Hans Hopfen (1835-1904) - Liebesgedichte

Hans Hopfen



Hans Hopfen
(1835-1904)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 



Sei mir gegrüßt du stille Schreiberzelle,
Bestaubtes Pult, vertrocknet Lämpchen du!
Es rausche fern von des Enttäuschten Schwelle
Der Strom der Welt den bunten Ufern zu.
Ich kehre gleich dem lebenslang Verbannten
Aus Glück und Hoffnung zu der ernsten Pflicht;
Ihr wißt so viel, ihr grauen Folianten,
Wißt ihr denn dieses auch: sie liebt mich nicht?

'S war wol nicht gut, daß ich zum andern Male
Von euch gegangen in das bunte Land,
Wo ich dereinst im lichten Kerzenstrale
Die tolle Freude wilder Jugend fand.
Diesmal in jenem Kreis nach flüchtigen Scherzen
Nur sucht' ich, die der nächste Tag zerbricht,
Und fand den Wahn, als könnten sich zwei Herzen
Auf ewig binden. Doch sie liebt mich nicht.

Nun sinn' ich träumend, seit wie langen Zeiten
Die schwarze Flut im Dintenfaß versiegt;
Mein Finger schreibt im Staub auf jener Seiten,
Die noch von damals aufgeschlagen liegt,
Schreibt - ihren Namen. Wie das Blatt ich wende,
Ein Spinnlein flieht das ungewohnte Licht;
Ich nehm' ein Buch, vom Anfang bis zum Ende
Les' ich das Eine nur: sie liebt mich nicht!

Laßt denn in stillen Nächten euch erzählen
Von dieser Irrfahrt, die ich jüngst gethan,
Von Fackeln, Geigen, Blumen und Juwelen,
Von raschen Blicken und von zähem Wahn!
Laßt euch erzählen von der Einzig einen,
Wie wunderschön sie war, wie klug und schlicht;
Und seid ihr Tröster, wie die Weisen meinen,
Schenkt euren Trost mir, denn sie liebt mich nicht!
(S. 4-5)
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Du sinnest träumerisch und schweigest,
Den Blick zur Erde hingewandt,
Du sinnest träumerisch und neigest
Das Haupt in deine liebe Hand.
Wie ein erbleichend Frührot flieget
Ein Lächeln über dein Gesicht -
In Traumes Dämmrung eingewieget
Wie bist du schön und weißt es nicht!

An den verschlossnen Busen legen
Möcht' ich mein eifersüchtig Ohr,
Ablauschen deines Herzens Schlägen
Was sein Geheimniß sich erkor.
Ich seh dich an, es flieht die Stunde,
Wie find' ich deines Sinnens Spur?
Kein Wörtlein geht aus deinem Munde,
Du neigst das Haupt und lächelst nur.

So steht vor funkelnden Palästen
Stillfröstelnd in der Winternacht
Ein Armer, wenn zu stolzen Festen
Sich Herrlichkeit vereint mit Macht.
Von droben aus des Reigens Klängen
Fällt selten nur ein irrer Laut,
Ihm aber will's die Brust zersprengen
Um Wunder, die er nie geschaut.
(S. 6-7)
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Hörbar und faulen Ganges schleicht die Zeit
Dahin in meinem stillen Krankenzimmer;
Wie sehn' ich mich aus dieser Einsamkeit
Nach deiner Augen zauberischem Schimmer!

Als ich zuletzt dich sah - 's ist lange her -
Bin trotzigen Sinnes ich hinweggegangen;
Seitdem lag ich darnieder lang und schwer,
Sehnsucht nach dir nahm all mein Sein gefangen.

Und weil ich nun nach mancher Leidensnacht
Genesung fühle durch die Adern rinnen,
So wähnt mein Herz, du habest mein gedacht,
Aus Zufall nur, doch in geneigtem Sinnen.

Denn alles Erdenglück und jede Lust
Scheint mir von dir ein lächelnder Gedanke,
So daß ich alle Freuden meiner Brust
Nur deiner freundlichen Erinn'rung danke.

Ja, tritt dereinst der Tod an mich heran,
Fürwahr ich werd' es anders nicht ermessen,
Als daß ich nun nicht länger leben kann,
Dieweil du meiner ganz und gar vergessen.
(S. 8)
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Wenn Nächtens du den kleinen Schuh
Von deinem Füßchen streifest
Und in die braunen Haare du
Mit lichten Händen greifest,

Um lächelnd vor dem Spiegel dann
Dein Häubchen festzustecken:
Fällt's dich nicht manchmal plötzlich an
Wie heimliches Erschrecken?

So daß du eilig Hals und Brust
Verbirgst in den Gewanden,
Weil du vermeinst, ich wäre just
Still hinter dir gestanden?

Denn wenn im dunklen Schooß der Nacht
Die Dinge rings versanken,
Dann wandern zu dir glutentfacht
Die schwärmenden Gedanken;

Dann brennt mein Blut in wildem Leid,
So daß ich oftmals wähne,
Du fühltest in der Einsamkeit,
Wie ich nach dir mich sehne.
(S. 9)
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Ich weiß ein Stübchen in der Dämmerzeit;
'S ist wol zur Strafe meiner ärgsten Sünden,
Daß ich es meiden muß, wenn's bläst und schneit,
So eh' im Hause sie die Lichter zünden.

'S ist alles still; im Ofen knistert's blos,
Und vor dem Ofen hockt ein dunkles Kätzlein,
Am Fenster sitzt die Händ' in seinem Schooß
Ein schönes Kind, und dieses ist mein Schätzlein.

Sacht an die Scheiben, dran es leise thaut,
Legt sie die Stirn' und lauscht, wie schwach und schwächer
Im Windeswehn der Abendglocken Laut
Einherdringt über die verschneiten Dächer.

Schon glosten Fenster aus der Ferne her,
Wo reglos Dunkel eben nur gewaltet;
Der Verspergruß verhallt, man hört nichts mehr,
Sie aber hält die Hände noch gefaltet.

Ein Augenblick noch - und man kommt mit Licht;
Die Schwestern treten lachend in das Zimmer;
Ihr Auge glänzt, doch jene merken nicht
Der kleinen Thräne raschzerdrückten Schimmer.
(S. 10)
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Wenn unverwandt an deinem Aug' ich hänge,
In heilgem Ahnen streife dein Gewand,
Dein Ohr mit leisem Schmeichelwort bedränge,
Nicht lassen will aus meiner deine Hand:

Dann sage nicht, daß ich in frühern Tagen
Vor dir geliebt so manch ein schönes Kind,
So manch ein Herz bethört mit gleichen Klagen,
Die nun doch alle längst vergessen sind.

Wol ist es wahr, ein keck verbraustes Leben
Gährt hinter mir, auf seinem raschen Fluß
Seh' ich's wie halbverlorne Märchen schweben,
Die mahnen mich an manchen letzten Kuß.

Was ich gesucht bei Jenen und gefunden,
Der ersten Neigung blöde Schwärmerei,
Den tollen Rausch waldflüchtiger Schäferstunden,
Das mußte kommen und es gieng vorbei.

Befiehl, so sing' ich von gefallnen Sternen,
Von Blumen, die nur eine Nacht geblüht,
Doch dann versprich, du willst es glauben lernen:
Nur Einer hat mein Herz, nur dir geglüht.

Du bist das Morgenroth in meinen Nächten,
Der Hort, den lang vergebens ich gesucht;
Den Brautkranz in dein braunes Haar zu flechten,
Sei meiner Mühen segensreiche Frucht.

Besinne dich, was wirst du dann mir sagen,
Wenn ich einst komme mir ein Weib zu frei'n,
Und deine Hände fasse, dich zu fragen:
Willst du auf ewig nun die meine sein?
(S. 11-12)
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Auf meinen Wimpern liegt's wie Blei,
Die müden Glieder schwanken,
Im Knäul verworrner Träumerei
Verenden die Gedanken.

Der Tag war freudlos zugebracht,
Drum vor dem Schlafengehen
Wünsch' ich mir selbst zur guten Nacht,
Im Traume dich zu sehen.

All mein Erinnern werde still,
Mein Hoffen und mein Grämen;
Nur dich und deine Liebe will
Ich mit hinüber nehmen.
(S. 13)
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Schau, noch steht das Fenster offen,
Draus mein Lieb mit Mund und Hand
Heut in der Früh, heut in der Früh
Mir den letzten Gruß gesandt.

Nun das Abendroth verdunkelt,
Tritt sie nimmer in die Flur;
Weit in die Welt, weit in die Welt
Weinend sie von dannen fuhr.

Und im leeren Fensterrahmen
Schwankt ein Zweig von Rosmarin;
Zittert im Wind, zittert im Wind
Und ein Vöglein singt darin.

Sag, wer wird das Zweiglein brechen?
Sag, wer mir das Vöglein fängt?
Sag mir, wie lang, sag mir, wie lang
Wol ein Herz am Liebsten hängt?
(S. 14)
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Sie sagen All', du habest mich verlassen,
Erlegen sei dein Mut dem langen Leid,
Sie wispern's leis, sie schrei'n es auf den Gassen
Und wünschen Glück zur neuen Zeit.

Dein Vater schickt mir uns'rer Liebe Pfänder,
Zerdrückte Brieflein und ein Bischen Gold,
Vergessne Reime, halbvergilbte Bänder,
Und schreibt dazu, du habst es so gewollt.

Ich weiß nicht, ob sie deine Truhn erbrachen,
Ob du gefoltert eine Lüge sprachst,
Ich weiß nur, daß sie eitel Thorheit sprachen,
Daß du mir nimmerdar die Treue brachst.

Ich weiß nur, daß verbannt auch und mit Kränken
Dein Sinn an meiner Seele hängen muß,
Weil deines schönen Hauptes stilles Denken
Der beste Theil von meinem Genius.

Sie können's nicht und werden's nie begreifen,
Die dich bedräut um den verfehmten Mann,
Daß wahre Liebe selbst in Qual nur reifen,
In Glut sich stählen, doch nicht sterben kann.

Ich aber weiß es, daß du allerwegen
Mit Leib und Seele, sonder Wahl und Zwist
Auch ohne deiner Sippschaft Gunst und Segen
Mein Lieb, mein Weib durch Gottes Güte bist.

In diesem Glauben will ich Alles tragen,
Was täuschend du in Liebeslist ersannst,
Und darf dir unter Thränen lächelnd sagen:
Geh' hin, verlaß, vergiß mich, wenn du kannst!
(S. 19-20)
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Wenn du verraten mich am Tage,
Und wenn du nimmer mein gedacht,
Was kommst du weinend dann, o sage,
Im Traume zu mir jede Nacht?

Was streichst du mit den kleinen Händen
Mir durch das Haar wie dazumal,
Als deiner Augen süßes Blenden
Mein Herz, mein Glück, mein Leben stahl?

Wenn's wahr, was deine Briefe stammeln,
Daß du mich lassen kannst und mußt,
Warum auf's Haupt mir Dornen sammeln,
Und Kohlen auf die wunde Brust?

Laß mich in meinem Gram versinken!
Laß mich in meinem Schmerz vergehn!
Laß ab an's Ufer mir zu winken,
Wo meiner Hoffnung Gräber stehn!

Und doch, wenn dieses Scheinbild's Flehen
Herüberschwebt in meinen Traum,
Dünkt mich's wie goldner Schleier Wehen
Und meine Sehnsucht zwing' ich kaum.

Dann hör' ich wie aus feuchten Kissen
Ein bitter weinend Nachtgebet
Von sehnsuchtsvollem Gram zerrissen
Nach meiner Ferne wandern geht;

Dann kommt das Licht der alten Zeiten
Und fließt um dich wie Glorienschein,
Wie Glockentöne klingt's von Weiten
Und in mein Herz zieht Frieden ein.

Wenn du verraten mich am Tage
Und wenn du nimmer mein gedacht,
Wie käm dein Denken dann, o sage,
Dein Sehnen zu mir jede Nacht?
(S. 21-22)
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Sie hatte mich herzinnig lieb, ich weiß,
Wie wendig Mädchen ihren Liebsten haben.
Mein ist die Schuld, ich hab' mit blindem Fleiß
Mein eigen Glück getödtet und begraben.

Nicht daß ich sie gequält mit Eifersucht,
Mit Stolz und Aehnlichem, was Uebel stiftet:
Aus süßem Samen wuchs die herbe Frucht,
Die mir das Blut in Herz und Haupt vergiftet.

Ich liebte sie zu sehr und zeigt' es auch
Zu sehr, wie ihr mein ganzes Herz verpfändet.
Nährst du die Flamme, denk' auch an den Rauch!
Willst du das Glück, bedenk' auch, Glück verblendet!

Und ob der Falter seine Flügel schwärze,
Was kümmert es im Strahlenglanz die Kerze!
(S. 23)
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Seitdem du mich verlassen hast,
Verließ mich auch der Schlummer,
Unrast ward mein beständiger Gast,
Mein Bettgenoß der Kummer.

Ich glaub', auch du hast viel geweint,
Dein Auge sah ich glänzen;
Nun bist du ruhig, wie es scheint,
Und fährst zu Spiel und Tänzen.

Da stellt' ich mich an's Treppenhaus
In's gaffende Gedränge:
Ein Wagen hielt, du stiegst heraus,
Und Lob gieng durch die Menge.

Wie schien dein Putz zum Hohn mir gar!
Anstatt der Myrtenkrone,
Die einst ich träumt', umfieng dein Haar
Ein Kranz von rotem Mohne.

Die Blumen der Vergessenheit
Trugst du mit Lachen und Scherzen,
Da dacht' ich der vergangnen Zeit
Und sprach zum klopfenden Herzen:

Heut macht sie Glück, denn leicht und bunt
Trägt sie im Haargeflechte
Als Schmuck für eine lustige Stund
Den Schlummer meiner Nächte.
(S. 27-28)
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Zuweilen dünkt es mich, als hört'
Ich eures Hofhunds heiseres Gebelle,
Den ich so oft des Nachts aus seinem Schlaf gestört,
Wenn ich durch's thauige Gras zur wolbekannten Stelle
Mich schlich, vom süßen Wahn bethört.

Wie trieb im Pappelbaum der Wind sein Spiel,
Daß Blatt um Blatt gespenstisch rauschte,
Wenn ich empor zu deinem Fenster lauschte,
Aus dem das Lispelwort der Liebe fiel!
Wir lachten, seufzten, lachten wieder;
Ein Blumenstrauß, den du am Tag gepflückt,
Ein Handschuh, drauf du einen Kuß gedrückt,
Flog unversehens in den Kies hernieder.
Nach oben schaut' ich unverrückt,
Und doch, ich sah dich nicht, undeutlich nur
Hob sich das weiße Nachtkleid aus dem Dunkeln,
Derweil hoch über'm Dach durch der Augustnacht Funkeln
Ein Wetterleuchten um das andre fuhr -
Just wie geheimstes Sehnen sich verrät,
Aufblitzt und schweigt und wiederkommt und geht.

Wer bringt uns nun in ferner Einsamkeit
Ein Stündlein nur zurück aus jener schönen Zeit?
Mir ist es just, als seist auch du erwacht
Und sähst hinab zum Garten in die Nacht.
Der Hofhund bellt; warum? Es regt sich Nichts -
Nur über's lange Gras im Glanz des Mondeslichts
Schwebt elfenhaft vom Säuselwind getragen
Ein Traum von Lieb' und Glück aus halbverschollnen Tagen.
(S. 29-30)

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An Irene

Nachts wenn alle Rosen weinen,
Weil der Lenz im Sterben liegt,
Möcht' ich dir im Traum erscheinen,
Der ob deiner Wimper fliegt.

Was wir stolz im Busen tragen,
Was im Licht unsagbar ist,
Möcht' ich dich im Traume fragen:
Ob du wirklich glücklich bist?

Ob dich nie ein leises Sehnen
Nach den Sternen übermannt,
Nach dem Einen, den in Thränen
Du einst meinen Stern genannt?

Meinen Stern! Er ist versunken.
Sank auch deiner vor der Zeit?
Oder brachst du schlummertrunken
Schon das Kraut Vergessenheit?

Geisterhafte Wölkchen schweben
Um die feuchte Mondesbahn;
Daß wir beide noch am Leben,
Rührt mich manchmal seltsam an.

Und so manchmal muß ich meinen,
Daß dein Seufzer mich umfliegt,
Nachts, wenn alle Rosen weinen,
Weil der Lenz im Sterben liegt.
(S. 90-91)
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Traum

Der Gaukler Traum - ein schlimmes Zeichen! -
Trat in den Dienst der Zauberin
Und narrt mit Bildern ohne Gleichen
Mir vollends den betroffnen Sinn.

An eine fliehende Wolkenkette
Gefesselt schien die Erde mir.
Und mit den Wolken um die Wette
Und mit dem Winde flogen wir.

Sie saß vor mir auf ihrem Pferde
Und flüsterte, sie stürbe gern.
Von roten Funken stob die Erde.
Aus jedem Funken wuchs ein Stern.

Um meinen Hals wie weiße Schlangen
Wand sie die Arme nackt und fahl;
Ein Thränlein glitt von ihren Wangen,
Von ihrem Haar des Mondes Strahl.

Sie küßte mich und sprach ganz leise:
"Ich liebte dich, Gott weiß, wie lang!"
Dann frug sie: "Wohin geht die Reise?
Mir ist um unsre Seelen bang!"

Ich sprach: "Sei still! und laß uns reiten,
Weil's viel noch zu erreiten giebt,
Ein fernes Land und ferne Zeiten,
Wo ich zum ersten Mal geliebt."
(S. 94-95)
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Auf dem Wasser

Schön war die Nacht. Ich zog das Ruder ein.
Der Vollmond warf durch schwarzgezackte Bäume
Weithin auf's Wasser einen breiten Schein,
Und wob um alle Häupter Flammensäume.

Man hörte nichts als hie und da den Fall
Der Tropfen, die wie flüssig Silber nieder
Vom Ruder klatschten mit gelindem Schall,
Da hubst du an das schönste deiner Lieder.

Mir hat die wundersame Melodie
So überraschend an das Herz gesprochen.
Die beiden Ruder drückt' ich auf mein Knie
Und sah dich an. Der Zauber war gebrochen.

Langsam stromabwärts glitten wir zurück.
Die Andern lobten deine süße Kehle;
Ich tauchte schweigend nieder in mein Glück:
Mir galt dein Lied und mein war deine Seele!

Du lachtest laut, doch wo in sanftem Tanz
Die Wogen mondbeglänzt vorüberschießen,
Griffst du hinab und ließest ihren Glanz
Durch deine ausgespreizten Finger fließen.

Da faßt' ich unterm Wasser deine Hand,
Die kalt und warm in liebevoller Schnelle
All ihre Finger um die meinen wand.
Stumm über unsrem Bündniß floß die Welle.

So haben ohne Zeugen, ohne Wort
Wir unsre Liebe selig uns gestanden.
Nixen und Fische nur an jenem Ort
Die wissen was davon, wie wir uns fanden.

In's Weite stand mein Sinn. Da hat dein Lied
Mir auf dem Wasser unterm Mondenscheine
Den Willen umgewandt. Und so entschied
Mein Schicksal sich. Mein Schicksal und das deine.
(S. 96-97)
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Am anderen Tag
mit einer roten Camelie und einer weißen Nelke

Wenn heute bei verschlossnen Thüren
Dein Herz mit diesen Blumen spricht
Und sie die Lippen dir berühren,
Erröte nicht!

Weißt du, was ich sie sagen heiße,
Die rote volle Blume da
Und diese hier die duftige weiße?
Ich denke, ja.

Erinnern deuten sie und Sehnen,
Der Sinne Glut, der Seele Ruh',
Du lachst so gern und hast auch Thränen,
Wie schön bist du!

Dem Wunderbaum in Doppeblüte,
In Weiß und Rot, mein Gestern glich;
Du kluges Haupt, du Herz voll Güte
Gott segne dich!

Könnt' ich dich heut nach Wunsch begrüßen,
Die Blumen von Gebirg und Thal
Ich schüttete zu deinen Füßen
Sie allzumal.

Und wenn ich jedes Blatt beschriebe
Und gäb' ich Duft und Farbe Sinn,
Sie sprächen all', daß ich dich liebe
Und glücklich bin.
(S. 98-99)
_____



Was hilft's!

Was hilft es, vom Vergangenen genesen
Beim Wein?
Was hilft es, weise Bücher lesen?
Und weise sein?
Was hilft's, die Frauen und die Liebe lästern?
Ach, zwischen heut und gestern
Und zwischen Frost und Feuer ist
Nur kurze Frist!

War denn was mir besonders widerfahren
So viel?
Vor einer Stirn von zwanzig Jahren
Die Maske fiel.
Da schaut' ich blondes Haar und schwarze Brauen
Und Augen von den blauen.
Sie sprach: "Hast du dich satt gesehn?"
Und ließ mich stehn.

Sie ging ... und ich, kehrt auch die Sehnsucht wieder,
Vergaß
Was sie vom Scheitel bis zum Mieder
An Reiz besaß.
Vergessen war das Ebenmaß der Züge,
Der Lippen rote Lüge;
Nur eins vergaß ich nimmerdar:
Ihr Augenpaar.

Da sandt' ich Blumen aus, um sie zu werben.
Und sie?
Sie schrieb: "Ich bin verliebt zum Sterben,
Verliebt wie nie!"
So gingen wir selbander in die Falle.
Gott Amor narrt uns alle,
Er macht die Thoren aller Weisheit voll
Und Weise toll!
(S. 100-101)
_____



Vergib

Es war ein Tag, da war die Sonne blind,
Und eine Nacht, da jeder Stern versank,
Mein ganzes Denken flog wie Staub im Wind,
Mein Wollen war zum Tode krank.

Mir war's, als hielt ich mich an schwankem Ast,
Und hinter mir in Nebel, Nacht und Meer
Versänk', was vordem war, und eine Last
Von Flüchen heulte drüber her.

Mich focht kein Hoffen und kein Wunsch mehr an,
Ich meinte gar, ich hätte dich nicht lieb,
- Ich glaub', ich hab' dir bitter weh gethan.
Vergib!
(S. 105)
_____



Fügung

Ein eigner Segen, ein eigner Fluch
Hält mich an dich gefesselt allerwegen,
Ein wunderlicher Schicksalsspruch,
Ein eigner Fluch, ein eigner Segen.

Wie könnt' ich jemals dein vergessen,
Der, eh' ich dir im Herzen las,
Das, was ich liebte, nie besessen
Und nie geliebt, was ich besaß!
(S. 106)
_____



Aus!

Ich hasse dich! das war ihr letztes Wort.
Ich hasse dich! und damit lief sie fort.
So zuckt an schwülem Sommernachmittag
Aus hastigem Wolkenzug ein Wetterschlag,
Und prasselnd stürzt, eh' man sich bergen mag,
Ein Wolkenbruch auf dich hernieder,
Wo just noch Feld und Flur verschmachtend lag.
Vor deinen Füßen wächst in jachem Lauf
Ein Heer von Bächen, und es treiben drauf
Die jungen Rosen und der welke Flieder.
Es trieft dein Haar, es schaudern deine Glieder,
Du bist verblüfft - und doch du athmest auf.

Und endlich scheint die Sonne wieder.
Sie leuchtet, doch sie quält nicht mehr.
Auf Gras und Blumen liegt die Kreuz und Quer
Ein feuchter Perlen- und Juwelenhort.

Und alles ist, als wie vordem es war,
Nur nicht so drückend heiß und ach, wie klar!

Du schauderst freilich noch ein Weilchen fort.
Ich hasse dich! ... 's ist ein befremdlich Wort.
(S. 107-108)
_____

Aus: Gedichte von Hans Hopfen
Viertes Tausend Berlin 1883
A. Hofmann & Comp.
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_von_Hopfen


 


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