Karl Ludwig Kannegießer
(1781-1861)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Liebeslied
Versenkt in süße Träume,
Von Abendschein umwebt,
Durchwandl' ich diese Räume,
Die sie so oft durchschwebt,
Betrete diesen Boden,
Auf dem ihr Füßchen geht,
Von selben Windes Odem
Umweht, der sie umweht.
Wenn ich ein Lüftchen wäre,
Begleitet' ich sie leis,
Und wärmte, wenn es fröre,
Und kühlte, wär' es heiß.
Dürft' ich hinein nicht schweben,
Wohnt' ich doch an der Thür;
Ich würde mit ihr leben,
Und einst verwehn mit ihr.
Dann fing' ich ihre Seele
Aus ihren Lippen auf,
Und in des Himmels Säle
Trüg' ich sie hoch hinauf.
Doch kehrt ich schnell zurücke,
Und in die Brust geschwebt,
So würd' im Augenblicke
Die Liebliche belebt.
(S. 20-21)
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An ein Bildniß
Ich seh' es an und seh es an aufs neue,
Mir däucht, ich seh es nimmer zur Genüge,
So haben mich gebannt die süßen Züge,
Und traurig werd' ich, während ich mich freue.
Man sieht dir an die inn'ge Lieb' und Treue,
Und deine Schwärmerei ist keine Lüge,
Dieß sanfte Leid in jedem deiner Züge -
Ich seh dich an, und seh dich an aufs neue.
O wenn ich nun dich wirklich vor mir sähe,
Und lebend dieser Mienen stilles Sehnen,
So lieb und nah wie hier dein Bildniß, schaute;
Und seufzten diese Lippen Klagelaute,
Und füllten diese Augen sich mit Thränen -
O Gott, ich wüßte nicht, wie mir geschähe!
(S. 21-22)
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An Margaretha
Margaretha! Wie die Seele
Standst du unter den Gestalten da!
Unglückselig Glück, wer je dich sah!
Margaretha! Wie die Seele
Mir im süßen Rausch noch bebet, ha!
Frommts, ob ich es künd', ob hehle!
Margaretha! Wie die Seele
Standst du unter den Gestalten da!
(S. 22)
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Begrüßung
Sei mir traurig gegrüßt,
Du kehrst von Ihr, o Gitarre!
Fern ist die Liebliche, fern!
Süßer tönt ihr als sonst
Ihr fühlt noch, Saiten, der Finger
Holden belebenden Druck!
Ja ihr hallet noch nach
Die zart jungfräuliche Stimme,
Tönet denn, tönet nur Sie!
Wo Ihr Finger geschwebt,
Da soll der meinige schweben!
Singe du, Stimme, von Ihr!
Bis Sie wiederkehrt!
Dann beb' auch Ihr in die Seele!
Fülle den Busen Ihr ganz!
(S. 28)
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Minnelied
Ach, du bist der süße Frühling,
Und ich bin wol Busch und Wald,
Frühling geht im Wald spazieren,
Wald sieht Frühlings Huldgestalt.
Laben ihn die holden Mienen,
Und beginnt vor Lust zu grünen,
Tausend Arme auszustrecken,
Hüllet ihn in Blüthenflor,
Grüßet ihn an allen Ecken,
Singt ihm alle Lieder vor.
Ach, du bist die liebe Sonne,
Und ich bin wol Bach und Quell?
O du Erd' und Himmelswonne,
Machst die Tropfen frisch und hell.
Bach und Quell, er ist dein Spiegel,
Lächelt über Thal und Hügel!
Wie er sich so selig dünket,
Angestrahlt von deinem Blick!
Was er strahlet, was er blinket,
Lächelt er ja dich zurück.
Ach, du magst wol meine Seele,
Und ich nur mein Körper sein!
Scheint, als ob ich selbst mir fehle,
Was ich bin, es ist ja dein.
Ist es Himmel, ist es Erde!
Ob ich neu geboren werde?
Ja, ich möchte untergehen,
Wäre dann beglückt und reich;
Denn ich würde neu erstehen
Würde du und ich zugleich.
(S. 29-30)
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Das junge Mädchen
Jüngst belauscht' ich meine Schwester,
Wie sie saß mit Nachbars Lottchen
In der kühlen Gartenlaube.
Vieles konnt' ich nicht verstehen,
Denn sie flüsterten so leise,
Doch das Wörtchen Liebe hört' ich
Von der Einen und der Andern;
Und dann blitzten ihr Augen
Und dann seufzten sie so tief auf,
Lachten, weinten auch mitunter,
Und vermuthlich nur aus Liebe.
Doch ich kann das nicht begreifen!
Zwar, ich weiß doch auch, was Liebe,
Denn ich liebe meine Eltern,
Und den Bruder und die Schwester,
Auch mein Vögelein, das lieb' ich,
Und mein Gartenbeet mit Blumen,
Und mir ist recht wohl bei'm Lieben.
Doch, wenn ich auch oftmals lache,
So doch lach' ich, so doch funkeln
Mir die Augen nicht vor Liebe.
Und nun gar vor Liebe weinen
Und so tief, so tiefauf seufzen?
Möcht' ich doch so gerne wissen,
Was für Liebe das wol seyn mag!
Nicht die Schwester darf ich fragen
Und wer sagt es mir denn sonst wol? -
Still, ich geh zum jungen Nachbar,
Der mich immer freundlich grüßet,
Und so freundlich mit mir redet!
O, er weiß viel zu erzählen,
Täglich lernt er mehr und Schönes,
Alles weiß er zu erklären,
Und erklärt es mir so gerne.
Wenn er sie nur selber kennet,
Gerne lehrt er mich die Liebe,
Diese wunderliche Liebe!
(S. 30-32)
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Huldigung
Könnt' ich mein Herz dir zeigen,
Und was im Innern spricht,
Dir ganz und rein bezeugen,
Ach!
Könnt' ich! Ich kann es nicht.
Kann es das Wort bezeugen,
Ein inniges Gedicht!
Seid ihr die rechten Zeugen?
Ach!
Worte, ihr seid es nicht!
Ihr Töne, seid mir Zeugen,
Gebt ihr von mir Bericht!
Könnt ihr die Seele zeigen?
Ach!
Töne, ihr könnt es nicht.
So könnt' ich es nicht zeigen,
So thät' ich denn Verzicht,
Und müßte trauernd schweigen?
Ach!
Schweigen, ich kann es nicht.
O Huld, die dir so eigen,
Du Blick, der Güte spricht,
Laß mich, ich kann nicht schweigen,
Ach!
Schweigen, ich kann es nicht.
Nein, laß mich doch verschweigen,
Was sich nicht sagt, nicht spricht.
So künd' es dir mein Schweigen!
Ach!
Könnt' ich! Ich kann es nicht.
(S. 32-33)
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Die Gitarre
Der Morgenschlaf umfing mir heut
Nur halb noch Aug' und Sinn,
Da rauscht' es leise mir zuseit
Durch die Gitarre hin.
Was ist es, das dich reden heißt,
Wird dir die Nacht zu lang?
Berührte dich vielleicht ein Geist,
Träumtest du von Gesang?
Doch ganz erwacht verstand ich sie.
Horch, sprach der Ton, ich kling',
Und froh durchbebt's mich schon so früh.
Du aber dicht' und sing'!
O gerne folgt' ich solchem Wort,
Sieh, beide sind wir da.
Gitarre rauschet im Akkord,
Und ich auch singe ja.
Wol giebt es Süßes, Liebes viel,
Wer's nur vernimmt und sieht,
Und mir gefällt Gesang und Spiel,
Zumeist ein schlichtes Lied.
Doch diese holden Güter, traun,
Wie könnten sie erfreun?
Sie sind nur da, den edlen Fraun,
Den holden sie zu weihn.
O dir, die du so sanft und mild,
Klingt Lied und Leier an,
Und meine Seel ist freuderfüllt,
Daß ich dir singen kann.
(S. 34-35)
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Aus: Gedichte von
Karl Ludwig Kannegießer
Breslau 1824
Reinhard Friedrich Schoene's Buchhandlung
Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Ludwig_Kannegießer