Paul Heyse (1830-1914) - Liebesgedichte

Paul Heyse

 

Paul Heyse
(1830-1914)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

Sie schreibt

Ach, warum von Land und Leuten
Schreibst du mir aus deiner Ferne,
Wie Gebirg und See dich freuten
Und wie golden dort die Sterne!

Liebesbriefe will ich lesen,
Immer nur das selig Eine,
Daß du mein gedenk gewesen,
Daß du mein und daß ich deine.

Ach, und tauchst an hellen Tagen
Du aus deinen Kümmernissen,
Sollst du mir es nimmer sagen,
Denn ich will dich heiter wissen.

Aber nicht dem Fremden neuen
Dank es, nicht der fernen Sonne,
Daß sie dein Gemüt zerstreuen
Und dir spenden frische Wonne.

Laß mich glauben, daß der Grüße
Zauber, die ich zu dir sende,
So das Leben dir versüße,
Wie dereinst ein Druck der Hände.

Daß mir, auch von dir geschieden,
Jene stille Macht verbliebe
Und du alle deinen Frieden
Nur gewinnst durch meine Liebe!
(S. 167-168)
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Schlaf nur ein

Ach, was bin ich aufgewacht?
Ob am Haus die Liebste klopft?
Leise tönt es durch die Nacht. –
"Schlaf nur ein,
Schlaf nur ein!
Regen an die Scheiben tropft."

Warum klingt mir doch das Ohr?
Spricht von mir das falsche Kind,
Das mich aus dem Sinn verlor? –
"Schlaf nur ein,
Schlaf nur ein!
Herdenglocken rührt der Wind."

Und sie sah im Traum mich an,
Und sie sprach: Du glaubst es kaum,
Was ich leide, süßer Mann! –
"Schlaf nur ein,
Schlaf nur ein!
Schlaf ihn aus, den falschen Traum!"
(S. 146-147)
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Den Wald durchläuft verworrner Stimmen Klang,
Der Winde seufzender Gesang,
Des Taubers Gurren tief im Neste;
Am Tag der Mücken schwirrend Geigenspiel,
Und nun das Mondlicht durch die Büsche fiel,
Des Hirsches Ruf, der dumpfgepreßte.

Horch! Endlos sich verschlingend irrt und schweift
Das süße Flüstern. Welcher Sinn begreift,
Was die Natur hinstammelt sommertrunken!
Wir lauschten, unter Farn’ und Dorngerank,
Vom Wald umsäuselt auf der dunklen Bank,
Und zählten hoch am Firmament die Funken.

Ich hielt den Mund dicht an dein Ohr gepreßt.
Weich wie das Vögelchen im Nest
An deinem Busen lag mein Herz gebettet.
Wir sprachen – was ? wir wußten’s selber nicht;
Ein Stammeln war’s, wie wenn die Seele spricht,
Vom Bann der Weisheit losgekettet.

Wie Blume, Baum und Strauch war uns geschehn.
In unvernünftig sel’gem Einverstehn
Fing unser Innres wortlos an zu lallen.
Was Wunder! Sind nicht unsere Herzen auch
Ein Stück Natur, wie Blume, Baum und Strauch,
Des Einklangs froh mit den Geschwistern allen?
(S. 179-180)
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Der Tag wird kühl

Der Tag wird kühl, der Tag wird blaß,
Die Vögel streifen übers Gras.
Schau, wie die Halme schwanken
Von ihrer Flügel Wanken
Und leise wehn ohn’ Unterlaß.

Und abends spät die Liebe weht
Ob meines Herzens Rosenbeet.
Die Zweige flüstern und beben,
Und holde Gedanken weben
Sich in mein heimlich Nachtgebet.

Du fernes Herz, komm zu mir bald,
Sonst werden wir beide grau und alt,
Sonst wächst in meinem Herzen
Viel Unkraut, Dorn und Schmerzen –
Die Nacht ist lang, die Nacht wird kalt!
(S. 149)
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Amor in der Mauser

Einsam, traurig und gefangen
Sitzt der kleine Gott zu Haus,
Und mit naßgeweinten Wangen
Rupft er sich die Federn aus;

Spitzt sie fein an seinen Pfeilen,
Taucht sie in ein Tröpfchen Blut,
Schreibt damit entflammte Zeilen,
Brief’ und Lieder voller Glut.

Ach, und kann’s ihm denn genügen,
Daß er lahm die Feder führt,
Da er einst in sel’gen Flügen
Zweier Schwingen Kraft gespürt?

Heil’ge Venus, laß geschwinde
Hingehn diese Mauserzeit,
Die dem armen Götterkinde
Sichtbar kümmerlich gedeiht.

Neu beschwing ihm das Gefieder,
Das nun kriechend kritzeln muß:
Blick und Wort statt Brief’ und Lieder,
Statt der Siegel Kuß um Kuß!
(S. 171)
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Vorüber

Es sauset und es brauset,
Es geht ein kühler Wind.
Da drunten auf der Heide,
Da steht ein schönes Kind.

Mit ihren weißen Armen
Sie winkt mir Gottwillkomm,
Mit ihren schwarzen Augen
Sie lacht mich an so fromm.

Dein Winken und dein Grüßen,
Ach Schätzlein, hilft dir nicht:
Ich muß zur Welt 'nein fahren,
Ein vogelfreier Wicht.

Und willst einen Liebsten haben,
Such dir einen andern aus.
Ich hab’ ja nur zwei Flügel,
Ich hab’ nicht Hof noch Haus.
(S. 150)
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Gar zu gerne wollt ich wissen,
Was aus diesen Zügen spricht,
Wie so schnell mich hingerissen
Dieses reizende Gesicht.

Manche sah ich, Blond’ und Braune,
Mir in Jugendblüte nahn;
Warum wandelte die Laune,
Sie zu lieben, nie mich an?

Konnt’ ich nicht in Fülle schauen
Alles, was das Herz begehrt:
Sanfte Lippen, stolze Brauen,
Weißen Hals, umhalsenswert?

Dennoch wie am Zauberfädchen
Lockte mich in raschem Gang
Stets sich nach dies schlanke Mädchen,
Eh’ noch ihre Stimme klang;

Eh’ ein Hauch aus ihrer Seele
Schüchtern sich zu meiner stahl,
Und ich wußte: Die erwähle!
Ach, dir bleibt ja keine Wahl.

Jetzt, da ich bei Nacht und Tage
Ihr Gesicht studieren mag,
Bleibt die große Rätselfrage
Dunkel wie am ersten Tag.

Doch entsag’ ich gern dem Wissen;
Schauen ist die höh’re Pflicht.
Fort das Grübeln! Laß dich küssen,
Unerforschlich süß Gesicht!
(S. 179)
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Gerne schlief ich schon früher ein,
Doch mein Herz, vor lauter Frohlocken,
Daß die holde Geliebte mein,
Läutete Sturm mit allen Glocken.

Gerne hätt’ ich noch länger geruht,
Aber im Kopfe begann zu lärmen
Eine tolle Gedankenbrut,
Früh wie Bienen hinauszuschwärmen.

Nichts als Verse und sehnendes Leid
Schafft dies einsam nächtliche Wachen.
O, es ist Zeit, es ist hohe Zeit,
Endlich ein End’ und Hochzeit zu machen!
(S. 181-182)
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Hat dich die Liebe berührt,
Still unterm lärmenden Volke
Gehst du in goldner Wolke,
Sicher vom Gotte geführt.

Nur wie verloren umher
Lässest die Blicke du wandern,
Gönnst ihre Freuden den andern,
Trägst nur nach einem Begehr.

Scheu in dich selber verzückt,
Möchtest du hehlen vergebens,
Daß nun die Krone des Lebens
Strahlend die Stirne dir schmückt.
(S. 176)
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Im Walde

Heut beschlichen mich die Träume,
Da es heller Mittag war.
Durch des Waldes junge Bäume
Flog’s wie Duft von deinem Haar.

Leise klang ein holdes Lachen,
Wie nur deine Lippe lacht,
Wenn des Morgenrots Erwachen
Deine Seele fröhlich macht.

Ja, mir war’s, als ob mich träfe
Deines Auges stiller Geist
Und ein Kuß an meiner Schläfe,
Wie nur du zu küssen weißt.
(S. 170)
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Verlöbnis

Ich gab dir keinen Schwur, dir zu gehören,
Weil um das Wort Dämonen uns beneiden.
Die Seelen, die wir so in Leiber kleiden,
Die stumme Brut der Nacht will sie zerstören.

Den Machtspruch alles Seins – wer kann ihn hören?
Schwur sich die Nacht den Sternen zu mit Eiden?
Wird je die Nachtigall vom Frühling scheiden?
Nur was man brechen kann, mag man beschwören.

Natur verlobt’ uns, die mit ew’gem Triebe,
Was seelenvoll erschaffen ist auf Erden,
In Sehnsucht zwingt sein andres Ich zu suchen.

Und will Natur je scheiden diese Liebe,
Muß sie meineidig an sich selber werden
Und, was sie eingesegnet, selbst verfluchen.
(S. 167)
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Ich sah mein Glück vorübergehn,
Ich konnt’ es am Stirnhaar fassen
Und blieb wie ein törichter Träumer stehn
Und hab’ es vorbeigelassen.

Ich sah mein Glück auf der Wiese ruhn,
Ich konnt’s auf die Lippen küssen
Und starrt’ es nur an vom Hut zu den Schuh’n
Und habe mich losgerissen.

Ich harrte, ob es mit holdem Blick
Nicht selbst sich meiner erbarme.
Ich dachte: ist es ein rechtes Glück,
So läuft dir’s frei in die Arme.

Und sieh, wie am Abend ich saß zu Haus
Und an nichts Fröhliches dachte,
Da pocht’s, da stand’s an der Schwelle drauß
Und flog mir ans Herz und lachte.
(S. 176)
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In der Mondnacht

In der Mondnacht, in der Frühlingsmondnacht
Gehen Engel um auf leisen Sohlen;
Blonde Engel, innig und verstohlen
Küssen sie die schönsten Menschenblumen.

Tausendschönchen, allerliebste Blume,
Weiß es wohl, woher der Schimmer stammet,
Der dir heut das Antlitz überflammet:
Bist noch in den Traum der Nacht verloren.

Denkst der Engel, die durchs kleine Fenster
Sich auf Mondesstrahlen zu dir schwangen,
Leise dir zu küssen Mund und Wangen
In der Mondnacht, in der Frühlingsmondnacht.
(S. 153)
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Siesta

Lieb, o lieb war die Nacht
Mitten am hellen Tag,
Als wir die Läden geschlossen,
Als durch die schützenden Sprossen
Goldige Dämmerung brach.

Kühl, o kühl war der Saal,
Drinnen die Welt uns verging,
Da wir in seligem Schmachten
Wandelten, flüsterten, lachten,
Bis uns der Schlummer umfing.

Süß, o süß war der Traum,
Herz am Herzen geträumt!
Über uns schwebend im Kreise
Flattert’ ein Schmetterling leise,
Dunkel die Schwingen umsäumt.
(S. 182-183)
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Verwandlung

Mühlen träg die Flügel drehn,
Über die Stoppeln schleicht der Wind.
Dunkle Hütten im Grunde stehn,
Kleine Fenster, trüb und blind.

Sieh, da kommt ein Sonnenschein,
Stiehlt sich durchs Gewölk heran:
Mühlen, Feld und Fensterlein
Fangen flugs zu lachen an.

Liebes Herz, so bist du ganz
Blöd und blind viel Tag und Nacht,
Bis ein leiser Liebesglanz
Dir die Welt zum Himmel macht.
(S. 153)
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Verklärung

Nicht weinen sollst du, sollst frohlocken
Und still dich segnen früh und spät,
Wenn deine Seele tieferschrocken
Am Abgrund unsrer Liebe steht.

Der Lärm des Lebens ist versunken,
Kaum dringt der Freunde Ruf herauf.
Wir schauen stumm und wonnetrunken
Zu seligen Gestirnen auf.

Und wie des Friedens sanfte Welle
Begräbt den schwanken Grund der Zeit,
Wird’s vor den Sinnen morgenhelle
Und tagt wie Glanz der Ewigkeit.
(S. 172)
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Unterwegs

Nun brause mich, Wind, nach Hause geschwind,
Dort sitzt mein Liebchen und sehnt und sinnt,
Ihre einz’ge Gesellin die flackernde Kerz’,
Und sie horcht auf den Sturm und horcht auf ihr Herz.

O trage mich, Wind, durch den sausenden Hag,
Beflügle den Fuß mir dein Flügelschlag,
Beflügle die Zeit, und mit klirrendem Ton
Poch an ihr Fenster: wir kommen schon!

Wir kommen! Und brechen wir ein in das Haus,
Dann stürme dein Atem das Flämmchen aus,
Dann saus’ und brause hinaus in die Nacht,
Um die Hütte der Glücklichen halte die Wacht!
(S. 172)
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Stimme der Nacht

Nur eine Wachtel schlug im Feld,
Da ich vorüberging,
Nur eine leise Glocke rief,
Die hoch im Turme hing.

Verhallt die wirre Menschenlust,
Der wunde Menschenschrei.
So still der Wald! Es rauscht der Fluß
Mit Murmelklang vorbei.

Ein lautlos feuchter Uferwind
Entfacht dein Blut mit Macht,
Und die verlorne Liebe ruft
Beweglich durch die Nacht.
(S. 146)
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O Saitenspiel
In schweigender Nacht,
Wenn Tagesgewühl
Zur Ruhe gebracht!

Worte verschwimmen
Im Meer des Seins,
Flammen verglimmen,
Hüpfenden Scheins.

Nicht Ton und Gestalt,
Nicht Farb’ und Sinn;
Mit dunkler Gewalt
Nimmt Liebe dich hin.

Eins nur fühlst du:
Du bist zu Zwein.
Auch das verdämmert,
Traum spinnt dich ein.

Dich stärkt die Welle
Der Ewigkeit
Für Himmel und Hölle
Der nichtigen Zeit.
(S. 183)
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Schier verdorben ist meine Hand
Zu jedem ernsten Geschäfte.
Zu strengem Frauendienste verwandt
Erschöpfte sie ihre Kräfte.

Sie band so schwere Flechten los,
Sie löste so feste Spangen;
Sie scheuchte die Träne, die heimlich floß
Von scheu erglühenden Wangen.

Dann mußte sie nachts, statt auszuruhn,
Ein klopfendes Herz beschwichten.
Nun kann sie heute nur leichtes Tun
Im Dienst der Musen verrichten.

Ein lieblich ernstes Frauenprofil
Hinkritzeln mit raschen Zügen,
Oder mit träumerisch gleitendem Kiel
Lieder zu Liedern fügen.
(S. 182)
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Seit du nun schweigst...

Seit du nun schweigst, sind mir die Dinge stumm.
Mit seelenlosen Augen sehn mich an
Die liebsten Menschen. Jedes Heiligtum
Find’ ich verschlossen, poch’ ich je daran.

Gab deine Stimme doch die Melodie
Zu meines Lebens Lied. Du warst das Maß,
Das Wert und Unwert meiner Welt verlieh;
In dir genoß ich erst, was ich besaß.

Nun du mir fehlst, bin ich mir selbst entrückt,
Mißklang mein Denken, mein Empfinden Streit.
Das Schöne spielt mit mir, das Wahre drückt
Dies Herz zusammen, das es sonst befreit.

Des Lebens Krone fiel aus meinem Haar,
Jedwede Herrschgewalt ist mir entrungen,
Und selbst das Lied, das noch mein eigen war,
Hat mir der Schmerz tyrannisch abgezwungen.
(S. 168)
(In Rom)
_____
 


Ergebung

Trag es nur, was überschwenglich
Wie ein Schicksal dich umgibt!
Ach, wie vieles war vergänglich,
Was die Seele sonst getrübt.

Was dich jetzt aus fremder Weite
Unbezwinglich bannt an sie,
Auch so eng an ihrer Seite
Ließ dich dieses Sehnen nie.

War ihr Blick doch unergründlich,
Unermeßlich, ach, ihr Herz.
Da empfandst du zitternd stündlich
Deine Schranke, deinen Schmerz;

Fühltest wie von Sonnenflimmer
Still die Augen übergehn,
Und doch unersättlich immer
Strebtest du, dich satt zu sehn.

Ach, so dränge nun vom Herzen
Diese Sehnsucht nicht zurück,
Und die Dauer deiner Schmerzen
Bürge dir ein dauernd Glück!
(S. 168-169)
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Trennt euch zuweilen,
Ihr glücklich Liebenden!
Ach, nur die Ferne
Glüht Seel’ und Seele
Magisch zusammen;
Ach, nur die Sehnsucht
Vermählt euch ganz!

Süße ist das Haben
Arm in Armen,
Süß sind die Gaben,
Die lebenswarmen,
Des geselligen
Augenblicks.

Wie reife Trauben,
Des Gartens Zierde
In sonnigen Lauben,
Die voll Begierde
Wir pflücken und naschen,
Durstig des raschen,
Trunkenen Glücks.

Doch gleich dem Weine,
Der aus der Kelter
Trübe geflossen,
Lange von dunkeln
Reifen umschlossen,
Bis er mit Funkeln
Im Becher glüht:

So kann nur Liebe
Das Mark durchglühen,
Die ausgereift ist
In Sehnsuchtsmühen,
Fern und allein,
Bis ihr die Blume,
Die duftig reine,
Dauernd erblüht.

Trennt euch zuweilen,
Ihr glücklich Liebenden!
Besser, es trennen
Euch weite Meilen,
Als der Nähe
Treiben und Jagen,
Wo Herz dem Herzen
Muß ferne schlagen
Und Blicke scherzen
In fremdem Glanz.

Ach, nur die Ferne
Glüht Seel’ und Seele
Magisch zusammen;
Ach, nur die Sehnsucht
Vermählt euch ganz!
(S. 183-185)
_____

 

Zuflucht

Und so hebst du meiner Seele
Schleier mit der weichen Hand,
Daß sie nichts mehr dir verhehle,
Die errötend vor dir stand.

Ach, was ihr im Übermute
Lieblich an ihr selber deucht’,
Seit darauf dein Auge ruhte,
Ist der eitle Wahn verscheucht.

Nun entkleidet ihrer Flittern,
Nun so scheu in sich geschmiegt
Überrieselt sie ein Zittern,
Zwischen Glück und Scham gewiegt.

Bis sie sich mit heft’gem Triebe
Dicht an deine Seele schließt
Und die Fülle deiner Liebe
Wie ein Schleier sie umfließt.
(S. 170)
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Von den Halden herab
Rinnen Ströme von Licht,
Durch die Wellen am Weiher
Der Goldschein bricht.

Es brennen die Rosen,
Es funkelt der Bach,
Es blitzt wie Silber
Das Kirchendach.

Die Augen der Menschen
Leuchten so grell –
Wohin dich flüchten,
Kranker Gesell?

Laß deine Liebste
Lösen ihr Haar
Birg ihr am Busen
Dein Augenpaar.

Ward es von Wachen
Und Weinen wund,
Im Lockenschatten
Schläft sich’s gesund.
(S. 176-177)
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Liebesdienst

Wenn das Haus im Wüsten liegt,
Wem gefielen Gäste?
Staub, der aus den Winkeln fliegt,
Kehrt man vor dem Feste.

Als ich just im Herzen tief
Ordnung schaffen wollte,
Hört’ ich, wie ein Stimmchen rief,
Daß ich öffnen sollte.

Ach, die schöne Liebe stand
Bittend an der Schwelle;
Daß sie es im Argen fand,
Klagt’ ich ihr zur Stelle.

Doch sie lacht’ mir ins Gesicht,
Sprang ins Haus behende,
Und wie längst gewohnt der Pflicht,
Rührte sie die Hände.

Staunend sag’ ich, wenn ihr fragt:
Welch ein Glanz tiefinnen?
"Die das Haus gefegt als Magd,
Wohnt als Fürstin drinnen."
(S. 166)
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Mein und dein

Zieh ein zu allen Toren,
Geliebtes Glück, zieh ein!
Du mir zum Trost erkoren,
Nimm alles hin, was mein!

Du mir zum Trost erkoren,
Ich leb’ in dir allein.
Für dich zur Welt geboren –
Ach, was an mir ist mein?

Für dich zur Welt geboren
Kenn’ ich kein andres Sein;
Nicht frag’ ich wie die Toren:
Ach, was an dir ist mein?

Nicht frag’ ich, wie die Toren;
Und riefe die Hölle nein:
Wer sich ins All verloren,
Was gilt ihm mein und dein?
(S. 165-166)
_____

 

Alle Gedichte aus: Paul Heyse Gesammelte Werke, Reihe III, Band 5 Gedichte und Übersetzungen
(J. G. Cottasche Buchhandlung) Georg Olms Verlag Hildesheim Zürich New York 1991 (Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1924)


 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Heyse



 

 


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