Lilly Kutzner (1853-?) - Liebesgedichte

 

 

Lilly Kutzner
(1853-?)


Aschenbrödel

Aschenbrödel sitzt am Herd,
Muß die Erbsen lesen,
Aschenbrödel fegt das Haus,
Rühret Schipp' und Besen.

Über's gold'ne Ringelhaar
Sonnenstrahlen spielen,
Wie ein Lichtelf huscht es sacht
Über Trepp und Dielen.

Aschenbrödel dient im Haus,
Regt mit Lust die Hände,
Und die Arbeit, die es thut,
Nimmt ein flinkes Ende.

Gestern abend, hört nur an,
Draußen unter'm Flieder
Glitt der Aschenmantel ihm
Von den Schultern nieder.

Aschenbrödel, das als Magd
Durch das Haus gegangen,
Sah ich dort als Fürstin steh'n,
Und die Vöglein sangen:

Fürstin Liebe dienet gern,
Bar von Gold und Seide,
Dennoch bleibt sie Königin
Auch im Aschenkleide.
(S. 377)
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Und wenn ich sterbe

Und wenn ich sterbe, leg' auf's Herz
Mir einen Kranz Vergißmeinnicht,
Dann zieht durch meinen Todesschmerz
Sein Bild als süßes Traumgesicht.

Und wenn ich sterbe, blicke mich
Dein holdes Aug' noch einmal an,
Aus einem Himmel scheide ich,
In einen neuen geh' ich dann.
(S. 378)
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Liebesbrief

Ich kenn' eine Fee, wie das Mondlicht bleich,
Es folgen ihr viele Vasallen,
Sie trägt auf der Brust einen Hoffnungsstern,
Und Perlen den Wimpern entfallen.

Im Stirnbande blüht eine Rose ihr,
Die duftet von Lieb und von Leben,
So naht sie, bist fern' du, und weichet nicht,
Die Wiederkehr macht sie entschweben.

Erlöse mich bald von der Zauberin!
Und laß dir mein Briefchen gefallen!
Die Fee, sie heißt Sehnsucht, o süßer Freund,
Die Thränen sind ihre Vasallen.
(S. 378)
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Gedichte aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888


Biographie:

Kutzner, Frau Lilly, Ps. Almuth Roland, Klitschdorf, Kreis Bunzlau, ist am 20. Juni 1853 in Hirschberg, Schlesien, geboren, als die Tochter eines bekannten Schulmannes, unter dessen persönlicher Leitung sie in einem glücklichen Familienleben aufwuchs. Der Verkehr mit Gelehrten und Künstlern, sowie Reisen ins Ausland wirkten überaus fördernd auf ihr dichterisches Talent. 1874 verlobte sie sich mit einem jungen Dänen, den sie aber schon nach wenigen Jahren durch den Tod verlor. Nach dem Tode ihres Vaters zog sie nach Klitschdorf.

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
 

 

 


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