herzen
Klangen sel'ge Melodieen,
Uns'rer Blicke lichte Bande
Drängten schmeichelnd Herz an Herz.

Näher neigt' ich meine Wange,
Fühlte deinen keuschen Athem,
Näher neigt' ich meine Lippen,
Und sie flehten bang' und schweigend
In der Liebe laut'ster Sprache.
Doch du standest unbeweglich,
Nur ein rosenlichtes Lächeln
Schien auf deinem Engelsantlitz.

Ach, da schwanden mir die Sinne,
Nimmer weiß ich, was geschehen,
Weiß nur, daß ich heiß und bebend
Deine Lippen leis berührte, -
Ob ich küßte, weiß ich nicht, -
Weiß, daß du dich nicht gesträubet,
Denn ich hielt dir beide Hände.

Aber oben an dem Bäumchen
Knisterte ein brennend Zweiglein,
An der Thüre pocht' die Mutter,
Und du schlüpftest hinter'n Christbaum. -

Lange Zeit ist nun verflossen,
Ist verflossen manche Christnacht.
Kühnlich blick' ich dir in's Auge,
Kühn umschling' ich deine Glieder,
Kühnlich flammen meine Küsse
Auf dein bräutlich Angesicht,
Und mit sehnendem Gewähren
Sinkest du in meinen Schooß;
Hast du doch für Tod und Leben
Seel' und Leib mir hingegeben.

Aber denkst du, süßes Mädchen,
Denkst du noch der sel'gen Stunde,
Da ich mit verschämtem Munde
Dich zum ersten Mal geküßt?
(S. 54-57)
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In ihrem Schooße

Dir im Schooße ruhte mein Haupt, mit schmiegenden Armen
Decktest du Wangen und Haar schmeichlerisch kosend mir zu;
Ueber dir nickte in blauender Luft die rankende Rose,
Drüben am Berge sank eben die Sonne hinab.
Ihrem Strahle folgte dein Blick, zum träumenden Auge
Schaute vom athmenden Schooß trunkenen Sinnes ich auf.
Wechselnd neigte die blendende Brust mit weicher Berührung
Meiner brennenden Stirn leise und kühlend sich zu.
Deines Nackens schmiegsame Beugung schimmert' im Lichte,
Und ob all der Pracht blühte das lächelnde Haupt.
Erd' und Himmel spiegelte mir dein seliges Auge,
Schwindelnd blickt' ich hinein, schwindelnd verlor sich der Blick.
Drüben am Baum durchspielte der Wind die hangende Laute,
Meinem Herzen gieng sehnendes Träumen vorbei.
Immer strahlender wurde dein Blick, und herrlicher hob sich
Aus dem dunkelnden Grund hell die verklärte Gestalt.
Keine Sterbliche lächelt so süß, so hielt nur auf Latmos
Cynthias keuscher Arm ihren Geliebten im Schooß.
Bang erstöhnte mein Herz, als käme der silberne Wagen,
Welcher den göttlichen Leib leis in die Lüfte entführt.
Süß geängstigt umschlang ich dir da die schwellenden Hüften,
Und es bog sich dein Haupt lieblich erröthend herab.
Meine Augen decktest du mir mit schelmischen Hände,
Aber es sog sich dein Mund sanft an dem meinigen fest.
Armer Endymion! dir ward nur ein göttliches Traumbild,
Mein ist ein lebender Leib, blühend in Göttergestalt!
(S. 58-59)
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Liebe im Wetter

Liebchen, schenke den Wein! Schon dunkelt der wolkige Himmel,
Wetter liegen gedrängt über dem blauenden Tag;
Schwüler lastet die Luft, drum weg mit den schweren Gewanden,
Und den schwelgenden Leib wiege der duftende Pfühl.
Horch, wie der Donner ertost! Herab mit dem Laden am Fenster!
Hagel geißle umsonst unser gesichertes Haus!
Und jetzt nahe du mir und schmiege die schneeigen Glieder
Meinem bräuneren Leib fester und inniger an.
Draußen prasselt des Regens Strom, es hallen die Fenster;
Unser Kosen schirmt traulich das dunkle Gemach.
Deine Locken umspielen mein Herz mit kühlem Geringel,
Von dem schäumenden Wein duftet dein küssender Mund.
Rückwärts senket sich mehr und mehr der schimmernde Nacken,
Ueber das schwimmende Aug' bebet die Wimper herab.
Und es lächelt dein Mund lustbange ein bräutliches Lächeln,
Aber mein Arm umschmiegt heißer dein schlagendes Herz.
Auf nun, Donner und sausender Wind! Erhebet das Brautlied!
Wirbelt im flammenden Sturm unsere Seelen hinweg! -
Lang ausathmet die Brust, es lösen sich Sehnen und Glieder;
Aber der Regen verrauscht, aber der Donner verhallt.
Und vom Lager stemm' ich mich auf, du liegst noch so stille,
Und ich hebe vom Pfühl sanft dein erglühendes Haupt.
Weinest du, lächelndes Kind, und flüchtest mir scheu an den Busen?
Sinke nur, süße Gestalt, eng an mein jubelndes Herz!
Auf das Fenster! Wie kühl! Es tröpfeln Laube und Giebel,
Ferne dampfet der Wald, Silber verdunstet die Luft.
Deine Wange blühet so frisch, du küssest mir schweigend
Von der pochenden Stirn Perlen der Wollust hinweg. -
Grüner blitzet im Garten der Baum, es keimen die Sprossen,
Und vom engenden Kelch windet die Rose sich frei.
Segen entathmet die Flur nach des Himmels flammendem Brautkuß,
Schöpferleben erfüllt leise die thauige Welt. -
Ahnst auch du sein heimliches Weh'n? Was senk'st du die Blicke?
Hältst mit der kosenden Hand flehend die Lippe mir zu? -
Und ich zwinge dich näher heran, es säuseln die Lüfte,
Blätter vom blühenden Baum regnen zum Fenster herein.
Allbefruchtendes Licht, es segnet Blume und Knospe,
Segnet mit heiligem Strahl deinen erblühenden Leib.
(S. 60-62)
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Brief auf's Land
An Irenion

Rura meam, Cerinthe, tenent villaeque puellam;
Ferreus est, eheu, quisquis in urbe manet.
Ipsa Venus laetos jam nunc migravit in agros,
Verbaque aratoris rustica disci Amor.
Tibull

Aus der dampfenden Stadt entfloh mein Täubchen mir gestern,
Hat sich dem grünenden Schutz lachender Fluren vertraut.
Und ich spähe vom Berg mit vorgehaltenen Händen,
Aber in Duft und Schein schwimmet das ferne Gefild.
Amor auch entschlüpfte auf's Land, ich mein' ihn zu sehen,
Wie er mit trippelndem Schritt hinter dem Pfluge sich müht;
Lieder des Landmanns singt er, und ungelehrige Weisen
Bläst sein schelmischer Mund hell in die Flöte hinein. -
Und wo weilest nun du, mein Liebchen, im fernen Gelände,
Während des Tages Gluth leise am Himmel verglimmt?
Giengst du hinaus mit den Mädchen zu sammeln das Obst auf der Wiese,
Das dem belasteten Baum freudigen Sprunges entfällt?
Drüben vom Waldessaum zieht sachte die Heerde herüber,
Und der Pflüger entschirrt singend das müde Gespann.
Oder kehrest du heim vom Berg durch säuselnde Waldung
Mit der freundlichen Last saftiger Beeren im Korb?
Droben vom Abhang blicket ein Reh neugierig herunter,
Während güldener Glanz scheidend die Wipfel berührt.
Oder weilst du am Quell unferne dem dämmernden Garten?
Eben kehret vom Trog munter das scheckige Rind.
Unter die Röhre stellst du den Krug, die Blumen zu tränken,
Die dir am Fensterlein dort neben dem Bettchen erblüh'n.
Längst schon überstrudelt der Krug, du sitzest am Raine,
Blickest mit träumendem Aug' in den verrinnenden Bach.
Wüßt' ich doch, wessen du denkst! Und käm' ich, ein staubiger Wandrer,
Unter dem Mantel versteckt leise die Straße herauf!
Neben dir setzt' ich mich nieder und spräche: Mädchen, mich dürstet!
Und vom heimlichen Traum fährst du erschrocken empor. -
Warte nur, schelmisches Kind! der Weg ist mir lange zu weit nicht,
Und in strengere Haft führ' ich den Flüchtling zurück. -
Nein, ich störe dich nicht! Doch kehrst du mir wieder, so sollst du
Meinem sehnenden Leid reichliche Buße ersteh'n!
(S. 63-65)
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Sie sagen mir, ich soll dich meiden

Sie sagen mir, ich soll dich meiden,
Und wissen auch der Gründe viel;
Es spricht die Welt so leicht vom Scheiden,
Als wär' es nur ein Maienspiel.

Und sprächst auch du, ich soll' dich lassen,
So deucht' es mir ein böser Scherz,
Zur Buße wollt' ich dich umfassen
Und drücken an mein treues Herz.

Und sagt' ich selbst: Sei's denn beschlossen!
Lieb' mich nicht mehr von dieser Stund'!
So hieltest stumm du mich umschlossen,
Und küßtest lächelnd meinen Mund.
(S. 80)
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Der Frühling und die Minne

Auf Wald und Haide überall
Ertönet heller Hochzeitsschall,
Die Lande steh'n in grünem Schein,
Der klare Himmel blaut darein,
Und in den blum'gen Feiersaal,
Da führt der Lenz sein süß Gemahl,
Die ist genannt Frau Minne.
Er pranget, wie ein Bräut'gam thut,
Im frischen, freudekühnen Muth;
Sie blicket süßverschämt darein,
Möcht' lieber ungesehen sein;
Sie liebet nicht den lauten Schall,
Doch wirkt sie leise überall
Im Herzen und im Sinne.

Du Mägdelein im Lockenhaar,
Was sitzest du der Freuden bar?
Komm' mit mir in mein Gartenhaus,
Da sieht man weit in's Land hinaus;
Die Blumenbeete keimen jung,
Auch ist dir Freudensang genung
Und würzig Weh'n darinne.
Dort hören wir im Laubgezelt
Den Frühling jubeln durch die Welt,
Und lauschen, wie im Innern schafft
Der Liebe zarte Himmelskraft.
In jungen Herzen ist die Statt,
Darin am liebsten Hochzeit hat
Der Frühling und die Minne.

In Sonntagsruhe liegt die Welt,
Kirchglocken läuten durch das Feld;
Die Vöglein sind verstummet fast,
Sie halten kurze Mittagsrast,
Die Winde schlummern allerort, -
Die treuen Blumen duften fort,
Ihr Hauch will nicht vergehen.
So klinget aus in uns'rer Brust
Des Lebens laute Frühlingslust,
Und Sinn und Denken schlummert ein, -
Die Herzensminne wacht allein.
Wir halten träumend uns im Arm
Und fühlen nur im Herzen warm
Der Liebe Athem wehen.

So soll, wenn Lenz und Lust vergeh'n,
Die treue Minne noch besteh'n!
Und fällt vom Haupt uns in den Staub
Des Lebenskranzes letztes Laub,
So fülle sie in Grau'n und Tod
Mit der Erinn'rung Abendroth
Die nachtumhüllten Sinne.
Und trotz der Menschen Widerstreit
Die Liebe glaubt Unsterblichkeit.
Auf Erden läßt von seiner Braut
Der Frühling sterbend, kaum getraut;
Doch in dem namenlosen Land,
Da strahlt in ew'gem Hochzeitband
Der Frühling und die Minne.
(S. 81-83)
_____



Des Mägdleins Nachtgebet

Vergangen ist der lange Tag,
Und Alles ruh'n und schlafen mag.
Mein Herz in Sehnsucht wacht allein
Und denket dein.

Und denket mancher lieben Stund',
In der ich hieng an deinem Mund.
Es blickt der Mond durch's Fensterlein
So trüb' herein.

Da kommt mir's wieder in den Sinn,
Daß ich so ganz verlassen bin;
Manch Thränlein wein' ich arme Maid
In Einsamkeit.

Doch still! Ich will nicht weinen mehr,
Gedenke ich in Sorgen schwer,
Daß du allein und unbekannt
Im fremden Land.

Vergieb mir, daß ich diese Nacht
Nur meines Leides hab' gedacht;
Im Bette schnell erheb' ich mich
Und bet' für dich.

Und sage Alles Gott dem Herrn,
Der höret fromme Liebe gern;
Er wird dich halten treu und gut
In sich'rer Hut.

Er segne unsern Liebesbund,
Daß du mir hold seist allestund,
Daß ich dein Glück in Freud' und Leid,
In Ewigkeit.
(S. 84-85)
_____



An den Geliebten

Wie ist es nur so bald geschehen,
Daß ich dir, Mann, mein Alles gab?
Darf ich dir in die Augen sehen,
Und wendest du dein Haupt nicht ab?
O laß mich ruh'n in deinen Armen!
Dein Blick ist hold und voll Erbarmen.

Gewiß, du hältst es nicht für Sünde,
Daß ich dich liebe, theurer Mann!
Denkst Böses nicht von deinem Kinde,
Das dir nun nichts mehr geben kann.
Hätt' ich noch mein jungfräulich Leben -
Ach, nochmals wird ich's dir ergeben!

So hast du ganz mich hingenommen;
Vorüber ist der Kindheit Scherz.
Nun mögen Leid und Schmerzen kommen!
Du drückst ja schirmend mich an's Herz.
O daß so hold dein Sinn verbliebe,
Mich werth zu achten deiner Liebe!

Ich lieg' vor deinem Geist im Staube,
So herrlich stehst du neben mir;
Doch ist's dein Herz, an das ich glaube,
Und betend blick' ich auf zu dir:
Ach, Leib und Seele bis an's Ende
Befehl' ich nur in deine Hände!
(S. 88-89)
_____



Leben der Liebe

Ach, an diesem trüben Tage
Geht mir Kraft und Lust von hinnen,
Liege träumend dir am Herzen:
Wie der Tag, so ist mein Sinnen.

Denken muß ich immer wieder,
Will ich deine Wangen küssen,
Daß sie, ach, in kurzen Tagen
Bleichen und verwelken müssen.

Denken muß ich, daß ich einmal
Nimmer dich umfangen werde,
Daß die heil'ge Gluth der Herzen
Einst erlischt in feuchter Erde,

Daß vor uns'res Leibes Asche
Unser Name schon zerstiebet,
Niemand weiß, wie sich vor Zeiten
Hier ein Menschenpaar geliebet.

Und vergessen ist auf ewig
Dieses lichten Auges Schimmer,
Deines holden, treuen Herzens,
Süßes Mädchen, denkt man nimmer!

Doch das Eine bleibet stehen,
Ob sich Alles, Alles wende:
Herzen hören auf zu lieben,
Doch die Liebe lebt ohn' Ende.

Wie ein ew'ger Geisterfrühling
Schwebt sie strahlend ob der Erden,
Blumen welken, Blumen keimen,
Und im Tod ist ew'ges Werden.

Ihr der einzig Wandellosen
Weihe du die flücht'gen Tage!
Laß uns lieben ohne Bangen,
Laß uns scheiden ohne Klage!

Ob in einem künft'gen Leben
Dich mein Geist einst wiederfindet,
Weiß ich nicht, das aber fühl' ich,
Daß dich jetzt mein Arm umwindet!

Laß uns leben, daß am Ende
Uns der eine Trost nicht fehle:
Selig warst du auf der Erde, -
Fahr' in Frieden, meine Seele!
(S. 90-92)
_____



Traum und Wirklichkeit*

Es schläft an meine Brust gesunken
Das holde, heißgeliebte Weib;
Ich schaue stumm und formentrunken
Den jungen, hüllenlosen Leib.

Wie um den keuschen Schnee der Lenden
Der Locke dunkle Woge quillt!
Wie unter meinen leisen Händen
Der weiche Marmor athmend schwillt!

Da lockt mich hohe Wunderahnung
In unbekannte Zeit zurück,
Wie eine rührend holde Mahnung
An längstvergeßnes Liebesglück.

Blieb mir aus einem frühern Leben
Der eine wehmuthmilde Klang,
Der sich mit leisem Saitenbeben
Durch meiner Seele Stille schwang?

Ist das die ew'ge Schönheit wieder,
Die mir das Herz so trunken macht,
Nach der beim Anblick dieser Glieder
Die heil'ge Sehnsucht mir erwacht?

Und Schöpfungshimmel seh' ich blauen
In morgenfrischer Werdelust.
Ich blicke mit erhab'nem Grauen
In das Geheimniß meiner Brust.

Zeigt ihr mir an, ihr Glanzgesichte,
Wie ich in kühnem Lebensdrang,
Mit ew'ges Licht vom ew'gen Lichte
Zum Erdentag mich niederschwang?

Und wie umsonst aus seinen Bahnen
Nach seiner Sonne strebt ein Stern,
Zieht machtlos mich ein kindlich Ahnen
Zum Geiste, der mir jetzt so fern. -

Da rührt sich leicht auf meinem Schooße
Vom Traum bewegt das holde Weib,
Des Busens weiße Doppelrose
Streift leis erzitternd meinen Leib.

Es schmiegt ihr Herz mit weichem Schlage
An meine Brust sich eng und warm: -
Das Götterglück, das ich beklage,
Ruht es nicht lächelnd mir im Arm?

Und muß ich's erst mit Händen fassen,
Daß mir in lebender Gestalt
Der ew'ge Geist, den ich verlassen,
Aus diesem Leib entgegenwallt?

Was sucht' ich ihn in blauer Ferne,
Der mir die eig'ne Seele schwellt?
Er ist die Harmonie der Sterne,
Die Schönheit in der Menschenwelt.

Wach' auf, mein Lieb! Ich hab' dich wieder,
Die mir ein trüber Traum geraubt;
Da regen sich die zarten Glieder,
Und lächelnd hebest du das Haupt.

Bekränze festlich deine Haare,
Laß dich mit heil'gem Kuß umfah'n!
Es blicket mich der Unsichtbare
Aus deinen Augen grüßend an.
(S. 93-96)

* Nach der platonischen Philosophie entspricht die Sehnsucht beim Anblick
eines schönen Gegenstandes aus der unwillkürlichen Erinnerung an die ewige
Schönheit, mit der wir vor diesem Leben im Reich der Ideen vereinigt waren.
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Frühlingstag

Sonnenschein auf allen Dächern,
In den Gassen laue Luft,
Silberbläulich strahlt der Himmel,
Und die Berge stehn in Duft.

Junges Herz, hinaus in's Freie,
Und vorbei an Liebchens Haus!
Schau, vor ihrem off'nen Fenster
Steht ein frischer Blumenstrauß!

Möcht' ich doch vor Allem wissen,
Wem die holden Blumen sind?
Doch der Schelm läßt sich nicht blicken,
Nur der Vorhang bebt im Wind.

Heute Abend hinter'm Garten
Soll ich die Geliebte sehn:
Ob dann wohl die bunten Blumen
Morgen noch am Fenster stehn?

Auf! Hinaus durch Thor und Brücke!
Fern durch Wald und Wies' und Hag!
Nur im Wandern wird genossen
Dieser erste Frühlingstag.

Müd' vom Jubel, müd vom Sehnen,
Und vom Wandern reg' und warm
Kehr' ich auf verstohl'nen Wegen
Heimwärts in der Liebsten Arm.

Bring' ihr Küsse, bring' ihr Lieder,
Wie man's hört am grünen Hag:
Nur in Liedern, nur in Küssen
Endet recht ein Frühlingstag.
(S. 97-98)
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Begegnung

Du hast mich längst verlassen,
Längst hin ist Lust und Weh';
Doch rührt mein Herz sich leise,
Wenn ich dein Antlitz seh'.

Dein Reiz ist lang verwelket,
Mir blühet ewig jung
Auf deinen bleichen Wangen
Sel'ge Erinnerung.

Es steht die alte Gasse
Sehnsüchtig vor mir da,
Wo ich am Sonntagmorgen
Zum ersten Mal dich sah.

Die abendliche Laube
Ergrünt in gold'nem Strahl,
Da ich dein rosig Antlitz
Geküßt zum ersten Mal.

Und alle Liebespfade
Eröffnen sich vor mir,
Die ich in blauen Tagen
Gewandelt einst mit dir.

All' deiner Liebe denk' ich,
Der Falschheit denk' ich nicht!
Mir weht wehmüth'ger Friede
Von deinem Angesicht.

Dein Herz nur möcht' ich fragen,
Ob es nun glücklich sei;
Da blickst du bang zu Boden,
Ich gehe rasch vorbei.

Du hast mich längst verlassen,
Längst hin ist Lust und Weh';
Doch rührt mein Herz sich leise,
Wenn ich dein Antlitz seh'.
(S. 99-100)
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Versöhnung

O laß mich stehn an deinem Grabe!
Ach, nicht das Grab ist's, das uns schied,
Du bist's, die ich geliebet habe,
Und die so bitter mich verrieth.
Du bist dahin. – Dir sei vergeben,
Warst du doch einstens all' mein Glück!
Die ich verlor im wilden Leben,
Giebt mir der sanfter Tod zurück.

Wie oft ein Hauch verklung'ner Lieder
Uns plötzlich durch die Seele wallt,
So schau' ich nun dein Antlitz wieder
Und deine liebliche Gestalt.
Doch wird dein Lächeln trüb' und trüber,
Dein schelmisch Auge thränenschwer,
Du reichst wie einst die Hand herüber,
Und fragst mich: Liebst du mich nicht mehr?

Da kommen all' die sel'gen Tage,
Sie flehen, ach, so süß für dich.
Ich seh' dich steh'n in stummer Klage
Und seh' dich weinen bitterlich.
Wie mich dein leichter Sinn betrübe,
Gewiß, du warst dir's nicht bewußt. -
So drück' ich dich in alter Liebe
Und fest und ewig an die Brust!
(S. 101-102)
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Komm, süßer Schlaf

Komm, süßer Schlaf, du Trost der Nacht,
Schließ sanft mein Auge zu!
Ich hab' vergang'ner Zeit gedacht,
Mein Herz verlangt nach Ruh.

Einst stilltest du nach Kuß und Scherz
Verborg'ner Liebe Glück,
Und lehntest an sein warmes Herz
Mein selig Haupt zurück.

Nun ist er längst zu Grab' gebracht,
Und Lieb' und Glück dazu.
Komm, süßer Schlaf, du Trost der Nacht!
Mein Herz verlangt nach Ruh.
(S. 105)
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Liebesfrühling

Liebchen, sieh', der Frühling kam uns wieder,
Alle Wesen glüh'n, ihn zu begrüßen,
Lebenskeime fluthen durch den Aether,
Zartes Grün erwacht zu unsern Füßen.

Daß die Welt nicht in des Todes Banden,
Ohne Blumen, ohne Menschen bliebe,
Sandte Gott den Frühling auf die Erde,
Sandte er in's Menschenherz die Liebe.

Droben noch am Waldberg kämpft der Winter
Hinter'm Eiswall müde und vergebens,
Aber mächtig aus den Blüthenthälern
Jauchzet der Triumphgesang des Lebens.

Liebchen komm'! Wie sich die Schalen lösen
Von der Knospe ahnungsreicher Fülle,
So von deines Leibes Lenzgeheimniß
Heb' ich leis die jungfräuliche Hülle.

Seufzend Sträuben, - athemtrunk'nes Ringen, -
Sel'ger Kampf und seliges Erliegen! -
Wie zwei Rosen wechselnd zu einander
Thaubeschwert die klaren Häupter wiegen.

Herz an Herz, und Lippe an Lippe
In der Wollust ernstverzücktem Schweigen, -
Aber über uns in blauen Lüften
Schmettert's tausendfältig von den Zweigen.

Und der Flieder neigt auf unsre Häupter
Leicht erregt die jungen Blättertriebe, -
Jubelnd nimmt uns auf die Mutter Erde
In den großen Frühlingsbund der Liebe.
(S. 112-113)
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Brautgesang

Erst streift' ich heimlich, von Schauern durchzückt,
An des Kleides duftendem Saume,
Dann wurde dir leise die Hand gedrückt,
Und du sah'st mich steh'n wie im Traume.

Und einst in der Nacht, zu verschwiegener Stund',
Da hab' ich dich bebend umfangen
Und küßte mit stummem, seligem Mund
Deine heißerglühenden Wangen.

Drauf schiedest du weinend in fremdes Land,
Und ich träumte an einsamen Orten;
Doch wie ich nach Monden dich wiederfand,
Da war ich zum Jüngling geworden,

Und blickte dir kühn in der Augen Licht,
Umfieng dich mit Quälen und Kosen,
Und preßte mit brennendem Angesicht
Deines Busens knospende Rosen.

Und die Knospe sprang, es erblühte dein Leib
In lenzlich schneeigem Prangen,
Und ich halte dich nun als mein eigen Weib
Mit starken Armen umfangen.

Als einst ich dir eine Rose geraubt,
Wie bist du da ahnend erschrocken!
Nun schüttelt lächelnd dein trunkenes Haupt
Den zerknickten Kranz aus den Locken.

Wohl fühlest du scham- und wonneheiß:
Nicht fiel diese Blüthe vergebens!
Du fühlst dich ein heilig fruchtbares Reis
Am unsterblichen Baume des Lebens.
(S. 114-115)
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Aus: Gedichte von Wilhelm Hertz
Hamburg Hoffmann und Campe 1859



 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Hertz

 

 


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